Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Gerichtsentscheid: Herausforderungen der Nachlasspflegschaft bei unbekannten Erben
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist eine Nachlasspflegschaft und wann wird sie angeordnet?
- Welche Rechte und Pflichten hat ein Nachlasspfleger?
- Wie unterscheiden sich Teil- und Gesamtnachlasspflegschaft?
- Wer trägt die Kosten einer Nachlasspflegschaft?
- Wie können bekannte Erben ihre Rechte während einer Nachlasspflegschaft wahrnehmen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 11.07.2024
- Aktenzeichen: 3 W 17/24
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren zur Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft
- Rechtsbereiche: Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Beteiligte zu 1: Tochter der Erblasserin
Rolle: Miterbin
Wesentliche Argumente: Sie ist als (Mit)erbin des hälftigen Erbteils bekannt und gesetzliche Miterbin, da sie die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen hat. - Beteiligter zu 3:
Rolle: Pflichtteilsberechtigter
Wesentliche Argumente: Hat einen Pflichtteilsanspruch gegenüber der Erblasserin, die Alleinerbin seines vorverstorbenen Vaters war.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Nach dem Tod der Erblasserin wurde um die Frage gestritten, ob eine Nachlasspflegschaft zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen bestellt werden muss. Die Tochter der Erblasserin war als Miterbin des hälftigen Erbteils bekannt, während der Verbleib des weiteren möglichen Erben, ihres Bruders, unbekannt ist.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob angesichts der bekannten Erben eine Gesamtpflegschaft erforderlich ist oder ob eine Teilnachlasspflegschaft wegen der unbekannten Erben des restlichen Erbteils angeordnet werden muss.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg wurde dahingehend abgeändert, dass nur eine Teilnachlasspflegschaft angeordnet wird.
- Begründung: Eine Gesamtpflegschaft ist nicht gerechtfertigt, da nicht alle Erben unbekannt sind. Für den unbekannten Erbteil ist nur eine Teilnachlasspflegschaft erforderlich.
- Folgen: Die Teilnachlasspflegschaft wird für den unbekannten Erbteil angeordnet, um die rechtlichen Interessen zu sichern. Die Beschwerdeführerin bleibt als bekannte Miterbin bestehen und keine Gerichtskostenentscheidung im Beschwerdeverfahren ist notwendig.
Gerichtsentscheid: Herausforderungen der Nachlasspflegschaft bei unbekannten Erben
Die Frage der Nachlasspflegschaft stellt Angehörige und Rechtsnachfolger oft vor komplexe Herausforderungen, insbesondere wenn die Erbengemeinschaft nicht vollständig geklärt ist. Die Suche nach möglichen Erben und die rechtliche Vertretung des Nachlasses erfordern ein sorgfältiges und systematisches Vorgehen, um die Interessen aller Beteiligten zu wahren.
Rechtliche Aspekte der Nachlassverwaltung berühren zahlreiche sensible Bereiche wie Erbschein, Pflichtteil und Vermögensverwaltung. Besonders knifflig wird es, wenn einzelne Erben unbekannt sind oder nicht ausfindig gemacht werden können. In solchen Fällen kann eine gerichtlich angeordnete Nachlasspflegschaft eine effektive Lösung sein, um Nachlassangelegenheiten professionell und rechtskonform zu regeln.
Die Redaktion stellt im Folgenden einen wegweisenden Gerichtsentscheid vor, der zentrale Fragen der Nachlasspflegschaft bei teilweise unbekannten Erben beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Nachlasspflegschaft für unbekannten Miterben bei Pflichtteilsanspruch

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem Erbschaftsfall die Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft für einen hälftigen Erbteil bestätigt. Im Mittelpunkt stand der Nachlass einer im Jahr 2023 verstorbenen Erblasserin, deren gesetzliche Erben ihre beiden Kinder sind. Während die Tochter als Miterbin eindeutig feststeht, bleibt der Verbleib ihres Bruders unbekannt.
