Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer trägt die Kosten für ein Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren?
- Was bedeutet eine „nachträgliche Kostenentscheidung“ im Erbscheinsverfahren?
- Kann ich gegen eine Kostenentscheidung im Erbscheinsverfahren vorgehen?
- Welche Rolle spielt das Verhalten der Beteiligten bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten?
- Was passiert, wenn ich die Kosten, die mir im Erbscheinsverfahren auferlegt wurden, nicht bezahlen kann?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 10 W 20/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Braunschweig
- Datum: 14.02.2025
- Aktenzeichen: 10 W 20/25
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Beteiligte zu 1., beantragte als Ehefrau des Erblassers einen Erbschein basierend auf einem Ehegattentestament.
- Beklagte: Beteiligte zu 2., Neffe des Erblassers, erhob Einwendungen gegen die Erteilung des Erbscheins aufgrund von Zweifeln an der Echtheit der Unterschrift des Erblassers.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Ehefrau des Erblassers beantragte einen Erbschein basierend auf einem privatschriftlichen Ehegattentestament. Der Neffe des Erblassers erhob Einwendungen gegen die Echtheit der Unterschrift des Erblassers unter dem Testament.
- Kern des Rechtsstreits: Die Echtheit der Unterschrift des Erblassers unter dem gemeinschaftlichen Testament und die daraus resultierende Frage der Alleinerbenstellung der Ehefrau.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Beschluss des Amtsgerichts wurde aufgehoben und der Antrag der Beteiligten zu 1. auf Erteilung eines Erbscheins wurde zurückgewiesen.
Der Fall vor Gericht
Streit um Erbe und Testamentsunterschrift vor Gericht

In einem komplexen Erbscheinsverfahren vor dem Amtsgericht Wolfsburg stritten die Witwe des Erblassers (Beteiligte zu 1) und dessen Neffe (Beteiligter zu 2) um das Erbe. Die Witwe beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies, gestützt auf ein handschriftliches Ehegattentestament. Der Neffe, der ansonsten gesetzlicher Erbe wäre, meldete Zweifel an.
Zweifel an der Echtheit der Unterschrift
Der Kern des ursprünglichen Streits lag in der Unterschrift des Erblassers unter dem Testament vom 12. März 2019. Der Neffe brachte vor, die Signatur ähnele stark der Handschrift der Witwe selbst, die das Testament verfasst hatte. Er zweifelte daher an, ob der Erblasser das Dokument tatsächlich unterzeichnet hatte, was die Gültigkeit des Testaments infrage stellte.
Sachverständigengutachten zur Klärung
Um die Echtheit der Unterschrift zu klären, beauftragte das Nachlassgericht Wolfsburg einen Schriftsachverständigen. Dieser sollte prüfen, ob die Unterschrift tatsächlich vom Erblasser stammte. Solche Gutachten sind in Erbschaftsstreitigkeiten nicht ungewöhnlich, wenn Zweifel an der Urheberschaft von Testamenten aufkommen.
Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Unterschrift unter dem Testament mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Erblasser stammte. Dieses Ergebnis, wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit, reichte dem Nachlassgericht aus, um von der Echtheit der Unterschrift auszugehen.
Erste Entscheidung des Nachlassgerichts
Auf Basis des Gutachtens erließ das Nachlassgericht am 26. Februar 2024 einen ersten Beschluss. Darin stellte es fest, dass die für die Erteilung des von der Witwe beantragten Erbscheins notwendigen Tatsachen gegeben seien. Es kündigte an, den Erbschein entsprechend ausstellen zu wollen.
Allerdings berücksichtigte das Gericht den Widerspruch des Neffen. Um diesem die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel einzulegen, setzte es die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus. Die Erteilung des Erbscheins wurde bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung zurückgestellt.
Endgültige Erteilung des Erbscheins
Am 29. Mai 2024 erließ das Nachlassgericht einen weiteren Beschluss. Es stellte erneut die erforderlichen Tatsachen für den Erbschein fest und wies den Widerspruch des Neffen nun ausdrücklich zurück. Damit stand der Erteilung des Erbscheins formal nichts mehr im Wege. Dieser Beschluss wurde sofort wirksam.
Noch am selben Tag stellte das Gericht den Erbschein aus, der die Witwe als Alleinerbin bestätigte. Dieser wurde ihr am 18. Juni 2024 über ihre Notarin zugestellt. Das Erbscheinsverfahren schien damit in der Hauptsache abgeschlossen.
Der Streit um die Verfahrenskosten
Nach Abschluss des eigentlichen Erbscheinsverfahrens entbrannte ein neuer Streit – diesmal um die Kosten, insbesondere die des teuren Sachverständigengutachtens. Die Witwe wollte diese Kosten nicht selbst tragen müssen.
Antrag der Witwe auf Kostenübernahme
Mit einem Schriftsatz vom 4. Juli 2024 beantragte die Witwe beim Amtsgericht Wolfsburg, dem Neffen die gesamten Kosten des Verfahrens, zumindest aber die Kosten für das Gutachten aufzuerlegen. Sie stützte sich dabei auf § 81 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
Diese Vorschrift erlaubt es dem Gericht, die Kosten nach „billigem Ermessen“ einer Partei aufzuerlegen. Die Witwe argumentierte, der Neffe habe durch seine unbegründeten Zweifel die Einholung des Gutachtens und die damit verbundenen Kosten verursacht. Sie verwies zudem auf einen früheren Hinweis des Gerichts, sie könne sich bei Bestätigung der Echtheit durch das Gutachten beim Neffen schadlos halten.
