Pflichtteilsberechtigter hat keinen Anspruch auf notarielles Nachlassverzeichnis bei Dürftigkeit
Das Landgericht Amberg hat entschieden, dass ein Erbe bei einem notleidenden Nachlass nicht zur Erstellung eines kostenintensiven notariellen Nachlassverzeichnisses verpflichtet ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Passiva die Aktiva übersteigen und bereits ein privates Nachlassverzeichnis vorliegt.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte aus dem Urteil:
- Klageabweisung: Das Gericht wies die Klage des Erblassersohnes ab, da kein Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis besteht.
- Dürftigkeit des Nachlasses: Die Beklagte konnte die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern, da der Nachlass als notleidend eingestuft wurde.
- Passiva übersteigen Aktiva: Im vorliegenden Fall überstiegen die Schulden (Passiva) des Nachlasses die Vermögenswerte (Aktiva).
- Privates Nachlassverzeichnis ausreichend: Ein bereits vorhandenes privates Nachlassverzeichnis wurde als ausreichend angesehen, um den Informationsbedarf zu decken.
- Kein Anspruch auf Wertermittlung: Der Kläger hatte keinen Anspruch auf eine separate Wertermittlung der Nachlassgegenstände.
- Hilfsantrag unzulässig: Ein Hilfsantrag, der die Kostenpflicht für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses auf den Kläger übertragen wollte, wurde als unzulässig betrachtet.
- Kosten des Rechtsstreits: Der Kläger wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.
- Vorläufige Vollstreckbarkeit: Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei der Kläger die Möglichkeit hatte, die Vollstreckung abzuwenden.
Übersicht
Im Zentrum des Erbrechts steht häufig die Frage nach der korrekten und vollständigen Erfassung des Nachlasses eines Verstorbenen. Ein zentrales Instrument hierfür ist das notarielle Nachlassverzeichnis, welches eine detaillierte Auflistung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Erblassers beinhaltet. Dieses Verzeichnis dient nicht nur der Transparenz, sondern auch der Wahrung der Rechte der Erbberechtigten, insbesondere der Pflichtteilsberechtigten.
Eine besondere Herausforderung ergibt sich, wenn der Nachlass als notleidend gilt, also die Passiva die Aktiva übersteigen. In solchen Fällen kann die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu einer finanziellen Belastung des Nachlasses führen, die dessen Wert übersteigt. Dies wirft die Frage auf, inwieweit die Erstellung eines solchen Verzeichnisses verlangt werden kann und wie die Interessen der Beteiligten angemessen berücksichtigt werden können. Hierbei spielen rechtliche Regelungen, wie § 1990 BGB und die damit verbundene Dürftigkeitseinrede des Erben, eine wesentliche Rolle. Diese komplexe Thematik umfasst neben dem Erbrecht auch Aspekte wie Schenkungen, Güterstände und die Mitgliedschaft in Erbengemeinschaften, welche die rechtliche Lage weiter beeinflussen können.
Streit um das notarielle Nachlassverzeichnis und die Dürftigkeit des Nachlasses
Im Zentrum des Falles am Landgericht Amberg steht die Auseinandersetzung über den Nachlass des verstorbenen Erblassers. Der Kläger, der Sohn des Erblassers, forderte von der Beklagten, der zweiten Ehefrau des Erblassers und Alleinerbin laut Testament, ein detailliertes notarielles Nachlassverzeichnis. Der Erblasser hinterließ ein handschriftliches Testament, in dem die Beklagte zur Alleinerbin bestimmt wurde. Diese Auseinandersetzung dreht sich im Wesentlichen um die Frage, inwiefern die Beklagte verpflichtet ist, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen und ob die Dürftigkeit des Nachlasses hierbei eine Rolle spielt.
Die Forderung des Klägers und die Einrede der Dürftigkeit
Der Kläger vertrat die Ansicht, dass ihm Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen, und verlangte von der Beklagten Auskunft über den Nachlass, einschließlich Schenkungen und Ausstattungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hatte. Darüber hinaus verlangte er Informationen über Lebensversicherungen, gemeinschaftliche Konten und die Vermögensverhältnisse des Erblassers. Die Beklagte stellte ein privates Nachlassverzeichnis zur Verfügung, lehnte aber die Erstellung eines notariellen Verzeichnisses ab und berief sich dabei auf die Dürftigkeit des Nachlasses, da die Passiva die Aktiva überstiegen.
