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Nachlasssache Auslandsbezug – gemeinschaftliches Testaments nach EuErbVO

Rechtsbindung durch Testament: Ein Spiel zwischen deutschem und österreichischem Recht

Die Verflechtung von deutschem und österreichischem Recht wirft in diesem Fall komplexe Fragen bezüglich der Rechtswahl und der Bindungswirkung von Testamenten auf. Im Kern dreht sich der Fall um ein gemeinschaftliches Testament, welches von einem deutsch-österreichischen Ehepaar erstellt wurde. Der strittige Punkt liegt in der unterschiedlichen Auffassung von Bindungswirkung nach deutschem und österreichischem Recht, die jeweils Unterschiede aufweisen.

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Kontroverse um die Bindungswirkung

Das Testament, datiert auf den 25. März 1996, hat unterschiedliche Rechtsfolgen je nach Anwendung des deutschen oder österreichischen Rechts. Nach deutscher Rechtsauffassung wird die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments anerkannt, während das österreichische Recht – insbesondere für Testamente, die vor dem 1. Januar 2017 erstellt wurden – dies nicht tut. Dieser Unterschied führte zu erheblichen Streitigkeiten über die Gültigkeit und Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments.

Bindungswirkung nach deutschem Recht

Gemäß dem deutschen Recht ermöglichen bestimmte Klauseln in Testamenten den Erblassern, die Verfügungen nach dem Tod eines Ehepartners unwiderruflich zu gestalten. In dem hier diskutierten Testament haben die Ehepartner eine solche Regelung getroffen. Sie haben sich gegenseitig als Alleinerben und ihre Verwandten als Schlusserben eingesetzt, mit der Bestimmung, dass diese Einsetzungen „wechselseitig verbindlich“ sind und nach dem Tod eines Ehepartners unveränderbar werden.

Keine Bindungswirkung nach österreichischem Recht

Im Gegensatz dazu erkennt das österreichische Recht die Bindungswirkung in der vorliegenden Konstellation nicht an. Insbesondere bei Verfügungen zugunsten Dritter über den Tod des Erstversterbenden hinaus ist eine solche Bindungswirkung dem österreichischen Recht fremd. In diesem Fall vertrat das Nachlassgericht die Ansicht, dass die Bindungswirkung nach österreichischem Recht nicht wirksam ist.

Konkludente Rechtswahl: Ein Streitpunkt von Bedeutung

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Frage der konkludenten Rechtswahl. Laut EuErbVO kann die Wahl des anzuwendenden Rechts auch durch indirekte Hinweise erfolgen, z. B. wenn der Erblasser auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates Bezug nimmt, dem er angehört. Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass die Ehegatten durch die Verwendung bestimmter Klauseln in ihrem Testament indirekt das deutsche Recht gewählt haben. Dieser Punkt ist jedoch strittig und unterstreicht die Notwendigkeit einer einheitlichen Behandlung durch die Rechtsprechung, da er in vielen anderen Fällen von Bedeutung sein kann.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 31 Wx 241/18 – Beschluss vom 24.08.2020

I) Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Laufen – Abteilung für Nachlasssachen – vom 19.04.2018 wird zurückgewiesen.

II) Die Festsetzung des Geschäftswertes der Beschwerde bleibt vorbehalten.

III) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige und hatte ihre letzte Wohnanschrift in der … in …. Sie war in einziger Ehe verheiratet mit dem österreichischen Staatsangehörigen …, der am …, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls wohnhaft in …, verstorben war. Die Erblasserin und ihr Ehemann waren im Jahr 1995 von Österreich nach … umgezogen.

Am 25. März 1996 verfassten die Ehegatten in getrennten, aber wortgleichen, jeweils eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunden zwei mit „Gemeinschaftlichen Testament“ überschriebene Schriftstücke folgenden Wortlauts:

Gemeinschaftliches Testament

Ich Frau … geb. … in … derzeit wohnhaft in der … in … bin deutsche Staatsangehörige und habe keine Kinder. Ich, Herr … geb. am … in … (Österreich) derzeit wohnhaft in der … in … bin österreichischer Staatsangehöriger und habe als einzigen Abkömmling meine am … in Gotha geborene Tochter …, die ihrerseits verheiratet und österreichische Staatsangehörige ist.

Wir sind miteinander seit 30.V.95 verheiratet, In der freien Verfügung über unser Vermögen sind wir nicht beschränkt, weder durch einen Ehe oder Erbvertrag oder durch ein früheres Testament.

