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Nachlasspflegschaft – Voraussetzungen der Einschaltung eines gewerblichen Erbenermittlers

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 192/13 – Beschluss vom 05.03.2014

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: bis 65.000,00 EUR.

Gründe

I.

Die Erblasserin ist gesetzlich beerbt worden; in einem gemeinschaftlichen Testament vom 4. Mai 1972 hatten die Erblasserin und ihr 2010 vorverstorbener Ehemann nur die Erbfolge nach dem Erstversterbenden geregelt. Mit notariell beurkundeten Erklärungen vom 19. Juli 2012 hat die Beteiligte zu 1. einen sie als Miterbin zu ½-Anteil, nämlich als einzige Erbin in der mütterlichen Abstammungslinie der Erblasserin, ausweisenden Teilerbscheins beantragt. Diesen Antrag hat das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung mangels ausreichender Nachweise gemäß § 2356 Abs. 1 BGB zurückgewiesen; infolge dieser Mängel könne nicht festgestellt werden, ob die Erbquote der Beteiligten zu 1. ½ oder lediglich ¼ betrage, und eine Änderung ihres Teilerbscheinsantrages auf die vorbezeichnete Mindestquote habe sie nicht vorgenommen.

Gegen diesen ihr am 17. August 2013 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrem Rechtsmittel unter dem 4. September 2013, das am 6. September 2013 beim Nachlassgericht eingegangen ist und dessen Begründung sie mit weiterer Schrift vom 1. November 2013 ergänzt hat.

Das Nachlassgericht hat mit weiterem, eingehend begründeten Beschluss vom 30. September 2013 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte und der Testamentsakte 124 IV 157/10 AG Krefeld Bezug genommen.

II.

Das als befristete Beschwerde statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Nachlassgericht ihren auf gesetzliche Erbfolge gestützten Erbscheinsantrag aufgrund des derzeitigen Aktenstandes zurückgewiesen.

a) Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat die in § 2354 Abs. 1 BGB genannten Angaben zu machen. Hierzu zählt das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht. Die Richtigkeit (unter anderem) dieser Angabe hat der Antragsteller gemäß § 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Die Bedeutung dieser Vorschrift ergibt sich aus ihrem Zusammenhang mit § 2359 BGB, wonach ein Erbschein nur zu erteilen ist, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. § 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält bezüglich der nach § 2359 BGB erforderlichen Überzeugungsbildung des Nachlassgerichts eine Beschränkung der Beweismittel auf öffentliche Urkunden. Als Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestimmt § 2356 Abs. 1 Satz 2 BGB allerdings, dass von dem vorstehend dargestellten Grundsatz eine Ausnahme zu machen ist, falls die Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind; dann genügt die Angabe anderer Beweismittel. Das bedeutet aber nicht, dass auf die volle Überzeugung des Nachlassgerichts von den den Antrag begründenden Tatsachen verzichtet werden könnte. Vielmehr müssen die anderen Beweismittel ähnlich klare und verlässliche Folgerungen ermöglichen wie eine öffentliche Urkunde, wobei angesichts der Bedeutung der Nachweise strenge Anforderungen zu stellen sind. Im einzelnen ist die Beschaffung einer öffentlichen Urkunde unverhältnismäßig schwierig, wenn die Kosten, die Mühe oder etwaige mit der Beschaffung verbundene Risiken gegenüber dem Wert der formellen Nachweispflicht als unangemessen erscheinen. Hierbei ist für den Regelfall anerkannt, dass allein die mit der Beschaffung der öffentlichen Urkunden verbundene Zeit und damit auch eine vorhersehbare erhebliche Verzögerung der Erbscheinserteilung allein nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit führt. Sind hingegen die Voraussetzungen gegeben, kommen als sonstige Beweismittel in Betracht: sonstige Urkunden, die mit ausreichender Sicherheit Angaben über den Personenstandsfall enthalten, z.B. die nicht als Gegenstand der Personenstandsbeurkundung aufgefassten sonstigen Eintragungen in Personenstandsbüchern und -urkunden; der Zweite Teil des Familienbuchs nach dem Personenstandsgesetz 1937; die Anzeige des Todesfalls durch das Standesamt an das eine Verfügung von Todes wegen verwahrende Nachlassgericht oder Notariat; die Mitteilungen der betreffenden Dienststellen für Kriegsteilnehmer der beiden Weltkriege; im Einzelfall auch Ahnenpässe und Taufscheine; darüber hinaus in besonders gelagerten Einzelfällen Zeugenaussagen und schließlich nach umstrittener Auffassung eidesstattliche Versicherungen Dritter (zu Vorstehendem: OLG Schleswig NJW-RR 2013; S. 1166 f und OLG München NJW-RR 2006, S. 226 f, jeweils m.w.Nachw.; MK-J. Mayer, BGB,6. Aufl. 2013, § 2356 Rdnr. 42 f; BeckOK BGB – Siegmann/Höger, Stand 01.11.2013, § 2356 Rdnr. 10; Palandt-Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 2356 Rdnr. 10).