Gerichtliche Entscheidung: Klage abgewiesen
Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses habe. Die Richter folgten der Argumentation der Beklagten, dass bei einem notleidenden Nachlass, bei dem die Schulden die Vermögenswerte übersteigen, keine Pflicht zur Erstellung eines kostenintensiven notariellen Nachlassverzeichnisses besteht. Diese Auffassung stützt sich auf § 1990 BGB und die Rechtsprechung, die besagt, dass bei einem notleidenden Nachlass weitere Nachlasskosten vermieden werden sollten. Das Gericht erkannte auch keinen Anspruch des Klägers auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände und wies den Hilfsantrag des Klägers ebenfalls zurück.
Konsequenzen und Rechtsfolgen des Urteils
Dieses Urteil verdeutlicht die rechtlichen Grenzen bei der Forderung nach einem notariellen Nachlassverzeichnis, insbesondere wenn der Nachlass überschuldet ist. Es unterstreicht, dass das Gericht in solchen Fällen die wirtschaftliche Realität des Nachlasses berücksichtigt und die Interessen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber den tatsächlichen Möglichkeiten des Nachlasses abwägt. Dieses Urteil könnte somit richtungsweisend sein für ähnliche Fälle, in denen die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gefordert wird, aber die finanzielle Situation des Nachlasses dies nicht zulässt.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet die Dürftigkeitseinrede des Erben im Erbrecht?
Die Dürftigkeitseinrede ist ein Rechtsmittel im deutschen Erbrecht, das einem Erben ermöglicht, die Haftung für die Schulden des Erblassers auf den Nachlass zu beschränken. Dieses Recht steht dem Erben zu, wenn der Nachlass weder die Kosten der Nachlassverwaltung noch die des Nachlassinsolvenzverfahrens deckt.
Die Dürftigkeitseinrede setzt voraus, dass die Aktiva des Nachlasses so gering sind, dass die Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht gedeckt sind. Es ist nicht erforderlich, dass der Nachlass überschuldet ist.
Wenn ein Erbe die Dürftigkeitseinrede erhebt, kann er die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist dann verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.
Der Erbe muss die Dürftigkeit des Nachlasses nachweisen. Dies kann er durch die Vorlage entsprechender Entscheidungen des Nachlass- oder Insolvenzgerichts tun oder auf andere Weise, beispielsweise durch eine Inventarerrichtung nach § 2006 BGB.
Es ist zu erwähnen, dass die Dürftigkeitseinrede nicht mehr erhoben werden kann, wenn die Haftung unbeschränkbar geworden ist. Dies ist der Fall, wenn der Erbe eine Frist zur Erstellung eines Inventars fruchtlos verstreichen ließ, absichtlich ein falsches Inventar errichtete, oder die eidesstattliche Versicherung verweigerte.
Die Dürftigkeitseinrede ist ein wichtiges Instrument für Erben, um sich vor einer unbeschränkten Haftung mit ihrem Eigenvermögen zu schützen. Es ist jedoch ratsam, in solchen Fällen rechtlichen Rat einzuholen, da das Erbrecht komplex sein kann und die richtige Vorgehensweise von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängt.
Das vorliegende Urteil
LG Amberg – Az.: 12 O 297/15 – Urteil vom 17.12.2015
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am … verstorbenen … .
Am … verstarb mit letztem Wohnsitz in … Herr … geb. … . Der Kläger ist Sohn des Erblassers. Bei der Beklagten handelt es sich um die zweite Ehefrau des Erblassers. Der Erblasser hat ein handschriftliches Testament vom 13.07.2003 hinterlassen und die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt. Die Beklagte hat die Erbschaft angenommen. Mit Schreiben des Klägervertreters vom 18.12.2014 wurde die Beklagte aufgefordert, Auskunft zum Bestand des Nachlasses zu erteilen. Daraufhin wurden Angaben zum Bestand des Nachlasses gemacht. Durch den Beklagtenvertreter wurde ein eigenes „Nachlassverzeichnis nach … verstorben am …“ mit Wertangaben abgegeben. Die Beklagte wurde über den Beklagtenvertreter mit Schreiben des Klägervertreters vom 23.01.2015 sodann aufgefordert, Auskunft zum Bestand des Nachlasses zu erteilen durch Vorlage eines von einem Notar im Beisein des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses. Ein notariell aufgenommenes Nachlassverzeichnis liegt nicht vor. Der Nachlass ist notleidend. Die Passiva (10.186,98 €) übersteigen die Aktiva (3.659,00 €).
Der Kläger trägt vor, er gehe davon aus, dass ihm im Ergebnis ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von wenigstens 7.500,00 € zustehe. Er behauptet, der Erblasser habe ein Hausgrundstück gehabt, das auf Umwegen – mutmaßlich unentgeltlich – bei der Beklagten in deren Eigentum gelangt sei.
