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Nachträgliche Ergänzung eines handschriftlichen Testaments

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 194/20 – Beschluss vom 22.01.2021

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 2.

Geschäftswert: 700.000,- €

Gründe

I.

Die Erblasserin errichtete unter dem Datum des 6. Oktober 2014 eine aus insgesamt neun handschriftlich beschriebenen Seiten bestehende letztwillige Verfügung (nebst einer Seite mit Anschriften einzelner der von ihr Bedachten). In der Folgezeit ergänzte oder änderte die Erblasserin ihr Testament mehrfach, dies in der Art und Weise, dass sie Passagen des am 6. Oktober 2014 geschriebenen Textes durchstrich, Einfügungen vornahm oder einzelne Seiten austauschte; in dem am 8. Mai 2020 eröffneten Testament sind die als nachträglichen Änderungen erkennbaren Verfügungen überwiegend unterzeichnet, teilweise auch datiert.

In ihrem Testament bestimmte die Erblasserin ihren Ehemann zu ihrem von allen Beschränkungen befreiten Vorerben und die Beteiligten zu 2 bis 4 zu ihren Nacherben und zugleich zu Ersatzvorerben zu je 1/3-Anteil. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des am 11. Januar 2018 vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin, die Beteiligten zu 3 und 4 sind Nichten der Erblasserin. Auf S. 8 des Testaments ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an und bestimmte den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker mit den sich aus Ziffer (2) ergebenden Aufgaben. Unten auf S. 8 des Testaments findet sich das Kürzel „b.w.“. Auf der Rückseite dieses Blattes, gekennzeichnet mit der Seitenzahl 8 a, verfügte die Erblasserin als Ziffer 2 a) die Dauertestamentsvollstreckung bezüglich des der Beteiligten zu 2 anfallenden Erbteils bis zu deren Ableben. Das Datum der Niederschrift auf dieser Seite hielt die Erblasserin nicht fest und unterzeichnete die Textpassage auch nicht.

Nachträgliche Ergänzung eines handschriftlichen Testaments
(Symbolfoto: Gajus/Shutterstock.com)

Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 21. April 2020, ergänzt mit Urkunde vom 25. Juni 2020, beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, wonach Abwicklungsvollstreckung für den Nachlass und Dauertestamentsvollstreckung für den auf die Beteiligte zu 2 entfallenden Erbanteil bis zu deren Tod angeordnet sei. Dazu hat er vorgebracht, er habe die Eheleute seit dem Jahr 2000 fortlaufend in erbrechtlichen Angelegenheiten beraten und wiederholt Vorlagen letztwilliger Verfügungen erstellt, die die Erblasserin dann niedergeschrieben habe. Die Textpassage mit der Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung habe er gemäß dem Wunsch der Erblasserin, dass der Beteiligten zu 2 die Früchte des ihr zufallenden Erbteils nicht zur freien Verfügung zustehen sollen, im Dezember 2016 entworfen. Entsprechend seiner Empfehlung habe die Erblasserin sodann auf der Rückseite von S. 8 des Testaments die zu ergänzende Passage niedergeschrieben. Die nach dem Tod des Ehemannes verfügten Streichungen und Änderungen des Testaments habe die Erblasserin auf seine Empfehlung hin abgezeichnet, da ihr Schriftbild erkennbar verändert und sie aufgrund nachlassender physischer Kräfte nicht mehr in der Lage gewesen sei, vollständige Niederschriften ganzer Seiten zu fertigen.