Höchst vorsorglich widerrufen wir alle bisher von uns errichteten früheren Verfügungen von Todes wegen und wir bestimmen nun mehr folgendes als unseren gemeinsamen letzten Willen:

I.

Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.

II.

Nach dem Tod des zweiten von uns sollen gemeinsame Schlusserben a) …

b) …

c) …

d) … zu gleichen Teilen sein.

III

Die hier getroffene Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung u. Vermächtnisanordnung) sind wechselseitig verbindlich. Sie können zu unserer beiden Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden. Nach dem Tod eines von uns beiden ist der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnungen abzuändern.

IV.

Weitere Verfügungen wollen wir heute nicht treffen.

Das Original dieses Testaments befindet sich bei unseren persönlichen Unterlagen. Eine Fotokopie befindet sich in der Kanzlei des RAe ….

Weitere Abschriften oder Kopien haben wir nicht gefertigt.

Mit Testament vom 7. Oktober 2013 verfügte die Erblasserin, dass sie „mein Haus + Inventar sowie mein Barvermögen Herrn + Frau …“ vererbe. Am 4. Dezember 2013 verfasste die Erblasserin ein eigenhändig ge- und unterschriebenes Schreiben, in dem es unter anderem heißt:

„Sollte meine Schwester oder mein Neffe sowie Nichten von meinen Konten Geld abgehoben haben müssen sie diese an den Erben zurückbezahlt werden. Ich hatte ihnen nie erlaubt Geld abzuheben“

Mit Antrag vom 26.10.2017 haben die Beschwerdeführer einen Erbschein dahingehend beantragt, dass sie Erben zu je ½ geworden sind.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Rechtsfolge nach der Erblasserin nach dem Testament vom 25. März 1996 richte. Dieses sei wirksam und habe Bindungswirkung, die den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Dass gelte unabhängig von dem auf die Bindungswirkung anwendbaren Recht, da auch nach österreichischem Erbrecht kein formelles oder materielles Verbot bestehe, sich durch letztwillige Verfügung zu binden. Den Ehegatten habe es daher auch nach österreichischem Recht offen gestanden, durch ausdrückliche Anordnung ihren Verfügungen von Todes wegen Bindungswirkung zu verleihen. Damit könne dahinstehen, nach welchem Recht sich die Bindungswirkung des Testaments richte. Das gemeinschaftliche Testament sei auch nicht durch die letztwillige Verfügung vom 7. Oktober 2013 oder die Erklärung vom 4. Dezember 2013 widerrufen worden.

Mit der Beschwerde vom 29. Mai 2018 verfolgen die Beschwerdeführer ihren Erbscheinsantrag weiter. Sie sind der Meinung, dass das gemeinschaftliche Testament schon deshalb keine Bindungswirkung entfalte, weil es in zwei getrennten Urkunden errichtet sei. Außerdem scheide nach österreichischem Erbrecht eine Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments aus. Jedenfalls für den Ehegatten der Erblasserin sei aber gemäß dem vormaligen Kollisionsrecht österreichisches Erbrecht anwendbar, sodass das gemeinschaftliche Testament insgesamt keine Bindungswirkung entfalten könne. Darüber hinaus habe die Erblasserin das gemeinschaftliche Testament durch die Urkunden aus dem Jahr 2013 wirksam widerrufen.

Die Beteiligten zu 3) bis 6) sind der Meinung, das gemeinschaftliche Testament entfalte Bindungswirkung. Es genüge insofern, dass das deutsche Recht dem Testament Bindungswirkung zuspräche. Darüber hinaus stehe es auch nach österreichischem Recht Ehegatten frei, sich in einem wechselseitigen Testament unwiderruflich zu binden.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag im Ergebnis zurecht abgelehnt. Die Erbfolge nach der Erblasserin richtet sich nämlich nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen Bindungswirkung den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegensteht.

1. Die Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 25. März 1996 war zulässig.

a) Da die Erblasserin nach dem 17. August 2015 verstorben ist, ihre Rechtsnachfolge von Todes wegen Prüfungsgegenstand ist und mit der österreichischen Staatsangehörigkeit ihres Ehemanns, mit dem gemeinsam sie das Testament vom 25. März 1996 errichtet hat, ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt, bestimmt sich das anwendbare Recht grundsätzlich nach Art, 1 Abs. 1 S.1, Art 83 EuErbVO. Art. 83 Abs. 3 EuErbVO bestimmt, dass eine vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam ist, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist. Nach dem Konzept dieser Übergangsregelung genügt es somit, wenn das Testament nach nur einem der von den unterschiedlichen Kollisionsrechten (EuErbVO, ehemaliges IPR des Aufenthaltsstaates, ehemaliges IPR des Staates der Staatsangehörigkeit, ehemaliges IPR des angerufenen Gerichts) berufenen Rechte zulässig und wirksam ist.