Der Kläger beantragte mit Klageschriftsatz vom 24.03.2015 zunächst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am … mit letztem Wohnsitz in … verstorbenen …, geboren am …, zum Zeitpunkt des Erbfalls, und zwar insbesondere auch über
a) Schenkungen an Dritte aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall, einschließlich Anstands- und Pflichtschenkungen sowie gemischter Schenkungen,
b) Ausstattungen, die der Erblasser gewährt hat,
c) Schenkungen ohne zeitliche Beschränkung, die unter dem Wohnrechts- bzw. Nießbrauchsvorbehalt erfolgt sind, dies gilt sowohl für Grundvermögen und im betrieblichen Bereich,
d) Schenkungen (einschließlich gemischter Schenkungen) ohne zeitliche Begrenzungen des Erblassers an die Beklagte und Schenkungen, die ausgleichungs- und / oder anrechnungspflichtig sind,
e) über Verträge zugunsten Dritter, die der Erblasser abgeschlossen hat, insbesondere im Bereich von Bankkonten, sonstigen Forderungen, als auch im Bereich von Lebensversicherungen u. a.,
f) Lebensversicherungsverträge, die entweder an die Beklagte abgetreten worden sind oder in denen ein Bezugsrecht enthalten war oder ist, einschließlich der auf diese Verträge ab Abtretung bzw. Bezugsrechtsumschreibung erfolgten Prämienzahlungen und zu den jeweiligen Zeitpunkten vorhandenen Rückkaufswerte,
g) eventuelle Forderungen, die der Erblasser aus einer getätigten Geschäftsbesorgung gegen die Beklagte oder einen Dritten erworben haben könnte,
h) die Konten, die der Erblasser gemeinschaftlich mit der Beklagten oder sonstigen Dritten hatte,
i) kreditsichernde Lebensversicherungen, die der Erblasser abgeschlossen hatte,
j) den Güterstand, in dem der Erblasser lebte, gegebenenfalls unter Vorlage des Ehevertrages,
k) Mitgliedschaften des Erblassers in Erbengemeinschaften,
l) Beteiligungsverhältnisse an Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften einschließlich der Vorlage geeigneter Belege und Urkunden, insbesondere Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre, Gesellschaftsverträge, Liste der Gesellschafter mit Angabe der Beteiligungsverhältnisse, Satzung etc., die für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind,
m) für den Fall, dass der Erblasser im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratet war, die Vermögensverhältnisse des Ehepartners, soweit diese nicht Vorbehaltsgut darstellen,
und zwar durch Vorlage eines von einem Notar – im Beisein des Klägers – aufgenommenen, systematischen Verzeichnisses nebst Belegen, insbesondere Kontenblätter, Sparbücher, Einkommenssteuererklärung, Einkommenssteuerbescheide, Erbschaftssteueranzeigen, Bescheide über die einheitlich und gesonderte Feststellung eines Gewinns, soweit diese für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind.
2. Die Beklagte wird verurteilt, für den Fall, dass das Bestandsverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wird, zu Protokoll des Gerichts an Eides statt zu versichern, dass sie den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte insbesondere über lebzeitige Schenkungen und Vorempfänge sowie des Güterstandes, in dem der Erblasser gelebt hat, nach bestem Wissen so vollständig angegeben habe, wie die Beklagte dazu in der Lage war.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Wert der Nachlassgegenstände zum Zeitpunkt des Todes sowie der ergänzungs- und / oder ausgleichungspflichtigen Zuwendungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Zuwendung zu ermitteln.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den sich anhand der nach Ziff. 1 zu erteilenden Auskunft errechnenden Betrag nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 21.01.2015 zu bezahlen.
