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Nachweis der Erbenstellung im Erbscheinsverfahren

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 113/12 – Beschluss vom 01.06.2012

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der am 10. März 2010 verstorbene Ehemann der Beteiligten ist als Eigentümer des eingangs bezeichneten Grundbesitzes eingetragen.

Sie hatte mit ihrem Ehemann am 04. Dezember 1998 zu UR-Nr. 389/1998 des Notars N. in Duisburg – Meiderich ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet, in dem sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben einsetzten und als Nacherben ihren Sohn Nils, geboren am 22. April 1978, beriefen.

Ferner bestimmte das Testament u. a., dass der Sohn Nils bei Vorversterben des Erblassers im Einzelnen aufgeführte (überwiegend im Grundbuch des Amtsgerichts Dinslaken von Gö. Blatt 33) verzeichnete landwirtschaftliche Flächen sowie das Grundstück Flur 1, Flurstück 73, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Dinslaken von Gö. Blatt 0006 im Wege des Vermächtnisses „ voraus“ „in Anrechnung auf seinen Pflichtteilsanspruch“ zu Eigentum erhalten sollte.

Am 28. Februar 2012 hat die Beteiligte beantragt, zu berichtigen das Grundbuch von Gö. Blatt 33, wonach sie aufgrund des notariellen Testaments Alleinerbin nach dem Erblasser geworden ist; das Grundbuch von Gö. Blatt 6, in dem der Erblasser noch als Eigentümer eingetragen ist, einzutragen einen Nacherbenvermerk zugunsten des Sohnes Nils gemäß notariellem Testament vom 04. Dezember 1998 in den Grundbüchern.

Durch Zwischenverfügung vom 06. März 2012 hat das Grundbuchamt ausgeführt, dem Antrag könne noch nicht entsprochen werden; das Testament vom 04. Dezember 1998 lasse nicht erkennen, was gewollt ist; es bestünden Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Vor- und Nacherbschaft; es könne sich auch um ein „Berliner Testament“ handeln. Daher bedürfe es zur Vermeidung der kostenpflichtigen Zurückweisung des Antrags eines bis zum 30. April 2012 vorzulegenden Erbscheins.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 06. März 2012.

Sie macht geltend, bei einem „Berliner Testament“ setzten sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben ein und bestimmten als Schlusserben den oder die Abkömmlinge. Die Schlusserbeneinsetzung sei im vorliegenden Fall bereits deshalb entbehrlich, weil es sich bei dem Sohn Nils um den einzigen Abkömmling der Eheleute O. handele, dieser somit ohnehin Alleinerbe nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils werde. Dass zugunsten des Sohnes Nils bereits ein Vermächtnis verfügt sei, spreche auch nicht für ein Berliner Testament, da auch bei einer Vor- und Nacherbschaft die Verfügung von Vermächtnissen sinnvoll sein könne. Maßgeblich sei, dass im konkreten Testament der Begriff Nacherbschaft nicht nur einmal, sondern vier Mal gewählt worden sei, weshalb die Bestimmung des Sohnes Nils zum Nacherben eindeutig sei und nicht auf einer sprachlichen Ungenauigkeit beruhen könne.

Das Amtsgericht hat seine Zwischenverfügung durch förmlichen Beschluss vom 20. März 2012 präzisiert und ausgeführt, es sei ein Erbschein vorzulegen. Allein die Verwendung der Begriffe Vorerbschaft und Nacherbschaft machten ein Testament nicht eindeutig. Selbst in einem notariellen Testament könne damit der Wille des Erblassers unpräzise und unrichtig erfasst sein. Hätten die Ehegatten bei der Einsetzung eines „Nacherben“ sinnwidrig nicht zwischen den beiden Nachlässen unterschieden, habe aber jeder für seinen Überlebensfall auch zugunsten dieses „Nacherben“ testieren wollen, so bilde der Wortlaut eine hinreichende Stütze für die Ermittlung, ob dieses Einsetzen als Vollerbe gewollt ist.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Beteiligte geltend, das Grundbuchamt dürfe die beantragte Berichtigung nicht mit dem Verweis auf die Möglichkeit verschiedener Auslegungen des Testaments ablehnen, sondern müsse die letztwillige Verfügung selbst auslegen.