b) Das gemeinschaftliche Testament ist nach dem durch die Kollisionsnormen des Kapitels III der EuErbVO berufenen Recht (Art. 83 Abs. 3,1. Alt. EuErbVO) zulässig.

aa) Für die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments gilt Art. 25 EuErbVO. Es stellt nämlich einen Erbvertrag im unionsrechtlichen Sinne des Art. 3 Abs. 1. b) EuErbVO dar. Hiernach ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Jedenfalls ist das gemeinschaftliche Testament nach deutschem Recht, das wechselbezügliche Verfügungen enthält (§ 2270 BGB), ein Erbvertrag im Sinne des autonom zu bestimmenden Begriffs der EuErbVO (Dutta in: MüKo BGB, 7. Aufl. < 2018>, EuErbVO Art. 3 Rn. 11 mit umfangreichen Nachweisen auch zur Gegenansicht in Fn. 23). Nach der Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Testaments insbesondere in Ziffer III beabsichtigten die Erblasserin und deren vorverstorbener Ehemann eine bindende Ausgestaltung der Verfügungen.

Das gemeinschaftliche Testament betrifft mit der Erblasserin und ihrem Ehemann den Nachlass mehrerer Personen, sodass sich das auf die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments anwendbare Recht grundsätzlich nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO richtet.

Ob eine vorrangige, auf das Errichtungsstatut beschränkte, konkludente Wahl des deutschen Rechts durch Bezugnahme auf Form und Inhalt eines gemeinschaftlichen Testaments nach Vorbild der §§ 2265 ff. BGB gemäß Art. 25 Abs. 3 iVm Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO vorliegt, kann zunächst noch dahinstehen. Denn auch nach der objektiven Anknüpfung des Errichtungsstatutes (Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO) richtet sich die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments allein nach deutschem Recht. Hiernach ist das gemeinschaftliche Testament nur zulässig, wenn es nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde. Somit ist für beide an dem gemeinschaftlichen Testament beteiligten Personen das hypothetische Erbstatut nach der EuErbVO unter den zum Errichtungszeitpunkt vorliegenden Umständen zu ermitteln.

Die so ermittelte objektive Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO führt für beide Ehegatten in das deutsche Recht. Der gewöhnliche Aufenthalt ist durch eine Prüfung aller Umstände des Einzelfalls (Erwägungsgründe = Erwgr. Nr. 23 S. 2, Erwgr. Nr. 24 S. 5 EuErbVO) zu bestimmen, wobei maßgeblich auf den Lebensmittelpunkt des Erblassers in familiärer und sozialer Hinsicht abzustellen ist (Erwgr. Nr. 24 S. 3 EuErbVO). Nach den Feststellungen des Nachlassgerichts zogen die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann im Jahr 1995 von Österreich nach Bad Reichenhall. Ab diesem Zeitpunkt hatten die Ehegatten ihren gemeinsamen Hausstand in Deutschland, nennenswerte berufliche, familiäre oder sonstige soziale Beziehungen nach Österreich bestanden nicht mehr. Somit lag der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Deutschland, auch wenn sie ihren Lebensmittelpunkt erst seit ungefähr einem Jahr von Österreich nach Deutschland verlagert haben. Da so das Erbstatut nach der EuErbVO für beide Ehegatten deutsches Recht ist, ist die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments allein hiernach zu bestimmen. Eine zusätzliche Prüfung der Zulässigkeit nach österreichischem Sachrecht, wie das Nachlassgericht sie angestellt hat (S. 7f. des angegriffenen Beschlusses), ist darüber hinaus nicht angezeigt.

bb) Nach deutschem Recht ist eine Vereinbarung über Rechte am eigenen künftigen Nachlass zulässig. Mit wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten (§§ 2270, 2271 BGB) und vertragsmäßigen Verfügungen im Erbvertrag (§§2278, 2289 BGB) kennt das deutsche Recht die Möglichkeit, bindende Verfügungen von Todes wegen zu treffen.