Rechtlicher Hintergrund der Pflegschaftsanordnung
Die Notwendigkeit der Nachlasspflegschaft ergab sich aus einem Pflichtteilsanspruch gegen den Nachlass. Der Antragsteller hatte diesen Anspruch ursprünglich gegen die verstorbene Erblasserin, die zuvor Alleinerbin seines verstorbenen Vaters geworden war. Um seinen Anspruch nun gegen die Erben weiterverfolgen zu können, beantragte er die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft.
Unterschiedliche Behandlung der Erbteile
Das Gericht stellte klar, dass die Tochter der Erblasserin als gesetzliche Miterbin zu einem hälftigen Anteil feststeht. Sie hatte von der Erbschaft Kenntnis erlangt und diese nicht fristgerecht ausgeschlagen. Für die andere Hälfte des Erbes, die dem Bruder der Tochter zustehen würde, ordnete das Gericht eine Teilnachlasspflegschaft an, da sein Aufenthaltsort unbekannt ist und nicht festgestellt werden kann, ob er von seinem Erbfall überhaupt Kenntnis erlangt hat.
Juristische Grundlagen der Entscheidung
Das Oberlandesgericht Brandenburg stützte seine Entscheidung auf die §§ 1961, 1960 BGB. Diese ermöglichen die Bestellung eines Nachlasspflegers, wenn die Bestellung zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass von Berechtigten beantragt wird. Dabei betonte das Gericht, dass bei mehreren möglichen Erben für jeden Erben einzeln zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft vorliegen. Die Anordnung einer Gesamtpflegschaft sei nicht zulässig, wenn nur einzelne Erben unbekannt sind.
Die ursprüngliche Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg wurde durch das Oberlandesgericht Brandenburg teilweise abgeändert. Das Gericht ordnete die Teilnachlasspflegschaft ausschließlich für die unbekannten Erben des hälftigen Erbteils an – mit Ausnahme der bekannten Tochter der Erblasserin. Die Frage einer möglichen Verjährung des Pflichtteilsanspruchs wurde dabei bewusst ausgeklammert, da diese nicht im Nachlassverfahren zu prüfen sei.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt die Bedingungen für eine Teilnachlasspflegschaft bei unbekannten Miterben. Wenn nur ein Teil der Erben unbekannt ist, darf keine Gesamtpflegschaft für den kompletten Nachlass angeordnet werden, sondern nur eine Teilpflegschaft für den unbekannten Erbteil. Für jeden möglichen Erben muss einzeln geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Nachlasspflegschaft vorliegen. Dies ist besonders relevant, wenn Gläubiger Ansprüche gegen den Nachlass geltend machen wollen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als bekannter Erbe müssen Sie nicht befürchten, dass Ihr Erbteil unter Nachlasspflegschaft gestellt wird – diese betrifft nur die Anteile unbekannter Miterben. Sie können über Ihren Erbteil frei verfügen, auch wenn andere Miterben noch nicht gefunden wurden. Wenn Sie Forderungen gegen einen Nachlass durchsetzen möchten, können Sie für den unbekannten Teil des Erbes einen Nachlasspfleger bestellen lassen. Dies ermöglicht Ihnen, Ihre Ansprüche geltend zu machen, ohne alle Erben ausfindig machen zu müssen. Besonders wichtig ist dies bei Pflichtteilsansprüchen gegen einen Nachlass.
Benötigen Sie Hilfe?
Klarheit im Erbfall – auch bei unbekannten Erben
Die Regelung von Erbschaften, insbesondere wenn nicht alle Erben bekannt sind, ist oft mit Unsicherheiten und offenen Fragen verbunden. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Erbe zu wahren und im Umgang mit Nachlasspflegschaften die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ob es um die Sicherung Ihres Erbteils oder die Durchsetzung von Ansprüchen geht – wir stehen Ihnen mit unserer Expertise zur Seite.
Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und gemeinsam eine optimale Lösung zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist eine Nachlasspflegschaft und wann wird sie angeordnet?
