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Nachlasspflegschaftseinrichtung bei Entlassung des Testamentsvollstreckers

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 W 23/18 – Beschluss vom 04.07.2018

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Nachlassgerichts Hamburg-Blankenese vom 31. Januar 2018 (Az. 571 VI 185/13) abgeändert und die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft für den Nachlass S., verstorben am 9.12.2012 wird aufgehoben.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.

Das Nachlassgericht hat ohne ausreichende rechtliche Grundlage eine Nachlasspflegschaft eingerichtet, so dass diese aufzuheben war.

I.) Die im Dezember 2012 verstorbene Erblasserin S. hatte nach der Scheidung von ihrem Ehemann mit notariellem Testament vom 19.2.1981 ihren Vater L… zum Alleinerben bestimmt, ihren einzigen Sohn J… und ihren Neffen Jö… zu Ersatzerben zu gleichen Teilen. Der Vater L… verstarb 1994. Der Sohn J… verstarb am 28.5.2005 kinderlos. Die Erblasserin gehörte zur Erbengemeinschaft nach L.

Am 4.10.2010 widerrief die Erblasserin frühere Verfügungen von Todes wegen und schloss mit K. einen notariellen Erbvertrag, in dem nur die Erblasserin Verfügungen von Todes wegen traf:

Sie setzte G. (die Tochter ihres Bruders U.) zu 50 %, ihren Lebensgefährten Ju zu 30 % und K. zu 20 % zu Erben ein. Darüber hinaus ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung für die Erbanteile von G. und Ju an und setzte K. als Testamentsvollstreckerin bis zum Erreichen des 45. Lebensjahres von G. ein. Sämtliche Bestimmungen wurden unter der Überschrift „Bindungswirkung“ gegenüber K. als als vertragsgemäß angeordnet und K. nahm diese Erklärung an. Das Testament enthält darüber hinaus die Bestimmung von Ersatzerben und ein Vermächtnis.

Mit notariellem Testament vom 21.3.2012 widerrief die Erblasserin alle vorangehenden Testamente und setzte Herrn D. zum Alleinerben ein mit der Auflage, ihren Lebensgefährten Ju lebenslang zu betreuen. Ersatzerben wurden nicht benannt.

K. nahm das Amt der Testamentsvollstreckerin am 10.3.2013 an.

Für Ju meldete sich dessen Betreuerin M.

G., Ju und K. erhielten den Erbschein vom 16.4.2013.

K. erhielt das Testamentsvollstreckerzeugnis vom 16.4.2013.

Am 26.4.2017 beantragte G., K. gemäß § 2227 BGB als Testamentsvollstreckerin zu entlassen. Diese sei ihren Pflichten nicht nachgekommen und zeichne sich entgegen ihrer Pflichten aus §§ 666, 2218 BGB durch weitgehende Untätigkeit aus. Nach mehr als dreieinhalb Jahren und Verpflichtung durch Anerkenntnisurteil des Landgerichts Lüneburg sei immer noch kein Nachlassverzeichnis im Sinne von § 2215 BGB erstellt worden. Es sei nicht einmal Rechnung gelegt worden. Über ihre Tätigkeit habe sie keinerlei Informationen erteilt. Die Testamentsvollstreckerin habe bislang keine Erbschaftssteuererklärung für die Erben abgegeben und kein Wertgutachten für die in den Nachlass gefallenen Grundstücke eingeholt. Zahlungen aus dem Nachlass seien nicht geflossen. Auf ausdrückliche Aufforderung sei im März 2017 nur eine grobe Aufstellung von Einnahmen und Ausgaben übermittelt worden (K 6). Daraus ergebe sich, dass sich die Testamentsvollstreckerin selbst einen Vorschuss von € 25.000,- überwiesen habe. Das sei unzulässig und die Testamentsvollstreckerin müsse dies nach rechtlicher Beratung durch ihren Rechtsanwalt wissen. Der Brutto-Nachlasswert dürfe mindestens 2,8 Millionen Euro betragen haben, die Testamentsvollstreckerin mache aber keine Angaben, was mit dem Nachlass geschehe.