2. Das gemeinschaftliche Testament vom 25. März 1996 ist formell wirksam. Art. 83 Abs. 3 EuErbVO gilt auch für die formelle Wirksamkeit.

a) Die formelle Wirksamkeit des Testaments ist nach Art. 27 iVm Art. 83 Abs. 3 1. Alt. EuErbVO zu bestimmen. Das Haager Testamentsformübereinkommen, das nach Art. 75 Abs. 1 U Abs. 2 EuErbVO vorrangig zu berücksichtigen ist, findet sachlich keine Anwendung. Denn das vorliegende gemeinschaftliche Testament wurde in zwei Testamentsurkunden errichtet, sodass im unionsrechtlichen Sinne zwar ein Erbvertrag (Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO), jedoch kein gemeinschaftliches Testament (Art. 3 Abs. 1 c) EuErbVO) vorliegt (Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, 3. Aufl. <2019>, EuErbVO Art. 27 Rn. 2; Dutta in: MüKo a.a.O., EuErbVO Art. 27 Rn. 1). Nach Art. 4 des Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (HTestformÜ) ist auch das Übereinkommen nur auf gemeinschaftliche Testamente im formalen Sinne, also auf durch mehrere Personen in einer Urkunde errichtete Testamente anwendbar.

Art. 27 EuErbVO lässt es für die formelle Wirksamkeit des Testamentes ausreichen, wenn das Testament den Anforderungen eines der von fünf unterschiedlichen Anknüpfungen berufenen Rechte genügt. Hier ist das gemeinschaftliche Testament bereits nach dem von Art. 27 Abs. 1 a) EuErbVO berufenen Recht des Staates, in dem die Verfügung errichtet worden ist – hier Deutschland -, formell wirksam.

b) Ein gemeinschaftliches Testament kann nach deutschem Recht auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden (Braun in: BeckOGK BGB, 1.11.2019, § 2265 Rn. 9; Musielak in: MüKo BGB, 8. Aufl. <2020>, § 2267 Rn. 18; Palandt/Weidlich, 79. Auflage 2020, Einf v § 2265 Rn. 3f; Staudinger/Kanzleiter, BGB, <2019>, § 2267 Rn. 3). Die durch die Beteiligten zu 1) und 2) angeführte Ansicht des Reichsgerichtes, dass ein gemeinschaftliches Testament in einer einzigen Urkunde errichtet werden muss (sogenannte objektive Theorie) (RGZ 72, 204, 206), ist inzwischen zurecht überholt. Abgesehen davon, dass eine solche Einschränkung keine Stütze im Gesetzeswortlaut findet, sondern im Gegenteil § 2267 S. 1 BGB vielmehr eine Formerleichterung darstellt, ließe sich eine solche auch nicht mit der grundrechtlich geschützten Testierfreiheit vereinbaren (Braun in: BeckOGK a.a.O. § 2265 Rn. 12). Zwei getrennte Urkunden bilden somit dann ein gemeinschaftliches Testament, wenn sich die Gemeinschaftlichkeit aus anderen Umständen als der Urkundeneinheit ergibt, die in den Testamentsurkunden zumindest angedeutet sind (BGH NJW 1953, 698, 699; OLG München MittBayNot 2009, 55; OLG Braunschweig ZEV 2007, 178). Wie schon das Nachlassgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich die Gemeinschaftlichkeit des Testaments hier daraus, dass die beiden Ehegatten die jeweilige Urkunde zur selben Zeit, am selben Ort in gleichem Wortlaut verfasst haben. Auch die Überschrift „Gemeinschaftliches Testament“ auf den beiden Einzeltestamenten verdeutlicht die auf Gemeinschaftlichkeit ausgerichtete Willensrichtung. Jede der beiden Urkunden führt darüber hinaus beide Ehegatten auf und formuliert die einzelnen Verfügungen in „Wir“-Form.

3. Das gemeinschaftliche Testament vom 25. März 1996 ist schließlich nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 in Verbindung mit 83 Abs. 3, 1. Alt. 1 EuErbVO materiell wirksam. Die objektive Anknüpfung der materiellen Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments führt zum deutschen Recht, sodass es im Rahmen der materiellen Wirksamkeit nicht darauf ankommt, ob die Ehegatten konkludent durch Bezugnahme auf erbrechtliche Bestimmungen des BGB das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht der Erblasserin als Errichtungsstatut nach Art. 25 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 83 Abs. 2 EuErbVO gewählt haben. Nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO richtet sich die materielle Wirksamkeit eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinne, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, nämlich nach demjenigen hypothetischen Erbstatut im Sinne des Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO, zu dem die engste Verbindung besteht. Da hier das hypothetische Erbstatut sowohl der Erblasserin als auch ihres vorverstorbenen Ehemannes zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments das deutsche Recht ist, kommt auch für die objektive Anknüpfung der materiellen Wirksamkeit allein deutsches Recht in Betracht.