Mit Blick auf das Fehlen einer Unterschrift der Erblasserin unter der die Dauertestamentsvollstreckung anordnenden Verfügung hat die Beteiligte zu 2 die Auffassung vertreten, es handele sich insofern um eine unwirksame nachträgliche Ergänzung des Testaments, so dass sich das Testamentsvollstreckerzeugnis ausschließlich auf die Aufgabe der Abwicklungsvollstreckung beziehen dürfe. Der Wille der Erblasserin sei nicht schlüssig, denn die Rückseite mit der Bezeichnung 8 a und die dort allein zu findende Ziffer 2 a füge sich nicht in den Text ein; sie stehe im Widerspruch zu der unter dem Datum des 22. Januar 2019 auf S. 2 a des Testaments getroffenen und unterschriebenen Anordnung, nach der sämtliche Vorerben umfassend befreit seien.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 21. Juli 2020 die Tatsachen, die zur Begründung des vom Beteiligten zu 1 gestellten Antrages auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Der Zusatz zum Testament vom 6. Oktober 2014, der die Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des auf die Beteiligte zu 2 entfallenden Erbteils anordne, sei formwirksam und vom Willen der Erblasserin gedeckt. Die zusätzliche Ziffer 2 a werde durch die vorhandene Unterschrift gedeckt, denn die Erblasserin habe die Rückseite der von ihr bereits errichteten S. 8 verwendet und durch den Zusatz „b.w.“ sowie durch die Nummerierung mit „2 a“ eine Verbindung zum vorangegangenen Text und zu der vorhergehenden Ziffer 2 hergestellt. Diese Auslegung stehe auch im Einklang mit weiteren am 26. Juni 2020 als Testamenten eröffneten Texten. In einem maschinenschriftlich vom Beteiligten zu 1 verfassten Dokument habe die Erblasserin die ihr vorgeschlagene Testamentsergänzung – die dem Wortlaut von Ziffer 2 a entspreche – handschriftlich als ihren letzten Willen bezeichnet und abgezeichnet. Auf einer Kopie von S. 8 a des Testaments habe die Erblasserin ebenfalls unterzeichnet.

Gegen den Feststellungsbeschluss wendet sich die Beteiligte zu 2 mit ihrer Beschwerde vom 10. August 2020. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verweist unter anderem darauf, dass es sich bei der Regelung auf Seite 8 a um die einzige nachträgliche Regelung handele, die nicht unterzeichnet sei. Sie trägt vor, in den Unterlagen der Erblasserin ein weiteres unvollständiges Anschreiben des Beteiligten zu 1 gefunden zu haben, in welchem die Erblasserin die dort vorgeschlagene Fortdauer der Testamentsvollstreckung bis zum Tod der Beteiligten zu 2 mit „nein“ kommentiert habe. In einem weiteren Anschreiben des Beteiligten zu 1 vom 11. Dezember 2014 habe sie eine Erläuterung zur Dauertestamentsvollstreckung mit einem Fragezeichen versehen.

Der Beteiligte zu 1 ist der Beschwerde entgegengetreten und hat unter anderem vorgetragen, bei dem von der Beteiligten zu 2 auszugsweise vorgelegten weiteren Schreiben handele es sich um sein Anschreiben an beide Eheleute vom 6. August 1999. Seinerzeit sei im Testament der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 2 auch lediglich ein Nießbrauchsvermächtnis an den Erträgen aus der Verwaltung eines Betrages von 1 Mio. Euro ausgesetzt gewesen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 24. September 2020 zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend zu der Begründung im angefochtenen Beschluss hat es unter anderem darauf verwiesen, dass auch die Seiten 2 und 7 des Testaments auf der Rückseite beschrieben und durch den auf den Vorderseiten jeweils aufgebrachten Zusatz „b.w.“ mit dem vorhandenen Text verknüpft worden seien. Insgesamt könne nicht festgestellt werden, wann die einzelnen Textpassagen entstanden seien, demzufolge könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin alle übrigen Ergänzungen und Änderungen unterzeichnet habe.

Gegenüber dem Senat haben der Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 ergänzend vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und den der Testamentsakte (AG Neuss, 134 IV 245/20) verwiesen.

II.

Das nach Maßgabe der §§ 58 ff. FamFG als befristete Beschwerde statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss vom 21. Juli 2020 ist dem Senat infolge der vom Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 24. September 2020 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 ohne Erfolg. Der vom Nachlassgericht eingenommene Standpunkt, dass die Erblasserin in Bezug auf den auf die Beteiligte zu 2 entfallenden Erbteil die Dauertestamentsvollstreckung wirksam angeordnet hat, ist zutreffend.