Der Grundbesitz, der Gegenstand des Grundbuchberichtigungsantrages sei, stelle nahezu den gesamten Nachlass des Erblassers dar. Die Grundbesitzungen habe der Erblasser selbst als bäuerlichen Familienbesitz geerbt, und noch in der Generation vor dem Erblasser sei der Grundbesitz als bäuerlicher Hof betrieben worden. Dem Erblasser sei es somit entscheidend darauf angekommen, sicherzustellen, dass dieser Familienbesitz in seiner Linie verbleibt und somit letztlich auf seinen einzigen Abkömmling, seinen Sohn Nils, übergeht. Aus diesem Grunde sei zur entsprechenden erbrechtlichen Absicherung das Institut der Nacherbschaft gewählt worden. Bei einer Schlusserbenregelung wären Verfügungen der Beteiligten, die kein nennenswertes eigenes Vermögen habe über diesen Nachlass zu Lebzeiten unbeschränkt möglich. Im Übrigen begehre die Beteiligte mit der Eintragung des Nacherbenvermerks eine schwächere Vermögensposition als ihr nach Auffassung des Grundbuchamts zustehe.

Mit Beschluss vom 10. Mai 2012 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Die gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Zwischenverfügung hält einer inhaltlichen Prüfung stand.

a)

Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge nur durch Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, wie hier in dem notariellen Testament vom 04. Dezember 1998 (§ 2332 BGB), so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO). Das Grundbuchamt kann jedoch die Vorlegung des Erbscheins verlangen, wenn die Erbfolge – oder die Nacherbfolge – durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen erachtet wird (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO).

Die Verfügung von Todes wegen ist vom Grundbuchamt auf Formgültigkeit und ihren Inhalt hin zu prüfen (OLG München, Beschlüsse vom 25.01.2012 – 34 Wx 316/11, BeckRS 2012, 04409 und vom 12.01.2012 – 34 Wx 501/11 ZErb 2012,82 = BeckRS 2012, 04411). Dabei steht es nicht im Belieben des Grundbuchamts, ob es einen Erbschein verlangen oder die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Beweismittel genügen lassen will. Das Grundbuchamt hat vielmehr selbstständig zur Frage der Erb- wie der Nacherbfolge Stellung zu nehmen, gegebenenfalls auch den Willen des Erblassers auszulegen und Zweifel durch Anwendung des Gesetzes auf die Verfügung zu lösen (OLG München, a.a.O. ). Es hat in diesem Rahmen auch gesetzliche Auslegungsregeln zu berücksichtigen, wenn das Nachlassgericht voraussichtlich darauf zurückgreifen müsste (OLG München, a.a.O.; OLG Schleswig FGPrax 2006, 248). Seine Pflicht zur Auslegung entfällt nur dann, wenn für die Auslegung tatsächliche Umstände wesentlich sind, die erst aufgeklärt werden müssten. Dazu ist nämlich im Grundbucheintragungsverfahren kein Raum (OLG München, a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O. ).

Die inhaltliche Überprüfung der letztwilligen Verfügung muss zu einem eindeutigen Ergebnis führen (OLG München, BeckRS 2012, 04409). Kann das Grundbuchamt die letztwillige Verfügung nicht abschließend beurteilen, führt die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis oder weicht das Auslegungsergebnis ab von dem Antrag des Erben, so muss ein Erbschein verlangt werden (Wilsch in BeckOK/Hügel GBO Stand: 01.03.2012 § 35 Rdz. 114).

b)

Dies vorausgeschickt hat das Grundbuchamt zu Recht die Vorlage eines Erbscheins verlangt (der das Antragsbegehren stützt), weil seine „Auslegung“ (Darstellung von Bedenken) nicht zu einem eindeutigen Ergebnis im Sinne der Antragstellung geführt hat.

Die nachgesuchte Eintragung der Beteiligten als Alleinerbin nach dem Erblasser sowie eines Nacherbenvermerks zugunsten des Sohnes Nils gemäß notariellem Testament vom 04. Dezember 1998 in den Grundbüchern erfordert, dass die Beteiligte Vorerbin des Erblassers geworden und der Sohn Nils als dessen Nacherbe eingesetzt worden ist.

Dies lässt sich dem Testament weder unmittelbar entnehmen, noch ist dies als eindeutiges Ergebnis durch Auslegung zu erzielen.

