Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Fehler im Nachlassverzeichnis: Auswirkungen auf Erben und Gläubiger erläutert
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Dokumente müssen für ein rechtlich korrektes Nachlassverzeichnis vorgelegt werden?
- Welche Rolle spielt der Notar bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses?
- Welchen Zeitraum muss das Nachlassverzeichnis für Schenkungen abdecken?
- Was droht bei unvollständigen oder fehlerhaften Angaben im Nachlassverzeichnis?
- Wie können Pflichtteilsberechtigte die Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses überprüfen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Hamm
- Datum: 21.12.2023
- Aktenzeichen: I-5 W 94/23
- Verfahrensart: Vollstreckungsverfahren zur Erzwingung der Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Vollstreckungsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Gläubiger: Reichte die sofortige Beschwerde ein, um die Durchsetzung der Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Anerkenntnisteilurteil zu erreichen.
- Schuldnerin: Verpflichtet, ein notarielles Bestandsverzeichnis über den realen und fiktiven Nachlass des Erblassers F. B. vorzulegen.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Gläubiger legte Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum ein, mit dem die Schuldnerin aus einem Anerkenntnisteilurteil verpflichtet wurde, ein Verzeichnis gemäß § 260 BGB zu erstellen. Dieses Verzeichnis muss sämtliche Nachlasspositionen – Immobilien, bewegliche Sachen, Gesellschaftsbeteiligungen, Forderungen, Gegenstände im Besitz des Erblassers und Verbindlichkeiten – enthalten. Ebenso sind alle unentgeltlichen oder teilunentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor seinem Tod detailliert aufzuführen.
- Kern des Rechtsstreits: Ob und in welchem Umfang die Schuldnerin verpflichtet ist, ein umfassendes notarielles Bestandsverzeichnis vorzulegen, das sowohl den realen als auch den fiktiven Nachlass abbildet und alle relevanten Vermögenswerte sowie Zuwendungen berücksichtigt – unabhängig von deren internationaler Lage und materiellem Wert –, sowie die Mitwirkung des Gläubigers oder seines Bevollmächtigten bei der Aufnahme des Verzeichnisses.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das OLG Hamm hat den angegriffenen Beschluss des Landgerichts Bochum abgeändert. Die Schuldnerin ist nun verpflichtet, das notariell zu erstellende Bestandsverzeichnis über den gesamten Nachlass des am [Datum des Todes nicht vollständig angegeben] verstorbenen F. B. vorzulegen, wobei der Gläubiger oder ein von ihm Bevollmächtigter bei der Aufnahme einbezogen werden muss.
- Begründung: Das Gericht stellt fest, dass zur Vollstreckung der Verpflichtung die Vorlage eines umfassenden Verzeichnisses zwingend erforderlich ist. Dieses muss sämtliche Vermögenspositionen und Nachlassverbindlichkeiten enthalten, wobei auch alle unentgeltlichen bzw. teilunentgeltlichen Zuwendungen innerhalb der letzten zehn Jahre des Erblassers präzise anzugeben sind.
- Folgen:
- Die Schuldnerin muss das geforderte notarielle Bestandsverzeichnis erstellen und dem Gläubiger bzw. seinem Bevollmächtigten vorlegen.
- Das Urteil konkretisiert die Anforderungen an die Vollständigkeit und Detailgenauigkeit eines Nachlassverzeichnisses und sichert dem Gläubiger die Möglichkeit, die ihm aus dem Anerkenntnisteilurteil zugesprochene Forderung vollstreckungsrechtlich durchzusetzen.
Fehler im Nachlassverzeichnis: Auswirkungen auf Erben und Gläubiger erläutert
Das Nachlassverzeichnis bildet das Fundament zur Regelung des Erbes. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben können erhebliche Folgen haben, wenn es um den Anspruch auf Ergänzung oder Berichtigung geht.