An alledem ändern die Bestimmungen des § 2358 BGB nichts. Wenn es im dortigen Abs. 1 heißt, das Nachlassgericht habe die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen, bedeutet dies nicht, dass das Gericht von Amts wegen die nach §§ 2354, 2356 BGB vom Antragsteller vorzulegenden Nachweise selbst zu beschaffen hätte. Aufzuklären hat das Nachlassgericht vielmehr über die vom Antragsteller vorgelegten Nachweise als solche hinausgehenden Fragen, namentlich familienrechtlicher Art, etwa zum Güterstand bei Ehegatten, zu einer Scheidung, einer Adoption oder dem Vorhandensein nichtehelicher Kinder, ferner möglicherweise zur Staatsangehörigkeit des Erblassers oder dessen exaktem Todeszeitpunkt, schließlich bei Ausschlagungen der Erbschaft sowie Anfechtungen von Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft deren jeweilige Wirksamkeit. Soweit dann noch § 2358 Abs. 2 BGB die Möglichkeit vorsieht, das Nachlassgericht könne eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der anderen Personen zustehenden Erbrechte erlassen, stellt dieses Vorgehen nur das letzte Mittel dar, wenn sich die Beibringung der nach §§ 2354, 2356 BGB erforderlichen Nachweise als schlechterdings undurchführbar erwiesen hat (vgl. Palandt-Weidlich a.a.O., § 2358 Rdnr. 13 m.w.N.).

b) Die zuvor dargestellten Grundsätze sind auch im hier gegebenen Fall anzuwenden, insbesondere folgt nichts für die Beteiligte zu 1. Günstigeres daraus, dass ein gewerblicher Erbenermittler eingeschaltet worden ist.

Es ist bereits fraglich, ob und gegebenenfalls unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Umstand, dass – wovon nach Aktenlage auszugehen ist – mit dem Erbenermittler eine Stelle zur Verfügung steht, die die Nachweisobliegenheiten der Beteiligten zu 1. erfüllen könnte, überhaupt geeignet sein kann, die Anforderungen an die von der Beteiligten zu 1. im vorliegenden Erbscheinsverfahren zu erbringenden Nachweise nach Art oder Umfang zu verringern. Jedenfalls würde eine solche Reduzierung voraussetzen, dass der Erbenermittler seine Erkenntnisse aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens der Beteiligten zu 2. oder des Nachlassgerichts erlangt hätte; denn wurde der Erbenermittler ordnungsgemäß eingeschaltet und erlangte er lediglich faktisch Erkenntnisse und Nachweismöglichkeiten, die denjenigen der Beteiligten zu 1. überlegen sind, ist nicht zu erkennen, wieso diese überlegenen Erkenntnisse und Möglichkeiten der Beteiligten zu 1. zugute kommen sollten, wenn sie es ablehnt, sich ihrer zu den vom Erbenermittler gewünschten Bedingungen zu bedienen.

Hier erweist sich die Einschaltung des Erbenermittlers als rechtmäßig.

Die Möglichkeit der Einschaltung eines derartigen Erbenermittlers durch einen Nachlasspfleger wird in der Rechtsprechung und weitestgehend auch im Schrifttum bejaht. Dem ist zu folgen. Die Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 Abs. 2 BGB ist ein Unterfall der Pflegschaft, und auf diese finden nach § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, damit unter anderem § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB. Aus dieser Vorschrift ist abzuleiten, dass die Pflegschaft als solche ebensowenig übertragbar ist wie einzelne Tätigkeiten, die den persönlichen Einfluss des Pflegers erfordern; soweit hingegen solche Fälle nicht gegeben sind, kann sich der Pfleger Hilfspersonen bedienen und Aufgaben anderen Personen übertragen. Letzteres ist bei der Ermittlung unbekannter Erben der Fall, denn sie bedarf weder des persönlichen Einflusses des Nachlasspflegers, noch berührt sie die Nachlasspflegschaft als solche (OLG Celle StAZ 1998, S. 81 ff; OLG Bremen StAZ 1998, S. 255 ff; OLG Frankfurt NJW-RR 2000, S. 960 ff, OLG Schleswig FGPrax 2005, S. 129 f).

