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Nießbrauch für Lebensgefährtin kann im erheblichen Eigeninteresse eines Erblassers sein

OLG Karlsruhe – Az.: 14 U 274/21 – Urteil vom 25.11.2022

1. Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 19.10.2021, Az. 5 O 117/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch die Beklagte jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Zusammenfassung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Urteil entschieden, dass die Berufungen zweier Klägerinnen gegen ein Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau zurückgewiesen werden. In dem Verfahren ging es um die Rückabwicklung einer Schenkung des Erblassers, die dieser zu Lebzeiten seiner Lebensgefährtin zugunsten eines lebenslangen Mitbenutzungsrechts und eines aufschiebend bedingten Nießbrauchs an seinem Hausgrundstück vorgenommen hatte. Die Klägerinnen waren als Erbinnen des Erblassers unzufrieden damit, dass die Schenkung ausschließlich im Interesse der Beklagten, der Lebensgefährtin des Erblassers, erfolgt war. Der Erblasser hatte nach Ansicht des Gerichts jedoch ein erhebliches Eigeninteresse an der Schenkung, da er in der Beklagten eine Person sah, die ihm im Alter Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege gewährleisten konnte. Eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers konnte nicht festgestellt werden.

Weiterführende Informationen

Was ist ein Nießbrauch?

Der Nießbrauch ist ein umfassendes Nutzungsrecht an fremdem Eigentum, das nicht verkäuflich und nicht vererbbar ist. Dieses Recht erlaubt dem Nießbraucher, eine Immobilie oder ein Grundstück zu nutzen und Einnahmen wie Miete daraus zu erzielen, ohne dass ihm das Eigentum selbst gehört. Es gibt verschiedene Arten von Nießbrauch, darunter der Nießbrauch an Sachen, an einer Erbschaft oder an einem Unternehmen. Der Nießbrauch kann auch ein lebenslanges Wohnrecht einschließen. Durch einen Nießbrauch wird eine Person berechtigt, die Nutzungen aus einer Sache zu ziehen.

Gründe

I.

Streitgegenständlich ist ein Anspruch auf Rückabwicklung einer lebzeitigen Schenkung des Erblassers.

B (im Folgenden: Erblasser), geboren am 27.12.1932, ist am 03.02.2020 verstorben. Der Erblasser war viermal verheiratet, und zwar

– von 1956 bis 1961 mit der Ehefrau U,

– von 1962 bis 1972 mit der Ehefrau R,

– von 1973 bis 1988 mit der Ehefrau C,

– von 1989 bis 2003 mit der Ehefrau M, die am 04.02.2003 verstorben ist. Die Klägerin Ziffer 2 stammt aus der ersten Ehe mit Frau U.

Die Klägerin Ziffer 1 ist die voreheliche Tochter der vierten Ehefrau M. Der Erblasser war also der Stiefvater der Klägerin Ziffer 1.

Die Beklagte, geboren am 27.04.1939, war die Lebensgefährtin des Erblassers, die etwa ab dem Jahr 2006 mit dem Erblasser bis zu dessen Tod zusammenwohnte.

Mit gemeinschaftlichem Testament vom 10.01.2002 hatten sich der Erblasser und seine vierte Ehefrau gegenseitig als Erben eingesetzt. Die beiden Klägerinnen sollten Erben des überlebenden Ehegatten werden (Anlage I K 2).

Das Wohnhaus X in M, eingetragen im Grundbuch von M, Blatt …, Flurstück Nr. …, stand im Eigentum der vierten Ehefrau des Erblassers (Anlage I K 3).

Im Jahr 2006 drohte die Zwangsversteigerung der Immobilie. Die Beklagte übernahm seinerzeit die offenen Verbindlichkeiten des Erblassers, um die Versteigerung zu vermeiden. Der Zwangsversteigerungsvermerk ist am 28.06.2006 gelöscht worden (Anlage I K 3).