(a)

Bei der sog. Einheitslösung des „Berliner Testaments“, die der Gesetzgeber mit § 2269 BGB für den Fall privilegiert und als Regellösung bestimmt, dass die Auslegung des Testaments nichts anderes ergibt (Litzenburger in BeckOK BGB Stand 01.05.2012 § 2269 Rdz. 5), wird der überlebende Ehepartner mit dem Tod des Erstverstorbenen alleiniger Vollerbe. Er kann in dieser Eigenschaft zu Lebzeiten völlig frei über das beiderseitige Vermögen verfügen. Selbst § 2287 BGB beseitigt die lebzeitige Verfügungsbefugnis nicht. Der Überlebende bedarf zu irgendwelchen rechtsgeschäftlichen Verfügungen nicht der Zustimmung des oder der Dritten. Ob und inwieweit der überlebende Ehepartner anderweit letztwillig verfügen kann, hängt vom Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments ab (Litzenburger, a.a.O. § 2269 Rdz. 27).

Bei der Trennungslösung dagegen setzt jeder den Anderen zum Vorerben und den Dritten zum Nacherben (§ 2100 BGB) sowie für den Fall, dass der Andere vor oder gleichzeitig mit dem Verfügenden sterben sollte, zum Ersatzerben (§§ 2096, 2102 Abs. 1 BGB) ein. Da der Dritte in diesem Fall den Nachlass zum Teil als Nacherbe des zuerst verstorbenen Ehepartners und zum Teil als Vollerbe des Längstlebenden erhält, wird diese Gestaltung als Trennungslösung bezeichnet (Litzenburger, a.a.O. Rdz. 2).

(b)

(aa)

Für die Trennungslösung spricht nicht viel mehr, als dass die Testamentserrichtung vor einem Notar stattfand, also prinzipiell davon ausgegangen werden kann, dass die verwendeten juristischen Fachbegriffe („Als unseren Nacherben berufen wir …“) entsprechend ihrer Bedeutung verwendet wurden, um den Erblasserwillen auszudrücken (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.01.2012 – 34 Wx 316/11, BeckRS 2012, 04409), wobei allerdings ein den Vorerben beschwerendes („voraus“) Vermächtnis zugunsten des Nacherben allein im Falle des Erstversterbens des Ehemannes, das wirtschaftlich (wegen der überragenden Bedeutung des Grundbesitzes) den Nacherbfall gleichsam vorweg nimmt (wenn in dieser Konstellation überhaupt möglich), doch – zumal mit Blick auf die Bezeichnung des Ehegatten als Alleinerben (ohne Zusatz Vorerbe) – eher ungewöhnlich wäre.

(bb)

Dafür, dass die Ehegatten in dem hier in Rede stehenden Testament die Einheitslösung wählen wollten, spricht Zum Einen, dass sie (abgesehen von der „Ausgliederung“ von Teilen des Grundbesitzes des Ehemannes durch Vermächtnis) nicht nach Vermögensmassen unterschieden haben. Des Weiteren kann die Vermächtnisanordnung („voraus“) für den Fall des Vorversterbens des Ehemannes (hier: Erblassers) am Ehesten dafür sprechen, dass die Beteiligte einerseits als frei verfügungsberechtigte Alleinerbin hierdurch davon abgehalten werden sollte, den landwirtschaftlichen „Familienbesitz“ zu veräußern, bevor dieser im Wege der Erbschaft nach der Beteiligten auf den Sohn Nils übergehen würde, die Beteiligte andererseits hinsichtlich des übrigen Vermögens des Erblassers nicht den Beschränkungen einer Vorerbin unterliegen sollte. Auch ist nicht ersichtlich, warum der Erblasser ggf. nur Vorerbe nach der Beteiligten hätte werden sollen. Schließlich stellt die sog. Einheitslösung des „Berliner Testaments“ nach der Bewertung des Gesetzgebers (§ 2269 BGB) den Regelfall dar.

(c)

Das Grundbuchamt hat sich hiernach zu Recht außerstande gesehen, das Testament eindeutig im Sinne des Berichtigungsantrages der Beteiligten auszulegen, was es rechtfertigt, die Berichtigung nicht ohne einen das Antragsbegehren stützenden Erbschein vorzunehmen.

Die Zwischenverfügung war daher zu bestätigen.

2.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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