Von dieser grundsätzlichen Frage zu trennen ist jedoch diejenige, in welcher Form der Erbenermittler eingeschaltet werden kann, mithin in welcher Rechtsbeziehung er zum Nachlasspfleger zu stehen hat. Insoweit wird teilweise gefordert, der Nachlasspfleger habe als Vertreter der unbekannten Erben mit dem gewerblichen Erbenermittler einen Geschäftsbesorgungs- oder Dienstvertrag zu schließen, durch den dieser namentlich verpflichtet werde, dem Nachlasspfleger die Ermittlungsergebnisse bekannt zu geben; die Höhe der Vergütung habe sich am tatsächlichen Aufwand an Zeit und Sachmitteln im Rahmen des allgemein Üblichen und Angemessenen zu orientieren (Holl Rpfleger 2008, S. 285/287). Dem wird zunächst entgegengehalten, auf der Grundlage derartiger Abreden dürfte es nahezu ausgeschlossen sein, einen gewerblichen Erbenermittler zu gewinnen, weil diese Form der Einschaltung für ihn auch dann nicht lukrativ wäre, wenn man bedenke, dass der Erbenermittler bei solchen Vereinbarungen ein Entgelt auch dann erhielte, wenn er Erben gar nicht ermitteln könne (Niewerth/Neun/Schnieders Rpfleger 2009, S. 121/122; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 3. Aufl. 2013, Rdnr. 677). Dementsprechend geht ein Nachlasspfleger in der Praxis typischerweise kein Vertragsverhältnis – auch kein Auftragsverhältnis – mit dem Erbenermittler ein. Vielmehr trägt er an diesen den betreffenden Fall lediglich heran und übergibt ihm seine Unterlagen zusammen mit einer Ermittlungsvollmacht (die den Erbenermittler berechtigt, in Personenstandsbücher der Standesämter und sonstige Akten und Archive Einsicht zu nehmen). Auf diese Weise wird einerseits der Nachlass mit keiner Forderung des Erbenermittlers belastet – weder auf Honorar- noch auf Auslagenersatz -, andererseits besteht keine Pflicht des Erbenermittlers, seine Ermittlungsergebnisse dem Nachlasspfleger oder gar dem Nachlassgericht zu überlassen. Der Erbenermittler wendet sich alsdann an den von ihm aufgefundenen Erben und macht diesem gegenüber die Offenlegung der von ihm gewonnenen Erkenntnisse vom Abschluss einer Vergütungs- und Abwicklungsvereinbarung abhängig.