Am 2.5.2017 wurde für Jann Junker gestützt auf entsprechende Vorwürfe ebenfalls die Entlassung der Testamentsvollstreckerin beantragt. Dem Antragsteller stünden Beträge von ca. 1,2 Millionen Euro zu, er müsse aber bislang öffentliche Leistungen der Grundsicherung in Anspruch nehmen.

Die Testamentsvollstreckerin verteidigte sich mit mehreren Schriftsätzen, auf den verwiesen wird. Sie beruft sich unter anderem auf Schwierigkeiten im Rahmen der Erbengemeinschaft nach L. Sie meint ferner, die Beteiligte G. leide unter einer psychischen Erkrankung und bedürfe eines Betreuers. Das Entlassungsverfahren sei bis zur Erstellung eines medizinisch-psychiatrischen Gutachtens auszusetzen. Ferner seien eine Strafanzeige und eine Auskunftsklage vorgreiflich.

Das Nachlassgericht hat im Entlassungsverfahren einen Beweisbeschluss vom 24.7.2017 gefasst.

Sodann hat das Nachlassgericht die Testamentsvollstreckerin mit Beschluss vom 4.12.2017 aus dem Amt entlassen.

Mit Schriftsatz vom 22.12.2017 beantragte die Beteiligte G. die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft.

Es sei zu befürchten, dass die Testamentsvollstreckerin Beschwerde einlege und während des Verfahrens weitere Tätigkeiten zu Lasten des Nachlasses entfalten könnte, sofern kein Pfleger bestellt werde. Die Haupterbin G.. sei nicht in der Lage, Sicherungs- und Fürsorgemaßnahmen für den Nachlass zu ergreifen. Die Anordnung der Pflegschaft rechtfertige sich ferner daraus, dass der Miterbe Ju am 9.12.2017 verstorben sei und seine Erben zur Zeit unbekannt seien. Der umfangreiche Nachlass sei derzeit ohne jede Verwaltung. Das Nachlassgericht möge einen ihm bekannten und zuverlässigen Rechtsanwalt auswählen.

Die Testamentsvollstreckerin legte mit Schriftsatz vom 8.1.2018 Beschwerde ein.

Mit Schriftsatz vom 22.1.2018 wiedersprach sie der Einrichtung einer Nachlasspflegschaft. Die Erben von S. stünden fest und könnten nach Annahme der Erbschaft auch nach § 2013 BGB keine Nachlassverwaltung mehr beantragen. Der Erbe von Ju sei bekannt und werde in Kürze feststehen. Nach Entlassung der Testamentsvollstreckerin sei der Nachlass nicht handlungsunfähig, denn die Miterben könnten jederzeit gemeinschaftlich für den Nachlass handeln. Ein Sicherungsbedürfnis bestehe nicht, weil es in der Substanz des Nachlasses nur noch um Bankguthaben auf dem Konto der Testamentsvollstreckerin sowie um Forderungen gehen. Bei einer ungeteilten Erbengemeinschaft könne eine Nachlasspflegschaft nur von allen Miterben gemeinsam beantragt werden, die Miterbin K. beantrage sie nicht. Die Entlassung werde auch keinen Bestand haben, weil sie auf vorsätzlich falschen Behauptungen beruhe. Zur Zeit verwalte sie den Nachlass weiter.

Mit Beschluss vom 31.1.2018 hat das Nachlassgericht für die Dauer des Beschwerdeverfahrens eine Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB angeordnet und den Rechtsanwalt Gr. ausgewählt mit dem Aufgabenkreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses.

Zur Begründung wird angeführt, die Erben nach S. stünden zwar fest, es sei indessen nicht klar, inwieweit der Zugriff der Erben auf den Nachlass überhaupt möglich sei, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet sei. Eine sachgerechte und ordnungsgemäße Verwaltung sei nur möglich, wenn die Erben hierzu uneingeschränkt befugt seien. Das Sicherungsbedürfnis bestehe, weil sich das Entlassungsverfahren gerade um die bezweifelte Vertrauenswürdigkeit der Testamentsvollstreckerin drehe. Die Nachlasspflegschaft werde von Amts wegen eingerichtet.

Hiergegen hat die Beteiligte zu 3) K. fristgemäß Beschwerde eingelegt.