Mit notariellem Vertrag vom 27.06.2007 räumte der Erblasser der Beklagten an dem oben genannten Grundstück eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Form eines lebenslangen Mitbenutzungsrechts sowie einen bedingten Nießbrauch ein. Wörtlich enthielt dieser Vertrag unter anderem die folgenden Bestimmungen:

„I. Vorbemerkung

Beide Beteiligten sind verwitwet. Sie haben sich vor einiger Zeit kennengelernt und sind eine dauerhafte Haus- und Lebensgemeinschaft eingegangen. Damit verbinden sie auch die Erwartung einer gegenseitigen Unterstützung in alten, kranken und gebrechlichen Tagen. Der gemeinsame Hausstand befindet sich im Anwesen von Herrn B. Frau K hat ihren eigenen Hausstand endgültig aufgegeben. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten wird die nachstehende Vereinbarung getroffen.

II. Beschränkte persönliche Dienstbarkeit

Herr B ist im Grundbuch von M Nr. … als alleiniger Eigentümer des Flurstücks …, X, Gebäude und Freifläche mit 805 m2 eingetragen.

Er räumt hiermit Frau K auf deren Lebenszeit das Recht ein, das Grundstück nebst aller Gebäude gleichberechtigt zusammen mit ihm selbst zu benutzen.

Die laufenden Betriebskosten und Unterhaltungskosten für das Grundstück und die Gebäude tragen die Beteiligten künftig zu gleichen Teilen.

Das Mitbenutzungsrecht endet mit dem Tod von Herrn B und mit dem Tode von Frau K.. Es endet ferner, wenn die bestehende Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass vom Nichtbestehen einer Lebensgemeinschaft dann auszugehen ist, wenn ein Partner dem anderen gegenüber durch eine schriftliche Erklärung die Lebensgemeinschaft für beendet erklärt.

Herr B bewilligt und beide Beteiligten beantragen, das Mitbenutzungsrecht mit dem vorstehend vereinbarten Inhalt als beschränkte Dienstbarkeit an rangbereiter Stelle im Grundbuch einzutragen und dabei zu vermerken, dass zur Löschung der Nachweis des Todes der Berechtigten genügt.

III. Bedingter Nießbrauch

Für den Fall, dass Herr B vor Frau K stirbt und die Lebensgemeinschaft zu diesem Zeitpunkt besteht, wovon auszugehen ist, wenn die Beendigung nicht von dritter Seite nachgewiesen ist, wird Frau K auf ihre Lebenszeit ein Nießbrauch an dem in Abschnitt II bezeichneten Grundbesitz eingeräumt. […]

Herr B bewilligt und beide Beteiligten beantragen, den bedingten Nießbrauch im Range nach der Dienstbarkeit im Grundbuch einzutragen und dabei ebenfalls zu vermerken, dass zur Löschung des Rechts der Nachweis des Todes der Berechtigten genügt.

[…]“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgelegten notariellen Vertrag Bezug genommen (Anlage I K 4). Die entsprechenden Rechte der Beklagten wurden am 18.07.2007 im Grundbuch eingetragen.

In der Immobilie befinden sich zwei vermietete Einliegerwohnungen, wobei monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 770 Euro (warm) erzielt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht Freiburg im Breisgau hat die auf Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Rechte gerichtete Klage abgewiesen.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Klägerinnen. Sie tragen vor, rechtsirrig habe das Landgericht eine die Klägerinnen als Schlusserbinnen beeinträchtigende Schenkung des Erblassers im Sinne von § 2287 Abs. 1 BGB verneint. Der Erblasser habe mit Beeinträchtigungsabsicht gehandelt. Die Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers sei evident, wenn man sich hier die Gesamtumstände vor Augen führe.