Die Bedenken gegen ein solches Vorgehen bestehen zum einen darin, dass das Nachlassgericht zwar von einem Nachlasspfleger jederzeit Berichte über den Stand seiner Ermittlungen verlangen kann, nicht aber vom Erbenermittler. Zum anderen und vor allem werden dadurch die gesetzlichen Vergütungsregelungen für Nachlasspfleger unterlaufen – die von gewerblichen Erbenermittlern üblicherweise geforderten Entgelte liegen derart weit über den Vergütungen für Nachlasspfleger, dass diese selbst auf der Grundlage eines Stundensatzes von netto 100,00 EUR regelmäßig mehrere hundert oder gar tausend Stunden für die Erbenermittlung aufwenden könnten, bis der Nachlass mit einem ähnlich hohen Betrag belastet wäre – und entsteht für den angegangenen Erben eine Drucksituation, indem er vor der Entscheidung steht, entweder den vom Erbenermittler verlangten Betrag (zumindest größtenteils) zu zahlen oder die Erbschaft wahrscheinlich nicht zu erhalten. Diesen Bedenken kann indes durch sinnvolle Begrenzungen der Möglichkeit des zuvor geschilderten Vorgehens hinreichend Rechnung getragen werden. Zunächst darf der Nachlasspfleger den Erbenermittler nur in der Weise einschalten, dass er selbst (der Pfleger) noch „Herr des Verfahrens“ bleibt; insbesondere ist es dem Nachlasspfleger verwehrt, sich zu verpflichten, die Erbenermittlung nicht mehr selbst zu betreiben, oder den Erbenermittler davon freizustellen, ihn, den Pfleger, regelmäßig über den Stand seiner Ermittlungen dem Ergebnis nach – nicht über die Ermittlungsergebnisse im einzelnen – zu informieren (Niewerth/Neun/Schnieders a.a.O., S. 123; J. Mayer ZEV 2010, S. 445/448; jeweils m.w.Nachw.). Darüber hinaus ist die Einschaltung eines Erbenermittlers ein Vorgang von solchem Gewicht, dass der Nachlasspfleger diese dem Nachlassgericht zuvor anzuzeigen hat (Zimmermann, a.a.O., Rdnr. 679); nicht hingegen bedarf die Einschaltung des Erbenermittlers durch den Nachlasspfleger der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, weil mit der Einschaltung auf die oben beschriebene Weise, das heißt auf eigenes Risiko des Ermittlers, der Nachlasspfleger wegen des Ausschlusses der Vergütung gerade keine rechtsgeschäftliche Verfügung über den Nachlass als solchen oder einen Teil hiervon trifft (OLG Frankfurt a.a.O.). Des weiteren stellt sich die beschriebene Einschaltung eines gewerblichen Erbenermittlers nur dann nicht als pflichtwidriges Verhalten des Nachlasspflegers dar, wenn sie erforderlich ist, insbesondere nicht verfrüht erfolgt. Regelmäßig darf ein Nachlasspfleger einen Erbenermittler deshalb erst einschalten, wenn er zuvor alle erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung selbst unternommen hatte und diese erfolglos geblieben waren; das gilt auch für gesetzliche Erben der dritten Ordnung (Zimmermann a.a.O.; LG Berlin ZEV 2012, S. 413 f). Weist der gegebene Einzelfall, auf dessen Umstände es insoweit letztlich entscheidend ankommt (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.), hingegen Besonderheiten auf, erscheint auch die Einschaltung des Ermittlers durch den Nachlasspfleger ohne vorangegangene eigene Bemühungen zulässig. Eine solche Ausnahmesituation wird bei erforderlichen Ermittlungen im Ausland sowie bei Sachverhalten der Auswanderung oder Flucht angenommen (Zimmermann a.a.O.; Holl a.a.O., S. 286). Dem schließt sich der Senat an. Denn es darf nicht übersehen werden, dass bei derartigen Fallgestaltungen die Hinzuziehung gewerblicher Erbenermittler in Anbetracht der dadurch gegebenen Professionalität für die überwiegende Zahl der mit der Ermittlung unbekannter Erben betrauten Nachlasspfleger die einzige Möglichkeit ist, ihrem Auftrag gerecht zu werden, und anerkanntermaßen bei Aufgaben, die besondere, beim Pfleger nicht vorhandene Kenntnisse erfordern, nach Lage des Falles die Heranziehung eines sachkundigen Dritten nicht nur zulässig, sondern geboten sein kann (OLG Bremen a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; Niewerth/Neun/Schnieders a.a.O., S. 123; J. Mayer a.a.O.; Zimmermann a.a.O.).

Danach war im vorliegenden Fall die Einschaltung des gewerblichen Erbenermittlers in der tatsächlich erfolgten Form pflichtgemäß. Die Beteiligte zu 2. übertrug ihre Nachlasspflegschaft schon deshalb nicht vollständig auf den Erbenermittler, weil ihr immer noch der – keineswegs unbedeutende – Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses verblieb. Vor Einschaltung des Erbenermittlers hatte die Beteiligte zu 2. mit dem Nachlassgericht, wie sich dem dortigen Vermerk vom 4. Mai 2012 entnehmen lässt, ausdrücklich Rücksprache genommen. Der Erbenermittler selbst hat über den Stand seiner Ermittlungen in Ergebnisform die Beteiligte zu 2. (mit Schreiben vom 22. Februar 2013) und sogar das Nachlassgericht unterrichtet (erstmals mit Schreiben vom 5. Juli 2012). Inhaltlich ging es, wie von Anfang an absehbar, um Ermittlungen zu Erben der dritten Ordnung, die Gebiete des ehemaligen Ostpreußens, die heute in Russland gelegen sind, betrafen und deren Quellenlage dementsprechend durch Kriegseinwirkungen und Vertreibung als sehr schlecht beurteilt werden musste. An den Schwierigkeiten dieser Ermittlungen hat im Übrigen die Beteiligte zu 1. selbst zu keinem Zeitpunkt gezweifelt; ihre Anregung zur Einrichtung einer Nachlasspflegschaft vom 27. Januar 2012 enthält die ausdrückliche Formulierung, sie und ihr Ehemann wollten sich selbst die Erbenermittlung nicht zumuten.

