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Nachlaßzugehörigkeit eines nach dem Erbfall angefallenen Lotteriegewinns

AG Pirmasens, Az.: 1 C 26/98, Urteil vom 20.05.1998

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 993,60 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 08.01.1998 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2 000,– DM.

Tatbestand

Am 21.12.1995 verstarb die Mutter der Parteien, … Die Beklagte ist Alleinerbin. Die Klägerin ist pflichtteilsberechtigt mit 1/12.

Nachlaßzugehörigkeit eines nach dem Erbfall angefallenen Lotteriegewinns
Symbolfoto: Von Edler von Rabenstein /Shutterstock.com

Die Klägerin forderte die Beklagte mehrfach auf, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, blieb jedoch erfolglos. Im Spätsommer 1997 beauftragte sie einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung, welcher die Beklagte aufforderte, ein Nachlaßverzeichnis zu erstellen und den Nachlaß abzurechnen unter Fristsetzung auf den 30.09.1997. Die Beklagte berief sich sodann auf Schwierigkeiten wegen Urlaubs ihres Steuerberaters und wurde Anfang November 1997 unter Fristsetzung bis zum 17.11.1997 nochmals an die Pflichtteilsabrechnung erinnert, abermals wurde ihr Frist auf den 03.12.1997 gewährt. Bei Ablauf dieser Frist zahlte die Beklagte den sich nach ihrer Auffassung ergebenden Pflichtteil in Höhe von 8 591,42 DM an die Klägerin aus.

Der Klägervertreter stellte für seine Bemühungen im Zusammenhang mit der Auszahlung des Pflichtteilsanspruches unter dem 29.12.1997 993,60 DM der Beklagten in Rechnung.

Die Erblasserin war Lotteriesparerin beim Raiffeisen Sparverein. Aufgrund dieses Gewinnsparvertrages wurde am 28.03.1995 das Konto der Erblasserin belastet. Das hierdurch erworbene Los nahm am 06.04.1995 an der Auslosung teil und gewann 10 000,– DM.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe 1/12 aus dem Gewinn der Sparlotterie, nämlich 833,33 DM zu. Darüber hinaus habe ihr die Beklagte die Anwaltsrechnung zu bezahlen, da sie mit der Zahlung des Pflichtteils in Verzug gewesen sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1 826,63 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 08.01.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Sie habe den Pflichtteilsanspruch termingemäß am 02.12.1997 innerhalb der vom Rechtsanwalt gesetzten Frist auf das Konto der Klägerin eingezahlt. Aus dem Lotteriegewinn stehe der Klägerin kein Anspruch zu, da die entsprechende Einzahlung, die später den Gewinn gebracht habe, nach dem Tode der Erblasserin erfolgt sei.

Zum Parteivorbringen im einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer Zweibrücken vom 27.04.1998, auf dessen Inhalt zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen wird.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten Begleichung der Anwaltsrechnung über 993,60 DM verlangen. Die dort angesetzte 7,5/10 Geschäftsgebühr sowie 7,5/10 Besprechungsgebühr ist nach entsprechendem Gutachten der Anwaltskammer angemessen. Der Streitwert ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts zutreffend mit 8 591,42 DM angesetzt, da dies dem Betrag entspricht, welchen die Beklagte als entsprechenden Pflichtteil an die Klägerin ausbezahlt hat.

Die Beklagte schuldet diesen Betrag an die Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Unstreitig blieb eine Aufforderung der Klägerin an die Beklagte bereits vor Beauftragung des Anwaltes ohne Erfolg, so daß die Klägerin zur Durchsetzung ihrer Ansprüche einen Rechtsanwalt beauftragen durfte. Daß die Beklagte am letzten Tag der ihr vom Anwalt gesetzten Frist den Betrag schließlich zur Auszahlung brachte, bringt den Anspruch der Klägerin nicht mehr in Wegfall, da ein Verzug zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hat. Eine entsprechende verzugsbegründende Mahnung war unstreitig seitens der Klägerin bereits vor Anwaltsbeauftragung erfolgt.

2. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung eines 1/12 Anteils aus dem Lotteriegewinn vom 06.04.1995 nicht verlangen, da der Lotteriegewinn nicht in die Erbmasse fällt. Es handelt sich vorliegend zwar um einen Gewinnsparvertrag, welchen die Erblasserin bereits Jahre zuvor abgeschlossen hatte. Die entsprechende Einzahlung, aufgrund derer der Gewinn in Höhe von 10 000,– DM ausgelost worden war, erfolgte jedoch am 28.03.1995, somit mehr als 1 Monat nach dem Tod der Erblasserin.

