Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Erbansprüche im Fokus: Rechte und Transparenz im Nachlassverfahren
- Der Fall vor Gericht
- Streit um notarielles Nachlassverzeichnis: Pflichtteilsberechtigter scheitert mit Beschwerde
- Grundkonflikt über korrekte Erstellung des Nachlassverzeichnisses
- Rechtliche Bewertung des Anwesenheitsrechts
- Umfang der notariellen Ermittlungspflicht
- Grenzen der Einsichtsrechte
- Bewertung der notariellen Ermittlungen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche grundlegenden Rechte hat ein Pflichtteilsberechtigter bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses?
- Ab wann kann ein Pflichtteilsberechtigter die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen?
- Welche Pflichten hat der Notar bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses?
- Wie kann ein Pflichtteilsberechtigter die Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses überprüfen?
- Welche rechtlichen Mittel stehen zur Verfügung, wenn das Nachlassverzeichnis mangelhaft ist?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 03.12.2024
- Aktenzeichen: 33 W 1034/24
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilprozessrecht, Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Antragsteller: Die Person, die die Erbin im Wege der Zwangsvollstreckung auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Anspruch nimmt. Er argumentiert, dass sein Zuziehungsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses verletzt wurde und dass das vorgelegte Verzeichnis unvollständig und ungeordnet sei.
- Erbin: Die Person, die zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt wurde und gegen die ein Zwangsgeld verhängt wurde. Sie legte jedoch ein Verzeichnis und Nachträge vor, die dem Landgericht ausreichend erschienen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Antragsteller verlangte von der Erbin die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Das Landgericht verhängte ein Zwangsgeld gegen die Erbin, welches jedoch später wieder aufgehoben wurde, da das Verzeichnis vorgelegt wurde. Der Antragsteller sah sein Zuziehungsrecht verletzt und legte daraufhin eine sofortige Beschwerde ein, um das Zwangsgeld aufrechtzuerhalten.
- Kern des Rechtsstreits: Der Streit fokussiert sich darauf, ob das Zuziehungsrecht des Antragstellers bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses verletzt wurde und ob das Verzeichnis vollständig und ordnungsgemäß erstellt wurde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers wurde zurückgewiesen.
- Begründung: Das Gericht befand, dass die Anwesenheit des Antragstellers bei einem notariellen Termin ausreichend war und ein darüber hinausgehendes Anwesenheitsrecht nicht bestand. Das vorgelegte Verzeichnis und die Nachträge genügten den Anforderungen. Die bisherigen Teilleistungen mussten nicht erneut erbracht werden.
- Folgen: Der Antragsteller muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen. Die Entscheidung ist endgültig, da die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nicht vorliegen.
Erbansprüche im Fokus: Rechte und Transparenz im Nachlassverfahren
Das Nachlassverfahren ist ein komplexer rechtlicher Prozess, der für Betroffene oft undurchsichtig und emotional belastend ist. Insbesondere wenn es um Erb- und Pflichtteilsansprüche geht, spielen präzise Informationen und transparente Unterlagen eine entscheidende Rolle. Das notarielle Nachlassverzeichnis bildet dabei eine wichtige Grundlage für alle Beteiligten, um ihre Rechte zu verstehen und durchzusetzen.
Pflichtteilsberechtigte haben gesetzlich verankerte Ansprüche, die ihnen helfen, Klarheit über den Nachlass zu erlangen. Die Einsicht in relevante Unterlagen ist ein zentrales Instrument, um Transparenz zu gewährleisten und mögliche Unstimmigkeiten bei der Erbteilung frühzeitig zu erkennen. Welche spezifischen Rechte Betroffene in diesem Zusammenhang haben und wie sie diese geltend machen können, zeigt der folgende Gerichtsfall exemplarisch auf.
Der Fall vor Gericht
Streit um notarielles Nachlassverzeichnis: Pflichtteilsberechtigter scheitert mit Beschwerde
Das Oberlandesgericht München hat in einem Beschluss vom 03.12.2024 die Beschwerde eines Pflichtteilsberechtigten zurückgewiesen, der die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen wollte. Der Fall behandelt die Frage, welche Rechte einem Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zustehen.
Grundkonflikt über korrekte Erstellung des Nachlassverzeichnisses
Der Erbfall ereignete sich 2019. Die Erbin wurde durch ein rechtskräftiges Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Memmingen zur Auskunftserteilung über den Nachlass durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verpflichtet. Als dieses nicht fristgerecht vorgelegt wurde, verhängte das Landgericht ein Zwangsgeld von 1.000 Euro gegen die Erbin. Dieser Beschluss wurde jedoch später aufgehoben, da zwischenzeitlich ein Nachlassverzeichnis samt Nachträgen erstellt worden war.