Das von der Erblasserin unter dem Datum des 6. Oktober 2014 handschriftlich errichtete Testament wahrt die Form des § 2247 Abs. 1 BGB und auch die unstreitig nachträglich eingefügte Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung auf der Rückseite von S. 8 des Ursprungstextes ist formwirksam.

§ 2247 Abs. 1 BGB fordert, dass der Erblasser sein Testament unterschreibt. Grundsätzlich muss die Unterschrift den Text abschließen. Bei mehreren Blättern, auch wenn diese lose sind, muss nicht jedes einzelne Blatt unterschrieben werden; es genügt die Unterschrift auf der letzten Seite, wenn an der Zusammengehörigkeit der einzelnen Seiten – beispielsweise wegen einer Nummerierung oder wegen eines fortlaufenden textlichen Zusammenhangs – kein Zweifel besteht (vgl. BeckOGK/Grziwotz, BGB, Stand: 1. Oktober 2020, § 2247 Rn. 45, m.w.N.).

Die Unterschrift muss nicht der zeitlich letzte Akt der Testamentserrichtung sein. Es ist ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile eines Testaments niedergeschrieben sind. Nachträgliche Ergänzungen oder Veränderungen des Textes brauchen nicht unterzeichnet zu werden, wenn sie rein äußerlich durch die vorhandene Unterschrift mitgedeckt werden (BGH NJW 1974, 1083 ff.; KG BeckRS 2017, 111490 m.w.N.; BeckOGK/Grziwotz, a.a.O., § 2247 Rn. 52, m.w.N.). Die Frage, ob die auf dem Testament bereits befindliche Unterschrift solche nachträglichen Ergänzungen und Änderungen, die sich auf demselben Bogen/Blatt befinden, auf dem auch das Testament ursprünglich niedergeschrieben ist, deckt, ist im Wege der Auslegung des Testaments zu ermitteln. Festzustellen ist, ob nach dem Willen des Erblassers die nachträgliche Ergänzung durch seine bereits vorhandene Unterschrift gedeckt sein sollte; das äußere Erscheinungsbild der Urkunde darf dem nicht entgegenstehen (vgl. BGH, a.a.O.). Von Bedeutung sein kann in diesem Zusammenhang beispielsweise auch ein im Testamentstext aufgenommener Hinweis auf die Ergänzung (BecKOGK/Grziwotz, a.a.O., § 2247 Rn. 52).

Vorstehende in rechtlicher Hinsicht bestehenden Grundsätze hat das Nachlassgericht beachtet und ist auf dieser Grundlage zutreffend zu dem Auslegungsergebnis gekommen, dass die nachträgliche Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung bezüglich des auf die Beteiligten zu 2 entfallenden Erbteils von der Unterschrift der Erblasserin auf S. 9 am Ende des am 6. Oktober 2014 niedergeschriebenen Testaments gedeckt ist. Den Zusammenhang der streitgegenständlichen Verfügung mit den übrigen testamentarischen Verfügungen hat das Nachlassgericht zutreffend aus dem auf S. 8 des Testaments aufgebrachten Kürzel „b.w.“, aus der Kennzeichnung der Rückseite von S. 8 mit „8 a“ und aus der gewählten Bezifferung „2 a)“ im Anschluss an die Vorziffer „(2)“ hergeleitet. Hinzu kommt der festzustellende Zusammenhang in inhaltlicher Hinsicht: auf S. 8 des am 6. Oktober 2014 geschriebenen Testaments wird die Testamentsvollstreckung angeordnet und unter der dortigen Ziffer 2 die dem Testamentsvollstrecker übertragene Aufgabe festgelegt. Die auf S. 8 a getroffene Verfügung, dass die Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des auf die Beteiligte zu 2 entfallenden Erbteils angeordnet wird, erweist sich als Erweiterung der dem Testamentsvollstrecker übertragenen Aufgaben, vgl. § 2209 BGB.