Entscheidung des Amtsgerichts Wolfsburg
Das Amtsgericht Wolfsburg folgte dem Antrag der Witwe. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2024 legte es dem Neffen die Kosten auf. Es sah es offenbar als gerechtfertigt an, dass derjenige die Kosten trägt, dessen Einwände sich als unbegründet erwiesen und das Verfahren verteuert hatten.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig
Gegen den Kostenbeschluss des Amtsgerichts legte der Neffe Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig ein. Er wollte nicht für die Kosten aufkommen müssen, die durch seine – aus seiner Sicht berechtigten – Zweifel entstanden waren.
Aufhebung der Kostenentscheidung durch das OLG
Das OLG Braunschweig gab der Beschwerde des Neffen statt. Mit Beschluss vom 14. Februar 2025 (Az.: 10 W 20/25) hob es die Entscheidung des Amtsgerichts Wolfsburg vom 30. Oktober 2024 auf. Der Antrag der Witwe auf Kostenübernahme durch den Neffen wurde zurückgewiesen.
Begründung des OLG: Verfahrensfehler bei der Kostenentscheidung
Der zentrale Punkt für die Entscheidung des OLG war nicht die Frage, ob es inhaltlich fair gewesen wäre, den Neffen an den Kosten zu beteiligen. Vielmehr ging es um einen verfahrensrechtlichen Aspekt: den Zeitpunkt der Kostenentscheidung.
Das OLG stellte fest, dass eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG grundsätzlich zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache ergehen muss oder zumindest zeitnah im Anschluss daran, solange das Verfahren noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Im vorliegenden Fall war das Hauptsacheverfahren jedoch mit der Erteilung des Erbscheins und dessen Zustellung im Juni 2024 faktisch beendet. Eine gesonderte Kostenentscheidung hätte in den Beschlüssen vom Februar oder Mai 2024 getroffen oder zumindest vorbehalten werden müssen.
Der Antrag der Witwe auf Kostenübernahme wurde jedoch erst am 4. Juli 2024 gestellt – also nachdem das eigentliche Erbscheinsverfahren bereits abgeschlossen war. Eine solche nachträgliche, isolierte Kostenentscheidung ist nach Auffassung des OLG Braunschweig in der Regel unzulässig, wenn die Hauptsache bereits rechtskräftig oder anderweitig beendet ist.
Das Gericht hatte im Hauptverfahren keine Kostenentscheidung getroffen oder sich diese vorbehalten. Daher konnte nicht nachträglich, quasi in einem neuen Verfahrensabschnitt, über die Kosten des abgeschlossenen Verfahrens entschieden werden. Der Antrag der Witwe kam somit zu spät.
Ergebnis der OLG-Entscheidung
Im Ergebnis bedeutet dies: Der Neffe muss die Kosten des Sachverständigengutachtens und die sonstigen Verfahrenskosten der Witwe nicht tragen. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wurde aufgehoben.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem OLG wurden keine Gerichtskosten erhoben, und keine der Parteien muss die Anwaltskosten der Gegenseite erstatten. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 1.395,60 Euro festgesetzt, was mutmaßlich den strittigen Kosten entspricht. Eine weitere Beschwerde zum Bundesgerichtshof (Rechtsbeschwerde) wurde nicht zugelassen.
Bedeutung der Entscheidung für Betroffene
Diese Entscheidung des OLG Braunschweig hat erhebliche praktische Bedeutung für alle Beteiligten an Erbscheinsverfahren und anderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. Betreuungs-, Grundbuchsachen).
Wichtigkeit des Zeitpunkts für Kostenanträge
Sie unterstreicht, dass Anträge auf Übernahme der Verfahrenskosten durch eine andere Partei rechtzeitig gestellt werden müssen, nämlich bevor das Hauptverfahren abgeschlossen ist. Wer die Kosten von der Gegenseite erstattet haben möchte, sollte dies aktiv im laufenden Verfahren beantragen.
Risiko bei verspäteten Anträgen
Wer mit einem Kostenantrag wartet, bis die Hauptsache entschieden und abgeschlossen ist (z.B. der Erbschein erteilt wurde), läuft Gefahr, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird. Das Gericht kann dann nicht mehr über die Kosten des abgeschlossenen Verfahrens entscheiden, selbst wenn es inhaltlich vielleicht gerechtfertigt wäre.
Notwendigkeit einer Kostenentscheidung in der Hauptsache
Gerichte müssen über die Kosten nach § 81 FamFG grundsätzlich im Rahmen ihrer Endentscheidung in der Hauptsache befinden. Versäumen sie dies und wird die Entscheidung rechtskräftig oder das Verfahren anderweitig beendet, ist eine nachträgliche Korrektur oder Ergänzung bezüglich der Kosten in der Regel nicht mehr möglich.