Solche Fragen betreffen sowohl Erben als auch Gläubiger. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die richterliche Bewertung dieser Problematik beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
OLG Hamm: Notarielles Nachlassverzeichnis muss vollständige Auskunft über Schenkungen enthalten

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Beschluss vom 21. Dezember 2023 (Az. I-5 W 94/23) die Anforderungen an ein Notarielles Nachlassverzeichnis präzisiert. Das Gericht setzte ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gegen eine Erbin fest, die ihrer Pflicht zur vollständigen Auskunftserteilung über den Nachlass nicht nachgekommen war.
Streit um Pflichtteilsansprüche und Nachlassverzeichnis
Im Zentrum des Falls stand die Auseinandersetzung zwischen einem Pflichtteilsberechtigten und der Alleinerbin des am 2018 verstorbenen F. B. Der Pflichtteilsberechtigte hatte vor dem Landgericht Bochum im Wege einer Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Die Erbin wurde durch ein Anerkenntnisteilurteil vom 15. September 2021 verpflichtet, ein notarielles Bestandsverzeichnis über den realen und fiktiven Nachlass vorzulegen.
Unzureichende Ermittlungen zu Schenkungen
Das von der Erbin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis vom 24. Januar 2023 wies nach Ansicht des OLG Hamm erhebliche Mängel auf. Der Notar hatte die Konten des Erblassers nur für den Zeitraum ab 2011 eingesehen, obwohl auch Schenkungen aus den zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers hätten erfasst werden müssen. Die Begründung, dass die Bank keine älteren Unterlagen mehr zur Verfügung stellen konnte, ließ das Gericht nicht gelten. Der Notar hätte die Erbin auffordern müssen, ältere Kontoauszüge vorzulegen.
Lückenhafte Angaben zu Lebensversicherungen
Besonders kritisch sah das Gericht die unvollständigen Angaben zu den Lebensversicherungen des Erblassers. Bei mehreren Versicherungen fehlten wichtige Informationen wie der Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Erbfalls oder die vom Erblasser gezahlten Versicherungsprämien. Diese Werte seien jedoch für die Berechnung möglicher ausgleichspflichtiger Zuwendungen erforderlich.
Umfang der notariellen Ermittlungspflicht
Das OLG Hamm betonte die weitreichenden Pflichten des Notars bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Der Notar muss den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln. Er darf sich nicht auf die Angaben des Auskunftspflichtigen beschränken oder lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er diejenigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtigten für erforderlich halten würde.
Bedeutung für die Praxis
Der Beschluss verdeutlicht die hohen Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis. Erben müssen bei der Auskunftserteilung umfassend mitwirken und alle verfügbaren Unterlagen zur Verfügung stellen. Eine bloße Beschränkung auf leicht zugängliche Informationen reicht nicht aus. Der Notar muss aktiv ermitteln und seine Ermittlungsschritte im Verzeichnis dokumentieren. Die Entscheidung stärkt die Position von Pflichtteilsberechtigten, die auf vollständige und korrekte Angaben zum Nachlass angewiesen sind.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Hamm stellt klar, dass notarielle Nachlassverzeichnisse höchsten Anforderungen an Vollständigkeit und Präzision genügen müssen. Unvollständige oder ungenaue Verzeichnisse erfüllen nicht die gesetzlichen Vorgaben, selbst wenn sie von einem Notar erstellt wurden. Bei Nichterfüllung drohen Zwangsgelder, die auch wiederholt verhängt werden können. Das Urteil zeigt, dass die Auskunftspflicht sehr weitreichend ist und auch sehr alte oder vermeintlich unbedeutende Vermögenspositionen umfasst.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Erbe müssen Sie bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses äußerst sorgfältig vorgehen und wirklich alle Vermögenspositionen der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall offenlegen – auch wenn diese scheinbar geringwertig sind. Die Beauftragung eines Notars allein reicht nicht aus – Sie müssen diesem auch alle relevanten Unterlagen und Informationen vollständig zur Verfügung stellen. Werden Angaben vergessen oder Fristen nicht eingehalten, riskieren Sie Zwangsgelder von mehreren hundert Euro, die auch mehrfach verhängt werden können. Bei bestimmten Zuwendungen wie Schenkungen an den Ehegatten oder vorbehaltenen Nutzungsrechten besteht sogar eine zeitlich unbegrenzte Auskunftspflicht.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Verhältnisse bei Pflichtteilsansprüchen und Nachlassverzeichnissen?