Rechtliche Bewertung des Anwesenheitsrechts
Das OLG München setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, wie das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses ausgestaltet ist. Der Senat stellte fest, dass die bloße Errichtung des Nachlassverzeichnisses durch den Notar eine reine Tatsachenbescheinigung darstellt. Ein schutzwürdiges Interesse des Pflichtteilsberechtigten, bei der reinen Unterschriftsleistung anwesend zu sein, wurde verneint, da dieser bereits bei einem vorherigen Besprechungstermin zugegen war.
Umfang der notariellen Ermittlungspflicht
Das Gericht befasste sich auch mit dem Umfang der notariellen Ermittlungspflicht. Der Senat betonte, dass der Notar seine Ermittlungen sorgfältig und umfassend wahrnehmen muss, dabei aber in einem Spannungsfeld steht: Einerseits soll das Nachlassverzeichnis zeitnah vorgelegt werden, andererseits muss es vollständig sein. Die Erstellung mehrerer Nachträge zum Nachlassverzeichnis wurde als zulässig erachtet, da diese die Übersichtlichkeit nicht gefährdeten.
Grenzen der Einsichtsrechte
Das OLG München stellte klar, dass dem Pflichtteilsberechtigten kein Recht zusteht, dem Notar bei der Durchsicht von Unterlagen „über die Schulter zu schauen“. Dies würde nicht nur das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verletzen, sondern auch den nicht bestehenden Anspruch auf Belegvorlage unterlaufen. Der Notar unterliegt bezüglich der eingesehenen Informationen der Amtsverschwiegenheit, soweit diese nicht pflichtteilsrelevant sind.
Bewertung der notariellen Ermittlungen
Bei der Bewertung der durchgeführten Ermittlungen legte das Gericht einen praktikablen Maßstab an: Der Notar muss die Ermittlungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Im konkreten Fall waren angesichts des Alters des Erblassers, seiner Pflegebedürftigkeit und seiner Einkommensverhältnisse die getätigten Ermittlungen ausreichend.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt wichtige Aspekte zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses: Bereits erfolgte Teilleistungen bei der Erstellung bleiben auch nach einer späteren gerichtlichen Titulierung wirksam und müssen nicht wiederholt werden. Das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten ist erfüllt, wenn dieser zu mindestens einem wesentlichen Termin bei der Erstellung des Verzeichnisses eingeladen wurde. Die Notwendigkeit zur Zuziehung bei allen Folgeterminen besteht nicht, solange keine grundlegend neuen Tatsachen ermittelt werden.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie das Recht, bei der grundlegenden Erfassung des Nachlasses durch den Notar dabei zu sein. Sie müssen hierzu zu einem wesentlichen Termin eingeladen werden, bei dem die wichtigsten Vermögenswerte aufgenommen werden. Bei späteren Ergänzungen oder Korrekturen des Verzeichnisses muss der Notar Sie nicht erneut hinzuziehen, es sei denn, es werden völlig neue Vermögenswerte erfasst. Achten Sie darauf, den angebotenen Haupttermin wahrzunehmen, da Sie möglicherweise keine weitere Gelegenheit zur persönlichen Teilnahme bekommen. Die Wirksamkeit des Nachlassverzeichnisses hängt nicht davon ab, dass Sie bei jedem einzelnen Termin anwesend waren.
Ihr Recht auf Transparenz im Erbfall
Die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ist ein komplexer Prozess, der viele Fragen aufwerfen kann. Gerade für Pflichtteilsberechtigte ist es wichtig, ihre Rechte zu kennen und die Möglichkeiten der Einflussnahme zu nutzen. Unsicherheiten hinsichtlich der Anwesenheitspflicht bei der Erstellung des Verzeichnisses oder der Bewertung der notariellen Ermittlungen sollten frühzeitig geklärt werden. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Interessen im Erbfall optimal zu wahren und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche grundlegenden Rechte hat ein Pflichtteilsberechtigter bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses?
Grundlegendes Auskunftsrecht
Der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2314 BGB einen umfassenden Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses gegen den Erben. Dieser Anspruch umfasst das Recht, ein Notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen, auch wenn bereits ein privatschriftliches Verzeichnis vorgelegt wurde.
Rechte bei der Erstellung
Bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses stehen dem Pflichtteilsberechtigten folgende konkrete Rechte zu:
Anwesenheitsrecht: Der Pflichtteilsberechtigte kann bei der Aufnahme des Verzeichnisses persönlich anwesend sein oder sich durch einen Anwalt vertreten lassen.