4. Das gemeinschaftliche Testament vom 25. März 1996 entfaltet Bindungswirkung, die den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstand.

a) Auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments findet deutsches Recht Anwendung.

aa) Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts kann die Ermittlung des insoweit anwendbaren Rechts nicht dahinstehen, da nach den Rechtsordnungen, zu denen das gemeinschaftliche Testament eine Beziehung aufweist (Österreich und Deutschland), die Bindungswirkung des Testamentes vom 25. März 1996 jeweils unterschiedlich zu beurteilen ist.

Unter Anwendung des zum Testamentserrichtungszeitpunkt geltenden österreichischen Rechts kommt dem gemeinschaftlichen Testament nämlich – anders als das Nachlassgericht meint – keine Bindungswirkung zu.

Nach dem auf Testamente, die vor dem 1. Januar 2017 errichtet worden sind (§ 1503 Abs. 7 Nr. 5 ABGB), anwendbaren § 1248 S. 2 ABGB aF, der inhaltlich § 586 Abs. 2 S. 2 ABGB entspricht, sind gemeinschaftliche Testamente widerruflich. Jeder Ehegatte kann seine Verfügung vor wie nach dem Tod des Erstversterbenden ohne dessen Kenntnis oder gar Einverständnis widerrufen (OGH 4.11.1997, 10 Ob 388/97z; Jesser-Huß in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar V, 4. Auflage <2014>, § 1248 Rz 4 OGH 18.11.1964, 7 Ob 263/64; OGH 18.12.2009, 6 Ob 167/09s; Fischer-Czermak in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge, 2. Auflage <2018>, § 20 Rz 103; Apathy/Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kurzkommentar, 5. Auflage <2017>, § 587 Rz 3; Jesser-Huß a.a.O.; Weiß/Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 178; Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, 2. Auflage <1983>, S. 51). Das gilt unverändert auch im Fall von wechselbezüglichen Verfügungen, die in gleichem Maße, aber mit der besonderen Folge frei widerruflich sind, dass mit dem Widerruf auch die Verfügungen des (auch vorverstorbenen) anderen Ehegatten ex tunc unwirksam werden (Fischer-Czermak a.a.O.; Weiß/Likar-Peer a.a.O.; Gschnitzer/Faistenberger, a.a.O.).

Unzutreffend ist die Annahme des Nachlassgerichts, dass es Ehegatten nach österreichischem Recht freistehe, die Widerrufsmöglichkeit hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Testaments auszuschließen und sich so durch letztwillige Verfügung selbst zu binden. Das ergibt sich einerseits aus der Legaldefinition des § 552 ABGB, wonach die Erklärung des letzten Willens „die Anordnung [ist], wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Theil desselben Einer oder mehreren Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt“, andererseits aus dem der aktuellen Normfassung inhaltsgleichen § 716 ABGB aF, der ausdrücklich bestimmt, dass „[d]er in einem Testament oder Kodizill angehängte Beisatz: daß jede spätere Anordnung überhaupt, oder, wenn sie nicht mit einem bestimmten Merkmale bezeichnet ist, null und nichtig sein solle, […] als nicht beigesetzt anzusehen [ist].“ Die nicht dispositive einseitige Widerruflichkeit ist damit ein unverzichtbares Wesensmerkmal von letztwilligen Verfügungen auch in gemeinschaftlichen Testamenten (OGH 26.01.1982, 5 Ob 785/81; Gschnitzer/Faistenberger, a.a.O., S. 44; Apathy/Musger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kurzkommentar, 5. Auflage <2017>, § 716 Rz. 1; Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar III, 4. Auflage <2013>, § 716 Rz 1; Welser in Rummel/Lukas, ABGB, 4. Auflage <2014>, Vor § 713 Rz. 1; Weiß/Likar-Peer, a.a.O., S. 188). Nach österreichischem Recht ist das gemeinschaftliche Testament damit nicht geeignet, eine dem deutschen Verständnis von verbindlicher Einheitslösung (§§ 2269 Abs. 1, 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 1 und 2 BGB) vergleichbare Nachlassplanung zu erreichen (Fischer-Czermak, a.a.O., Rz 105).