Zum Zeitpunkt des Todes trat die Beklagte als Alleinerbin in sämtliche Rechtsverhältnisse der Erblasserin im Wege der Universalsukzession (§ 1922 I BGB) ein, so daß sie aus sämtlichen Rechtsverhältnissen der Erblasserin berechtigt und verpflichtet wurde. Der am 06.04.1995 gezogene Gewinn fiel somit in das Vermögen der Erbin und ist bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht zu lassen. Für die Pflichtteilsberechnung ist der Stand des Vermögens am Todestag, dem 21.02.1995, maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt war auch das Los noch nicht Bestandteil der Erbmasse. Dieses Los ging erst mit der Zahlung am 28.03.1995, sei es nun durch Abbuchung oder Bareinzahlung, in das Eigentum der Erbin über. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte als Erbin bereits Gesamtrechtsnachfolgerin der Verstorbenen geworden, die Klägerin hatte lediglich einen Geldanspruch in Höhe von 1/12 des am 21.02.1995 vorhandenen Vermögens gegen die Beklagte.

Die Rechtsprechung zum Lotteriegewinn ist vorliegend nicht einschlägig, da es sich bei einem bereits bezahlten Lotterielos um einen gänzlich anderen Tatbestand handelt als bei einem noch nicht bezahlten Los aus einem Gewinnsparvertrag. Ein „normales“ Lotterielos wird bei Erwerb bereits bezahlt und gehört somit mit allen sich daraus ergebenden Chancen und Verpflichtungen zur Erbmasse. Der Wert dieses Loses ist regelmäßig erst aus der Rückschau nach Auslosung der entsprechenden Gewinne zu beurteilen, so daß in diesem Fall der Lottogewinn als dem Los immanenter Wert bereits zum Todestag zu berücksichtigen ist. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist hier jedoch, daß dem bereits zum Todestag vorhandenen Lotterielos die Gewinnchance bereits immanent ist und seitens des Erben kein Handeln mehr erforderlich oder überhaupt möglich ist, um diese Gewinnchancen zu beeinflussen.

Bei einem Gewinnsparvertrag sind die Verhältnisse grundsätzlich anders. Der dem gesamten Rechtsverhältnis zugrundeliegende Rahmenvertrag ist in der Regel bereits einige Zeit alt, es wird jedoch mit einer Einzahlung faktisch ein neues Los erworben. Im Zeitpunkt des Todes geht dieser Rahmenvertrag im Wege der Universalsukzession auf den Erben bzw. die Erbengemeinschaft über mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten. Daraus folgt, daß ein Gewinn in der Folgezeit nur noch dann zu erwarten ist, wenn der oder die Erben die sich aus dem Rahmenvertrag ergebenden Zahlungen weiterhin erbringen und den Rahmenvertrag insbesondere nicht kündigen oder sonst beenden. Daraus ergibt sich, daß ein weiteres Handeln oder Unterlassen der Erben nach Eintritt des Erbfalles erforderlich ist, um die Gewinnchance zu erhalten bzw. in Wegfall zu bringen. Dies hat zur Folge, daß der oder die Erben die gesamten Verpflichtungen und Risiken aus dem Gewinnsparvertrag für den Zeitraum nach dem Erbfall tragen, und entsprechende Gewinne ihnen jedenfalls dann alleine zustehen, wenn die entsprechenden Einzahlungen erst deutlich nach dem Tod erfolgen. Die Abbuchung am 28.03.1995 für die Bezahlung des Loses hätte den Pflichtteilsanspruch der Klägerin nicht vermindert, wenn ein entsprechender Gewinn des Loses ausgeblieben wäre. Anders als bei einem Lotterielos, wo der entsprechende Betrag bereits vor dem Tod zu bezahlen ist und der Lotterieeinsatz daher die Erbmasse schmälert, ist die hier streitgegenständliche Einzahlung erst nach dem Stichtag zur Berechnung des Pflichtteils erfolgt. Vorher bestand dazu auch keine schuldrechtliche Verpflichtung, da der Gewinnsparvertrag zwischen Erbfall und Abbuchung des Losbetrages hätte beendet werden können.

Der zum Zeitpunkt des Todes vorhandene Rahmenvertrag hatte zum Datum 21.02.1995 keinen eigenen Wert und auch keine ihm immanente Gewinnchance. Es ist nicht ersichtlich, daß ein solcher Rahmenvertrag nicht jederzeit hätte neu abgeschlossen werden … oder aber auch aufgelöst werden können. In den Pflichtteilsanspruch der Klägerin sind nur solche Vermögensgegenstände hineinzurechnen, welche zum Stichtag 21.02.1995 (Todestag) einen eigenen Wert oder ihnen immanenten Wert, wie z.B. eine Gewinnchance, haben. Wie oben ausgeführt, ist zur Entstehung einer Gewinnchance aus dem Gewinnsparvertrag zusätzlich erforderlich gewesen, daß die entsprechende Einzahlung erfolgte, welche jedoch erst mehr als 4 Wochen nach dem Tod war. Der Rahmenvertrag selbst besitzt keinen eigenen Handelswert. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, daß z.B. die Zahl der Gewinnsparer einer Begrenzung unterlag oder ähnliche Faktoren vorhanden waren, die einen eigenen Wert des Rahmenvertrages begründen könnten.

Die Nebenentscheidungen ergehen aus §§ 92, 709 ZPO.

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