Die Aufarbeitung von Pflichtteilsregelungen und die Pflicht zur vollständigen Offenlegung im Rahmen von Nachlassverzeichnissen können komplexe Fragestellungen aufwerfen. Insbesondere die genaue Erfassung von Schenkungen und Lebensversicherungswerten erfordert eine differenzierte Betrachtung der vorliegenden Unterlagen.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Situation präzise zu analysieren und helfen Ihnen, etwaige Unklarheiten in der Vermögensdarstellung zu identifizieren. Unsere Beratung legt Wert auf eine sachliche und transparente Betrachtung, die Ihnen Klarheit über Ihre Rechte und Pflichten verschafft.
Kontaktieren Sie uns, um in einem persönlichen Gespräch zu klären, wie wir Ihnen bei der Prüfung und Optimierung Ihrer Unterlagen behilflich sein können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Dokumente müssen für ein rechtlich korrektes Nachlassverzeichnis vorgelegt werden?
Ein rechtlich korrektes Nachlassverzeichnis erfordert die Vorlage sämtlicher Unterlagen, die den Bestand des Nachlasses zum Todeszeitpunkt dokumentieren. Der Erbe ist verpflichtet, ein geordnetes Verzeichnis des gesamten pflichtteilsrelevanten Nachlasses zum Todeszeitpunkt des Erblassers zu erstellen.
Bankunterlagen und Finanzdokumente
Bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses müssen die vollständigen Kontoauszüge, Sparbücher und vergleichbare Bankunterlagen für einen Zeitraum von 10 Jahren vorgelegt werden. Dies gilt auch für Konten bei ausländischen Banken, wobei der Erbe verpflichtet ist, dem Notar entsprechende Vollmachten zur Einholung der Unterlagen zu erteilen.
Persönliche Dokumente
Im Nachlassverzeichnis müssen zunächst die grundlegenden Informationen erfasst werden, darunter:
- Name des Erblassers
- Todestag
- Letzter Wohnsitz
- Familienstand und Güterstand zum Todeszeitpunkt
- Anzahl der Pflichtteilsberechtigten
Vermögensnachweise
Das Verzeichnis muss sämtliche Nachlasswerte umfassen, unabhängig davon, ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt. Bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses muss der Notar den Nachlass selbstständig überprüfen und verzeichnen.
Verbindlichkeiten
Da sich der Pflichtteilsanspruch aus dem Nettonachlasswert ergibt, müssen auch alle Nachlassverbindlichkeiten (Passiva) dokumentiert werden. Wurden nach dem Todeszeitpunkt Änderungen am Nachlass vorgenommen, sind diese gesondert zu vermerken.
Welche Rolle spielt der Notar bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses?
Der Notar übernimmt bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eine zentrale und aktive Rolle als neutrale Amtsperson. Seine Aufgabe geht weit über die bloße Dokumentation hinaus, da er eigenständig den Nachlassbestand ermitteln und dessen Vollständigkeit sicherstellen muss.
Eigenständige Ermittlungspflicht
Der Notar darf sich nicht ausschließlich auf die Angaben des Erben verlassen. Er ist zu umfassenden eigenen Nachforschungen verpflichtet, die folgende Maßnahmen umfassen:
- Einsichtnahme in Kontoauszüge und Bankunterlagen
- Einholung von Grundbuchauszügen
- Überprüfung von Wertpapierdepots
- Anfragen bei Banken und Versicherungen
- Kontrolle möglicher Steuerrückerstattungen
Verantwortung und Haftung
Der Notar trägt die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses. Er muss durch seine Bestätigung zum Ausdruck bringen, dass er für den Inhalt persönlich einsteht. Bei unzureichender Ermittlung oder fehlerhafter Dokumentation kann das Nachlassverzeichnis als mangelhaft eingestuft werden.