Bindende Verfügungen von Todes wegen sind nach österreichischem Erbrecht deshalb allein in Erbverträgen (§§ 1249 ff. ABGB) möglich, die als Ehepakte im Sinne der §§ 1217 ff. ABGB nur in der besonderen Form des Notariatsaktes (§ 1 Abs. 1 a) NotAktsG) geschlossen werden können (Jesser-Huß, a.a.O., § 1249 Rn 5). In solchen Erbverträgen können Ehegatten in einem Umfang von bis zu drei Vierteln ihres Nachlasses (§ 1253 ABGB) einseitig unwiderrufliche (§ 1254 ABGB) Verfügungen treffen. Auch die Bindungswirkung der erbvertraglichen Verfügungen sind jedoch nach österreichischem Recht neben der gegenständlichen Beschränkung auf drei Viertel des Nachlasses in weiterer, zweifacher Weise beschränkt. Einerseits können in österreichischen Erbverträgen bindende Verfügungen nur zugunsten des Ehegatten getroffen werden, während die Erbeinsetzung Dritter in frei widerrufliche testamentarische Verfügungen umzudeuten sind (St. Rspr.: Rechtssatznummer RS0017047 („Erbverträge zugunsten Dritter sind dem österreichischen Recht fremd.“), u.a.: OGH 13.02.1958, 3 Ob 34/58; OGH 18.01.1972, 4 Ob 653/71; OGH 12.09.1985, 7 Ob 692/84; OGH 15.05.2014, 6 Ob 168/13v; und Rechtssatznummer RS0017048 („Verfügungen auf den Todesfall in einem Erbvertrag zugunsten Dritter sind frei widerruflich.“), u.a.: OGH 22.11.1950, 2 Ob 237/50; OGH 30.08.1967, 1 Ob 121/67; OGH 20.01.1971, 6 Ob 326/70; OGH 12.09.1985, 7 Ob 692/84; zustimmend Jesser-Huß, a.a.O., Rn 8; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kurzkommentar, 5. Auflage <2017>, § 1249 Rn. 5; M. Bydlinski in Rummel/Lukas, ABGB, 4. Auflage <2019>, § 1249 Rn 3; Fischer-Czermak a.a.O., Rn 64; aA Gschnitzer/Faistenberger, a.a.O., S. 47). Andererseits endet die Unwiderruflichkeit der Verfügungen mit dem Tod des Vertragserben, bei einer gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten also mit dem Tod des Erstversterbenden (OGH 22.12.1961, 5 Ob 420/61; Jesser-Huß, a.a.O., § 1252 Rn 1; M. Bydlinski, a.a.O., § 1253 Rn 2; Fischer-Czermak, a.a.O., Rz 70, 83; Fritsch in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, S. 257; Gschnitzer/Faistenberger, a.a.O., S. .

Somit ist dem österreichischen Recht in der vorliegenden Konstellation, in der die Ehegatten sich gegenseitig als Allein- und Dritte als Schlusserben eingesetzt haben, eine Bindungswirkung der Verfügungen zugunsten Dritter insbesondere über den Tod des Erstversterbenden hinaus fremd. Nach österreichischem Recht entfaltet das Testament vom 25. März 1996 keine Bindungswirkung, die die Erblasserin daran hindern hätte können, die Erbeinsetzung der Beteiligten H. und G. durch spätere Einzeltestamente zu ersetzen.

bb) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments ergibt sich aus einer entsprechenden konkludenten Rechtswahl.

Nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO können die Parteien eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinne auch für die Bindungswirkung ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Eine solche Wahl des auf die Bindungswirkung anwendbaren Rechts, die vor dem 17. August 2015 erfolgte, ist nach der Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO erfüllt. Soweit Art. 83 Abs. 2 EuErbVO hierbei Rückwirkung entfaltet, ist das europa- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BGH NJW 2019, 3449). Die Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO umfasst hierbei alle Rechtswahltatbestände der EuErbVO und damit auch eine Teilrechtswahl des Errichtungsstatutes nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO (BGH NJW 2019, 3449, 33450; J. Schmidt in: BeckOGK, 1.2.2020, EuErbVO Art. 83 Rn. 10f.; Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, 3. Aufl. <2019>, EuErbVO Art. 83 Rn. 4; Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83 Rn. 10; Palandt/Thorn, BGB, 79. Auflage <2020>, Art. 83 EuErbVO Rn. 4; Rudolf ZfRV 2015, 212, 213; Schoppe IPrax 2014, 27, 29; aA (Anwendung von Art. 83 Abs. 3 EuErbVO als lex specialis für das Errichtungsstatut einschließlich diesbezüglicher Rechtswahl) NK-BGB/Magnus, 2. Auflage 2015, Art. 83 Rn. 14; von Bary, IPrax 2019, 1565; so bei Ausnahme der in Art. 83 Abs. 3 nicht genannten Bindungswirkung auch MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 83 Rn. 7).