Der Erblasser habe dafür gesorgt, dass zum Nachteil der Erbinnen

– der Beklagten ein lebenslänglicher Nießbrauch an seinem Einfamilienhaus einschließlich von zwei vermieteten Wohnungen eingeräumt worden sei,

– zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch eine Grundschuld über 156.000 Euro eingetragen worden sei, wobei das zugrundeliegende Darlehen der Finanzierung der heute im Alleineigentum der Beklagten stehenden Immobilie in Spanien gedient habe, durch ein weiteres – wenn auch fragwürdiges und nicht abgeliefertes, jedenfalls in Spanien anerkanntes – Testament sei der Miteigentumsanteil an der Immobilie in Spanien der Beklagten übertragen worden,

– die Klägerinnen als Erbinnen noch ein von Erblasser aufgenommenes Darlehen über ca. 15.000 Euro abzahlen müssten, das allein dem Ausbau und der Renovierung dieser nunmehr im alleinigen Eigentum der Beklagten stehenden Immobilie gedient habe.

Die Einräumung des Nießbrauchs an dem Hausgrundstück in M, dem wesentlichen Nachlassgegenstand, sei ausschließlich im Interesse der Beklagten erfolgt. Diese habe an der Erarbeitung des Vermögens des Erblassers, das dieser selbst weitestgehend von seiner Ehefrau geerbt habe, indes keinen Anteil gehabt. Durch den Nießbrauch sei die vererbte Immobilie langfristig wirtschaftlich entwertet worden. Insoweit seien die Interessen der bedachten Erben, also der Klägerinnen, mit in die Abwägung aufzunehmen. Diese Interessen verdrängten die Interessen der Beklagten.

Sie beantragen: Unter Abänderung des am 19.10.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Freiburg – 5 0 117/21 – wird die Beklagte verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von M, Blatt …, X, Flurstück Nr. …, II. Abteilung, Nr. 2 (Mitbenutzungsrecht) und Nr. 3 (aufschiebend bedingter Nießbrauch) eingetragenen Rechte zu bewilligen und – für den Fall, dass das Gericht diesem Klagantrag stattgibt – das Anwesen in M, X, unter Mitnahme ihrer persönlichen Gegenstände zu räumen und an die Klägerinnen herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen der Klägerinnen zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2022 persönlich angehört, wobei wegen der Angaben der Parteien auf das Sitzungsprotokoll (AS II 45 ff) Bezug genommen wird.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Klägerinnen sind zulässig, aber unbegründet.

Hinsichtlich einer auch bezüglich der Klägerin Ziffer 1 eingetretenen Bindungswirkung nach §§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 1 S. 2 BGB und damit verbundene analoge Anwendbarkeit des § 2287 Abs. 1 BGB nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (LGU S. 7 ff), gegen die zweitinstanzlich nichts erinnert wird.

Eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers kann nicht festgestellt werden. Ein Rückabwicklungsanspruch nach § 2287 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit den §§ 818 ff BGB besteht daher nicht.

Zur Begründung nimmt der Senat auch insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (LGU S. 10 ff).

Zu ergänzen ist lediglich Folgendes:

1. Nach feststehender Rechtsprechung ist § 2287 BGB analog auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments anzuwenden, das nach dem Tode des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 26. November 1975 – IV ZR 138/74 -, BGHZ 66, 8-17, Rn. 15).

Erforderlich für die Anwendung des § 2287 BGB ist, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist danach anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will. Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (BGH, Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15 -).

Das Bedürfnis eines alleinstehenden Erblassers nach einer seinen persönlichen Vorstellungen entsprechenden Versorgung und Pflege im Alter ist auch dann ein anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse, wenn der Erblasser es dadurch zu verwirklichen sucht, dass er eine ihm nahestehende Person durch Schenkungen an sich bindet (BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 – IV ZR 88/91 -). Es kann auch vorliegen, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen – etwa zur Betreuung im weiteren Sinne – übernimmt, tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZR 72/11 -).

