Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Erbrecht OLG Köln: Streit um verschwundenes Testament – Wer erbt zu welchen Teilen?
- Ausgangslage: Erbstreit nach Tod der Erblasserin in Köln
- Anspruch eines Beteiligten: Forderung einer hälftigen Erbschaft
- Gegenforderung der zwei weiteren Beteiligten: Feststellung einer Erbengemeinschaft zu je einem Drittel
- Entscheidung des Landgerichts Köln: Gültiges Testament trotz Unauffindbarkeit festgestellt
- Die Berufung des unterlegenen Erben: Angriff auf Beweiswürdigung und Zeugenglaubwürdigkeit
- Entscheidung des OLG Köln: Zurückweisung der Berufung und Bestätigung der Erbteilung zu je 1/3
- Konsequenzen des Urteils: Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was passiert, wenn ein Testament existiert hat, aber nicht mehr auffindbar ist?
- Wie kann man die Existenz und den Inhalt eines verschwundenen Testaments beweisen?
- Welche Rolle spielen Zeugenaussagen bei der Feststellung eines Erbanspruchs ohne vorhandenes Testament?
- Was bedeutet gesetzliche Erbfolge, wenn kein Testament vorliegt oder ein vorhandenes Testament ungültig ist?
- Kann ein gefundenes Testament angefochten werden, wenn Zweifel an seiner Echtheit oder seinem Inhalt bestehen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 24 U 119/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Köln
- Datum: 28.04.2022
- Aktenzeichen: 24 U 119/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Person, die feststellen lassen wollte, zur Hälfte Erbe einer Verstorbenen (Erblasserin) zu sein. Legte Berufung gegen die Entscheidung der Vorinstanz (Landgericht) ein.
- Beklagte: Zwei Personen, die ihrerseits per Klage (Widerklage) feststellen lassen wollten, dass sie zusammen mit dem Kläger zu je einem Drittel Erben der Verstorbenen sind.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Nach dem Tod einer Frau stritten die Parteien darüber, wer in welchem Umfang ihr Erbe ist. Der Kläger beanspruchte die Hälfte des Erbes, während die Beklagten geltend machten, dass alle drei Parteien zu gleichen Teilen (je ein Drittel) erben sollten.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging zentral um die Frage, ob ein von der Verstorbenen handschriftlich verfasstes Testament existierte und gültig ist, das alle drei Parteien zu gleichen Teilen als Erben einsetzt, obwohl dieses Testament nicht mehr aufgefunden werden konnte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Damit wurde die Entscheidung des Landgerichts bestätigt, wonach der Kläger und die beiden Beklagten die Verstorbene zu je einem Drittel beerbt haben.
- Begründung: Das Gericht war (wie schon das Landgericht nach einer Zeugenbefragung) überzeugt, dass die Verstorbene ein gültiges Testament erstellt hatte, in dem sie alle drei Parteien zu gleichen Teilen als Erben bestimmte. Die Tatsache, dass das Testament nicht mehr auffindbar ist, beweist weder, dass es nie existiert hat, noch dass die Verstorbene es absichtlich vernichtet hat, um es zu widerrufen. Es gab keine Hinweise auf einen Widerruf oder einen Grund für die Verstorbene, ihr Testament zu ändern.
- Folgen: Der Kläger muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Die Urteile des OLG und des Landgerichts können vorläufig vollstreckt werden (d.h. die Beklagten können z.B. die Kostenerstattung durchsetzen). Eine weitere Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof (Revision) wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
Erbrecht OLG Köln: Streit um verschwundenes Testament – Wer erbt zu welchen Teilen?
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Berufungsverfahren über eine Erbschaftsstreitigkeit entschieden. Kern des Konflikts war die Frage, wer nach dem Tod einer Frau aus Köln (im Folgenden: die Verstorbene) erbberechtigt ist und zu welchen Anteilen.

Ein Mann beanspruchte einen Erbanteil von 1/2 für sich, während zwei weitere Beteiligte von einer Erbengemeinschaft zu je einem Drittel ausgingen. Das OLG Köln bestätigte letztlich die Entscheidung der Vorinstanz, wonach alle drei Parteien zu gleichen Teilen erben, auch wenn das maßgebliche Testament nicht mehr auffindbar war.
Ausgangslage: Erbstreit nach Tod der Erblasserin in Köln
Nach dem Tod der Erblasserin am 00.00.0000 in Köln entbrannte ein Streit über die Verteilung ihres Nachlasses. Ein Mann, der Kläger im ursprünglichen Verfahren vor dem Landgericht Köln, war der Auffassung, ihm stehe die Hälfte des Erbes zu. Zwei weitere Personen, die Beklagten im ursprünglichen Verfahren, vertraten hingegen die Ansicht, dass sie gemeinsam mit dem erstgenannten Mann eine Erbengemeinschaft bilden und jeder von ihnen zu genau einem Drittel erbt. Diese unterschiedlichen Auffassungen über die Erbquoten führten zu einem Gerichtsverfahren, das schließlich vor dem OLG Köln landete.
Anspruch eines Beteiligten: Forderung einer hälftigen Erbschaft
Der Mann, der die höhere Erbquote für sich beanspruchte, reichte zunächst eine Klage beim Landgericht Köln ein. Sein Ziel war die Gerichtliche Feststellung, dass er Erbe zu einem 1/2-Anteil nach der Verstorbenen geworden ist. Auf welcher Grundlage er diesen Anspruch stützte (z.B. gesetzliche Erbfolge oder ein anderes Testament), geht aus dem vorliegenden Urteilstext nicht direkt hervor, jedoch stand sein Anspruch im Widerspruch zur Existenz des später diskutierten Testaments.
Gegenforderung der zwei weiteren Beteiligten: Feststellung einer Erbengemeinschaft zu je einem Drittel
Die beiden anderen am Erbe interessierten Personen reagierten auf die Klage mit einer sogenannten Widerklage. Mit dieser verfolgten sie das Ziel, gerichtlich feststellen zu lassen, dass nicht nur der Kläger, sondern auch sie beide Erben geworden sind – und zwar jeder zu einem Drittel. Ihre Argumentation basierte auf der Existenz eines spezifischen Testaments, das die Verstorbene errichtet haben soll.