Notar-Auswahlrecht: Der Erbe darf zwar den Notar auswählen, dieser muss jedoch eigenständige Ermittlungen durchführen. Der Notar darf sich nicht nur auf die Angaben des Erben verlassen, sondern muss:
- Grundbesitz selbst ermitteln
- Bankunterlagen der letzten 10 Jahre einsehen
- Wertgutachten auf Plausibilität prüfen
- Bei Banken in der Nähe des letzten Wohnorts des Erblassers nachfragen
Umfang der Auskunft
Der Pflichtteilsberechtigte hat Anspruch auf Auskunft über:
Nachlassbestand: Sämtliche Aktiva und Passiva zum Todeszeitpunkt müssen vollständig aufgelistet werden.
Schenkungen: Informationen über Schenkungen des Erblassers der letzten 10 Jahre müssen offengelegt werden. Bei Schenkungen an den Ehegatten gilt diese zeitliche Begrenzung nicht.
Kostenregelung
Die Kosten des notariellen Nachlassverzeichnisses trägt der Nachlass gemäß § 2314 Abs. 2 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte beteiligt sich daran indirekt in Höhe seiner Pflichtteilsquote, da sich sein Pflichtteilsanspruch nach dem um die Kosten verminderten Nachlasswert berechnet.
Ab wann kann ein Pflichtteilsberechtigter die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen?
Der Pflichtteilsberechtigte kann unmittelbar nach dem Erbfall die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses vom Erben verlangen. Ein vorheriges privatschriftliches Nachlassverzeichnis ist nicht erforderlich – Sie können direkt ein notarielles Verzeichnis fordern.
Zeitliche Vorgaben für den Erben
Nach der Aufforderung zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses muss der Erbe innerhalb angemessener Frist tätig werden. Die Rechtsprechung gewährt dem Erben hierfür einen Zeitraum von drei bis vier Monaten. Diese Frist gilt auch dann, wenn der Nachlass komplex ist oder der Erbe die Vermögensverhältnisse nicht kennt.
Verjährung des Anspruchs
Der Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verjährt innerhalb der regulären Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem Sie von Ihrer Enterbung und dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt haben.
Durchsetzung des Anspruchs
Wenn der Erbe nicht innerhalb der drei bis vier Monate tätig wird, können Sie folgende Schritte einleiten:
- Beantragung eines Zwangsgelds beim zuständigen Gericht
- Erhebung einer Stufenklage zur gerichtlichen Durchsetzung des Auskunftsanspruchs
Der Erbe ist verpflichtet, auf eine zügige Erstellung des Verzeichnisses hinzuwirken. Er muss notfalls auch Rechtsbehelfe gegen einen untätigen Notar einlegen oder einen anderen Notar beauftragen.
Besonderheit bei verspäteter Kenntnis von Nachlassgegenständen
Wichtig: Die Verjährungsfrist beginnt nicht neu, wenn Sie erst später von weiteren Nachlassgegenständen erfahren. Daher sollten Sie den Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis rechtzeitig geltend machen, auch wenn Sie noch nicht alle Nachlassgegenstände kennen.
Welche Pflichten hat der Notar bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses?
Eigenständige Ermittlungspflicht
Der Notar muss den Nachlassbestand selbstständig und eigenverantwortlich ermitteln. Er darf sich nicht allein auf die Angaben des Erben verlassen oder diese lediglich beurkunden. Diese Ermittlungspflicht umfasst:
- Die Besichtigung von Grundstücken und Immobilien
- Die Durchsicht von Wohnungseinrichtungen und Wertgegenständen
- Die Einsicht in Bankkonten und Depots
- Die Prüfung von Unternehmensunterlagen wie Bilanzen
Konkrete Nachforschungspflichten
Der Notar muss spezifische Nachforschungen durchführen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtigten für erforderlich halten würde. Dies beinhaltet:
Die Einholung von Auskünften bei:
- Banken und Sparkassen
- Grundbuchämtern
- Handelsregistern
- Versicherungen
Der Notar muss zudem eine kritische Plausibilitätskontrolle der erhaltenen Informationen durchführen.
Dokumentationspflichten
Bei der Erstellung des Verzeichnisses muss der Notar:
Die Vermögensgegenstände so genau beschreiben, dass eine spätere Wertermittlung möglich ist. Zum Beispiel muss bei Schmuck der Goldgehalt angegeben werden, bei Kunstgegenständen eine detaillierte Beschreibung erfolgen.