Mitwirkungspflicht der Beteiligten
Der Notar hat das Recht, die Mitwirkung des Erben einzufordern. Die Erben sind gesetzlich verpflichtet, dem Notar sämtliche erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst auch die Vorlage von Bankunterlagen, Grundbuchauszügen und Informationen über sonstige Vermögenswerte sowie Schulden.
Dokumentation und Katalogisierung
Der Notar erfasst und katalogisiert sämtliche Nachlassgegenstände und Verbindlichkeiten. Seine Aufgabe beschränkt sich dabei auf die Erfassung der Vermögenswerte, nicht jedoch auf deren Wertermittlung. Er muss auch pflichtteilsrelevante Schenkungen der letzten zehn Jahre berücksichtigen.
Welchen Zeitraum muss das Nachlassverzeichnis für Schenkungen abdecken?
Das Nachlassverzeichnis muss grundsätzlich alle Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten 10 Jahre vor seinem Tod aufführen. Diese Frist beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Erblasser vollständig auf den Gebrauch des verschenkten Gegenstands verzichtet hat.
Besondere Konstellationen bei Schenkungen
Bei bestimmten Schenkungen gelten abweichende Regelungen für die zeitliche Erfassung:
Schenkungen unter Eheleuten werden zeitlich unbegrenzt erfasst, da die 10-Jahres-Frist erst mit der Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung zu laufen beginnt.
Bei Immobilienübertragungen beginnt die Frist nicht bereits mit der Grundbuchänderung, sondern erst mit dem tatsächlichen Auszug des Erblassers. Wenn sich der Erblasser ein Nießbrauch- oder Wohnrecht vorbehalten hat, läuft die 10-Jahres-Frist nicht an.
Wertberücksichtigung der Schenkungen
Der Wert der Schenkungen wird nach dem sogenannten Abschmelzmodell berücksichtigt:
- Im ersten Jahr vor dem Erbfall wird die Schenkung zu 100% berücksichtigt
- Mit jedem weiteren Jahr reduziert sich der Wert um 10%
- Nach 10 Jahren ist die Schenkung nicht mehr zu berücksichtigen
Dokumentationspflichten
Der Notar muss bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zunächst zeitlich unbegrenzt alle Schenkungen ermitteln. Nur wenn die 10-Jahres-Frist zweifelsfrei abgelaufen ist, können die Schenkungen aus dem Verzeichnis ausgelassen werden.
Was droht bei unvollständigen oder fehlerhaften Angaben im Nachlassverzeichnis?
Bei unvollständigen oder fehlerhaften Angaben im Nachlassverzeichnis drohen erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem aktuellen Beschluss die Verhängung von Zwangsgeld bei unvollständigen Nachlassverzeichnissen bestätigt.
Unmittelbare rechtliche Folgen
Ein unvollständiges oder fehlerhaftes Nachlassverzeichnis kann zur Festsetzung von Zwangsgeld führen. Wird das Zwangsgeld nicht gezahlt oder bleibt das Nachlassverzeichnis weiterhin unvollständig, kann das Gericht sogar Zwangshaft anordnen.
Strafrechtliche Konsequenzen
Besonders schwerwiegend sind die strafrechtlichen Folgen. Werden Vermögenswerte oder Geldbeträge vorsätzlich verschwiegen, kann dies als betrügerisches Verhalten gewertet werden. In solchen Fällen droht ein Strafverfahren mit möglicher Verurteilung.
Zusätzliche Kontrollmechanismen
Der Pflichtteilsberechtigte verfügt über mehrere Instrumente zur Überprüfung der Angaben:
- Er hat das Recht, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein
- Er kann die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Erben verlangen
- Er darf die notarielle Erstellung eines Nachlassverzeichnisses fordern, auch wenn bereits ein privates Verzeichnis vorliegt
Nachbesserungspflichten
Bei festgestellten Unvollständigkeiten muss der Erbe das Nachlassverzeichnis nachbessern und ergänzen. Dies gilt auch dann, wenn die Unvollständigkeit erst später bemerkt wird. Die Nachbesserung muss zeitnah erfolgen, um weitere rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Wie können Pflichtteilsberechtigte die Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses überprüfen?
Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie mehrere Möglichkeiten, die Vollständigkeit und Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses zu kontrollieren:
Anwesenheitsrecht bei der Erstellung
Sie haben das gesetzliche Recht, bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses persönlich anwesend zu sein. Dieses Recht gilt sowohl für privatschriftliche als auch notarielle Nachlassverzeichnisse. Sie können sich dabei auch durch einen Vertreter begleiten oder vertreten lassen.
Notarielles Nachlassverzeichnis anfordern
Ein notarielles Nachlassverzeichnis bietet erhöhte Sicherheit, da der Notar eine eigene Ermittlungspflicht hat. Er muss selbstständig prüfen, ob weitere Nachlassgegenstände existieren, etwa durch Einsicht in Grundbücher oder Anforderung von Bankunterlagen.
Eidesstattliche Versicherung
Bei berechtigten und nachweisbaren Zweifeln an der Vollständigkeit können Sie vom Erben eine eidesstattliche Versicherung verlangen. Solche Zweifel liegen vor, wenn:
- Informationen ohne sachlichen Grund nur nach und nach erteilt wurden
- Ursprüngliche Angaben ohne nachvollziehbaren Grund korrigiert wurden
- Die Auskunft nur schleppend oder scheibchenweise erfolgte
Berichtigung oder Ergänzung fordern
Wenn das notarielle Nachlassverzeichnis Lücken aufweist, etwa bei Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen, können Sie eine Berichtigung oder Ergänzung des Nachlassverzeichnisses verlangen. Dies gilt insbesondere, wenn der Notar seiner Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist.
Konsequenzen bei Falschangaben
Eine falsche eidesstattliche Versicherung durch den Erben ist strafbar nach § 156 StGB. Bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung muss der Erbe auch die vom Notar ermittelten Positionen bestätigen – es sei denn, er hält diese ausdrücklich für falsch.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Pflichtteilsanspruch
Der Pflichtteilsanspruch ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass, den bestimmte nahe Verwandte erhalten müssen, auch wenn sie durch Testament enterbt wurden. Dieser Anspruch ist in den §§ 2303 ff. BGB geregelt und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Pflichtteilsberechtigt sind Ehepartner, Kinder und bei kinderlosem Versterben auch die Eltern des Erblassers.
Beispiel: Eine Mutter enterbt ihren Sohn per Testament zugunsten ihrer Tochter. Der Sohn hat dennoch Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe von 25% des Nachlasswertes, da sein gesetzlicher Erbteil 50% betragen hätte.
Stufenklage
Die Stufenklage ist ein spezielles Klageverfahren nach § 254 ZPO, bei dem zunächst Auskunft und ein Vermögensverzeichnis verlangt werden können, bevor in der nächsten Stufe die konkrete Leistung eingeklagt wird. Sie ist besonders im Erbrecht relevant, wenn Pflichtteilsberechtigte zunächst Informationen über den Nachlass benötigen.
Beispiel: Ein Pflichtteilsberechtigter verlangt in der ersten Stufe ein Nachlassverzeichnis, um dann in der zweiten Stufe die genaue Höhe seines Pflichtteils berechnen und einfordern zu können.
Notarielles Nachlassverzeichnis
Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist eine offizielle, vom Notar erstellte Auflistung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes. Es muss nach § 2314 BGB auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten erstellt werden und auch Schenkungen der letzten 10 Jahre erfassen. Der Notar muss dabei eigenständige Ermittlungen durchführen.
Beispiel: Der Notar prüft Kontoauszüge, Grundbucheinträge, Versicherungspolicen und befragt die Erben nach weiteren Vermögenswerten.
Rückkaufswert
Der Rückkaufswert ist der Betrag, den eine Versicherungsgesellschaft bei vorzeitiger Kündigung einer Lebensversicherung auszahlt. Er ist nach § 169 VVG gesetzlich geregelt und für die Berechnung des Pflichtteils relevant, da er zum Nachlass gehört. Die Höhe ergibt sich aus den eingezahlten Beiträgen abzüglich der Kosten und zuzüglich erwirtschafteter Erträge.