Konsequenz für die Praxis
Parteien und ihre Anwälte müssen also darauf achten, die Kostenfrage frühzeitig im Verfahren anzusprechen und eine Entscheidung darüber herbeizuführen, bevor das Verfahren beendet wird. Andernfalls bleiben sie möglicherweise auf ihren Kosten sitzen, auch wenn die Gegenseite das Verfahren durch unbegründete Einwände erschwert oder verteuert hat. Die Entscheidung betont die Wichtigkeit prozessualer Formalien und Fristen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei Zweifeln an der Echtheit einer Testamentsunterschrift die Kosten für ein Sachverständigengutachten fair verteilt werden können, selbst wenn die Unterschrift letztlich für echt befunden wird. Das Gericht entschied, dass ein Beteiligter, der berechtigte Zweifel äußert, nicht die vollen Gutachterkosten tragen muss, besonders wenn das Gutachten die Echtheit nur mit „leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit“ bestätigt. Für Erben bedeutet dies, dass sie bei begründeten Zweifeln an Testamenten diese äußern können, ohne automatisch alle Verfahrenskosten fürchten zu müssen.
Benötigen Sie Hilfe?
Kostenstreit im Erbscheinsverfahren?
Unstimmigkeiten über die Gültigkeit eines Testaments oder die Erbfolge können langwierige und kostspielige Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Oftmals entstehen hohe Kosten, beispielsweise für Sachverständigengutachten, deren Übernahme im Nachgang umstritten ist. Die Frage, wer diese Kosten letztendlich trägt, birgt erhebliches Konfliktpotenzial und kann die ohnehin belastende Situation zusätzlich verschärfen.
Wir prüfen Ihren Fall sorgfältig und entwickeln eine maßgeschneiderte Strategie, um Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten. Unser erfahrenes Team unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte geltend zu machen und eine faire Lösung zu erzielen – ob außergerichtlich oder vor Gericht. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz und unser Engagement.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer trägt die Kosten für ein Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren?
Im Erbscheinsverfahren gibt es keine feste Regel, wer die Kosten für ein Sachverständigengutachten tragen muss. Die Entscheidung darüber trifft das zuständige Nachlassgericht erst am Ende des Verfahrens nach „billigem Ermessen“.
Was bedeutet „nach billigem Ermessen“?
„Billiges Ermessen“ bedeutet, dass das Gericht eine gerechte und faire Entscheidung treffen soll, die alle Umstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigt. Es prüft dabei verschiedene Gesichtspunkte, zum Beispiel:
- Wer hat die Begutachtung veranlasst? Hat jemand zum Beispiel unbegründete Zweifel an der Echtheit eines Testaments geäußert, die nur durch ein Schriftgutachten geklärt werden konnten?
- Wessen Angaben oder Anträge haben sich als richtig oder falsch herausgestellt? Auch wenn es keine automatische Regel „Wer verliert, zahlt“ gibt, kann der Ausgang des Verfahrens eine Rolle spielen. Hat jemand offensichtlich unbegründete Behauptungen aufgestellt, kann das bei der Kostenentscheidung berücksichtigt werden.
- War das Gutachten zur Klärung der Erbfolge objektiv notwendig? Diente das Gutachten der Aufklärung wichtiger Fragen, die für die Erteilung des richtigen Erbscheins unerlässlich waren?
Wer könnte die Kosten tragen?
Da das Gericht nach Ermessen entscheidet, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Der Nachlass: Sehr häufig werden die Kosten des Erbscheinsverfahrens, einschließlich der Gutachterkosten, als sogenannte Nachlassverbindlichkeiten behandelt. Das bedeutet, die Kosten werden aus dem Erbe bezahlt. Wirtschaftlich tragen die Kosten dann die Erben gemeinsam entsprechend ihrer Erbteile. Dies ist oft der Fall, wenn das Gutachten für die allgemeine Klärung der Erbfolge notwendig war und keinem Beteiligten ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann.
- Ein einzelner Beteiligter: Das Gericht kann die Kosten auch einer bestimmten Person auferlegen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn dieser Beteiligte das Gutachten durch unbegründete Einwände oder falsche Angaben verursacht hat oder sein Antrag im Verfahren klar erfolglos war. Es kann auch den Antragsteller des Erbscheins treffen.
- Aufteilung der Kosten: Das Gericht kann die Kosten auch zwischen mehreren Beteiligten aufteilen oder zwischen einem Beteiligten und dem Nachlass.
Was ist wichtig zu verstehen?
Für Sie bedeutet das: Es gibt keine Garantie dafür, wer die Gutachterkosten am Ende tragen muss. Die Kosten für solche Gutachten können erheblich sein. Die Entscheidung hängt immer von den Besonderheiten des jeweiligen Falles und der Abwägung des Gerichts ab. Die endgültige Entscheidung über die Verteilung der Kosten fällt in der Regel erst mit dem Abschluss des Erbscheinsverfahrens.
Was bedeutet eine „nachträgliche Kostenentscheidung“ im Erbscheinsverfahren?
Eine „nachträgliche Kostenentscheidung“ bedeutet, dass das Gericht erst nach der eigentlichen Entscheidung über den Erbschein (also ob er erteilt wird oder nicht) separat darüber befindet, wer die Kosten des Verfahrens tragen muss. Es ist also nicht ungewöhnlich, dass Sie zuerst die Entscheidung zum Erbschein erhalten und erst später einen weiteren Beschluss bekommen, der ausschließlich die Kosten regelt.
Warum erfolgt die Kostenentscheidung manchmal später?
Oft konzentriert sich das Gericht zunächst auf die Klärung der Erbfolge, da dies die Hauptfrage im Erbscheinsverfahren ist. Die Frage, wer die Kosten trägt, kann manchmal komplex sein oder von Umständen abhängen, die erst nach Abschluss der Erbscheinsprüfung vollständig beurteilt werden können. Daher wird die Kostenfrage manchmal zeitlich nachgelagert entschieden, um das Hauptverfahren nicht unnötig zu verzögern. Das Gericht trifft also zuerst die inhaltliche Entscheidung (Erbschein ja/nein) und kümmert sich dann in einem zweiten Schritt um die Verteilung der Verfahrenskosten (Gerichtskosten und ggf. Anwaltskosten der Beteiligten).