Die Nachlasspflegschaft ist eine vom Nachlassgericht angeordnete Maßnahme zur Sicherung und Verwaltung eines Nachlasses nach § 1960 BGB. Sie kommt zum Einsatz, wenn der Nachlass nach dem Tod einer Person vorübergehend verwaltet werden muss, bis die Erben feststehen und ihre Ansprüche geltend machen können.
Voraussetzungen für die Anordnung
Eine Nachlasspflegschaft wird angeordnet, wenn ein Bedürfnis zur Sicherung des Nachlasses besteht. Dies ist insbesondere in folgenden Situationen der Fall:
- Der Erbe ist unbekannt
- Es ist unklar, ob der Erbe die Erbschaft annimmt
- Der Aufenthaltsort eines bekannten Erben ist unbekannt
Ablauf und Durchführung
Das Nachlassgericht bestellt einen Nachlasspfleger, der als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben fungiert. Der Nachlasspfleger hat dabei folgende zentrale Aufgaben:
- Ermittlung und Sicherung des Nachlasses
- Verwaltung der Vermögenswerte
- Suche nach den rechtmäßigen Erben
- Erstellung eines Nachlassverzeichnisses
Beendigung der Nachlasspflegschaft
Die Nachlasspflegschaft endet automatisch, wenn die Erben ermittelt sind oder kein Sicherungsbedürfnis mehr besteht. Das Nachlassgericht hebt die Nachlasspflegschaft durch einen Aufhebungsbeschluss auf.
Stellen Sie sich vor, ein Erblasser verstirbt ohne bekannte Angehörige, hinterlässt aber ein Haus mit laufenden Verpflichtungen. In diesem Fall würde ein Nachlasspfleger bestellt, der sich um die Immobilie kümmert, Mietzahlungen verwaltet und parallel nach möglichen Erben sucht.
Die Kosten der Nachlasspflegschaft trägt der Erbe. Die Jahresgebühr beträgt 10 Euro je angefangene 5.000 Euro Nachlasswert, mindestens jedoch 200 Euro.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Nachlasspfleger?
Der Nachlasspfleger ist der gesetzliche Vertreter der unbekannten Erben und hat weitreichende Befugnisse zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses.
Zentrale Pflichten des Nachlasspflegers
Der Nachlasspfleger muss den Nachlass aktiv sichern und verwalten. Dazu gehört, dass er den Nachlass zunächst in Besitz nimmt und ein Nachlassverzeichnis erstellt. Er ist verpflichtet, die Vermögensinteressen der künftigen Erben zu wahren und muss dabei nach pflichtgemäßem Ermessen handeln.
Zu seinen konkreten Aufgaben gehört die Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten, wie etwa die Beleuchtung eines Hauseingangs oder die Streupflicht im Winter. Auch muss er bestehende Mietverhältnisse verwalten und bei Bedarf beenden.
Befugnisse und Vertretungsmacht
Der Nachlasspfleger hat umfangreiche Handlungsmöglichkeiten:
- Er darf über Nachlassgegenstände verfügen und Verbindlichkeiten begründen
- Er kann die Erben vor Gericht vertreten
- Er hat einen Herausgabeanspruch für Nachlassgegenstände gegenüber jedermann
- Er darf Nachlassverbindlichkeiten begleichen, wenn dies zur Schadensvermeidung notwendig ist
Einschränkungen der Befugnisse
Die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers ist in bestimmten Bereichen begrenzt. Er darf keine höchstpersönlichen Rechte der Erben wahrnehmen. Das bedeutet konkret:
- Er kann die Erbschaft nicht ausschlagen
- Er darf keinen Erbschein beantragen
- Er ist nicht befugt, die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen
- Er darf keine Schenkungen aus dem Nachlass vornehmen, außer wenn dies einer sittlichen Pflicht entspricht
Der Nachlasspfleger untersteht der Aufsicht des Nachlassgerichts und muss diesem regelmäßig Rechenschaft über seine Tätigkeit ablegen. Er haftet den Erben gegenüber für vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Schäden.