Entscheidung des Landgerichts Köln: Gültiges Testament trotz Unauffindbarkeit festgestellt
Das Landgericht Köln wies die Klage des Mannes, der die Hälfte des Erbes forderte, ab. Stattdessen gab es der Widerklage der beiden anderen Beteiligten statt und stellte fest: Die Verstorbene wurde zu je einem Drittel von dem Mann und den beiden anderen Personen beerbt.
Kern der Entscheidung: Zeugenaussage und Beweiswürdigung
Diese Entscheidung stützte das Landgericht maßgeblich auf die Beweisaufnahme, insbesondere auf die Vernehmung einer Zeugin (Zeugin A.). Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass die Verstorbene ein Formwirksames privatschriftliches Testament errichtet hatte. Ein solches Testament muss gemäß § 2247 BGB vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein. Laut der Überzeugung des Gerichts setzte die Verstorbene in diesem Testament die drei streitenden Parteien zu gleichen Teilen, also zu je 1/3, als Erben ein.
Umgang mit dem verschwundenen Testament
Besonders relevant war die Tatsache, dass dieses Testament nicht mehr auffindbar war. Das Landgericht entschied jedoch, dass die Unauffindbarkeit eines Testaments nicht automatisch dessen Ungültigkeit bedeutet. Es spreche weder zwingend gegen die ursprüngliche Errichtung des Testaments noch beweise es, dass die Verstorbene es mit Widerrufswillen vernichtet habe (§ 2255 BGB regelt den Widerruf durch Vernichtung). Das Gericht sah keine Anhaltspunkte für einen Widerruf dieses Testaments durch die Verstorbene. Es fand auch keinen Grund oder Anlass, warum die Verstorbene dieses Testament hätte ändern wollen. Die Feststellungslast für die Errichtung und den Inhalt des Testaments liegt zwar bei demjenigen, der sich darauf beruft (hier die beiden Widerkläger), doch diese Last sah das Gericht durch die Zeugenaussage als erfüllt an. Gleichzeitig liegt die Beweislast für einen späteren Widerruf bei demjenigen, der sich darauf beruft (hier der ursprüngliche Kläger), was ihm laut Landgericht nicht gelang.
Die Berufung des unterlegenen Erben: Angriff auf Beweiswürdigung und Zeugenglaubwürdigkeit
Der Mann, dessen Klage auf einen hälftigen Erbteil abgewiesen worden war, legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung beim OLG Köln ein. Er beantragte die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und weiterhin die Feststellung seines Erbrechts zu 1/2. Seine Kritik richtete sich umfassend gegen die Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung des Landgerichts, die er als unrichtig und unvollständig bezeichnete.
Kritik an der Zeugin A. und ihrer Aussage
Im Zentrum seiner Berufungsbegründung stand die Glaubwürdigkeit der Zeugin A. und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Der Berufungskläger argumentierte, das Landgericht habe seine Einwände ignoriert und seine Überzeugung fälschlicherweise allein auf die Angaben dieser Zeugin gestützt. Er hielt die Aussage für widersprüchlich und falsch. Zudem warf er der Zeugin eine Belastungstendenz ihm gegenüber vor. Sie habe versucht, ihn in einem schlechten Licht darzustellen.
Konkret bemängelte er:
- Die Zeugin habe sich zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nur ausweichend geäußert.
- Der von der Zeugin geschilderte Ablauf der Testamentserrichtung sei umständlich, realitätsfern und überflüssig. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Verstorbene ausgerechnet diese ihr angeblich weitgehend fremde Zeugin bei einer solch persönlichen Angelegenheit wie der Testamentserrichtung hinzugezogen haben sollte.
Bestreiten eines Zerwürfnisses und Motivs für Testamentsänderung
Weiterhin bestritt der Berufungskläger vehement, dass es einen Anlass für die Erblasserin gegeben habe, ein (möglicherweise früher existierendes) Testament zu ändern. Ein Zerwürfnis oder eine nachhaltige Verärgerung der Verstorbenen ihm gegenüber habe es nicht gegeben. Er warf der Zeugin vor, fälschlicherweise von einem solchen Konflikt berichtet zu haben. Dieses Vorgehen der Zeugin deute er als Versuch, die Glaubwürdigkeit ihrer Behauptung über das Testament mit der Drittelteilung zu erhöhen. Sie habe suggerieren wollen, die Erblasserin habe sich bewusst gegen ihn (den Berufungskläger) entschieden und deshalb die Erbquote geändert oder festgelegt.
Der Berufungskläger betonte, dass die im Testament angeblich verfügte Erbeinsetzung zu je 1/3 keineswegs der Wunsch der Erblasserin gewesen sei, anders als vom Landgericht angenommen.
Entscheidung des OLG Köln: Zurückweisung der Berufung und Bestätigung der Erbteilung zu je 1/3
Das OLG Köln prüfte die Argumente des Berufungsklägers und das Urteil des Landgerichts. Im Ergebnis wies das OLG die Berufung des Mannes zurück. Damit bestätigte es die Entscheidung des Landgerichts Köln.
Die Feststellung des Landgerichts, dass die Verstorbene durch ein formwirksames, wenn auch unauffindbares privatschriftliches Testament, den Berufungskläger und die beiden anderen Beteiligten zu je einem Drittel als Erben eingesetzt hat, hat somit Bestand. Das OLG Köln folgte offenbar der Beweiswürdigung des Landgerichts bezüglich der Existenz und des Inhalts des Testaments sowie der fehlenden Anhaltspunkte für einen Widerruf. Der detaillierte Begründungsteil des OLG-Urteils, der auf die Argumente der Berufung eingeht, liegt im hier analysierten Textauszug jedoch nicht vor. Die Zurückweisung der Berufung impliziert jedoch, dass das OLG die Angriffe gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts und die Glaubwürdigkeit der Zeugin A. nicht für durchgreifend erachtete.
