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Nachlasspflegschaft – Zeitpunkt für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Nachlasses

OLG Karlsruhe –  Az.: 14 Wx 56/13 –  Beschluss vom 31.10.2014

1. Auf die Beschwerde des Nachlasspflegers wird der Beschluss des Nachlassgerichts vom 24.06.2013 (AS 145) dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Nachlasspflegers einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer auf 825,79 € festgesetzt wird. Der Antrag auf Festsetzung einer höheren Vergütung und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 245,94 €.

Gründe

I.

Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.11.2012 wurde der Beschwerdeführer zum – berufsmäßigen – Nachlasspfleger bezüglich des Nachlasses der am 05.11.2012 verstorbenen .. mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben bestellt (AS 15).

Der Nachlasspfleger legte mit Schreiben vom 03.12.2012 (AS 47) dem Nachlassgericht eine Aktennotiz vor (AS 51). Danach hatte er am 03.12.2012 ein langes Telefonat mit dem ehemaligen Betreuer der Verstorbenen geführt. Aus diesem konnte er entnehmen, dass die Verstorbene keinerlei Verwandte mehr hatte.

Im weiteren legte er ein Nachlassverzeichnis vor, aus dem sich ergab, dass lediglich ein Girokonto bei der … mit einem Guthaben über 2.729,97 €, sowie ein Hauskonto bei der … in Höhe von 121,67 € vorhanden ist (AS 53 ff).

Im Schreiben vom 28.02.2013 erstattete er einen Zwischenbericht. In einer Anlage dazu sind die Zahlungsvorgänge seit dem Tod der Erblasserin aufgeführt. Der Kontostand zum 31.01.2013 belief sich auf 2.577,79 €. Er teilt ferner sein beabsichtigtes weiteres Vorgehen mit, nämlich Begleichung der Rechnung der Stadt … über die Bestattungskosten in Höhe von 1.903,01 €, sowie Stellung seines Antrags auf Festsetzung seiner Vergütung und – nach Bewilligung – Entnahme der Vergütung, Auflösung des Kontos und Hinterlegung des Restsaldos (AS 101,103).

Mit Verfügung des Nachlassrichters vom 02.04.2013 wird dieser Verfahrensweise zugestimmt (AS 103).

Im folgenden Schreiben vom 22.04.2013 (AS 111) macht der Nachlasspfleger sodann seine Vergütung geltend, die wie folgt aussieht:

6,751 Stunden a 110,50 Euro 745,99 Euro

Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV (13 Seiten) 6,50 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelte – Richtigkeit anwaltlich versichert – Nr. 7001 VV   12,34 Euro

Zwischensumme

764,83 Euro

Umsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19,00 %) 145,32 Euro

Endsumme 910,15 Euro

Bezüglich der beanspruchten Stunden verweist er auf eine seinem Schreiben beiliegende Aufwanderfassung (AS 119)

Mit Beschluss vom 24.06.2013 erteilt das Nachlassgericht die Genehmigung zur Entnahme einer Vergütung einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer in Höhe von 665,11 € aus dem Nachlass (AS 145). Dabei wurde ein Stundensatz von 80,00 € zugrunde gelegt. Gemäß § 61 Abs. 3 Ziff. 1 FamFG wurde die Beschwerde zugelassen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Nachlasspflegers, mit der er nach wie vor einen Stundensatz von 110,00 € begehrt.

Der Vertreter der Staatskasse ist der Auffassung, dass der zugrunde gelegte Stundensatz von 80,00 € nicht zu beanstanden ist.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist, nachdem das Nachlassgericht sie gemäß § 61 Abs. 2 FamFG zugelassen hat, zulässig (§§ 58 ff FamFG) und zum Teil begründet.

Die Vergütung des Nachlasspflegers richtet sich gemäß § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich nach den für die Vormundschaft geltenden Vorschriften.

Hiernach bestimmt sich die Höhe der Vergütung bei berufsmäßiger Nachlasspflegschaft – wie hier – danach, ob der Nachlass mittellos oder vermögend ist.

Bei einem mittellosen Nachlass sind gemäß §§ 1915Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 1 S. 3 BGB die Stundensätze des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) maßgeblich.

Ist der Nachlass dagegen vermögend, bestimmt sich gemäß § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB abweichend von § 3 VBVG die Höhe der Vergütung nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.