Wer trägt die Kosten und welche Faktoren spielen eine Rolle?
Im Erbscheinsverfahren gilt nicht automatisch, dass der „Verlierer“ zahlt, wie man es vielleicht aus anderen Gerichtsverfahren kennt. Stattdessen entscheidet das Gericht nach sogenanntem „pflichtgemäßem Ermessen“, was bedeutet, dass es die Umstände des Einzelfalls prüft und eine als gerecht empfundene Lösung findet.
Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
- Der Ausgang des Verfahrens: Wer hat den Antrag gestellt? War der Antrag erfolgreich? Hat jemand unbegründet Einwände erhoben oder einen Antrag gestellt, der offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte?
- Das Verhalten der Beteiligten: Hat ein Beteiligter das Verfahren beispielsweise durch falsche Angaben, unnötige Anträge oder widersprüchliches Verhalten erschwert oder verzögert? Ein solches Verhalten kann dazu führen, dass diesem Beteiligten die Kosten (ganz oder teilweise) auferlegt werden, auch wenn er vielleicht Miterbe ist.
- Die Verursachung der Kosten: Wer hat durch sein Handeln oder Unterlassen bestimmte Kosten ausgelöst?
Grundsätzlich können die Kosten dem Nachlass (also dem Erbe selbst) zur Last fallen. Das Gericht kann aber auch entscheiden, dass ein oder mehrere Beteiligte die Kosten tragen müssen, wenn deren Verhalten oder die Umstände des Falls dies gerecht erscheinen lassen. Die nachträgliche Kostenentscheidung legt dann genau fest, wer welchen Anteil der entstandenen Kosten zu übernehmen hat.
Kann ich gegen eine Kostenentscheidung im Erbscheinsverfahren vorgehen?
Ja, Sie können gegen eine Kostenentscheidung, die das Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens getroffen hat, grundsätzlich vorgehen. Auch wenn die Kostenentscheidung erst nachträglich ergeht, steht Ihnen ein Rechtsmittel zur Verfügung: die Beschwerde.
Was ist eine Beschwerde und wann ist sie möglich?
Die Beschwerde ist der vorgesehene Weg, um Entscheidungen des Nachlassgerichts – dazu zählen auch Entscheidungen über die Gerichtskosten oder die Verteilung der Anwaltskosten zwischen den Beteiligten – von einer höheren gerichtlichen Instanz überprüfen zu lassen.
Sie können Beschwerde einlegen, wenn Sie der Meinung sind, dass die Entscheidung über die Kosten fehlerhaft ist, zum Beispiel weil die Kosten falsch berechnet wurden oder weil Sie zu Unrecht zur Zahlung der Kosten verpflichtet wurden.
Beachten Sie: Eine Beschwerde ist in der Regel nur dann zulässig, wenn der Wert dessen, worüber Sie sich beschweren (der sogenannte Beschwerdewert), mindestens 600 Euro beträgt. Liegt der Wert darunter, ist eine Beschwerde meist nur möglich, wenn das Nachlassgericht sie im Beschluss ausdrücklich zugelassen hat.
Wie und wo muss die Beschwerde eingereicht werden?
Um Beschwerde einzulegen, müssen Sie diese schriftlich per Brief formulieren und unterschreiben oder Sie gehen persönlich zur Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts und geben die Beschwerde dort zu Protokoll. Eine einfache E-Mail genügt normalerweise nicht den Formvorschriften.
Die Beschwerde können Sie entweder bei dem Nachlassgericht einreichen, das die ursprüngliche Kostenentscheidung getroffen hat, oder direkt bei dem zuständigen Beschwerdegericht. Das Beschwerdegericht ist in den meisten Fällen das Landgericht, in dessen Bezirk das Nachlassgericht liegt.
Welche Frist gilt für die Beschwerde?
Für die Einlegung der Beschwerde haben Sie einen Monat Zeit.
Die Monatsfrist beginnt an dem Tag, an dem Ihnen der Beschluss mit der Kostenentscheidung schriftlich bekannt gegeben wurde. Dies geschieht üblicherweise durch eine förmliche Zustellung per Post. Es ist sehr wichtig, diese Frist einzuhalten. Wenn Sie die Frist versäumen, wird die Kostenentscheidung in der Regel endgültig und kann nicht mehr angefochten werden.
Was passiert nach Einlegung der Beschwerde?
Nachdem Sie Beschwerde eingelegt haben, prüft zunächst das Nachlassgericht selbst, ob es seine Entscheidung ändern und Ihrer Beschwerde abhelfen kann.
Wenn das Nachlassgericht bei seiner Entscheidung bleibt, legt es die Akte dem Beschwerdegericht (meist das Landgericht) vor. Dieses Gericht prüft dann die angefochtene Kostenentscheidung noch einmal vollständig und trifft eine endgültige Entscheidung über Ihre Beschwerde.
Welche Rolle spielt das Verhalten der Beteiligten bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten?
Das Verhalten der Personen, die am Erbscheinsverfahren beteiligt sind, spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Entscheidung des Gerichts, wer am Ende die Kosten des Verfahrens tragen muss. Es geht also nicht nur darum, wer in der Sache gewonnen oder verloren hat.