Konsequenzen des Urteils: Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit
Mit der Zurückweisung der Berufung hat der unterlegene Mann die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Sowohl das Urteil des OLG Köln als auch das bestätigte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, die obsiegenden Parteien (die beiden zu 1/3 eingesetzten Erben) könnten grundsätzlich die Zwangsvollstreckung betreiben (z.B. hinsichtlich der Kosten). Der unterlegene Berufungskläger hat jedoch die Möglichkeit, diese Vollstreckung durch Sicherheitsleistung (in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages) abzuwenden, sofern nicht die Gegenseite ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Das OLG Köln hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Das bedeutet, dass das Urteil des OLG Köln in dieser Sache rechtskräftig ist und keine weitere gerichtliche Überprüfung auf Bundesebene stattfindet, es sei denn, es würde erfolgreich eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden, wofür aber hohe Hürden bestehen. Für die Beteiligten bedeutet dies zunächst eine endgültige Klärung der Erbquoten: Alle drei erben zu gleichen Teilen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass auch ein nicht auffindbares Testament seine Gültigkeit behält, wenn seine Existenz durch glaubwürdige Zeugenaussagen nachgewiesen werden kann – die bloße Unauffindbarkeit bedeutet nicht automatisch dessen Widerruf. Für die Anfechtung eines bezeugten Testaments reichen Vermutungen über mögliche Interessenkonflikte der Zeugen nicht aus; es bedarf konkreter Beweise für die Unglaubwürdigkeit der Aussagen. Bei Erbstreitigkeiten legt das Gericht besonderen Wert auf die Konsistenz und Plausibilität von Zeugenaussagen zur Ermittlung des tatsächlichen letzten Willens des Erblassers.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was passiert, wenn ein Testament existiert hat, aber nicht mehr auffindbar ist?
Ist ein Testament nach dem Tod einer Person nicht mehr auffindbar, bedeutet das nicht automatisch, dass es ungültig ist. Es kann unter bestimmten Voraussetzungen dennoch gelten. Entscheidend ist, ob dessen Existenz und Inhalt nachgewiesen werden können.
Nachweis des verschwundenen Testaments
Da das Originaldokument fehlt, müssen andere Beweismittel herangezogen werden, um das Gericht davon zu überzeugen, dass ein gültiges Testament existierte und welchen Inhalt es hatte. Solche Beweismittel können zum Beispiel sein:
- Kopien des Testaments: Auch einfache Kopien oder Scans können als Beweis dienen. Notariell beglaubigte Kopien haben dabei oft eine höhere Beweiskraft.
- Entwürfe des Testaments: Vorherige Versionen oder Entwürfe können Hinweise auf den endgültigen Willen geben.
- Zeugenaussagen: Personen, die das Testament gelesen haben, bei seiner Errichtung dabei waren oder denen der Verstorbene vom Inhalt erzählt hat, können als Zeugen aussagen. Das können zum Beispiel Freunde, Verwandte oder ein beratender Anwalt oder Notar sein.
- Andere Schriftstücke: Briefe oder Notizen des Verstorbenen, in denen er auf das Testament oder dessen Inhalt Bezug nimmt.
Wichtig ist: Es muss nicht nur bewiesen werden, dass es ein Testament gab, sondern auch, was genau darin stand (also wer was erben sollte) und dass es formal gültig errichtet wurde (z.B. handschriftlich geschrieben und unterschrieben).
Wer muss den Beweis erbringen? (Beweislast)
Die Beweislast liegt bei der Person, die Rechte aus dem verschwundenen Testament geltend machen möchte. Wenn Sie also behaupten, durch dieses Testament zum Erben eingesetzt worden zu sein, müssen Sie dem Nachlassgericht die Existenz und den Inhalt des Testaments nachweisen. Das Gericht prüft die vorgelegten Beweise sehr sorgfältig. Das Fehlen des Originals kann nämlich auch darauf hindeuten, dass der Erblasser das Testament selbst vernichtet hat, um es zu widerrufen. Diese Möglichkeit muss durch die Beweise ausgeräumt werden.
Folgen, wenn der Beweis nicht gelingt
Kann die Existenz und der Inhalt des Testaments nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden, gilt es als nicht vorhanden. In diesem Fall tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Das bedeutet, das Erbe wird nach den gesetzlichen Regeln verteilt, so als hätte es nie ein Testament gegeben. Erben sind dann in der Regel die nächsten Verwandten (Ehepartner, Kinder, Enkel, Eltern etc.) in der gesetzlich festgelegten Reihenfolge und Quote.
Wie kann man die Existenz und den Inhalt eines verschwundenen Testaments beweisen?
Auch wenn ein Testament im Original nicht mehr auffindbar ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass der darin festgehaltene letzte Wille unbeachtet bleibt. Es ist grundsätzlich möglich, die Existenz und den Inhalt eines verschwundenen Testaments nachzuweisen, allerdings sind die Hürden dafür hoch.
Das Nachlassgericht muss in einem solchen Fall prüfen, ob tatsächlich ein formgültiges Testament errichtet wurde, welchen Inhalt es hatte und ob es bis zum Tod des Erblassers gültig war (also nicht widerrufen wurde). Hierfür gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Das bedeutet, das Gericht ist nicht an starre Beweisregeln gebunden, sondern bildet sich seine Überzeugung aufgrund aller vorgebrachten Beweismittel und Umstände.
Zulässige Beweismittel
Um die Existenz und den Inhalt des Testaments zu belegen, können verschiedene Beweismittel herangezogen werden. Kein einzelnes Beweismittel ist für sich allein entscheidend, vielmehr zählt das Gesamtbild:
- Zeugenaussagen: Dies ist oft ein zentrales Beweismittel. Als Zeugen kommen Personen in Betracht, die das Testament selbst gelesen haben, bei seiner Errichtung anwesend waren oder denen der Erblasser vom Inhalt des Testaments erzählt hat. Ihre Aussagen können helfen, die Errichtung, den Inhalt und auch den Verbleib des Testaments zu klären.