Ob und wie ein Anspruch wegen einer missbräuchlichen Schenkung besteht, hängt nach allgemeiner Meinung von einer Gesamtwürdigung aller Umstände ab, etwa dem Wert der Schenkung und dem Vermögen des Erblassers. Eine relativ geringfügige Schenkung wird nicht als missbräuchlich erscheinen (vgl. nur Staudinger/Kanzleiter (2019) BGB § 2287, Rn. 17; Geiger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2287 BGB (Stand: 10.11.2021), Rn. 60; jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

2. Gemessen hieran ist von einem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers an der vorgenommenen Schenkung auszugehen. Die Klägerinnen können das Gegenteil nicht beweisen.

Maßgeblich abzustellen ist bei der Frage des lebzeitigen Eigeninteresses auf den Zeitpunkt der Zuwendung, hier also auf den notariellen Vertragsschluss am 27.06.2007.

a) Ausweislich der Vorbemerkung erfolgte die Zuwendung im Zuge der Begründung eines gemeinschaftlichen Hausstandes des Erblassers und der Beklagten in dem streitgegenständlichen Anwesen. Sie war mit der Erwartung „einer gegenseitigen Unterstützung in alten, kranken und gebrechlichen Tagen“ verbunden und an das Fortbestehen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft geknüpft.

Dass es dem Erblasser nicht nur um die finanzielle Absicherung seiner Lebensgefährtin gegangen ist, ergibt sich auch aus den glaubhaften Angaben der Beklagten.

Bei ihrer Anhörung in erster Instanz hat sie hierzu angegeben, die gegenseitige Unterstützung sei neben der beabsichtigten Absicherung ein weiterer Gesichtspunkt gewesen. Es sei so gedacht gewesen, dass derjenige, der nicht pflegebedürftig sein solle, den anderen Teil unterstützen solle. Was konkret da anfallen würde, hätten sie naturgemäß damals nicht gewusst. Zweitinstanzlich hat sie ausgeführt, der Nießbrauch sei die Idee ihres Lebensgefährten gewesen, da er gewollt habe, dass sie „nicht auf der Straße stehe“. Er habe Sicherheit im Alter gewollt, da er auch schon älter gewesen sei. Sie habe sich stets um den Haushalt gekümmert und ihren Lebensgefährten später, als es ihm gesundheitlich schlechter gegangen sei, etwa zu Ärzten und zur Physiotherapie gefahren.

Diese Darstellung lässt sich in Einklang mit den Angaben der Klägerin Ziffer 2 bringen. Sie hat angegeben, sie und ihr Vater hätten ein gutes familiäres Verhältnis gehabt, die Familie sei immer wichtig gewesen. Durch die Beziehung zur Beklagten sei das gute Verhältnis dann etwas eingeschlafen. Das sei bei ihrem Vater aber immer so gewesen. Es sei immer schön gewesen, wenn er sich von einer Frau getrennt habe und dann „voll in die Familie zurückgekommen sei“. Umgekehrt hätten sie sich dann auch gefreut, wenn er wieder eine neue Partnerin gehabt habe und verliebt gewesen sei.

Aus den Angaben der Klägerin Ziffer 2 ergibt sich, dass der Erblasser immer dann, wenn er in einer Beziehung gewesen sei, den Kontakt zu seiner Familie stark reduziert und sich auf seine jeweilige Partnerin konzentriert habe. Damit korrespondieren die Angaben der Beklagten, wonach sie sich um ihren Lebensgefährten gekümmert habe. Dies entsprach damit offensichtlich dem Willen des Erblassers, der sich immer dann, wenn er in einer Beziehung lebte, auf seine jeweilige Partnerin verlassen und dies auch so gewollt hat. Damit lässt es sich ohne weiteres vereinbaren, dass es ihm durch die Einräumung des Nießbrauchsrechts gerade auch darum gegangen war, seine eigene Versorgung zu sichern, solange die Lebensgemeinschaft mit der Beklagten Bestand hat.