Der Notar muss durch seine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses ausdrücklich zum Ausdruck bringen, dass er für den Inhalt die Verantwortung übernimmt.
Grenzen der Ermittlungspflicht
Die Ermittlungspflicht des Notars hat auch Grenzen:
Der Notar ist nicht zu Detektivarbeit verpflichtet. Er muss nur dann weitergehende Nachforschungen anstellen, wenn:
- Konkrete Anhaltspunkte für weitere Vermögenswerte vorliegen
- Der Pflichtteilsberechtigte auf bestimmte Auffälligkeiten hinweist
- Zweifel an der Vollständigkeit der Angaben des Erben bestehen
Die Wertermittlung der Nachlassgegenstände gehört nicht zu den Aufgaben des Notars. Diese erfolgt in einem separaten Schritt durch Sachverständige.
Wie kann ein Pflichtteilsberechtigter die Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses überprüfen?
Notarielles Nachlassverzeichnis als wichtigstes Kontrollinstrument
Als Pflichtteilsberechtigter können Sie ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen, auch wenn bereits ein privatschriftliches Verzeichnis vorliegt. Der Notar muss dabei eigene Ermittlungen durchführen und durch seine Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt übernehmen. Diese Form bietet die größte Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben.
Anwesenheitsrecht bei der Erstellung
Sie haben das gesetzliche Recht, bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses persönlich anwesend zu sein. Dabei können Sie sich von einem Vertreter oder Beistand begleiten lassen. Während der Notar die Belege und Unterlagen prüft, können Sie als anwesender Pflichtteilsberechtigter diese ebenfalls einsehen.
Eidesstattliche Versicherung
Bei konkreten Zweifeln an der Vollständigkeit können Sie vom Erben eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben verlangen. Eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar, was zusätzlichen Druck auf den Erben ausübt, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Grenzen der Überprüfung
Die Kontrollmöglichkeiten sind allerdings begrenzt. Sie haben keinen Anspruch auf:
- Vorlage von Belegen und Nachweisen
- Eigene Nachforschungen in der Wohnung des Erblassers
- Selbstständige Überprüfung des Nachlasses
Eine Ausnahme besteht bei Unternehmensbeteiligungen – hier müssen Geschäftsunterlagen der letzten Jahre vorgelegt werden.
Welche rechtlichen Mittel stehen zur Verfügung, wenn das Nachlassverzeichnis mangelhaft ist?
Grundlegende Handlungsmöglichkeiten
Bei einem mangelhaften notariellen Nachlassverzeichnis können Sie eine Ergänzung oder Berichtigung verlangen. Dies ist insbesondere in folgenden Fällen möglich:
- Der Notar hat sich nur auf die Wiedergabe der Erbenaussagen beschränkt, ohne eigene Ermittlungen durchzuführen
- Der Erbe hat zumutbare Informationen nicht beschafft
- Eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen fehlt im Verzeichnis
Durchsetzung der Ansprüche
Wenn das Nachlassverzeichnis mangelhaft ist, können Sie als Pflichtteilsberechtigter folgende Schritte einleiten:
Zwangsvollstreckung: Die Verpflichtung zur Vorlage eines ordnungsgemäßen notariellen Nachlassverzeichnisses kann durch Zwangsgeld durchgesetzt werden. Das Zwangsgeld kann beispielsweise 3.000 Euro betragen.
Eidesstattliche Versicherung: Sie können vom Erben eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben verlangen. Falsche Angaben in der eidesstattlichen Versicherung sind strafbar.
Besondere Rechtsbehelfe
In bestimmten Situationen stehen weitere Rechtsbehelfe zur Verfügung:
Akteneinsicht: Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie ein Recht auf Einsicht in die Nachlassakte einschließlich der Nachlassaufstellung. Dies gilt auch dann, wenn Sie andere Möglichkeiten haben, an die Informationen zu gelangen.
Komplette Neuerstellung: Bei gravierenden Mängeln kann ein komplett neues Nachlassverzeichnis verlangt werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn das erste Verzeichnis nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllt.
Prozessuale Besonderheiten
Die Stufenklage ist ein wichtiges prozessuales Instrument. Dabei wird:
- Zunächst auf Auskunft durch Vorlage des Nachlassverzeichnisses geklagt
- Nach Auskunftserteilung der bezifferte Pflichtteil eingeklagt
Die Kosten für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses trägt der Nachlass. Diese Kosten werden als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt und mindern damit auch den Pflichtteilsanspruch anteilig.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Pflichtteilsberechtigter
Eine Person, die zwar nicht als Erbe eingesetzt wurde, aber aufgrund einer engen verwandtschaftlichen Beziehung zum Verstorbenen (Ehegatte, Kinder, Eltern) einen gesetzlichen Anspruch auf einen Mindestanteil am Nachlass hat. Dieser Anspruch richtet sich als Geldforderung gegen die Erben und beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Geregelt ist dies in §§ 2303 ff. BGB. Beispiel: Ein Vater enterbt seinen Sohn und setzt nur seine neue Ehefrau als Erbin ein. Der Sohn hat dann als Pflichtteilsberechtigter einen Anspruch auf Auszahlung der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils.