- Kopien: Eine Fotokopie, ein Scan oder ein Foto des Testaments kann ein starkes Indiz für dessen Existenz und Inhalt sein. Allerdings beweist eine Kopie allein nicht automatisch, dass das Originaltestament bis zum Erbfall gültig war und nicht vielleicht später vom Erblasser vernichtet (und damit widerrufen) wurde.
- Entwürfe: Auch Testamentsentwürfe, zum Beispiel aus der Korrespondenz mit einem Notar oder Anwalt, können wichtige Hinweise auf den Willen des Erblassers geben.
- Schriftverkehr und Notizen: Briefe, E-Mails oder auch Tagebucheinträge des Erblassers, in denen er auf sein Testament oder dessen Inhalt Bezug nimmt, können ebenfalls als Beweis dienen.
- Vermerke von Banken oder Behörden: Manchmal gibt es Hinweise in Unterlagen von Banken (z.B. wegen eines hinterlegten Testaments im Schließfach) oder Behörden.
Wie das Gericht Beweise prüft und den Inhalt ermittelt
Das Gericht muss alle vorgelegten Beweise sorgfältig prüfen und würdigen. Entscheidend sind dabei die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Widerspruchsfreiheit der verschiedenen Beweismittel.
- Glaubwürdigkeit: Das Gericht beurteilt, wie zuverlässig die Aussagen von Zeugen sind. Dabei spielt eine Rolle, ob der Zeuge ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, wie detailliert und konsistent seine Erinnerungen sind und ob seine Schilderungen plausibel erscheinen.
- Gesamtbild: Das Gericht betrachtet nicht nur einzelne Beweise isoliert, sondern bewertet sie im Zusammenhang. Passen die Zeugenaussagen zu den Inhalten von Kopien oder Entwürfen? Gibt es Widersprüche?
Um den Inhalt eines verschwundenen Testaments festzustellen, muss das Gericht die volle Überzeugung gewinnen, dass ein Testament mit einem bestimmten Inhalt tatsächlich existiert hat und bis zum Tod gültig war. Es reicht nicht aus, dass dies nur möglich oder wahrscheinlich erscheint. Die Anforderungen sind sehr hoch, da der tatsächliche Wille des Verstorbenen ermittelt werden soll.
Gelingt dieser Nachweis zur Überzeugung des Gerichts, wird der rekonstruierte Inhalt des Testaments der Erbfolge zugrunde gelegt. Das bedeutet, das Erbe wird so verteilt, wie es in dem verschwundenen, aber nachgewiesenen Testament festgelegt war.
Kann die Existenz oder der genaue Inhalt des Testaments hingegen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, gilt die gesetzliche Erbfolge. Das Erbe wird dann nach den gesetzlichen Regeln verteilt, so als hätte der Erblasser kein Testament hinterlassen.
Welche Rolle spielen Zeugenaussagen bei der Feststellung eines Erbanspruchs ohne vorhandenes Testament?
Wenn ein Testament nicht mehr auffindbar ist, können Zeugenaussagen grundsätzlich eine Rolle spielen, um dessen Existenz und Inhalt nachzuweisen. Es ist jedoch oft sehr schwierig, allein durch Zeugen ein verschwundenes Testament erfolgreich zu belegen. Fehlt ein solcher Nachweis, oder kann nicht bewiesen werden, dass der Erblasser das Testament nicht selbst vernichtet hat (was einem Widerruf gleichkäme), gilt die gesetzliche Erbfolge, also die Erbfolge nach den gesetzlichen Regeln ohne Testament.
Wie werden Zeugenaussagen bewertet?
Gerichte prüfen Zeugenaussagen sehr sorgfältig und kritisch. Entscheidend sind dabei vor allem zwei Aspekte:
- Die Glaubwürdigkeit des Zeugen: Das Gericht beurteilt die Persönlichkeit des Zeugen. Wirkt er überzeugend und vertrauenswürdig? Hat er möglicherweise ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, weil er zum Beispiel selbst ein potenzieller Erbe ist oder einem der möglichen Erben nahesteht? Wie war seine Beziehung zum Verstorbenen und zu den beteiligten Personen?
- Die Glaubhaftigkeit der Aussage: Hier geht es um den Inhalt der Aussage selbst. Ist die Schilderung in sich logisch, detailliert und frei von Widersprüchen? Stimmt sie mit anderen Beweisen oder bekannten Tatsachen überein? Besonders wichtig ist, wie sicher und genau die Erinnerungen des Zeugen sind, gerade wenn die Ereignisse schon länger zurückliegen.
Das Gericht bewertet alle Beweise frei (§ 286 Zivilprozessordnung). Das bedeutet, es bildet sich nach sorgfältiger Prüfung aller vorgelegten Beweise (also nicht nur der Zeugenaussagen, sondern auch z.B. Schriftstücke) eine eigene Überzeugung davon, was es für wahr hält. Eine einzelne Zeugenaussage reicht oft nicht aus, insbesondere wenn es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen oder der Genauigkeit seiner Erinnerung gibt.
Welche Details sind in Zeugenaussagen besonders wichtig?
Für das Gericht sind konkrete und detaillierte Angaben von großer Bedeutung. Allgemeine Behauptungen, wie „Ich weiß, dass es ein Testament gab“, haben meist wenig Gewicht. Vielmehr kommt es auf präzise Erinnerungen an:
- Die Errichtung des Testaments: Kann der Zeuge genau beschreiben, wann, wo und unter welchen Umständen der Verstorbene das Testament errichtet hat? War der Zeuge vielleicht sogar bei der Erstellung oder Unterzeichnung anwesend? Konnte er sehen, ob es formgültig (z.B. handschriftlich und unterschrieben) war?
- Den Inhalt des Testaments: Kann der Zeuge den wesentlichen Inhalt des Testaments wiedergeben? Wen hat der Verstorbene als Erben eingesetzt? Gab es weitere Anordnungen wie Vermächtnisse (Zuwendung einzelner Gegenstände) oder Auflagen? Je genauer und widerspruchsfreier die Erinnerung an den Inhalt, desto überzeugender kann die Aussage sein.