Sie macht geltend: Die Beteiligte zu 3) sei zugleich Miterbin zu 20 %. Die uneingeschränkte Befugnis über die Verwaltung des Nachlasses sei nur bei übereinstimmenden Beschlüssen der Erbengemeinschaft möglich. Die Einsetzung eines Nachlasspflegers sei nicht erforderlich. Dadurch würden lediglich unnötige zusätzliche Kosten für die Miterben verursacht.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beteiligte zu 1 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Es handele sich um eine Nachlasspflegschaft gemäß §§ 1960, 1961 BGB, die auf eine qualifizierte Anregung hin von Amts wegen anzuordnen sei. Die fehlende Zustimmung der Beteiligten zu 3) sei deshalb unerheblich.

Wie das Nachlassgericht zutreffend ausgeführt habe, komme es nur darauf an, inwieweit ein Zugriff der Erben auf den Nachlass im Falle der Anordnung von Testamentsvollstreckung überhaupt möglich sei. Die Annahme, die Erben könnten jederzeit für den Nachlass handeln, missachte den Erblasserwillen, denn für den Erbteil Ju sei eine lebenslänglich Testamentsvollstreckung, für den Erbteil G. eine zeitlich beschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet. Diese Voraussetzungen sei bis heute nicht entfallen. Der Erbvertrag enthalte keine Regelung für den Fall der Entlassung des Testamentsvollstreckers. Es liege somit eine angeordnete Testamentsvollstreckung ohne Testamentsvollstrecker vor. Für diesen Fall komme nur die Einsetzung eines Nachlasspflegers in Betracht. Dass der Nachlass nur noch aus Bankguthaben und vermeintlich noch nicht fälligen Forderungen bestehe, sei unerheblich. Die Beschwerde im Entlassungsverfahren habe keine aufschiebende Wirkung und die Testamentsvollstreckerin habe keinen Antrag nach § 64 Abs. 3 FamFG gestellt.

Die Beteiligte zu 3) weigere sich zudem, Original-Unterlagen an den Nachlasspfleger Gr. herauszugeben. Sie habe auch nicht angeboten, relevante Unterlagen an die Beteiligte zu 1), an die Nachlasspflegerin für die unbekannten Erben von Ju oder einen Sequester herauszugeben. Durch die gegen die Entlassung eingelegte Beschwerde bestehe zur Zeit keinerlei Rechtssicherheit. Der Nachlass sei aber sicherungsbedürftig. Wegen der der Beteiligten zu 3) als Testamentsvollstreckerin vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten dürfe diese keinen unmittelbaren Zugriff auf wesentliche Teile des Nachlasses und Originalunterlagen haben. Es sei zu befürchten, dass die Beteiligte zu 3) möglicherweise im Zusammenwirken mit U. P., P. P. und S. P. den Nachlass weiter schädigen könne. Die entlassene Testamentsvollstreckerin habe keinerlei Interesse daran, etwaige Rechte des Nachlasses gegenüber Rechtsanwalt und Notar a.D. U. P. oder andere Angehörige der Familie durchzusetzen. Die Testamentsvollstreckung habe auch nicht aufgrund der Entlassung der Testamentsvollstreckerin von selbst ihr Ende gefunden. Bis zur Entscheidung im Entlassungsverfahren müsse ein neutraler Verwalter des Nachlasses bestimmt werden.

Für die unbekannten Erben nach dem unterdessen verstorbenen Beteiligten zu 2) ist die Rechtsanwältin Dr. M. als Nachlasspflegerin bestellt worden. Sie beantragt ebenfalls, die Beschwerde zurückzuweisen.

Für den Beteiligten zu 2) wird vorgetragen, die Einsetzung eines Nachlasspflegers sei notwendig, weil anders die Schadensersatzansprüche, die sich aus den im Entlassungsverfahren vorgetragenen Pflichtverletzungen und aus der Ungeeignetheit der Testamentsvollstreckerin ergeben könnten, für die geschädigten Erben nicht ausreichend überprüft werden könnten.

Der Nachlasspfleger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat sich jedoch nicht geäußert.