Das Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu 2 rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Ohne Erfolg wendet die Beteiligte zu 2 ein, die Regelung auf S. 8 a des Testaments sei die einzige nachträgliche Ergänzung, die die Erblasserin nicht unterzeichnet habe. Entsprechendes vermag der Senat nicht festzustellen. So hat nämlich die Erblasserin auf der mit „4 a“ gekennzeichneten Rückseite von S. 4 des Ursprungstextes weitere Vermächtnisse ausgesetzt, ohne aber diese Verfügungen gesondert zu unterzeichnen. Mit einem erkennbar anderen Stift hat die Erblasserin anschließend in Zeile 3 des vorhandenen Textes zugunsten einer der Bedachten eine Erhöhung des Vermächtnisbetrages verfügt und neben dem Zahlbetrag das Datum des 7. Juni 2018 vermerkt und rechts versetzt darunter ihre Unterschrift gesetzt. Im übrigen fällt auf, dass die Erblasserin andere Änderungen der jeweils als Vermächtnisse ausgesetzten Zahlbeträge lediglich unterzeichnet, nicht aber auch datiert hat. Ist aber insgesamt eine einheitliche Vorgehensweise der Erblasserin bei Abänderung ihrer Niederschrift nicht festzustellen, kann der fehlenden Unterzeichnung und Datierung des Testamentszusatzes über die Anordnung der Dauervollstreckung hinsichtlich des der Beteiligten zu 2 anfallenden Erbteils kein ausschlaggebendes Gewicht für die Beantwortung der Frage, ob die am 6. Oktober 2014 geleistete Unterschrift auch die hier streitgegenständliche Verfügung abdeckt, zugemessen werden. Ebenso gut kann die Handhabung der Erblasserin mit dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beteiligten zu 1 erklärt werden, das Schriftbild der Erblasserin sei zuletzt verändert gewesen und auf sein Anraten hin habe die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes Änderungen ihres Testaments gesondert datiert und unterzeichnet.

Zu Recht hat das Nachlassgericht zur Begründung des von ihm gefundenen Ergebnisses auch auf weitere am 26. Juni 2020 als Testamente eröffnete Schriftstücke verwiesen (vgl. zur Zulässigkeit der Berücksichtigung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunde: BGH a.a.O.). Die von der Beteiligten zu 2 erhobenen Einwände, die Erblasserin habe nur eine Kopie der fraglichen Passage unterzeichnet, nicht aber den von ihr geschriebenen Originaltext, auch habe sie nicht sämtliche der vom Beteiligten zu 1 vorgeschlagenen Änderungen übernommen, verfangen nicht. Bei dem einen der am 26. Juni 2020 eröffneten Schriftstücke handelt es sich um einen handschriftlich niedergeschriebenen Text, der inhaltlich der streitgegenständlichen Passage auf der Rückseite von Blatt 8 des Originaltextes entspricht; der Fließtext und die Unterschrift wurden mit verschiedenen Stiften geschrieben. Naheliegend erscheint, wovon auch die Beteiligte zu 2 ausgeht, dass die Erblasserin die streitgegenständliche Passage zunächst „zur Probe“ auf einem einfachen Papier geschrieben hat und sodann in einem weiteren Schritt die Rückseite von S. 8 ihres am 6. Oktober 2014 niedergeschriebenen Testaments beschrieben hat; die Verwendung eines anderen Stifts bei der Unterschriftsleistung auf dem am 26. Juni 2020 eröffneten Schriftstück begründet die Vermutung einer Unterzeichnung zu einem späteren Zeitpunkt. Vorstehendes zugrunde gelegt, sprechen die Anfertigung eines „Probeschriftstücks“ und dessen spätere Unterzeichnung entgegen der von der Beteiligten zu 2 vertretenen Auffassung gerade dafür, dass die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung über den der Beteiligten zu 2 zugewandten Erbteil dem testamentarisch niedergelegten Willen der Erblasserin entspricht und dass sie lediglich die gesonderte Unterzeichnung des Originaltextes, den sie in ihr Testament eingeschoben hat, mit Blick auf die bereits vorhandene Unterschrift auf S. 9 am Ende des Testaments nicht für erforderlich gehalten hat. Die nachträgliche gesonderte Unterzeichnung des „Probeschriftstücks“ bekräftigt diesen Willen.