- Umstände des Verschwindens: Gibt es Hinweise darauf, warum das Testament nicht mehr auffindbar ist? Wurde es möglicherweise vom Erblasser selbst vernichtet, um es zu widerrufen? Oder gibt es Anzeichen dafür, dass es verloren ging oder von Dritten beseitigt wurde?
Zeugenaussagen im Verhältnis zu anderen Beweismitteln
Zeugenaussagen stehen selten allein da. Oft gibt es weitere Anhaltspunkte, die das Gericht berücksichtigt:
- Fotokopien oder Entwürfe des Testaments.
- Briefe, E-Mails oder Notizen des Verstorbenen, in denen das Testament oder dessen Inhalt erwähnt wird.
- Aussagen anderer Personen, denen der Verstorbene von seinem Testament erzählt hat (sogenannte Zeugen vom Hörensagen, deren Aussagen aber meist weniger Gewicht haben).
Schriftliche Beweismittel wie Urkunden oder Notizen des Erblassers haben in der Regel ein höheres Gewicht als reine Zeugenaussagen, da menschliche Erinnerungen fehleranfällig sein können. Das Gericht wird jedoch immer das Gesamtbild aller Beweise betrachten. Wenn mehrere Zeugen unabhängig voneinander übereinstimmende, detaillierte und glaubhafte Angaben machen, können sie unter Umständen auch ohne weitere schriftliche Belege ausreichen, um das Gericht von der Existenz und dem Inhalt eines verschwundenen Testaments zu überzeugen. Dies stellt jedoch hohe Anforderungen an die Qualität der Aussagen.
Was bedeutet gesetzliche Erbfolge, wenn kein Testament vorliegt oder ein vorhandenes Testament ungültig ist?
Wenn eine Person verstirbt und kein gültiges Testament oder Erbvertrag hinterlassen hat, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt dann genau, wer das Vermögen des Verstorbenen (den Nachlass) erbt und zu welchen Anteilen. Diese Regeln gelten auch, wenn ein vorhandenes Testament zum Beispiel wegen Formfehlern ungültig ist oder erfolgreich angefochten wurde.
Die gesetzliche Erbfolge basiert auf zwei Hauptprinzipien: der Verwandtenerbfolge nach Ordnungen und dem gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners.
Wer erbt nach dem Gesetz? Das Ordnungssystem der Verwandten
Das Gesetz teilt die Verwandten des Verstorbenen in verschiedene Ordnungen ein, die nach dem Grad der Verwandtschaft gestaffelt sind. Eine frühere Ordnung schließt dabei die Verwandten späterer Ordnungen von der Erbfolge aus.
- Erben 1. Ordnung (§ 1924 BGB): Das sind die direkten Abkömmlinge des Verstorbenen, also Kinder, Enkel, Urenkel usw. Wenn Kinder des Verstorbenen bereits vor diesem verstorben sind, treten deren Kinder (also die Enkel des Verstorbenen) an ihre Stelle. Innerhalb einer Ordnung erben alle zu gleichen Teilen. Solange Erben der 1. Ordnung vorhanden sind, erben Verwandte der nachfolgenden Ordnungen nichts.
- Erben 2. Ordnung (§ 1925 BGB): Gibt es keine Erben der 1. Ordnung, kommen die Erben der 2. Ordnung zum Zuge. Das sind die Eltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge, also die Geschwister, Neffen und Nichten des Verstorbenen. Leben beide Elternteile noch, erben sie allein zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil bereits verstorben, treten dessen Kinder (die Geschwister oder Halbgeschwister des Verstorbenen) an seine Stelle.
- Erben 3. Ordnung (§ 1926 BGB): Sind weder Erben der 1. noch der 2. Ordnung vorhanden, erben die Großeltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge (Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen). Das Prinzip ist ähnlich: Leben alle vier Großeltern, erben sie zu gleichen Teilen. Ist ein Großelternteil verstorben, treten dessen Kinder an seine Stelle.
- Weitere Ordnungen: Dieses System setzt sich theoretisch fort (§§ 1928, 1929 BGB), spielt in der Praxis aber seltener eine Rolle.
Wichtig zu verstehen: Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist.
Die besondere Stellung des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners
Der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner hat ein eigenes gesetzliches Erbrecht (§ 1931 BGB). Er erbt neben den Verwandten der verschiedenen Ordnungen, jedoch in unterschiedlicher Höhe:
- Neben Verwandten der 1. Ordnung (Kinder, Enkel): Der Ehegatte/Lebenspartner erbt ein Viertel (1/4) des Nachlasses.
- Neben Verwandten der 2. Ordnung (Eltern, Geschwister, Neffen/Nichten) oder neben Großeltern: Der Ehegatte/Lebenspartner erbt die Hälfte (1/2) des Nachlasses.
- Sind weder Verwandte der 1. oder 2. Ordnung noch Großeltern vorhanden: Der Ehegatte/Lebenspartner erbt den gesamten Nachlass.
Zusätzlich wichtig ist der Güterstand der Eheleute bzw. Lebenspartner zum Zeitpunkt des Todes:
- Lebten die Partner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (das ist der Regelfall, wenn nichts anderes durch Ehevertrag vereinbart wurde), erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Partners pauschal um ein weiteres Viertel (1/4) (§ 1371 BGB).
Beispiele zur Verdeutlichung
- Beispiel 1: Herr Müller verstirbt ohne Testament. Er hinterlässt seine Ehefrau (mit der er in Zugewinngemeinschaft lebte) und zwei Kinder.
- Die Ehefrau erbt 1/4 neben den Kindern (§ 1931 BGB) + 1/4 pauschalen Zugewinnausgleich (§ 1371 BGB) = insgesamt 1/2.
- Die beiden Kinder sind Erben 1. Ordnung und teilen sich die verbleibende Hälfte zu gleichen Teilen, jedes Kind erbt also 1/4.