II.) Der angefochtene Beschluss konnte keinen Bestand haben, denn für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft fehlt es in der vorliegenden Konstellation an einer gesetzlichen Grundlage.

1.) Wie das Nachlassgericht und Beteiligten zu 1) und 2) selbst erkennen, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1960 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB nicht vor, denn weder geht es um den Zeitraum bis zur Annahme der Erbschaft, noch sind die Erben unbekannt, noch ist ungewiss ob die Erben die Erbschaft annehmen. All das steht vielmehr seit langem fest.

a) Zu Unrecht gehen das Nachlassgericht und die Beteiligten zu 1) und 2) davon aus, eine Nachlasspflegschaft könne und müsse immer dann eingerichtet werden, wenn ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass bestehe und den Erben wegen angeordneter Testamentsvollstreckung der Zugriff auf den Nachlass verwehrt sei. Dies sei insbesondere der Fall, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet sei, der Testamentsvollstrecker entlassen sei und das Beschwerdeverfahren noch laufe.

Diese Auffassung verkennt, dass das Gesetz keine allgemeine Fürsorgepflicht bzw. -befugnis des Nachlassgerichts vorsieht. Eine systematische und generelle Tätigkeit des Nachlassgerichts zur Sicherung des Nachlasses für die Erben gestattet das Gesetz nicht (Burandt/Rojahn, 2.Auflage 2014, § 1960 Rz. 2). Es unterscheidet vielmehr drei ausdrücklich geregelte Fälle der Nachlasspflegschaft (§ 1960, § 1961 und § 1795 BGB). Der Grund für die Regelung in § 1960 BGB liegt in dem Umstand, dass angesichts der zahlreichen Ausnahmen vom Prinzip des Vonselbsterwerbs geraume Zeit vergehen kann, bis der Erbe endgültig feststeht, so dass in dieser Zeit der Nachlass nicht gesichert ist, wodurch unter Umständen Verfall und Schaden drohen. Vor diesem Hintergrund ist die in § 1960 BGB getroffene Regelung zu sehen (Burandt-Rojahn, a.a.O., Rz. 1 und 2). Die Besorgung aller sich aus der Erbschaft ergebenden Angelegenheiten obliegt ansonsten ab dem Erbfall den Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Nur in den gesetzlich normierten Ausnahmefällen greift der Staat ein. Nur dann ist das Nachlassgericht verpflichtet, als Ausfluss der staatlichen Fürsorge- und Aufsichtspflicht von Amts wegen vorübergehend für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen. Dies aber nur dann, wenn das Bedürfnis dafür in dem gesetzlich normierten Zeitraum auftritt, also nicht in anderen Konstellationen, in denen an sich ein Bedürfnis bestünde, etwa wenn die vorhandenen Erben zerstritten sind.

Mit anderen Worten: Es ist nicht angängig, eine Nachlasspflegschaft allein deshalb einzurichten, weil dafür ein Bedürfnis gesehen wird, sondern die in § 1960 BGB genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Dies ist zutreffend die ganz selbstverständliche systematische Sicht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (Palandt-Weidlich, § 1960 Rz.1; Erman-J.Schmidt, Band 2, 15. Auflage 2017, § 1960 Rz.3; MünchKomm-Leipold, 7. Auflage 2017, § 1960 Rz.1, 15 ff; Burandt/Rojahn, a.a.O., § 1960 Rz.5; vgl. auch OLG Köln, FamRZ 2018, 534, 535; KG, ErbR 2016, 271, nach juris Tz.8, 11, 12). Soweit ersichtlich wird nirgends die Ansicht vertreten, auf die übrigen Tatbestandvoraussetzungen des § 1960 BGB könne verzichtet werden, wenn nur ein Bedürfnis zur Nachlasssicherung bestehe. Dies würde auch im Ergebnis eine unzulässige Analogie darstellen. Ausnahmeregelungen sind nach allgemeinen Grundsätzen nicht analogiefähig. Im Übrigen fehlt es an einer planwidrigen Lücke, die für die Zulässigkeit einer Analogie stets Voraussetzung ist. Der Gesetzgeber hat ganz deutlich gemacht, dass er ein Eingreifen des Nachlassgerichts nur in bestimmten Fällen beabsichtigt hat.