Notarielles Nachlassverzeichnis
Eine offizielle Aufstellung aller zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die von einem Notar erstellt wird. Es dient als verlässliche Grundlage zur Berechnung von Pflichtteilen und anderen erbrechtlichen Ansprüchen. Der Notar ist dabei zur neutralen und sorgfältigen Ermittlung verpflichtet (§ 28 BeurkG). Im Gegensatz zum privaten Nachlassverzeichnis genießt es aufgrund der notariellen Beurkundung eine erhöhte Beweiskraft. Beispiel: Eine Erbin lässt durch einen Notar alle Bankkonten, Immobilien und Schulden des Verstorbenen erfassen und dokumentieren.
Zwangsvollstreckung
Ein staatlich geregeltes Verfahren, mit dem ein Gläubiger seine rechtskräftig festgestellten Ansprüche gegen den Willen des Schuldners durchsetzen kann. Die Zwangsvollstreckung ist in der ZPO (§§ 704 ff.) geregelt und kann verschiedene Maßnahmen umfassen, wie Pfändungen oder Zwangsgelder. Sie setzt einen vollstreckbaren Titel (z.B. Urteil) voraus. Beispiel: Wenn die Erbin trotz Gerichtsbeschluss kein Nachlassverzeichnis vorlegt, kann ein Zwangsgeld verhängt werden, um sie zur Erfüllung ihrer Pflicht zu bewegen.
Postmortales Persönlichkeitsrecht
Das über den Tod hinaus fortbestehende Recht einer Person auf Schutz ihrer Würde und ihres Ansehens. Es schützt insbesondere private und persönliche Informationen des Verstorbenen vor unbefugter Offenlegung. Dieses Recht leitet sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ab und wird von den Angehörigen wahrgenommen. Beispiel: Private Tagebücher oder medizinische Unterlagen des Verstorbenen dürfen nicht ohne weiteres eingesehen werden, auch nicht von Pflichtteilsberechtigten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 362 BGB: Dieser Paragraph definiert die Erfüllung eines Anspruchs und legt fest, dass ein Anspruch erfüllt ist, wenn die geschuldete Leistung vollständig erfolgt ist. Teilweise Leistungen wirken demnach nicht als Erfüllung des gesamten Anspruchs. Im vorliegenden Fall argumentierte der Antragsteller, dass das zwischenzeitlich vorgelegte Nachlassverzeichnis die vollständige Erfüllung seines Anspruchs nicht darstelle, da das Verzeichnis nicht übersichtlich genug sei.
- § 2032 BGB: Regelt die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses, das eine vollständige Aufstellung sämtlicher Vermögensgegenstände des Erblassers beinhaltet. Die Erbin wurde durch ein Urteil des Landgerichts zur Vorlage eines solchen Nachlassverzeichnisses verpflichtet, damit der Antragsteller seine Ansprüche als Erbe nachvollziehen und durchsetzen kann.
- § 696 ZPO: Bestimmt die Voraussetzungen und das Verfahren für die sofortige Beschwerde gegen vorläufige Entscheidungen des Gerichts. Der Antragsteller legte eine sofortige Beschwerde ein, um gegen den Beschluss des Landgerichts vorzugehen, der das Zwangsgeld gegen die Erbin aufhob, da er der Ansicht war, dass noch offene Ansprüche bestanden.
- § 704 ZPO: Regelt die zwangsweise Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, einschließlich der Verhängung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung von Ansprüchen. Das Landgericht verhängte zunächst ein Zwangsgeld gegen die Erbin, um die rechtzeitige Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses zu erzwingen, da diese nicht fristgerecht erfolgte.
- § 765 ZPO: Bezieht sich auf die Verhängung von Zwangsgeldern als Druckmittel, damit eine Partei eine gerichtliche Anordnung erfüllt. Im vorliegenden Fall wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € gegen die Erbin verhängt, um die Einreichung des Nachlassverzeichnisses sicherzustellen, nachdem sie die Aufforderung zunächst nicht erfüllte.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 33 W 1034/24 e – Beschluss vom 03.12.2024
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