In Bezug auf das weitere am 26. Juni 2020 eröffnete maschinenschriftlich abgefasste Schriftstück, das Änderungsvorschläge enthält, die die Erblasserin teilweise in ihr Testament eingearbeitet hat, ist anzumerken, dass der vom Nachlassgericht angeführte Gesichtspunkt, die Erblasserin habe die Textpassage bezüglich der Dauertestamentsvollstreckung in dem vom Beteiligten zu 1 gefertigten Anschreiben mit „dies ist mein Wille“ kommentiert und ihre Unterschrift angefügt, das gefundene Gesamtergebnis einer wirksamen Anordnung der Dauervollstreckung bezüglich des der Beteiligten zu 2 anfallenden Erbteils stützt. Die Umsetzung des Vorschlags des Beteiligten zu 1 hat die Erblasserin dann auf S. 8 a ihres Testaments vorgenommen und mit dem von ihr auf dem maschinenschriftlich abgefassten Schriftstück aufgebrachten Vermerk und dessen Unterzeichnung ihren Willen bekräftigt. Welche Rückschlüsse die Beteiligte zu 2 meint aus dem Umstand herleiten zu können, dass die Erblasserin nicht sämtliche der ihr unterbreiteten Änderungsvorschläge in ihrem Testaments umgesetzt hat, erläutert die Beteiligte zu 2 nicht.

Unbeachtlich für die Auslegung des Testaments vom 6. Oktober 2014 und seine Ergänzung auf S. 8 a um die hier streitgegenständliche Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung ist der von der Beteiligten zu 2 als Anlage zu ihrer Beschwerdeschrift vorgelegte Auszug aus einem Anschreiben des Beteiligten zu 1. Es fehlt ersichtlich an einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Testament vom 6. Oktober 2014. Der Beteiligte zu 1 hat das von der Beteiligten zu 2 in Bezug genommene Anschreiben als Anlage zu seiner Stellungnahme vom 15. September 2020 vollständig vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass das Schreiben an beide Eheleute gerichtet war und bereits unter dem Datum des 6. August 1999 abgefasst wurde. Die handschriftlichen Anmerkungen auf S. 5 des Schreibens – so sie denn überhaupt von der Erblasserin stammen – beziehen sich auf ein zugunsten der Beteiligten zu 2 seinerzeit vorgesehenes Vermächtnis und die diesbezügliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung bis zum Ableben der Beteiligten zu 2. Eine Stellungnahme der Beteiligten zu 2 zu dem vollständig vorlegten Anschreiben vom 6. August 1999 ist nicht mehr erfolgt.

Ebenso wenig lässt das „Fragezeichen“, das auf einem weiteren Anschreiben des Beteiligten zu 1 vom 11. Dezember 2014 an die Erblasserin auf S. 2 handschriftlich angefügt ist, Rückschlüsse im Sinne der Beteiligten zu 2 zu. Ein Fragezeichen besagt lediglich, dass Erläuterungsbedarf besteht, nicht aber, dass ein bestimmter Punkt abgelehnt wird. Im übrigen gilt auch hier, dass nicht feststeht, ob die Erblasserin das Fragezeichen angefügt hat.