Daran ändert die Berufung der Beteiligten auf § 1961 BGB nichts. Diese Vorschrift regelt allein einen Gläubigerantrag und verlangt darüber hinaus schon dem Wortlaut nach, dass die übrigen Voraussetzungen des § 1960 BGB gegeben sind („in den Fällen des § 1960 Abs.1“).

Einen weiteren – hier nicht vorliegenden – Sonderfall stellt schließlich die Nachlasspflegschaft gemäß §§ 1975 BGB dar, die zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger sowie für die Nachlassinsolvenz angeordnet werden kann.

Bereits das OLG Zweibrücken (RPfleger 1986, 433) hat klargestellt, dass eine faktische Unfähigkeit der Erben, gemeinsam tätig zu werden (dort: Unvermögen eines Miterben, die übrigen 7 Miterben zur Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs in einem noch vom Erblasser angestrengten Rechtsstreit zu bewegen) keine Rechtfertigung für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft darstellt und das Gesetz auch sonst keine Möglichkeit bietet, der misslichen Lage für einen Nachlassbeteiligten durch Eingreifen des Nachlassgerichts abzuhelfen. Die Verwaltung des Nachlasses folgt schlicht den Regeln für die Erbengemeinschaft (§ 2038 Abs.2, §§ 743, 745, 746, 748 BGB).

b) Daran ändert die Anordnung der Testamentsvollstreckung nichts unter dem Gesichtspunkt, dass die Erben nach dem Erblasserwillen in ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beschränkt sind. Ebensowenig kann es eine Rolle spielen, wenn ein Entlassungsverfahren gegen den Testamentsvollstrecker betrieben wird und dieses noch nicht rechtskräftig entschieden ist:

So lange der bestellte Testamentsvollstrecker im Amt ist, nimmt er die ihm vom Erblasser und dem Gesetz eingeräumten Befugnisse war. Darf der Testamentsvollstrecker infolge einer Entlassung gemäß § 2227 BGB sein Amt nicht mehr ausüben, begründet dies nach dem Gesetz aber nicht die Notwendigkeit oder Berechtigung zur Einrichtung einer Nachlasspflegschaft.

Der Gesetzgeber hat eine solche Folge weder in § 2227 BGB direkt noch durch eine Verweisung geregelt. Dies ist als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu sehen und es fehlt eine innere Berechtigung, die vermeintliche Lücke durch eine analoge Anwendung des § 1960 BGB zu schließen. Dazu wäre nur der Gesetzgeber de lege ferenda befugt.

Soweit ersichtlich wird eine solche Folgerung in Rechtsprechung und Literatur auch nirgends gezogen. Soweit die Nachlasspflegschaft im Zusammenhang mit Testamentsvollstreckung erörtert wird, handelt es sich stets um die Konstellation, dass die Tabestandsvoraussetzungen des § 1960 BGB grundsätzlich vorliegen (unbekannte Erben etc), das Sicherungsbedürfnis aber verneint wird, so lange der Nachlass durch die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers gesichert ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf, FGPrax 2012, 260, 261; MünchKomm-Leipold, 7. Auflage 2017, § 1960 Rz.27; Burandt/Rojahn, a.a.O., § 1960 Rz.10). Nur in dieser Konstellation kann – weil die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen – eine Nachlasspflegschaft in Betracht kommen, wenn der Testamentsvollstrecker entlassen werden muss (vgl. auch den Fall des OLG Hamm, FamRZ 2013, 71, nach juris Tz. 24, 39, 42: Nachlasspflegschaft wegen ungeklärter Erbfolge, Testamentsvollstrecker umstritten, Entlassungsantrag gegen Testamentsvollstrecker durch Nachlasspflegerin).

Die von der Beteiligten zu 1) herangezogene Zitatstelle (Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Auflage, Rz. 816) besagt nichts anderes. Dort wird zutreffend geschildert, dass die Beschwerde eines Testamentsvollstreckers gegen seine Entlassung keine aufschiebende Wirkung hat, so dass es bei der Entlassung bleibe. Es folgt der Klammerzusatz „es besteht dann eine Testamentsvollstreckung ohne Testamentsvollstrecker; notfalls Pflegerbestellung nach § 1913 BGB erforderlich“.