- Beispiel 2: Frau Schmidt verstirbt ohne Testament. Sie war ledig und kinderlos. Ihre Eltern leben beide noch.
- Ihre Eltern sind Erben der 2. Ordnung und erben den gesamten Nachlass zu je 1/2. Geschwister (falls vorhanden) erben nichts, da die Eltern leben.
- Beispiel 3: Herr Bauer verstirbt ohne Testament. Er hinterlässt seine Ehefrau (Zugewinngemeinschaft) und seine Mutter. Sein Vater ist bereits verstorben, er hatte keine Geschwister.
- Die Ehefrau erbt neben der Mutter (Verwandte 2. Ordnung) die Hälfte (1/2) gemäß § 1931 BGB + 1/4 pauschalen Zugewinnausgleich (§ 1371 BGB) = insgesamt 3/4.
- Die Mutter erbt den verbleibenden Anteil, der auf die Eltern entfallen wäre. Da der Vater vorverstorben ist und keine Abkömmlinge (Geschwister des Herrn Bauer) vorhanden sind, fällt dessen Anteil ebenfalls der Mutter zu. Sie erbt das restliche 1/4.
Die gesetzliche Erbfolge stellt somit sicher, dass das Vermögen auch ohne eine Verfügung des Verstorbenen nach klaren Regeln auf die nächsten Angehörigen übergeht.
Kann ein gefundenes Testament angefochten werden, wenn Zweifel an seiner Echtheit oder seinem Inhalt bestehen?
Ja, auch ein Testament, das erst später (wieder-)gefunden wird, kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten oder seine Unwirksamkeit festgestellt werden, wenn berechtigte Zweifel an seiner Gültigkeit bestehen. Das Gesetz sieht hierfür verschiedene Gründe und ein bestimmtes Verfahren vor.
Gründe für eine Anfechtung oder Unwirksamkeit
Es gibt mehrere Gründe, warum ein Testament möglicherweise nicht gültig ist oder angefochten werden kann. Die wichtigsten sind:
- Fehlende Testierfähigkeit: Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage, die Bedeutung seiner Entscheidungen zu verstehen und seinen Willen frei zu bilden. Dies kann beispielsweise aufgrund von fortgeschrittener Demenz, einer schweren psychischen Erkrankung oder starker Beeinflussung durch Medikamente der Fall sein. Es muss nachgewiesen werden, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Unterschrift nicht testierfähig war.
- Irrtum: Der Erblasser hat sich bei der Abfassung des Testaments über einen wesentlichen Punkt geirrt. Das kann den Inhalt seiner Erklärung betreffen (er wollte etwas anderes schreiben) oder einen Umstand, der ihn zur Verfügung bewogen hat (z.B. er dachte fälschlicherweise, ein potenzieller Erbe sei bereits verstorben). Auch wenn der Erblasser irrtümlich davon ausging, dass ein Pflichtteilsberechtigter (z.B. ein ihm unbekanntes Kind) nicht existiert, kann dies ein Anfechtungsgrund sein.
- Drohung oder Täuschung: Der Erblasser wurde durch Drohungen gezwungen, ein Testament in bestimmter Weise zu verfassen, oder er wurde über entscheidende Tatsachen arglistig getäuscht, was ihn zu seiner Verfügung veranlasst hat.
- Formmängel: Ein Testament muss bestimmte Formvorschriften erfüllen. Ein eigenhändiges Testament muss vollständig vom Erblasser selbst handgeschrieben und unterschrieben sein (§ 2247 BGB). Ein notarielles Testament muss vor einem Notar erklärt und beurkundet werden. Wenn diese Formvorschriften nicht eingehalten wurden, ist das Testament in der Regel von vornherein unwirksam, ohne dass es einer Anfechtung bedarf. Die Unwirksamkeit muss aber oft erst festgestellt werden.
- Fälschung: Es bestehen Zweifel, ob das Testament überhaupt vom Erblasser stammt. Wenn nachgewiesen werden kann, dass die Unterschrift gefälscht ist oder der Text von einer anderen Person geschrieben wurde (bei einem eigenhändigen Testament), ist das Testament ebenfalls unwirksam.
Wer darf ein Testament anfechten?
Nicht jeder kann einfach ein Testament anfechten. Zur Anfechtung berechtigt ist nur diejenige Person, der die Aufhebung des Testaments einen rechtlichen Vorteil bringen würde (§ 2080 BGB). Das sind typischerweise:
- Gesetzliche Erben (z.B. Kinder, Ehepartner), die ohne das Testament (mehr) erben würden.
- Personen, die in einem früheren, gültigen Testament als Erben eingesetzt wurden und durch das neue, angefochtene Testament benachteiligt werden.
Wie und bis wann muss die Anfechtung erfolgen?
Die Anfechtung muss gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht erklärt werden (§ 2081 BGB). Es ist keine spezielle Form vorgeschrieben, eine schriftliche Erklärung ist aber dringend zu empfehlen.
Für die Anfechtung gilt eine Frist von einem Jahr (§ 2082 BGB). Diese Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn die anfechtungsberechtigte Person von dem Anfechtungsgrund erfahren hat. Sie beginnt also nicht automatisch mit dem Tod des Erblassers oder der Testamentseröffnung.
Beispiel: Erfährt ein gesetzlicher Erbe erst zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers von Tatsachen, die auf eine Testierunfähigkeit hindeuten, beginnt die einjährige Anfechtungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen.
Unabhängig von der Kenntnis des Anfechtungsgrundes ist eine Anfechtung spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall ausgeschlossen.
Wenn Zweifel an der Gültigkeit eines aufgefundenen Testaments bestehen, ist es wichtig, die Gründe genau zu prüfen und die geltenden Fristen zu beachten.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erbquote
Die Erbquote bezeichnet den Anteil am Nachlass, der einer Person als Erbe zusteht. Sie wird als Bruchteil ausgedrückt (z. B. 1/2 oder 1/3). Die Erbquote bestimmt sich entweder nach der gesetzlichen Erbfolge, wenn kein Testament vorhanden ist, oder nach den Anordnungen in einem gültigen Testament oder Erbvertrag. Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten genau darüber: Der Kläger beanspruchte eine Erbquote von 1/2, während die Beklagten von Erbquoten von je 1/3 für alle drei ausgingen, basierend auf dem verschwundenen Testament.