c) In Anwendung der oben unter a) aufgezeigten Grundsätze hat das Nachlassgericht zutreffend entschieden.

aa) Zunächst ist es richtigerweise davon ausgegangen, dass nach der Erblasserin – der Letztversterbenden der Eheleute K. – gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Ebenso wenig zu beanstanden ist seine Annahme, als gesetzliche Erben seien solche der dritten Ordnung gemäß § 1926 Abs. 1 BGB berufen. In diesen beiden Hinsichten erhebt die Beteiligte zu 1. auch keine Einwände.

bb) Innerhalb der dritten Ordnung sind mütterlicherseits fünf Stämme zu berücksichtigen. Die Abstammungsverhältnisse hinsichtlich der Erblasserin und ihrer Mutter M. sowie der Beteiligten zu 1. und ihrer Mutter L. M. hat das Nachlassgericht jedenfalls aufgrund der durch das Erbscheinsverfahren der Miterben väterlicherseits erreichten Urkundenlage als nachgewiesen angesehen; hiergegen ist nichts zu erinnern. Darüber hinaus hat das Nachlassgericht in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich festgestellt, der Wegfall der Stämme A. und I. sei ausreichend nachgewiesen, dies bezüglich des Stammes A. unter Anwendung des § 2356 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch das erscheint zutreffend. Soweit das Nachlassgericht in seinem Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss vom 30. September 2013 namentlich bezüglich des Stammes I. Bedenken hinsichtlich des Nachweises der Abstammung und der Kinderlosigkeit äußert, ist bereits fraglich, ob es seine zurückweisende Entscheidung nunmehr auch auf diese stützen will; jedenfalls bestünde unschwer die Möglichkeit, diesen Bedenken von Amts wegen durch Beiziehung der Akten des Amtsgerichts Bremervörde nachzugehen und sie auf diese Weise aller Wahrscheinlichkeit nach zu beheben.

Auch bei Anwendung des § 2356 Abs. 1 Satz 2 BGB eindeutig nicht hinreichend sind hingegen die Nachweise bezüglich des Stammes J.. In Fällen der hier vorliegenden Art ist der Nachweis in Bezug auf drei Punkte zu führen: Abstammung, Wegfall der eigenen Person infolge Todes und Kinderlosigkeit. Die mit der Rechtsmittelschrift vom 4. September 2013 zur Nachlassakte gereichte beglaubigte Ablichtung der Sterbeurkunde der Frau B. J. B. von 1962 genügt als Nachweis des Vorversterbens des J. vor dieser, kann jedoch nicht den Nachweis für dessen Abstammung und Kinderlosigkeit erbringen. Gleiches gilt für die Äußerungen des Bürgermeisters der Gemeinde York im Schreiben vom 29. Oktober 2013. In den Hinsichten von Abstammung und Kinderlosigkeit hat die Beteiligte zu 1. auch ansonsten nichts dargetan oder vorgelegt, was ähnlich klare und hinreichend verlässliche Schlussfolgerungen wie eine öffentliche Urkunde ermöglichen würde, obgleich die Erlangung derartiger Belege nicht als von vornherein ausgeschlossen oder gar objektiv unmöglich bezeichnet werden kann. All das hat schon das Nachlassgericht im Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss – unter Hinweis auch auf den Teilerbscheinsantrag der Miterben der väterlichen Linie – zutreffend und in nur geringfügig ergänzungsbedürftiger Weise ausgeführt. Hierauf verweist der Senat. Dass die vom Nachlassgericht angesprochenen weiterführenden Erkenntnismöglichkeiten tatsächlich existieren, zeigt nicht zuletzt das eigene Schreiben der Beteiligten zu 1. vom 1. November 2013 mit der dort in Bezug genommenen Liste der von ihr kontaktierten Institutionen und Einrichtungen.