Der Autor nennt also nicht einmal eine Nachlasspflegschaft im Sinne von §§ 1960, 1961 BGB als Folge eines schwebenden Entlassungsverfahrens, sondern eine Pflegschaft nach § 1913 BGB. Diese Vorschrift betrifft aber gerade nicht die Nachlasspflegschaft, sondern regelt allein die Pflegschaft für unbekannte Beteiligte: Ist unbekannt oder ungewiss, wer bei einer Angelegenheit der Beteiligte ist, so kann dem Beteiligten für diese Angelegenheit (hier also das Entlassungsverfahren), soweit eine Fürsorge erforderlich ist, ein Pfleger bestellt werden. In Fällen einer Unbekanntheit bzw. rechtlichen Ungewissheit darüber, wer der wahre Berechtigte und somit Beteiligte ist (Palandt-Götz, § 1913, Rz. 2) geht es um die Wahrnehmung der Interessen des wirklichen, aber unsicheren Beteiligten in einer gegenwärtigen Angelegenheit tatsächlicher, vermögensrechtlicher oder persönlicher Art (a.a.O., Rz. 3). Der Pfleger wird zum gesetzlichen Vertreter des Beteiligten (a.a.O., Rz. 4).

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann hier für das noch laufende Entlassungsverfahren keine Rede sein, weil alle Erben von S. bekannt sind und der Erbteil des inzwischen verstorbenen Miterben Ju durch eine darauf bezogene Nachlasspflegschaft vertreten ist. Für die Wahrnehmung der Rechte der Miterben im Entlassungsverfahren ist also gesorgt.

Der Zitatstelle ist auch in keiner Weise zu entnehmen, der Autor wolle während eines schwebenden Entlassungsverfahrens mit dem Verweis auf § 1913 BGB die Möglichkeit einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB ohne Prüfung der dortigen Voraussetzungen eröffnen.

Zu einer Erweiterung der Möglichkeiten einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB für die Dauer des Entlassungsverfahren ist § 1913 BGB aber ohnehin nicht geeignet:

Die Vorschrift ist nämlich systematisch eingeordnet im Rahmen einer erschöpfenden Aufzählung von Fallgestaltungen (§ 1909, § 1910, § 1912, § 1914 BGB), die keiner Analogie zugänglich ist: Die §§ 1919 ff BGB können nicht analog angewendet werden auf andere Fälle eines Schutzbedürfnisses (Palandt-Götz, Einführung vor § 1909, Rz.2). Auf die Abgrenzung gegenüber §§ 1911 ff und 1960 BGB wird ausdrücklich hingewiesen (§ 1913 Rz.1). Dies zeigt, dass § 1913 BGB nicht dazu dienen kann, den Anwendungsbereich von § 1960 BGB zu erweitern.

In diesem Zusammenhang kann nicht damit argumentiert werden, die Erblasserin habe durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung eine Verwaltung des Nachlasses durch die Erben nicht gewollt. Ein Erblasser ist nicht befugt, vom Nachlassgericht eine im Gesetz nicht vorgesehene Maßnahme zu verlangen, so dass sich die Erben auf einen entsprechenden Erblasserwillen nicht berufen können. Das Nachlassgericht hat bei Wegfall des vom Erblasser bestimmten Testamentsvollstreckers lediglich zu prüfen, ob die Entlassung das Ende der Testamentsvollstreckung im Ganzen zur Folge haben soll, oder ob von einem Ersuchen gemäß § 2200 BGB auszugehen ist.

Daraus folgt zugleich, dass es keine Rolle spielt, wenn die Beteiligte zu 1) sich überfordert fühlt oder dass der Beteiligte zu 2) inzwischen verstorben ist und für seinen Nachlass eine Nachlasspflegerin eingesetzt ist. Erst recht dient eine Nachlasspflegschaft nicht dazu, Schadensersatzansprüche gegen den Testamentsvollstrecker und/oder Dritte zu prüfen und vorzubereiten.

2.) Dem Beschwerdegericht ist bewusst, dass den Beteiligten zu 1) und 2) durch die Beschwerdeentscheidung eine von ihnen als einfach und günstig angesehene Möglichkeit, den status quo des Nachlasses zu sichern, versperrt ist. Rechtlos gestellt sind sie damit nicht.