Wie unterscheiden sich Teil- und Gesamtnachlasspflegschaft?
Die Teilnachlasspflegschaft und die Gesamtnachlasspflegschaft unterscheiden sich grundlegend in ihrem Umfang und den Voraussetzungen für ihre Anordnung.
Teilnachlasspflegschaft
Eine Teilnachlasspflegschaft wird angeordnet, wenn nur für einen bestimmten Erbteil oder einen einzelnen Miterben eine Sicherung erforderlich ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn in einer Erbengemeinschaft nur ein einzelner Miterbe unbekannt ist oder sein Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann.
Der Nachlasspfleger verwaltet dann ausschließlich den betreffenden Erbteil. Die bekannten Miterben behalten ihre vollen Verwaltungs- und Verfügungsrechte über ihre eigenen Erbteile. Stellen Sie sich vor, drei Geschwister erben zu gleichen Teilen, aber eines der Geschwister ist verschollen – dann wird nur für dieses Drittel eine Teilnachlasspflegschaft eingerichtet.
Gesamtnachlasspflegschaft
Bei der Gesamtnachlasspflegschaft hingegen wird der gesamte Nachlass unter die Verwaltung eines Nachlasspflegers gestellt. Diese Form wird angeordnet, wenn der oder die Erben völlig unbekannt sind oder wenn generell Ungewissheit über die Annahme der Erbschaft besteht.
Der wesentliche Unterschied liegt in den Befugnissen des Nachlasspflegers: Bei der Teilnachlasspflegschaft beschränken sich seine Befugnisse nur auf den betroffenen Erbteil, während er bei der Gesamtnachlasspflegschaft den kompletten Nachlass verwaltet und sichert.
Praktische Bedeutung
Die Unterscheidung ist besonders relevant für die Handlungsfähigkeit der bekannten Erben. Bei einer Teilnachlasspflegschaft können diese weiterhin über ihre Erbteile verfügen. Wenn Sie also als bekannter Miterbe von einer Teilnachlasspflegschaft betroffen sind, können Sie Ihren eigenen Erbteil weitgehend unabhängig verwalten.
Die Voraussetzungen für die Anordnung werden für jeden Erbteil und jeden in Betracht kommenden Erben gesondert geprüft. Das Nachlassgericht ordnet dabei immer die mildeste Form der Pflegschaft an, die zur Sicherung des Nachlasses erforderlich ist.
Wer trägt die Kosten einer Nachlasspflegschaft?
Die Kosten einer Nachlasspflegschaft werden grundsätzlich aus dem Nachlass bestritten. Wenn Sie mit einer Nachlasspflegschaft konfrontiert sind, müssen Sie mit zwei wesentlichen Kostenarten rechnen:
Gerichtskosten
Die Gerichtskosten werden nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) berechnet. Die Jahresgebühr beträgt 10 Euro je angefangene 5.000 Euro Nachlasswert, wobei ein Mindestbetrag von 200 Euro anfällt.
Vergütung des Nachlasspflegers
Die Höhe der Vergütung des Nachlasspflegers richtet sich nach dessen Qualifikation und dem Arbeitsaufwand. Der Stundensatz liegt aktuell bei etwa 95 Euro außerhalb von Ballungsräumen und bei 120 Euro in Ballungsgebieten. Bei einem anwaltlichen Nachlasspfleger kann der Stundensatz je nach Schwierigkeit des Falls zwischen 100 und 110 Euro netto pro Stunde betragen.
Besonderheiten bei der Kostentragung
Bei einem teilmittellosen Nachlass haben die Vergütungsansprüche des Nachlasspflegers Vorrang vor den Gerichtskosten. Wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die Kosten zu decken, übernimmt die Staatskasse die Mindestvergütung des Nachlasspflegers.
Der Nachlasspfleger kann zusätzlich Aufwendungsersatz für Barauslagen wie Portokosten, Fotokopien oder Telefonkosten geltend machen. Wenn ein Rechtsanwalt als Nachlasspfleger bestellt wird, kann er auch Kosten für berufstypische Tätigkeiten wie Prozessführung oder Vertragserstellung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnen.