Grundsatz: Billiges Ermessen bei der Kostenentscheidung
Im Erbscheinsverfahren entscheidet das Gericht über die Kostenverteilung nach „billigem Ermessen“. Das bedeutet, das Gericht schaut sich den gesamten Fall an und trifft eine Entscheidung, die es für fair und gerecht hält. Es gibt keine starre Regel wie „Der Verlierer zahlt alles“. Stattdessen berücksichtigt das Gericht die besonderen Umstände des Einzelfalls, und dazu gehört ganz wesentlich das Verhalten aller Beteiligten während des Verfahrens. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in § 81 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
Wie beeinflusst Verhalten die Kostenentscheidung?
Das Gericht prüft, ob das Verhalten eines Beteiligten dazu beigetragen hat, das Verfahren unnötig zu erschweren, zu verzögern oder zusätzliche Kosten zu verursachen.
- Negatives Verhalten kann zu höheren Kosten führen: Wenn Sie sich im Verfahren auf eine Weise verhalten, die das Gericht als unfair oder unnötig streitig ansieht, kann das dazu führen, dass Sie einen größeren Anteil der Kosten tragen müssen – selbst wenn Sie in der Hauptsache teilweise oder ganz Recht bekommen.
- Beispiel 1: Sie legen Widerspruch gegen den Erbscheinsantrag eines anderen ein, obwohl Ihr Widerspruch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder Sie keine stichhaltigen Gründe dafür vorbringen können.
- Beispiel 2: Sie streiten über jeden kleinen Punkt, obwohl dies für die eigentliche Entscheidung über das Erbrecht unerheblich ist. Dieses unnötig streitige Verhalten kann zu zusätzlichen Anhörungen oder Beweisaufnahmen führen, die Kosten verursachen.
- Beispiel 3: Sie machen bewusst falsche oder irreführende Angaben im Verfahren oder halten wichtige Informationen zurück, was das Verfahren verzögert.
- Kooperatives Verhalten wird berücksichtigt: Umgekehrt kann ein faires und sachliches Verhalten dazu beitragen, dass die Kostenentscheidung für Sie günstiger ausfällt oder die Kosten nach der üblichen Quote (z.B. entsprechend der Erbteile) verteilt werden.
Was bedeutet das für Sie?
Es ist wichtig zu verstehen, dass Ihr Verhalten im Erbscheinsverfahren direkte finanzielle Konsequenzen haben kann.
- Faires und sachliches Verhalten ist ratsam: Auch wenn Emotionen in Erbschaftsangelegenheiten oft eine große Rolle spielen, sollten Sie versuchen, im gerichtlichen Verfahren sachlich zu bleiben. Bringen Sie nur Argumente und Einwände vor, die begründet und für die Entscheidung relevant sind.
- Unnötigen Streit vermeiden: Überlegen Sie, ob ein Streitpunkt wirklich notwendig ist oder ob er das Verfahren nur unnötig in die Länge zieht und verteuert. Die Verursachung unnötiger Kosten kann Ihnen am Ende selbst zur Last gelegt werden.
- Transparenz zeigen: Machen Sie vollständige und wahrheitsgemäße Angaben. Dies fördert ein zügiges und faires Verfahren.
Letztlich zielt die Berücksichtigung des Verhaltens darauf ab, ein faires und effizientes Verfahren zu fördern und sicherzustellen, dass niemand durch unangebrachtes Verhalten eines anderen unnötig mit Kosten belastet wird.
Was passiert, wenn ich die Kosten, die mir im Erbscheinsverfahren auferlegt wurden, nicht bezahlen kann?
Wenn Sie die Kosten für ein Erbscheinsverfahren, wie zum Beispiel Gerichtsgebühren, nicht sofort oder vollständig bezahlen können, gibt es verschiedene Möglichkeiten und Abläufe, die Sie kennen sollten. Es ist wichtig, bei Zahlungsschwierigkeiten aktiv zu werden und nicht einfach abzuwarten.
Möglichkeit 1: Zahlungserleichterungen bei der Gerichtskasse
Oftmals zeigen sich die Gerichtskassen bei nachgewiesenen Zahlungsschwierigkeiten kooperativ. Sie können direkt bei der zuständigen Gerichtskasse oder dem Nachlassgericht, das die Kostenentscheidung getroffen hat, Zahlungserleichterungen beantragen.
- Ratenzahlung: Sie können beantragen, die geschuldeten Kosten in mehreren Teilbeträgen über einen bestimmten Zeitraum zu zahlen.
- Stundung: Sie können beantragen, dass die Zahlung der Kosten für eine gewisse Zeit aufgeschoben wird, wenn Sie aktuell nicht zahlen können, aber absehbar ist, dass Sie die Kosten zu einem späteren Zeitpunkt begleichen können.
Für einen solchen Antrag müssen Sie in der Regel Ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen, um nachzuweisen, dass Ihnen die sofortige Zahlung der gesamten Summe nicht möglich oder zumutbar ist. Ein formloser schriftlicher Antrag mit entsprechenden Nachweisen (z.B. Einkommensnachweise, Belege über Ausgaben) ist hierfür meist ausreichend. Die Entscheidung über Ratenzahlung oder Stundung liegt im Ermessen der Gerichtskasse bzw. des Gerichts.
Möglichkeit 2: Verfahrenskostenhilfe (VKH)
Wenn Sie aufgrund Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten des Verfahrens gar nicht oder nur teilweise aufbringen können, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe (VKH) zu beantragen. Dies ist eine staatliche Unterstützung.