Im Einzelnen wäre eine eidesstattliche Versicherung der Beteiligten zu 1. selbst, wie oben unter a) gezeigt, ohne Belang. In das Wissen der Frau G. als in Betracht kommender Zeugin wird lediglich die Kinderlosigkeit der angeblichen Ehefrau des J., B., und allenfalls diejenige des Ehepaares J. und B. gestellt, nicht aber umfassend die Kinderlosigkeit des J.. Welche im vorliegenden Verfahren relevanten Erkenntnisse aus der Ostergrußkarte von 1962 gewonnen werden sollten, erschließt sich nicht. Den Inhalt des aufgefundenen Notizbüchleins der Erblasserin bezeichnet die Beteiligte zu 1. nicht einmal schlagwortartig. Zu den Einwänden gegen die Tragfähigkeit von Rückschlüssen zu Abstammung, Wegfall und Kinderlosigkeit des J. aus den Äußerungen des Nachlassgerichts beim Amtsgericht Bremervörde im Schreiben vom 2. Mai 2012 hat sich bereits das Nachlassgericht in seinem Schreiben an die Beteiligte zu 1. vom 2. Mai 2013 geäußert; dem ist nichts hinzuzufügen. Angesichts der vorstehend angesprochenen weiteren Erkenntnismöglichkeiten kann keine Rede davon sein, dass als letztes Mittel im vorliegenden Erbscheinsverfahren nur noch eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten gemäß § 2358 Abs. 2 BGB in Betracht käme.

d) Bei dieser Lage könnte, wie auch schon vom Nachlassgericht richtig bemerkt, zwar ein Teilerbschein zur Mindestquote von ¼ zugunsten der Beteiligten zu 1. erteilt werden. Da sie sich zu einer diesbezüglichen Antragstellung jedoch nicht bereitgefunden hat, ist die Folge der dargestellten Rechtslage die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrages.

Der Senat sieht keinen Anlass, mit seiner Entscheidung zuzuwarten oder einen Termin zur persönlichen Anhörung der Beteiligten zu 1. und zur Erörterung der Sache mit den Beteiligten (§§ 34, 32 FamFG) anzuberaumen. Auf die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte ist die Beteiligte zu 1. schon – mehrfach – vom Nachlassgericht hingewiesen worden, und es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass sie diese Hinweise nicht hätte zur Kenntnis nehmen und aufgreifen können. Ihre seit Oktober 2013 entfalteten Bemühungen, weiterreichende Unterlagen zu erlangen, mögen überwiegend noch nicht abgeschlossen sein. Da deren Dauer aber nicht nur für die Beteiligte zu 1., sondern auch objektiv kaum absehbar ist, verbietet es sich, das vorliegende Erbscheinsverfahren bis zu einem etwaigen Abschluss sozusagen in der Schwebe zu halten. Der Beteiligten zu 1. entstehen hierdurch materiell-rechtlich keine Nachteile; da Entscheidungen im Erbscheinsverfahren nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, bleibt es ihr unbenommen, künftig auf verbesserter Nachweisgrundlage einen Teilerbscheinsantrag zur Quote ½ erneut zu stellen.

Über den von der Beteiligten zu 1. möglicherweise gestellten Antrag auf Aufhebung der Nachlasspflegschaft hat nicht der Senat, sondern das Nachlassgericht zu befinden.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Beteiligte zu 1. als Rechtsmittelführerin die Gerichtskosten schuldet, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, §§ 22 Abs. 1, (arg. e) 25 Abs. 1 und 3 GNotKG. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Beteiligte zu 2. nicht in einem der Beteiligten zu 1. entgegengesetzten Sinne am Verfahren beteiligt ist; weder ist sie im Beschwerdeverfahren mit einer Stellungnahme hervorgetreten, noch hat sie erstinstanzlich in eigener Sache gehandelt.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 GNotKG. Hierbei ist der volle Miterbenanteil, dessen sich die Beteiligte zu 1 berühmt, in Ansatz zu bringen, da sie es ausdrücklich abgelehnt hat, zunächst einen sie als Miterbin jedenfalls zu ¼-Anteil ausweisenden Teilerbschein zu beantragen.

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