Beispiel: Eine Lebensversicherung mit 100.000 Euro Versicherungssumme hat zum Todeszeitpunkt einen Rückkaufswert von 45.000 Euro, der in das Nachlassverzeichnis aufgenommen werden muss.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- §260 BGB: Diese Vorschrift verpflichtet den Erben, ein Notar-verfasstes Nachlassverzeichnis vorzulegen, sobald die Erbschaftspflicht bekannt ist. Das Verzeichnis muss detaillierte Angaben zu allen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten des Verstorbenen enthalten, unabhängig von deren internationaler Belegenheit oder materiellem Wert. Ziel ist es, eine transparente Übersicht über den gesamten Nachlass zu gewährleisten.
Im vorliegenden Fall wurde die Schuldnerin dazu verpflichtet, ein solches Verzeichnis für den Nachlass des verstorbenen Herrn F. B. vorzulegen. Der Kläger bemängelt jedoch die Unvollständigkeit und mangelnde Übersichtlichkeit des eingereichten Verzeichnisses, was auf eine unzureichende Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht hindeutet. - §2325 BGB: Dieser Paragraph regelt die Pflicht zur Auflistung lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dessen Todestag. Dazu zählen Schenkungen, gemischte Zuwendungen, unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten, sowie der Erlass von Forderungen und der Abschluss von Lebensversicherungen zugunsten Dritter. Diese Angaben sind erforderlich, um eine faire Verteilung des Nachlasses sicherzustellen.
Im aktuellen Fall fehlen im Nachlassverzeichnis Angaben zu den Konten des Erblassers für den Zeitraum 2008 bis 2010 sowie Informationen über bestimmte Zuwendungen, was eine Verletzung dieser Vorschrift darstellt. - §§2050 ff. BGB: Diese Bestimmungen betreffen ausgleichspflichtige Zuwendungen an Abkömmlinge, wie beispielsweise Ausstattungen, Einkünfte und Ausbildungskosten. Solche Zuwendungen müssen im Nachlassverzeichnis aufgeführt werden, um eine gerechte Ausgleichung bei der Erbteilung zu ermöglichen.
Die Schuldnerin wurde angewiesen, alle ausgleichspflichtigen Zuwendungen an Abkömmlinge detailliert anzugeben. Das vorgelegte Nachlassverzeichnis erfüllt diese Anforderung nach Ansicht des Gläubigers nicht vollständig, da bestimmte Zuwendungen fehlen oder unklar dargestellt sind. - §397 BGB: Dieser Paragraph regelt den Erlass von Forderungen durch den Erblasser. Solche Erlässe sind insbesondere bei Pflichtteilsansprüchen relevant, da sie das verfügbare Nachlassvermögen beeinflussen können. Der Erlass von Forderungen muss ordnungsgemäß dokumentiert und im Nachlassverzeichnis angegeben werden.
Im vorliegenden Fall wurde der Erlass von Forderungen durch die Schuldnerin vorgenommen, jedoch bemängelt der Gläubiger, dass diese im Nachlassverzeichnis nicht hinreichend ausgewiesen sind, was die vollständige Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen in Frage stellt. - Zivilprozessordnung (ZPO) § 401: Dieser Paragraph betrifft die Verhängung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen. Ein Zwangsgeld dient als Druckmittel, um die Erfüllung von Verpflichtungen zu erzwingen, und kann bei Nichtbeachtung der gerichtlichen Anordnung eskalieren.
Das Gericht hat gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro festgesetzt, um die Vorlage des Nachlassverzeichnisses zu erzwingen. Sollte dieses Zwangsgeld nicht eingetrieben werden können, droht eine Zwangshaft, wie im Beschluss festgelegt, um die Durchsetzung der gerichtlichen Entscheidung sicherzustellen.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-5 W 94/23 – Beschluss vom 21.12.2023
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