Beispiel: Wenn ein Vater stirbt und zwei Kinder hinterlässt, ohne ein Testament gemacht zu haben, erben die Kinder nach gesetzlicher Erbfolge in der Regel zu gleichen Teilen. Die Erbquote jedes Kindes beträgt dann 1/2.
Gerichtliche Feststellung
Eine gerichtliche Feststellung ist eine Entscheidung eines Gerichts, die verbindlich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder eines Rechts klärt. Es geht hierbei nicht darum, jemanden zu einer Leistung (z. B. Zahlung) zu verurteilen, sondern Rechtssicherheit über eine unklare Situation zu schaffen. Im beschriebenen Fall wollten sowohl der Kläger (Feststellung seines 1/2-Erbanteils) als auch die Beklagten mit ihrer Widerklage (Feststellung ihrer 1/3-Erbanteile) eine solche verbindliche Klärung ihrer Erbenstellung durch das Gericht erreichen. Die Klage auf gerichtliche Feststellung nennt man Feststellungsklage.
Beispiel: Zwei Nachbarn streiten darüber, ob ein Weg über Grundstück A auch von Bewohner B genutzt werden darf. B kann eine gerichtliche Feststellung beantragen, dass ein Wegerecht zu seinen Gunsten besteht.
Widerklage
Die Widerklage ist eine eigene Klage, die der Beklagte im selben Gerichtsverfahren gegen den Kläger erhebt. Statt nur die ursprüngliche Klage abzuwehren, verfolgt der Beklagte mit der Widerklage eigene Ansprüche gegen den Kläger. Dies ist prozessökonomisch, da zusammenhängende Streitpunkte in einem einzigen Verfahren geklärt werden können. Im Text haben die beiden Beklagten nicht nur die Abweisung der Klage des Mannes (der 1/2 wollte) beantragt, sondern per Widerklage aktiv die Feststellung begehrt, dass sie selbst (zusammen mit dem Kläger) Erben zu je 1/3 geworden sind.
Beispiel: Ein Handwerker verklagt einen Kunden auf Zahlung des Werklohns. Der Kunde wehrt sich nicht nur gegen die Zahlung, sondern erhebt Widerklage auf Schadensersatz, weil der Handwerker bei der Arbeit angeblich etwas beschädigt hat.
Formwirksames privatschriftliches Testament
Ein formwirksames privatschriftliches Testament ist ein Testament, das der Erblasser (die Person, die vererbt) persönlich und vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben hat. Die Anforderungen dafür stehen in § 2247 BGB. Es muss also vom ersten bis zum letzten Wort vom Erblasser selbst geschrieben sein; ein Computerausdruck oder ein Diktat reichen nicht. Im Fall entschied das Gericht, dass die Verstorbene ein solches Testament errichtet hatte, obwohl es nicht mehr auffindbar war, gestützt auf die Zeugenaussage.
Beispiel: Eine Person schreibt auf einem Blatt Papier mit eigener Handschrift: „Mein alleiniger Erbe soll mein Sohn Max sein. Ort, Datum, Unterschrift.“ Dies ist ein formwirksames privatschriftliches Testament.
Beweiswürdigung
Die Beweiswürdigung ist der Vorgang, bei dem das Gericht die im Prozess erhobenen Beweise (z. B. Zeugenaussagen, Urkunden, Sachverständigengutachten) prüft, bewertet und zu einer Überzeugung über den Sachverhalt gelangt. Das Gericht entscheidet dabei nach seiner freien Überzeugung (§ 286 ZPO im Zivilprozess), ob es eine Behauptung für wahr oder unwahr hält. Im Text hat das Landgericht die Aussage der Zeugin A. gewürdigt und kam zu dem Schluss, dass sie glaubhaft die Existenz und den Inhalt des Testaments belegt. Der Berufungskläger griff genau diese Beweiswürdigung als fehlerhaft an.
Beispiel: Ein Richter hört zwei Zeugen, die sich widersprechen. Bei der Beweiswürdigung überlegt er, welcher Zeuge glaubwürdiger erschien (z. B. aufgrund von Detailreichtum, Konsistenz der Aussage, persönlichem Eindruck) und stützt sein Urteil auf diese Einschätzung.
Beweislast
Die Beweislast (auch Feststellungslast genannt) beschreibt die rechtliche Verpflichtung einer Partei in einem Gerichtsverfahren, bestimmte Tatsachen zu beweisen, die für sie günstig sind. Kann die Partei den Beweis nicht erbringen, gilt die Tatsache als nicht bewiesen, was für diese Partei nachteilig ist (sog. Non-liquet-Situation). Im Fall trugen die Widerkläger die Beweislast für die Errichtung und den Inhalt des Testaments (was ihnen durch die Zeugin gelang). Der Kläger hingegen hätte die Beweislast dafür getragen, dass das Testament später widerrufen wurde (was ihm nicht gelang).
Beispiel: Wer Schadensersatz fordert, weil sein Auto angefahren wurde, trägt die Beweislast dafür, dass der Unfall passiert ist, der andere schuld war und ein Schaden entstanden ist. Gelingt der Beweis nicht, wird die Klage abgewiesen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2247 BGB – Eigenhändiges Testament: Ein eigenhändiges Testament ist eine Form des Testaments, bei der der Erblasser den gesamten Text handschriftlich verfasst und unterschreibt. Dies dient dem Zweck, den letzten Willen des Erblassers formgültig festzuhalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste prüfen, ob die Erblasserin ein formgültiges eigenhändiges Testament errichtet hat, da die Beklagten sich auf ein solches Testament beriefen, um ihren Erbanteil zu begründen.