Als nicht mittellos ist ein Nachlass anzusehen, der über hinreichende Mittel zur Bezahlung einer Vergütung für den Nachlasspfleger verfügt. Bei der Beurteilung der Mittellosigkeit ist allein auf den Aktivnachlass abzustellen (BayObLGZ 2000, 26, 33; OLG Brandenburg ZEV 2011, 637, 638, Münchner Kommentar-Leipold, 6. Aufl. § 1960 Rdz. 71). Bestehende Nachlassverbindlichkeiten bleiben außer Betracht, da ansonsten eine Privilegierung der Nachlassgläubiger gegenüber der Staatskasse bestünde.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Nachlasses ist grundsätzlich nicht der Todestag des Erblassers, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (OLG Schleswig FamRZ 2001, 252; MK-Leipold a.a.O. Rdz. 72). Die wirtschaftlichen Verhältnisse während der Nachlasspflegschaft sind zu berücksichtigen, so dass Mittellosigkeit zu verneinen ist, wenn der zunächst vorhandene Nachlass durch die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verbraucht wird.

Insoweit ist vorliegend von einem vermögenden Nachlass auszugehen. Zwar beläuft sich das vorhandene Guthaben nunmehr lediglich auf noch 660,48 €. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese Schmälerung in erster Linie durch die Bezahlung der Bestattungskosten an die Stadt … in Höhe von 1.903,01 € und einige weitere kleinere Überweisungen verursacht wurde. Wie ausgeführt ist aber Mittellosigkeit zu verneinen, wenn der zunächst vorhandene Nachlass durch Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verbraucht wurde.

Somit ist vorliegend nicht von den Stundensätzen des § 3 VBVG auszugehen, sondern gemäß § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB nach den für die Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.

Das Nachlassgericht hat insoweit im Regelfall einen Stundensatz zu bestimmen (OLG Brandenburg ZEV 2011, 637, 638, Münchner Kommentar-Leipold a.a.O., § 1960 Rdz. 74) und die Vergütung nach dem konkreten Zeitaufwand zu bemessen. Die Stundensätze nach § 3 Abs. 1 VBVG können, nachdem der Gesetzgeber ihre Anwendung auf die Nachlasspflegschaft ausdrücklich ausgeschlossen hat, nicht als Richtlinie oder Regelsätze dienen, sondern allenfalls als Mindestsätze (OLG Schleswig FGPrax 2010, 140, 141).

Für einen als Nachlasspfleger bestellten Rechtsanwalt wurde in der neueren Rechtsprechung bei einem mittleren Schwierigkeitsgrad ein Stundensatz von 110,00 € als nicht die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens des Nachlassgerichts überschreitend angesehen (OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 815 – 817; OLG Hamm MDR 2011, 609, KG FamRZ 2012, 818; Münchner Kommentar-Leipold, a.a.O. § 1960, 74).

Bestellt ein Nachlassgericht einen Rechtsanwalt wegen seines Berufes zum Nachlasspfleger, steht nämlich die Nutzbarkeit seiner Fachkenntnisse und seiner besonderen Qualifikation außer Zweifel. Bei ausreichendem Nachlass (der Aktivnachlass deckt die Kosten der Pflegschaft) ist der Stundensatz dann regelmäßig so zu bemessen, dass der Rechtsanwalt eine kostendeckende Vergütung erhält, die auch den Büroaufwand mit abdeckt, weil er die Tätigkeit im Rahmen seines Berufs ausübt und das Nachlassgericht ihn deshalb bestellt hat.

Insoweit ist der Senat der Auffassung, dass die vom Nachlassgericht hier angesetzte Vergütung von lediglich 80,00 € pro Stunde nicht mehr angemessen ist, weil sie erheblich unter den üblichen Stundensätzen für anwaltliche Tätigkeiten liegt und schwerlich kostendeckend ist.

Andererseits ist aber auch zu sehen, dass es sich bei den zu vergütenden Tätigkeiten um sehr einfache gehandelt hat (eine Erbenermittlung musste nicht durchgeführt werden), die selbst einen mittleren Schwierigkeitsgrad nicht aufwiesen. Der Senat hält hier einen Stundensatz von 100,00 € für angemessen und ausreichend.

Somit ergibt sich folgende Abrechnung:

6,751 Stunden à 100,00 € 675,10 €

Dokumentenpauschale Nr. 7000 Abs. 1 VV (13 Seiten) 6,50 €

Post- und Telekommunikationsentgelte Nr. 7001 VV   12,34 €

Zwischensumme 693,94 €

Umsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19 %) 131,85 €

Endsumme 825,79 €

Soweit das derzeit noch vorhandene Nachlassvermögen zur Befriedigung dieser Vergütung nicht ausreicht, kann der Nachlasspfleger – worauf der Vertreter der Staatskasse zu Recht hingewiesen hat – eine ergänzende Festsetzung gegen die Staatskasse verlangen, insoweit allerdings lediglich zu den Stundensätze des § 3 Abs. 1 VBVG.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

 

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