Die Höhe der Vergütung wird vom Nachlassgericht durch Beschluss festgesetzt, entweder als prozentualer Anteil am Gesamtnachlass oder als Stundenlohn entsprechend der beruflichen Qualifikation. Ehrenamtliche Nachlasspfleger erhalten keine Vergütung, sondern lediglich Aufwendungsersatz.
Wie können bekannte Erben ihre Rechte während einer Nachlasspflegschaft wahrnehmen?
Bekannte Erben behalten auch während einer Nachlasspflegschaft grundsätzlich ihre Rechte am Nachlass, müssen jedoch einige wichtige Einschränkungen beachten.
Grundlegende Rechtsstellung
Als bekannter Erbe bleiben Sie rechtlicher Eigentümer Ihres Erbanteils. Die Nachlasspflegschaft schränkt lediglich Ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ein. Der Nachlasspfleger wird als Ihr gesetzlicher Vertreter tätig und verwaltet den Nachlass in Ihrem Interesse.
Informations- und Auskunftsrechte
Sie haben als bekannter Erbe ein umfassendes Recht auf Information über alle relevanten Entwicklungen im Nachlassverfahren. Der Nachlasspfleger muss Sie aktiv über den Stand der Nachlassverwaltung unterrichten und Sie bei wichtigen Entscheidungen einbeziehen.
Mitwirkungsmöglichkeiten
Bei der Verwaltung des Nachlasses können Sie:
- Stellungnahmen zu geplanten Maßnahmen des Nachlasspflegers abgeben
- Anregungen zur Verwaltung des Nachlasses einbringen
- Beim Nachlassgericht Beschwerden gegen Maßnahmen des Nachlasspflegers einreichen
Beendigung der Nachlasspflegschaft
Sie können als bekannter Erbe die Aufhebung der Nachlasspflegschaft beim Nachlassgericht beantragen, wenn die Voraussetzungen für die Nachlasspflegschaft entfallen sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn alle Erben ermittelt wurden oder kein Sicherungsbedürfnis mehr besteht.
Während der Nachlasspflegschaft müssen Sie die Verwaltungsbefugnis des Nachlasspflegers respektieren. Eigenmächtige Verfügungen über Nachlassgegenstände sind nicht zulässig. Der Nachlasspfleger ist verpflichtet, den Nachlass im Interesse aller Erben zu verwalten und zu sichern.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Nachlasspflegschaft
Eine gerichtlich angeordnete Vertretung für einen unbesetzten oder nicht verwalteten Nachlass. Sie wird eingerichtet, wenn Erben unbekannt, verschollen oder handlungsunfähig sind. Der Nachlasspfleger verwaltet das Erbe und vertritt die Interessen der unbekannten Erben. Gesetzlich geregelt in §§ 1960-1962 BGB. Beispiel: Wenn ein Erbe nicht auffindbar ist, kann ein Nachlasspfleger bestellt werden, um dessen Erbteil zu verwalten und wichtige Entscheidungen zu treffen.
Pflichtteilsanspruch
Ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass für nahe Verwandte (Ehepartner, Kinder, Eltern), auch wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanteils und ist ein reiner Geldanspruch gegen die Erben (§ 2303 BGB). Beispiel: Enterbt ein Vater seinen Sohn im Testament vollständig, kann dieser trotzdem seinen Pflichtteil in Höhe von 50% seines gesetzlichen Erbes einfordern.
Erbengemeinschaft
Eine Zwangsgemeinschaft mehrerer Erben, die den Nachlass gemeinsam verwalten müssen. Sie entsteht automatisch, wenn mehrere Personen Erben werden (§ 2032 BGB). Alle Entscheidungen über den Nachlass müssen einstimmig getroffen werden. Die Erbengemeinschaft besteht bis zur vollständigen Auseinandersetzung (Aufteilung) des Nachlasses. Beispiel: Zwei Geschwister erben gemeinsam ein Haus – sie müssen sich über Vermietung oder Verkauf einig werden.