- Voraussetzungen: VKH wird gewährt, wenn Sie nachweisen, dass Sie die Kosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten zahlen können (Bedürftigkeit). Außerdem darf die Rechtsverfolgung (im Erbscheinsverfahren z.B. der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins) nicht mutwillig erscheinen. Mutwillig bedeutet, dass eine verständige Person, die die Kosten selbst tragen müsste, das Verfahren nicht führen würde.
- Antragstellung: Der Antrag auf VKH muss beim zuständigen Nachlassgericht gestellt werden. Hierfür gibt es ein amtliches Formular („Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“), das Sie sorgfältig und vollständig ausfüllen und mit Belegen versehen müssen. Der Antrag kann oft schon zusammen mit dem Erbscheinsantrag gestellt werden.
- Folgen der Bewilligung: Wird VKH bewilligt, übernimmt die Staatskasse die anfallenden Gerichtskosten ganz oder teilweise. Je nach Ihren finanziellen Verhältnissen kann das Gericht anordnen, dass Sie die Kosten in Raten an die Staatskasse zurückzahlen müssen oder dass Sie vorerst gar keine Zahlungen leisten müssen. Wichtig: Die VKH deckt in der Regel nur die Gerichtskosten, nicht eventuell anfallende Kosten für einen Anwalt, es sei denn, dessen Beiordnung wird ebenfalls beantragt und bewilligt. Auch kann das Gericht bis zu vier Jahre nach Abschluss des Verfahrens prüfen, ob sich Ihre finanziellen Verhältnisse verbessert haben und Sie die Kosten doch noch (ganz oder teilweise) zurückzahlen können.
Konsequenzen bei Nichtzahlung
Wenn Sie die auferlegten Kosten einfach nicht bezahlen und auch keine Zahlungserleichterungen oder Verfahrenskostenhilfe beantragen bzw. bewilligt bekommen, wird die Gerichtskasse die Forderung durchsetzen.
- Kostenfestsetzungsbeschluss: Das Gericht erlässt einen Beschluss, in dem die genaue Höhe der zu zahlenden Kosten festgesetzt wird.
- Vollstreckungstitel: Dieser Beschluss ist ein sogenannter Vollstreckungstitel. Das bedeutet, er ist die rechtliche Grundlage dafür, dass die Zahlung der Kosten erzwungen werden kann.
- Zwangsvollstreckung: Die Gerichtskasse kann dann, ähnlich wie andere Gläubiger, die Zwangsvollstreckung betreiben. Das kann beispielsweise bedeuten, dass Ihr Konto gepfändet, Ihr Arbeitgeber zur Lohnpfändung verpflichtet oder ein Gerichtsvollzieher beauftragt wird, bei Ihnen nach pfändbaren Gegenständen zu suchen.
Es ist daher ratsam, sich frühzeitig mit dem Gericht oder der Gerichtskasse in Verbindung zu setzen, wenn absehbar ist, dass Sie die Kosten nicht fristgerecht bezahlen können, um die genannten Möglichkeiten (Ratenzahlung, Stundung, VKH) zu prüfen und eine Zwangsvollstreckung zu vermeiden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erbscheinsverfahren
Ein Erbscheinsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren vor dem Nachlassgericht (einer Abteilung des Amtsgerichts), das dazu dient, festzustellen, wer Erbe einer verstorbenen Person (Erblasser) geworden ist. Am Ende dieses Verfahrens kann ein Erbschein ausgestellt werden, der als offizieller Nachweis der Erbenstellung dient, z.B. gegenüber Banken oder dem Grundbuchamt. Dieses Verfahren ist im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Im vorliegenden Fall stritten Witwe und Neffe in einem solchen Verfahren darum, wer Erbe ist und einen entsprechenden Erbschein erhält.
Beteiligte (im FamFG-Verfahren)
Als Beteiligte werden die Parteien in bestimmten Gerichtsverfahren bezeichnet, insbesondere in solchen nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), wozu auch das Erbscheinsverfahren gehört. Anders als in einem Zivilprozess mit Kläger und Beklagtem gibt es hier oft mehrere Personen mit unterschiedlichen Interessen am Verfahrensausgang. Im konkreten Fall waren die Witwe (Antragstellerin, Beteiligte zu 1) und der Neffe (der Einwände erhob, Beteiligter zu 2) die zentralen Beteiligten des Erbscheinsverfahrens. Die Bezeichnung unterstreicht, dass das Gericht den Sachverhalt oft von Amts wegen ermittelt und die Rollen nicht so starr sind wie im Zivilprozess.
handschriftliches Ehegattentestament
Ein handschriftliches Ehegattentestament (auch gemeinschaftliches Testament genannt) ist eine besondere Form des Testaments, die nur von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden kann (§§ 2265 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Es genügt, wenn einer der Partner das Testament vollständig mit der Hand schreibt und unterschreibt, und der andere Partner die gemeinsame Erklärung ebenfalls handschriftlich unterzeichnet, idealerweise mit Ort und Datum (§ 2267 BGB). Im vorliegenden Fall diente ein solches Testament als Grundlage für den Erbscheinsantrag der Witwe. Die Gültigkeit hing entscheidend davon ab, ob die Unterschrift des Erblassers (des Ehemannes) echt war.