Damit stellt sich der vereinbarte Nießbrauch nicht nur als bloße Versorgungsleistung zu Gunsten der Beklagten dar (vgl. zu einer solchen Konstellation OLG Celle, Beschluss vom 15. Juni 2006 – 6 U 99/06 -) vielmehr handelte der Erblasser auch im erheblichen Eigeninteresse, da er sich hierdurch (auch) der Unterstützung seiner Lebensgefährtin in alten und kranken Tagen versicherte.

Wie bereits dargelegt, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn es dem Erblasser wie hier im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht. Es ist dabei ohne Belang, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Zuwendung bereits Unterstützungsbedarf hatte oder nicht. Der Hinweis der Klägerinnen auf das relativ hohe Lebensalter der Beklagten und die damit möglicherweise einhergehende fehlende Fähigkeit zur Erbringung von Pflegeleistungen geht fehl. Selbst wenn die Beklagte nicht zu einer alleinigen Pflege des Erblassers in der Lage gewesen wäre, werden im Rahmen einer Lebensgemeinschaft vielfältige weitere Unterstützungsleistungen auch außerhalb des pflegerischen Bereiches erbracht, was keiner vertieften Erörterung bedarf.

b) Soweit die Klägerinnen darauf abstellen, die Beklagte sei keine Pflegeverpflichtung eingegangen, ist dies zutreffend. Die Klägerinnen übersehen aber, dass sich die Frage einer unentgeltlichen Zuwendung schon nicht stellen würde, wenn sich die Beklagte zu bestimmten Leistungen bereits rechtlich verpflichtet hätte. Denn dies wäre als entgeltliche Gegenleistung anzusehen.

c) Weiter ist zu sehen, dass der Erblasser der Beklagten nur den Nießbrauch zugewandt hat, das Grundstück selbst also nach dem Tod der Beklagten an die Klägerinnen als Schlusserben fällt. Die Entziehung aus dem (gebundenen) Erblasservermögen ist also zeitlich begrenzt. Damit mag der Wert der Erbschaft zu Lebzeiten der Beklagten maßgeblich verringert sein, dies aber nur vorübergehend. Daher erscheint der Wert der Zuwendung auch nicht unverhältnismäßig. Der Wille des Erblassers, seiner Lebensgefährtin den Nießbrauch an der gesamten Immobilie und nicht nur an dem von ihr bewohnten Teil einzuräumen, ist zu respektieren. Die Frage, ob auch eine andere Regelung hätte getroffen werden können, stellt sich nicht.

d) Die Verknüpfung der Zuwendung an das Fortbestehen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit entsprechender Kündigungsmöglichkeit des Erblassers im Fall des Scheiterns ist logische Folge der vertraglichen Regelung und benachteiligt die Klägerinnen nicht über Gebühr. Es liegt auf der Hand, dass im Fall des Scheiterns der Lebensgemeinschaft die Erwartung des Erblassers an einer gegenseitigen Unterstützung ebenso entfallen wäre. Nach dem Tod des Erblassers während des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft stellt sich die Situation grundsätzlich anders dar, denn seine diesbezügliche Erwartung ist offensichtlich erfüllt worden. Eine Kündigungsmöglichkeit für die Erben in dem nun eingetretenen Fall würde die beabsichtige Regelung geradezu konterkarieren.

e) Soweit die Klägerinnen auf die Immobilie in Spanien abheben, vermögen sie hiermit nicht durchzudringen. Es handelt sich hierbei um Geschehnisse, die sich zeitlich nach dem Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung zugetragen haben, weswegen hieraus keine zwingenden Rückschlüsse auf die Motivation des Erblassers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Schenkung gezogen werden können. Sollte die Beklagte – wie klägerseits behauptet – zu Unrecht den Miteigentumsanteil des Erblassers an der Immobilie in Spanien dem Nachlass entzogen haben, kann dies keine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers zum maßgeblichen Zeitpunkt beweisen. Selbst wenn der Erblasser einen Kredit in Höhe von 15.000 Euro zur Renovierung der Immobilie in Spanien aufgenommen hätte, ließe dies keinen entsprechenden indiziellen Rückschluss zu.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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