Teilnachlasspflegschaft
Eine spezielle Form der Nachlasspflegschaft, die sich nur auf einen bestimmten Teil des Nachlasses oder den Anteil eines unbekannten Erben bezieht. Sie wird angeordnet, wenn nur einzelne Erben unbekannt sind oder ihr Erbteil gesondert verwaltet werden muss (§ 1961 BGB). Beispiel: Bei zwei Erben ist einer bekannt und einer verschollen – die Teilnachlasspflegschaft wird nur für den Anteil des Verschollenen eingerichtet.
Erbausschlagung
Die rechtliche Möglichkeit, ein Erbe abzulehnen. Die Ausschlagung muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden (§ 1944 BGB). Sie ist unwiderruflich und führt dazu, dass der Ausschlagende als nie geerbt gilt. Ein wichtiges Instrument bei überschuldeten Nachlässen. Beispiel: Ein Erbe schlägt eine Erbschaft aus, um nicht für die Schulden des Verstorbenen haften zu müssen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1960 BGB (Nachlasspflegschaft): Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers. Ein Nachlasspfleger wird bestellt, wenn ein Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat und die Annahme ungewiss oder der Erbe unbekannt ist. Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, um die Interessen der Gläubiger zu schützen.
Im vorliegenden Fall war ein weiterer potenzieller Erbe unbekannt, weshalb eine Nachlasspflegschaft notwendig wurde. Da die Existenz dieses Erben ungewiss war, konnte das Gericht keinen Gesamtpfleger bestellen, sondern nur eine Teilpflegschaft anordnen.
- § 1961 BGB (Bestellung eines Nachlasspflegers): Diese Vorschrift spezifiziert die Bedingungen, unter denen das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger bestellt. Insbesondere geht es darum, dass ein Nachlasspfleger zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Nachlass bestellt wird, wenn der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat oder unbekannt ist.
In dem Fall bestand die Notwendigkeit, einen Nachlasspfleger zu bestellen, um den Pflichtteilsanspruch des Beteiligten zu 3. gegenüber den unbekannten Erben durchzusetzen. Da die restlichen Erben ungewiss waren, musste eine Teilpflegschaft angeordnet werden.
- § 1944 BGB (Ausschlagung der Erbschaft): Diese Vorschrift regelt die Bedingungen und Fristen, unter denen ein Erbe die Erbschaft ausschlagen kann. Eine Ausschlagung muss innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen und kann nicht rückwirkend erfolgen.
Die Beschwerdeführerin in diesem Fall hatte die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen, was dazu führte, dass sie als Erbin gilt. Dadurch konnte das Nachlassgericht feststellen, welche Anteile der Erbschaft bereits feststehen und welche noch ungewiss sind.
- § 1958 BGB (Ungültige Anfechtung der Annahme): Diese Norm behandelt die Möglichkeit, nach der Annahme der Erbschaft Ansprüche gegen den Erben geltend zu machen, insbesondere wenn die Annahme der Erbschaft unter bestimmten Bedingungen erfolgt ist.
Im Gerichtsurteil wurde festgestellt, dass die Frage der Verjährung im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsanspruch nicht im Nachlassverfahren geprüft werden muss. Dies zeigt, dass bestimmte rechtliche Einreden außerhalb des Nachlassverfahrens liegen und separat behandelt werden.
- § 58 Abs. 1 FamFG (Beschwerde in Nachlasssachen): Diese Vorschrift regelt die Zulässigkeit von Beschwerden in nachlassrechtlichen Verfahren. Eine Beschwerde ist statthaft, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und das Verfahren korrekt eingehalten wurde.
In dem vorliegenden Fall wurde die Beschwerde der Beteiligten zu 1. als statthaft und zulässig anerkannt, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden war. Dies ermöglichte dem Gericht, die Anordnung der Teilnachlasspflegschaft angemessen zu überprüfen und zu ändern.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 17/24 – Beschluss vom 11.07.2024
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