gesetzlicher Erbe
Gesetzlicher Erbe ist, wer nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erbt, wenn kein gültiges Testament oder kein Erbvertrag des Verstorbenen (Erblassers) vorliegt. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad (§§ 1924 ff. BGB), wobei auch Ehegatten ein eigenes gesetzliches Erbrecht haben (§ 1931 BGB). Im Text wäre der Neffe der gesetzliche Erbe gewesen, wenn das handschriftliche Ehegattentestament zugunsten der Witwe für ungültig erklärt worden wäre. Sein Erbrecht bestand also nur für den Fall, dass die testamentarische Regelung scheitert.
mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit
„Mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit“ ist eine Abstufung des Beweismaßes, das Gerichte oder Sachverständige verwenden, um die Sicherheit einer Tatsachenfeststellung auszudrücken. Es bedeutet, dass die festgestellte Tatsache wahrscheinlicher ist als ihr Gegenteil, aber nur mit einem geringen Grad an Sicherheit (knapp über 50%). Es ist eine niedrigere Stufe als die volle richterliche Überzeugung („zur vollen Überzeugung des Gerichts“) oder eine „hohe Wahrscheinlichkeit“. Im Fall war dies das Ergebnis des Schriftsachverständigen zur Echtheit der Unterschrift – ein Faktor, der später bei der Kostenentscheidung relevant wurde, da die Zweifel des Neffen angesichts dieses nicht eindeutigen Ergebnisses nicht völlig unbegründet erschienen.
Beschluss (im FamFG-Verfahren)
Ein Beschluss ist die übliche Form der gerichtlichen Entscheidung in Verfahren nach dem FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), zu denen auch Erbscheinsverfahren gehören (§ 38 FamFG). Anders als ein Urteil im Zivilprozess (ZPO) ergeht ein Beschluss oft auch in nicht-streitigen Angelegenheiten oder zur Regelung des Verfahrens. Im vorliegenden Fall erließ das Amtsgericht mehrere Beschlüsse: zur Feststellung der Erbschein-Voraussetzungen, zur Zurückweisung des Widerspruchs des Neffen und später zur Kostenverteilung. Auch die Entscheidung des OLG Braunschweig erging in Form eines Beschlusses.
billiges Ermessen (§ 81 FamFG)
„Billiges Ermessen“ beschreibt einen Entscheidungsspielraum, den das Gesetz dem Gericht in bestimmten Fällen einräumt, um eine gerechte und angemessene Einzelfallentscheidung zu treffen. Das Gericht muss dabei alle relevanten Umstände des Falles abwägen und seine Entscheidung nachvollziehbar begründen; es darf nicht willkürlich handeln. Im konkreten Fall erlaubt § 81 Abs. 1 FamFG dem Gericht, die Kosten eines Verfahrens nach billigem Ermessen einem Beteiligten ganz oder teilweise aufzuerlegen. Das Amtsgericht nutzte dieses Ermessen zunächst, um dem Neffen die Kosten aufzuerlegen, da seine Zweifel das Gutachten nötig machten und sich formal nicht bestätigten.
Beispiel: Wenn zwei Nachbarn wegen eines kleinen Grenzstreits vor Gericht ziehen und einer von ihnen völlig unnachgiebig war, obwohl eine einfache Lösung möglich gewesen wäre, könnte das Gericht nach billigem Ermessen entscheiden, dass dieser Nachbar die gesamten Kosten des Verfahrens tragen muss, auch wenn er vielleicht teilweise im Recht war.
nachträgliche, isolierte Kostenentscheidung
Eine nachträgliche, isolierte Kostenentscheidung liegt vor, wenn ein Gericht über die Verteilung der Verfahrenskosten (z.B. Anwalts- oder Gutachterkosten) entscheidet, nachdem das eigentliche Hauptverfahren bereits abgeschlossen ist und in der Hauptsacheentscheidung keine Regelung über die Kosten getroffen oder vorbehalten wurde. Das OLG Braunschweig sah hierin den entscheidenden Verfahrensfehler: Das Erbscheinsverfahren war mit Zustellung des Erbscheins im Juni 2024 beendet. Der Antrag der Witwe auf Kostenübernahme kam erst im Juli, und der Kostenbeschluss des Amtsgerichts folgte erst im Oktober. Diese separate Entscheidung über die Kosten des bereits beendeten Verfahrens war laut OLG unzulässig.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 81 FamFG (Kostenentscheidung nach billigem Ermessen): Diese Vorschrift des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erlaubt dem Gericht, die Kosten eines Verfahrens nach eigenem Ermessen aufzuteilen, wenn es keine zwingende gesetzliche Regelung gibt. Dies bedeutet, dass das Gericht in bestimmten Fällen, wie hier im Erbscheinsverfahren, entscheiden kann, wer die Kosten des Verfahrens trägt, auch abweichend von der üblichen Regelung, dass der Antragsteller die Kosten trägt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste entscheiden, ob der Neffe des Erblassers die Kosten des Erbscheinsverfahrens tragen muss, insbesondere die Kosten für das Gutachten zur Echtheit des Testaments, da er Zweifel an der Echtheit geäußert und dadurch die Begutachtung veranlasst hatte.
- § 352e FamFG (Feststellung der Erbscheinsantrags): Dieser Paragraph regelt im Detail das Verfahren im Erbscheinsverfahren und bestimmt, dass das Gericht die für die Erteilung des Erbscheins notwendigen Tatsachen feststellt. Das Gericht prüft also, ob alle Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins vorliegen, insbesondere die Erbfolge und die Wirksamkeit eines Testaments. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Nachlassgericht hatte zunächst gemäß § 352e FamFG die Tatsachen für die Erbscheinserteilung festgestellt, basierend auf dem Gutachten zur Echtheit des Testaments, bevor es dann über die Kostenverteilung nach § 81 FamFG entschied.