- § 286 ZPO – Freie Beweiswürdigung: Gerichte müssen im Rahmen der Beweiswürdigung alle vorgebrachten Beweismittel berücksichtigen und frei prüfen, ob sie eine Behauptung für wahr oder unwahr halten. Dabei dürfen sie sich von ihrer richterlichen Erfahrung und Überzeugung leiten lassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat sich auf die Aussage einer Zeugin gestützt, um die Errichtung des Testaments festzustellen. Der Kläger rügt in der Berufung, dass das Gericht die Beweiswürdigung fehlerhaft vorgenommen und seine Einwände nicht ausreichend berücksichtigt habe.
- § 2254 BGB – Widerruf durch Vernichtung: Ein Testament kann widerrufen werden, indem der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder verändern lässt, aus welcher Veränderung sich der Widerrufswille ergibt. Die Vernichtung muss vom Erblasser selbst oder in seinem Auftrag vorgenommen werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl das Testament unauffindbar war, hat das Gericht geschlossen, dass dies nicht automatisch einen Widerruf durch Vernichtung bedeutet. Es gab keine Beweise dafür, dass die Erblasserin das Testament tatsächlich vernichtet hat, um es zu widerrufen.
- § 1922 BGB – Gesamtrechtsnachfolge: Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Dies umfasst sowohl Aktiva als auch Passiva und wird als Universalsukzession bezeichnet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: § 1922 BGB bildet die Grundlage des Erbrechts und bestimmt, dass im Falle des Todes der Erblasserin deren Vermögen auf die Erben übergeht. Die Feststellung, wer Erbe ist und zu welchen Anteilen, ist somit entscheidend für die Verteilung des Nachlasses.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Erben und potenzielle Erben zum Thema Verschwundenes Testament
Ein Testament regelt den letzten Willen und die Verteilung des Erbes. Doch was passiert, wenn das wichtige Dokument nach dem Tod des Erblassers einfach nicht mehr auffindbar ist? Solche Situationen führen oft zu großer Unsicherheit und erbitterten Streitigkeiten unter den Hinterbliebenen.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Beweise für Existenz und Inhalt sichern
Auch wenn das Original-Testament fehlt, kann dessen Existenz und Inhalt unter Umständen nachgewiesen werden. Sammeln Sie alle verfügbaren Indizien: Gibt es Kopien des Testaments? Haben Zeugen (z. B. Freunde, Berater) das Testament gesehen oder dessen Inhalt gekannt? Notieren Sie, wer wann was bezeugen könnte. Solche Beweismittel können entscheidend sein, um den Willen des Erblassers vor Gericht durchzusetzen.
Tipp 2: Verschollen heißt nicht automatisch ungültig oder widerrufen
Nur weil ein Testament nicht mehr auffindbar ist, bedeutet das nicht automatisch, dass es nie existiert hat oder vom Erblasser absichtlich vernichtet (und damit widerrufen) wurde. Die Gerichte prüfen genau, ob es Beweise für die Existenz und den Inhalt gibt und ob Anzeichen für einen Widerruf vorliegen. Ohne konkrete Hinweise auf eine Vernichtung durch den Erblasser in Widerrufsabsicht kann ein verschwundenes Testament weiterhin gültig sein und die Erbfolge bestimmen.
⚠️ ACHTUNG: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass ohne Originaldokument automatisch die gesetzliche Erbfolge eintritt. Wenn die Existenz eines anderslautenden Testaments nachgewiesen wird, gilt dieses.
Tipp 3: Testament sicher verwahren und Fundort mitteilen (aus Sicht des Erblassers)
Um spätere Streitigkeiten und Beweisprobleme zu vermeiden, ist die sichere Aufbewahrung eines Testaments essenziell. Die sicherste Methode ist die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht. Alternativ sollten Sie das Testament an einem sicheren Ort aufbewahren (z. B. Safe) und eine Vertrauensperson (oder den Testamentsvollstrecker) über den genauen Fundort informieren. Eine Kopie und ein Hinweis auf den Aufbewahrungsort bei den persönlichen Unterlagen können ebenfalls helfen.
Tipp 4: Ablieferungspflicht beachten
Jeder, der nach dem Tod einer Person ein Testament auffindet, ist gesetzlich verpflichtet, dieses unverzüglich beim Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 BGB). Das gilt auch für Kopien, wenn das Original nicht vorhanden ist. Die Pflicht besteht unabhängig davon, ob man den Inhalt für gültig hält oder ob man selbst im Testament bedacht wurde.
⚠️ ACHTUNG: Die Verletzung der Ablieferungspflicht kann Schadensersatzansprüche oder sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zögern Sie die Ablieferung nicht hinaus.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Das größte Risiko bei einem verschwundenen Testament ist die Beweislast. Können Existenz und Inhalt nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, greift die gesetzliche Erbfolge, auch wenn dies nicht dem tatsächlichen Willen des Verstorbenen entspricht. Indizien wie Zeugenaussagen müssen vom Gericht sorgfältig geprüft und gewürdigt werden, was oft zu langwierigen und kostspieligen Verfahren führt. Es besteht zudem die Gefahr, dass jemand das Testament bewusst verschwinden lässt, um sich Vorteile zu verschaffen – auch dies muss im Streitfall bewiesen werden.
✅ Checkliste: Verschwundenes Testament
- Zeugen suchen: Gibt es Personen, die das Testament oder dessen Inhalt kannten?
- Kopien prüfen: Existieren Durchschriften, Kopien oder Entwürfe des Testaments?
- Nachlassgericht informieren: Melden Sie den Verdacht eines existierenden, aber verschwundenen Testaments beim zuständigen Nachlassgericht.
- Beweismittel sammeln: Sichern Sie alle Indizien (Briefe, E-Mails, Notizen des Erblassers), die auf das Testament hinweisen könnten.
- Rechtsrat einholen: Lassen Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten, um Ihre Rechte zu wahren und das weitere Vorgehen abzustimmen.
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: 24 U 119/21 – Urteil vom 28.04.2022
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