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Nachlasssicherung bei bekannten Erben

AG Borken – Az.: 22 VI 218/19 – Beschluss vom 17.05.2019

In dem Rechtsstreit … wird der Beschwerde des beteiligten Landes Nordrhein-Westfalen vom 14.05.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Borken vom 29.04.2019 aus den Gründen des Beschlusses und den folgenden Gründen nicht abgeholfen.

Die Beschwerde wird dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vorgelegt (§ 68 I 1 FamFG).

Gründe

Das beteiligte Land Nordrhein-Westfalen (im Folgenden Land NRW) hat gegen den Beschluss vom 14.05.2019 Rechtsbehelf eingelegt. Der Rechtsbehelf wurde als Beschwerde, hilfsweise, falls zulässig als Rechtspflegererinnerung bezeichnet. Der angefochtene Beschluss wurde dem beteiligten Land NRW am 02.05.2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Der Rechtsbehelf ist am 14.05.2019 per Telefax beim Amtsgericht Borken eingegangen. Der Rechtsbehelf ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden, wobei dahingestellt bleiben kann, ob für den Rechtsbehelf die Beschwerdefrist von einem Monat oder die Frist zur Einlegung der befristeten Rechtspflegererinnerung von zwei Wochen maßgeblich ist.

Nach dem angefochtenen Beschluss wurde die Aktenverwahrung nach der Gewahrsamssachenanweisung abgelehnt. Bei der Gewahrsamssachenanweisung handelt es sich um eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Grundsätzlich wäre hierfür der Rechtsweg nach §§ 23ff. EGGVG eröffnet, wobei bei Entscheidung des Rechtspflegers zunächst die befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 II RPflG durchzuführen wäre (MüKoZPO/Pabst 5. Aufl. 2017 § 23 EGGVG RdNr. 6).

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Aktenverwahrung aufgrund des Todes des Erblassers beantragt worden ist. Es geht hier also konkret um sichergestellte Gegenstände des Erblassers, die später in die Aktenverwahrung bzw. in die Aufbewahrung der Justiz nach der Gewahrsamssachenanweisung überführt werden sollen.

Die Tatsache, dass bei dem Nachlassgericht grundsätzlich sämtliche Nachlassangelegenheiten des Erblassers bearbeitet werden (Ausnahme z.B. Feststellung des Erbrechts durch den Richter des Prozessgerichts), das Nachlassgericht somit mit dem Sachstand und der Interessenlage des Erblassers vertraut ist, spricht dafür, die Aufbewahrung von Gegenständen des Erblassers nach der Gewahrsamssachenanweisung als einen Akt der Rechtsprechung aufzufassen. Zulässiger Rechtsbehelf ist somit die befristete Beschwerde nach §§ 58ff. FamFG.

Der Beschwerde wird aus den Gründen des Beschlusses und aus den folgenden Gründen nicht abgeholfen:

Die Erben des Erblassers sind bekannt. Es handelt sich um die Kinder T2, geb. am ##.##.19##, und T3, geb. am ##.##.20##. Seit dem Erbfall bis heute ist eine Frist von mehr als fünf Monaten verstrichen. Etwaige Ausschlagungs- bzw. Anfechtungserklärungen liegen dem Nachlassgericht nicht vor. Bei den vorgenannten Erben handelt es sich somit nicht mehr um vorläufige Erben, sondern um endgültige Erben des Erblassers. Für die Erbenstellung ist aus Sicht des Nachlassgerichts die Vorlage eines Erbscheins nicht erforderlich (MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl. 2017, § 1960 BGB RdNr. 18).

Vorschriften, wonach das Nachlassgericht anstelle der bekannten Erben handeln kann, sind nicht vorhanden. Die Bestellung eines Nachlasspflegers ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Erben bekannt sind. Im Übrigen handelt es sich bei der Nachlasspflegschaft auch nur um eine Sicherungsmaßnahme. Es ist daher völlig ausgeschlossen, einen Nachlasspfleger zu bestellen, der Abwicklungsmaßnahmen für Erben durchführt, die ihrerseits nicht handeln wollen. Die Erben können notfalls ihrerseits eine dritte Person mit der Abwicklung des Nachlasses beauftragen.

Ggf. kommt eine Abwicklung der Verwahrung der sichergestellten Gegenstände nach dem Polizeigesetz NRW in Betracht. Ob diese schon während der strafrechtlichen Beschlagnahme zulässig ist, dürfte umstritten sein (für einen Vorrang der strafrechtlichen Beschlagnahme: BeckOK PolG NRW 2018 § 43 RdNr. 4). Jedenfalls nach Aufhebung einer strafprozessualen Sicherstellung ist eine anschließende Sicherstellung zur Gefahrenabwehr nach § 43 PolG NRW nicht ausgeschlossen (BeckOK PolG NRW 2018 § 43 RdNr. 5). In Betracht kommt eine Sicherstellung nach § 43 Nr. 2 PolG NRW, die an die Regelung in § 1 II PolG NRW anknüpft. Bei einem verstorbenen Erblasser kommen hier insbesondere unklare Eigentumsverhältnisse in Betracht (Bsp.: die Erben haben die Erbschaft noch nicht endgültig angenommen, ggf. auch bei Erben ohne Erbnachweis oder nicht handelnden Erben – zu letzterem vgl. OVG Münster Urteil vom 13.09.2016 – Az.: 5 A 667/16 – Juris RdNr. 43,44 (obiter dictum)). Das Polizeigesetz NRW enthält in § 45 I Nr. 5 PolG NRW Regelungen, wie mit nicht handelnden berechtigten Personen zu verfahren ist. Entsprechende gesetzliche Regelungen stehen dem Nachlassgericht nicht zur Verfügung, insbesondere fehlt eine Auffangvorschrift, wonach das Nachlassgericht zur Regelung des Nachlasses bekannter Erben notfalls befugt ist.

Letztendlich sind nur die bekannten Erben des Erblassers berechtigt (ggf. nach Art. 14 II GG sogar verpflichtet) über den Nachlass des Erblassers zu verfügen.

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