Soweit die Beteiligte zu 2 schließlich einen Widerspruch in der Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung bezüglich ihres Erbteils einerseits und andererseits der am 22. Januar 2019 getroffenen Verfügung, nach der sämtliche Vorerben umfassend befreit seien, sieht, verfängt auch das nicht. Die Befreiung eines Vorerben nach § 2136 BGB hat Bedeutung für sein Rechtsverhältnis zum Nacherben und die Befreiungsanordnung ermöglicht dem Vorerben den Zugriff auch auf die Substanz des Nachlasses (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2136 Rn. 10). Indes kann auch ein Nachlass, der einer Vor- und Nacherbschaft unterliegt, unter Dauervollstreckung stehen (Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2209 Rn. 5). Da bei Anordnung der Dauervollstreckung das Verwaltungsrecht des Vorerben ausgeschlossen ist und dem Testamentsvollstrecker zusteht, § 2209 BGB, wirkt sich die vom Erblasser verfügte Befreiung des Vorerbens dahin aus, dass diesem der Zugriff auf die Substanz des Nachlasses, § 2136 BGB, gestattet ist. Entgegen der von der Beteiligten zu 2 vertretenen Auffassung besteht in der Anordnung der Dauervollstreckung und in der Anordnung einer befreiten Vorerbschaft kein Widerspruch (vgl. MüKoBGB/Zimmermann, 8. Aufl. 2020, § 2222 Rn. 10), sondern eine Ergänzung und Erweiterung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers.

Ist also nach Maßgabe des Vorstehenden das Ergebnis einer formwirksamen Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des auf die Beteiligte zu 2 entfallenden Erbteils zutreffend, bedarf es keiner weiteren Erläuterungen mehr dazu, ob auch die vom Beteiligten zu 1 als Anlage zu seiner Stellungnahme vom 15. September 2020 eingereichten weiteren Schriftstücke (weitere handschriftlich unterzeichnete kopierte Blätter des Testaments und ein handschriftliches Anschreiben der Erblasserin vom 14. Dezember 2011) dieses Ergebnis stützen; die Gewährung der von der Beteiligten zu 2 mit Schriftsatz vom 29. November 2020 lediglich hilfsweise beantragten Akteneinsicht war demzufolge entbehrlich.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass der Beteiligte zu 1 als Anlage zu seiner weiteren Stellungnahme vom 17. Dezember 2020 eine von der Erblasserin unterzeichnete Vereinbarung über die Vergütung seiner Leistungen als Testamentsvollstrecker (ohne Datum) vorgelegt hat. Unter Ziffer 1 der Vergütungsvereinbarung wird die dem Beteiligten zu 1 übertragene Aufgabe dahin definiert, dass ihm die Auseinandersetzung des Nachlasses und die Dauertestamentsvollstreckung zu Gunsten der Beteiligten zu 2 obliege. Auch das spricht für die Auslegung, dass die am 6. Oktober 2014 geleistete Unterschrift der Erblasserin unter dem Testament auch die nachträgliche Einfügung des Zusatzes über die angeordnete Dauertestamentsvollstreckung deckt. Eine Stellungnahme der Beteiligten zu 2 zu dieser Vergütungsvereinbarung ist nicht mehr eingegangen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels demjenigen der Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung ergeht gemäß §§ 61, 36 Abs. 1, 40 Abs. 5 GNotKG. Auszugehen ist in Verfahren über die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses von 20 % des Nachlasswertes, diesen hat der Beteiligte zu 1 in seiner Antragsschrift vom 21. April 2020 mit ca. 10,3 Mio. € beziffert. Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung hat der Senat bei der Wertfestsetzung auch das von der Beteiligten zu 2 verfolgte Beschwerdeziel berücksichtigt. Sie beanstandet lediglich die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, aus dem sich die Dauervollstreckung hinsichtlich ihres Erbteils ergibt; gegen die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, wonach dem Beteiligten zu 1 die Abwicklungsvollstreckung übertragen ist, erhebt sie keine Einwände. Der auf die Beteiligte zu 2 als Miterbin zu 1/3-Anteil entfallene Erbanteil liegt bei ca. 3,5 Mio. €, der in Verfahren über die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses maßgebliche prozentuale Anteil von 20 % errechnet sich danach mit 700.000,- €.

 

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