Im Ausgangspunkt ist jedenfalls klarzustellen, dass die Entlassung der Beteiligten zu 3) als Testamentsvollstreckerin durch den Beschluss des Nachlassgerichts vom 4.12.2017 nach Bekanntgabe an die Beteiligte zu 3) wirksam ist (§ 40 FamFG; Bonefeldt u.a., Der Erbprozess, 5.Auflage 2017, § 8, Rz.114). Das Amt des Testamentsvollstreckers endet ohne Rücksicht auf die Rechtskraft der Entscheidung (Palandt-Weidlich, § 2227 Rz.11; Maluche ZEV 2010, 551, 554). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung und die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ist nur nach § 64 Abs.3 FamFG möglich.

Folge der Amtsbeendigung im Allgemeinen sind der Verlust der Verwaltungs-, Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers verbunden mit der Herausgabe- und Rechenschaftspflicht (Palandt-Weidlich, § 2225 Rz.5). Das ist bei der Entlassung nicht anders (Palandt-Weidlich, § 2227 Rz.11). Insofern ist dem Beschwerdegericht nicht einsichtig, woraus die Beteiligte zu 3) ihre Berechtigung zur schlichten Fortsetzung ihrer Tätigkeit ableitet. Letztlich könnte hieraus sogar ein neuer Entlassungsgrund entstehen.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Einzelheiten des vorläufigen Rechtsschutzes während des laufenden Entlassungsverfahrens umstritten sind. Gesichert scheint, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur solche Maßnahmen erlangt werden können, zu denen das Gericht auch im Hauptsacheverfahren befugt ist (OLG Naumburg, FGPrax 2012, 118, nach juris Tz. 13 für Nachlassgericht). Ferner darf die Maßnahme nicht der Sache nach eine einstweilige Entlassung des Testamentsvollstreckers darstellen und nicht die Hauptsache vorwegnehmen (Keidel/Zimmermann, § 345 Rz.109). Im Übrigen aber bestehen im Hinblick auf die Kompetenzverteilung zwischen Nachlassgericht und Prozessgericht einerseits und die Grenzen von gerichtlichen Eingriffen in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers andererseits (vgl. Keidel/Giers, § 49 Rz.15) unterschiedliche Ansichten darüber, ob die Erben – die sich materiell auf § 2216 BGB wie auch auf § 2227 BGB berufen können – den Weg über § 49 FamFG oder §§ 935 ff ZPO einschlagen müssen (Ansichten und Nachweise etwa bei Palandt-Weidlich, § 2216 Rz.1, § 2227 Rz.13; Erman-M. Schmidt, 15. Auflage 2017, § 2227 Rz.12; Staudinger-Reimann, Neubearbeitung 2016, Vorbem. zu §§ 2197 ff, Rz.35, 44, § 2227 Rz.38; Burandt/Rojahn, a.a.O., § 2227 Rz.12; Meyer-Bonefeldt, Testamentsvollstreckung, 3. Auflage 2011, S.609, Rz.52; Meyer, ZEV 2013, 469; OLG Karlsruhe, ZEV 2013, 205; Anmerkung Reimann S.207; Anmerkung Zimmermann, ZErb 2012, 338; OLG Schleswig, ZEV 2010, 367, Anmerkung Zimmermann, S.368; ferner Zimmermann, ZEV 2009, 53, 58). Es ist nicht Aufgabe des hiesigen Beschwerdeverfahrens, diese Frage verbindlich zu entscheiden. Die bestehende Unsicherheit für die Beteiligten vermag indes nicht zur Rechtfertigung einer Nachlasspflegschaft in einem vom Gesetz nicht vorgesehenen Fall zu dienen.

III.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs.1 FamFG. Gerichtskosten werden nicht erhoben, weil die Beschwerde Erfolg hat. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten zwischen den Beteiligten entspräche nicht der Billigkeit.

Der Festsetzung eines Verfahrenswertes bedarf es somit nicht, zumal der Nachlasswert (§ 64 GNotKG) nicht feststeht.

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