Eine ausdrückliche Wahl deutschen Rechts für die Bindungswirkung enthält das Testament vom 26. März 1996 nicht. Jedoch umfasst Art. 83 Abs. 2 EuErbVO auch eine konkludente Rechtswahl (Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 83 Rn. 36; NK-BGB/Magnus, 2. Auflage 2015 Art. 83 Rn. 38; Dutta in: MüKoBGB, 7. Aufl. 2018, EuErbVO Art. 83 Rn. 13). Die EuErbVO enthält nämlich einen autonomen Rechtswahlbegriff, der auch für die Übergangsregelung in Art. 83 EuErbVO gilt. Wie sich aus Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO ergibt, kann sich eine Rechtswahl im unionsrechtlichen Sinne auch aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben, also konkludent erfolgen.

Das gemeinschaftliche Testament vom 26. März 1996 enthält eine solche konkludente Wahl deutschen Rechts für die Bindungswirkung, die die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO erfüllt (Art. 83 Abs. 2 Var. 1 EuErbVO). Ob eine konkludente Rechtswahl in diesem Sinne vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. (Dutta in: MüKoBGB/, a.a.O. Art. 22 Rn. 14; J. Schmidt in: BeckOGK, a.a.O. Rn. 21; Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 22 Rn. 19; NK-BGB/Looschelders, 2. Auflage 2015, Art. 22 Rn. 28; Solomon in: Dutta/Herrler, EuErbVO, S. 19, 40f (Rn.56); Palandt/Thorn, BGB, 79. Auflage 2020, Art. 22 EuErbVO Rn. 6; wohl auch OLG Köln NJW-RR 2019, 1353; aA (Maßgeblichkeit des hypothetisch gewählten Rechts) GKKW IntErbR/Köhler, 3. Auflage <2020>, §4 Rn. 30; Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, 3. Aufl. 2019, EuErbVO Art. 22 Rn. 6; jurisPK-BGB/Sonnentag, 9. Auflage 2020, Art. 22 EuErbVO Rn. 20; Leitzen ZEV 2013, 128, 129; Pfeiffer IPrax 2016, 310, 313). Eine autonome Begriffsbestimmung der konkludenten Rechtswahl ergibt sich dabei insbesondere daraus, dass sich andernfalls nicht erklären ließe, weshalb die Verordnung selbst in Erwgr. Nr. 39 Kriterien für die Ermittlung konkludenter Rechtswahlen bereithalten sollte, wenn sie diese Frage als von dem Rechtswahlstatut beantwortet wissen wollte (So auch NK-BGB/Looschelders, 2. Auflage 2015, Art. 22 Rn. 28). Darüber hinaus ist nur so gewährleistet, dass die Voraussetzungen einer konkludenten Rechtswahl nicht abhängig von dem gewählten Recht unterschiedlich zu behandeln sind. An Rechtswahlwillen und Rechtswahlbewusstsein sind hierbei keine strengen Anforderungen zu stellen (Dutta in: MüKoBGB/, a.a.O. Art. 22 Rn. 14; Dutta/Weber/Bauer, 1. Auflage 2016, EuErbVO Art. 22 Rn. 19; Palandt/Thorn, BGB, 79. Auflage 2020, Art. 22 EuErbVO Rn. 6.). Nach Erwgr. Nr. 39 S. 2 der EuErbVO ist Indiz für eine konkludente Rechtswahl unter anderem, „wenn z.B. der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates, dem er angehört, genommen hat oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat.“ Somit sprechen die Bezugnahme auf Rechtsinstitute eines nach der EuErbVO wählbaren Recht, die Verwendung charakteristischer Rechtsbegriffe einer nationalen Erbrechtsordnung oder die Nachbildung von durch nationale Gesetze vorgezeichneten Regelungskonzepten für eine konkludente Rechtswahl.

Nach diesen Grundsätzen haben die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann im Testament vom 26. März 1996 für die Bindungswirkung übereinstimmend konkludent deutsches Recht gewählt. Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehegatte haben nämlich zum einen in ihrem gemeinschaftlichen Testament eine Terminologie verwendet, die auf deutsches Erbrecht hinweist. Insbesondere haben sie die Beteiligten … und … ausdrücklich als Schlusserben eingesetzt. Der Begriff des Schlusserben ist in deutscher Rechtsprechung anerkannt (BGH NJW 1998, 543; 2002, 1126; 2017, 329), während er im österreichischen Recht keine Verwendung findet. Zum anderen ergibt sich die konkludente Wahl deutschen Rechts für die Bindungswirkung aus dem Zusammenspiel der Ziffern I-III des gemeinschaftlichen Testaments. Wenn sich die Ehegatten hier nämlich gegenseitig als Alleinerben und Verwandte der Erblasserin als Schlusserben des Letztversterbenden einsetzen, hierbei ferner bestimmen, dass Erbeneinsetzung und Schlusserbeneinsetzung „wechselseitig verbindlich“ sein sollen, zu Lebzeiten beider Ehegatten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden können und die Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten unabänderlich sind, ist damit deutlich auf das in §§ 2270 Abs. 1, Abs. 2, 2271 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB vorgezeichnete Regelungskonzept des deutschen Rechts zur verbindlichen gemeinsamen Nachlassplanung in gemeinschaftlichen Testamenten hingewiesen. Für eine konkludente Wahl deutschen Rechts und die Bindungswirkung der Verfügungen spricht letztlich auch, dass nur so der ausdrückliche Wille der Ehegatten, die Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten unwiderruflich auszugestalten, verwirklicht wird.