- § 2353 BGB (Erbschein): Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis des Nachlassgerichts, das die Erbenstellung und den Umfang des Erbrechts gegenüber Dritten, wie Banken oder Behörden, nachweist. Er legitimiert den Erben im Rechtsverkehr und ermöglicht ihm, über den Nachlass zu verfügen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Witwe des Erblassers beantragte einen Erbschein, um ihre Stellung als Alleinerbin nachzuweisen, basierend auf dem von ihr vorgelegten Testament.
- § 2247 BGB (Eigenhändiges Testament): Diese Vorschrift legt fest, dass ein Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein muss, um formgültig zu sein. Dies ist die grundlegende Form für private Testamente in Deutschland und soll sicherstellen, dass der letzte Wille des Erblassers zweifelsfrei dokumentiert ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Testament, auf das sich die Witwe stützte, war ein privatschriftliches Ehegattentestament, dessen Echtheit, insbesondere die Unterschrift des Erblassers, vom Neffen angezweifelt wurde, was zur Einholung eines Gutachtens führte.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Testamentsverfasser und Erben zum Thema Handschriftliche Testamente und deren Gültigkeit
Viele Menschen möchten ihren letzten Willen handschriftlich festhalten, insbesondere Ehepaare in einem gemeinsamen Testament. Das ist kostengünstig, birgt aber Risiken bei der Form. Ein Streit um die Echtheit einer Unterschrift kann dazu führen, dass der letzte Wille unbeachtet bleibt.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Eindeutige Unterschrift sicherstellen
Die eigenhändige Unterschrift unter einem handschriftlichen Testament ist zwingend erforderlich. Unterschreiben Sie mit Ihrem vollen Vor- und Nachnamen, so wie Sie auch sonst wichtige Dokumente unterzeichnen. Bei einem gemeinschaftlichen Testament, bei dem ein Ehegatte den Text schreibt und beide unterschreiben, sollte die Unterschrift des Mitschreibenden klar von dessen Handschrift im Text unterscheidbar sein, um Zweifel an der Echtheit zu minimieren.
⚠️ ACHTUNG: Eine unleserliche oder stark abweichende Unterschrift kann Zweifel an der Urheberschaft wecken und das Testament angreifbar machen.
Tipp 2: Formvorschriften beim gemeinschaftlichen Testament strikt beachten
Ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern kann von einem Partner handschriftlich verfasst werden. Entscheidend ist jedoch, dass beide Partner das Testament eigenhändig unterschreiben (§ 2267 BGB). Die Unterschriften müssen räumlich am Ende des gesamten Verfügungstextes stehen. Es empfiehlt sich zudem dringend, Ort und Datum der Unterzeichnung anzugeben.
⚠️ ACHTUNG: Fehlt die Unterschrift eines Partners oder steht sie an der falschen Stelle, ist das Testament insgesamt oder zumindest in Teilen formunwirksam.
Tipp 3: Alternative: Notarielles Testament prüfen
Um höchste Rechtssicherheit bezüglich der Formgültigkeit und der Identität der Unterzeichnenden zu gewährleisten, ist ein notarielles Testament die sicherste Wahl. Der Notar prüft die Identität, bestätigt die Testierfähigkeit (im Rahmen seiner Möglichkeiten) und sorgt für eine korrekte Formulierung und Einhaltung aller Formvorschriften. Die Kosten hierfür sind oft geringer als die eines späteren Rechtsstreits über die Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments.
Tipp 4: Bei Zweifeln an der Echtheit: Frühzeitig handeln
Wenn Sie als potenzieller Erbe oder Enterbter Zweifel an der Echtheit der Unterschrift unter einem Testament haben, sollten Sie unverzüglich handeln. Legen Sie beim Nachlassgericht begründete Einwendungen ein. Oft ist zur Klärung ein schriftvergleichendes Gutachten durch einen Sachverständigen erforderlich. Holen Sie sich hierzu frühzeitig anwaltlichen Rat.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Neben der Unterschrift können auch andere Formfehler ein handschriftliches Testament unwirksam machen (z.B. wenn es nicht vollständig handschriftlich verfasst ist). Unklare Formulierungen führen oft zu Auslegungsstreitigkeiten. Nachträgliche Änderungen müssen ebenfalls handschriftlich erfolgen und erneut (von beiden Partnern bei einem gemeinschaftlichen Testament) unterschrieben werden. Die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht erhöht die Auffindbarkeit, heilt aber keine Formfehler.
✅ Checkliste: Handschriftliches Testament
- Ist der gesamte Text von einer Person handschriftlich verfasst?
- Haben alle Erblasser (bei Gemeinschaftstestament beide Ehepartner/Lebenspartner) persönlich am Ende des Textes unterschrieben?
- Sind die Unterschriften klar lesbar und eindeutig den Personen zuzuordnen?
- Sind Ort und Datum der Unterschrift(en) vermerkt? (Dringend empfohlen!)
- Wurde die Alternative eines notariellen Testaments zur Vermeidung von Formfehlern und Echtheitszweifeln bedacht?
Das vorliegende Urteil
OLG Braunschweig – Az.: 10 W 20/25 – Beschluss vom 14.02.2025
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