Diese konkludente Wahl deutschen Rechts für die Bindungswirkung der Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 26. März 1996 ist auch nach Art. 83 Abs. 2,1. Alt. EuErbVO wirksam. Das deutsche gehört als Recht der Staatsangehörigkeit der Erblasserin, deren Nachlass durch das gemeinschaftliche Testament betroffen ist, zu den nach Art. 25 Abs. 3 iVm 22 Abs. 1 EuErbVO wählbaren Rechten. Der Verweis auf Art. 22 in Art. 25 Abs. 3 EuErbVO verdeutlicht, dass auch die Teilrechtswahl hinsichtlich des Errichtungsstatutes konkludent erfolgen kann. Das Formerfordernis des Art. 22 Abs. 2 iVm Art. 25 Abs. 3 EuErbVO („in Form einer Verfügung von Todes wegen“) ist ebenfalls erfüllt, weil das gemeinschaftliche Testament vom 26. März 1996 als Erbvertrag im unionsrechtlichen Sinne nach Art. 3 Abs. 1 lit. d) eine Verfügung von Todes wegen im Sinne der EuErbVO ist.

b) Nach dem somit maßgeblichen Errichtungsstatut gingen von den Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom 26. März 1996 die Erblasserin bindende Wirkungen aus. Die gegenseitigen Alleinerbeneinsetzung sowie jede Alleinerbeneinsetzung im Verhältnis zur Schlusserbeneinsetzung waren wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB. Das ergibt sich schon aus der ausdrücklichen Anordnung in Ziffer III des Testaments, sodass auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht zurückgegriffen werden muss. Diese Wechselbezüglichkeit band die Erblasserin in ihren Verfügungen nach dem Tod ihres Ehegatten im Umfang des § 2270 Abs. 2 S. 1 BGB.

c) Die Erbeinsetzung der Beschwerdeführer im Testament vom 7. November 2013 ist damit unwirksam. Denn diese Verfügung widerspricht der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten … und … in dem gemeinschaftlichen Testament und schließt die Rechte der dort Bedachten aus.

4. Diese wechselbezüglichen Verfügungen sind auch nicht wirksam widerrufen worden. Diese Bindungswirkung der Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament ist insbesondere nicht etwa deshalb erloschen, weil die Erblasserin sie in ihrem Testament vom 7.11.2013 aufgehoben hat. Insofern fehlt es nach Auffassung des Senats aber bereits an einem Aufhebungsrecht nach § 2271 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit §§ 2294, 2333 oder 2336 BGB. Ein wirksamer Widerruf zu Lebzeiten gemäß § 2271 Abs. 1 BGB ist ebenfalls unstreitig nicht erfolgt.

5. Das die Erbfolge nach der Erblasserin bestimmende gemeinschaftliche Testament vom 25. März 1996 enthält keine Erbeinsetzung der Beschwerdeführer, sodass ihnen der beantragte Erbschein nicht zu erteilen ist.

III.

Die Beschwerdeführer tragen gemäß § 22 GNotKG die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerden. Da eine abschließende Feststellung des Nachlasswertes durch das Nachlassgericht noch nicht erfolgt ist, bleibt die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren vorbehalten.

IV.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG zuzulassen. Ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach der EuErbVO unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut zu entscheiden ist, ist nämlich in der Lehre umstritten. Diese Frage hat über den hier entschiedenen Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung, weil sie in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb ein abstraktes Interesse an der einheitlichen Behandlung durch die Rechtsprechung besteht. Diese Frage ist außerdem entscheidungserheblich. Nach deutschem Recht ist hier nämlich nicht von einer konkludenten Wahl deutschen Rechts auszugehen. Es bestehen nämlich nicht genügend Anhaltspunkte, um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein nach deutschem Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein (BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, EGBGB Art. 25 Rn. 21) anzunehmen.

 

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