Mit Schriftsatz vom 02.11.2015 beantragte er hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, auf Kosten des Klägers Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am … mit letztem Wohnsitz in …, verstorbenen …, geboren am …, zum Zeitpunkt des Erbfalls, und zwar insbesondere auch über
a) Schenkungen an Dritte aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall, einschließlich Anstands- und Pflichtschenkungen sowie gemischter Schenkungen,
b) Ausstattungen, die der Erblasser gewährt hat,
c) Schenkungen ohne zeitliche Beschränkung, die unter dem Wohnrechts- bzw. Nießbrauchsvorbehalt erfolgt sind, dies gilt sowohl für Grundvermögen und im betrieblichen Bereich,
d) Schenkungen (einschließlich gemischter Schenkungen) ohne zeitliche Begrenzungen des Erblassers an die Beklagte und Schenkungen, die ausgleichungs- und / oder anrechnungspflichtig sind,
e) über Verträge zugunsten Dritter, die der Erblasser abgeschlossen hat, insbesondere im Bereich von Bankkonten, sonstigen Forderungen, als auch im Bereich von Lebensversicherungen u. a.,
f) Lebensversicherungsverträge, die entweder an die Beklagte abgetreten worden sind oder in denen ein Bezugsrecht enthalten war oder ist, einschließlich der auf diese Verträge ab Abtretung bzw. Bezugsrechtsumschreibung erfolgten Prämienzahlungen und zu den jeweiligen Zeitpunkten vorhandenen Rückkaufswerte,
g) eventuelle Forderungen, die der Erblasser aus einer getätigten Geschäftsbesorgung gegen die Beklagte oder einen Dritten erworben haben könnte,
h) die Konten, die der Erblasser gemeinschaftlich mit der Beklagten oder sonstigen Dritten hatte,
i) kreditsichernde Lebensversicherungen, die der Erblasser abgeschlossen hatte,
j) den Güterstand, in dem der Erblasser lebte, gegebenenfalls unter Vorlage des Ehevertrages,
k) Mitgliedschaften des Erblassers in Erbengemeinschaften,
l) Beteiligungsverhältnisse an Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften einschließlich der Vorlage geeigneter Belege und Urkunden, insbesondere Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre, Gesellschaftsverträge, Liste der Gesellschafter mit Angabe der Beteiligungsverhältnisse, Satzung etc., die für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind,
m) für den Fall, dass der Erblasser im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratet war, die Vermögensverhältnisse des Ehepartners, soweit diese nicht Vorbehaltsgut darstellen,
und zwar durch Vorlage eines von einem Notar – im Beisein des Klägers – aufgenommenen, systematischen Verzeichnisses nebst Belegen, insbesondere Kontenblätter, Sparbücher, Einkommenssteuererklärung, Einkommenssteuerbescheide, Erbschaftssteueranzeigen, Bescheide über die einheitlich und gesonderte Feststellung eines Gewinns, soweit diese für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind.
Der Kläger beantragte zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am … mit letztem Wohnsitz in …, verstorbenen …, geboren am …, zum Zeitpunkt des Erbfalls, und zwar insbesondere auch über
a) Schenkungen an Dritte aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall, einschließlich Anstands- und Pflichtschenkungen sowie gemischter Schenkungen,
b) Ausstattungen, die der Erblasser gewährt hat,
c) Schenkungen ohne zeitliche Beschränkung, die unter dem Wohnrechts- bzw. Nießbrauchsvorbehalt erfolgt sind, dies gilt sowohl für Grundvermögen und im betrieblichen Bereich,
d) Schenkungen (einschließlich gemischter Schenkungen) ohne zeitliche Begrenzungen des Erblassers an die Beklagte und Schenkungen, die ausgleichungs- und / oder anrechnungspflichtig sind,
e) über Verträge zugunsten Dritter, die der Erblasser abgeschlossen hat, insbesondere im Bereich von Bankkonten, sonstigen Forderungen, als auch im Bereich von Lebensversicherungen u. a.,
f) Lebensversicherungsverträge, die entweder an die Beklagte abgetreten worden sind oder in denen ein Bezugsrecht enthalten war oder ist, einschließlich der auf diese Verträge ab Abtretung bzw. Bezugsrechtsumschreibung erfolgten Prämienzahlungen und zu den jeweiligen Zeitpunkten vorhandenen Rückkaufswerte,
g) eventuelle Forderungen, die der Erblasser aus einer getätigten Geschäftsbesorgung gegen die Beklagte odereinen Dritten erworben haben könnte,
h) die Konten, die der Erblasser gemeinschaftlich mit der Beklagten oder sonstigen Dritten hatte,
i) kreditsichernde Lebensversicherungen, die der Erblasser abgeschlossen hatte,
j) den Güterstand, in dem der Erblasser lebte, gegebenenfalls unter Vorlage des Ehevertrages,
k) Mitgliedschaften des Erblassers in Erbengemeinschaften,
l) Beteiligungsverhältnisse an Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften einschließlich der Vorlage geeigneter Belege und Urkunden, insbesondere Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre, Gesellschaftsverträge, Liste der Gesellschafter mit Angabe der Beteiligungsverhältnisse, Satzung etc., die für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind,
m) für den Fall, dass der Erblasser im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratet war, die Vermögensverhältnisse des Ehepartners, soweit diese nicht Vorbehaltsgut darstellen,
und zwar durch Vorlage eines von einem Notar – im Beisein des Klägers – aufgenommenen, systematischen Verzeichnisses nebst Belegen, insbesondere Kontenblätter, Sparbücher, Einkommenssteuererklärung, Einkommenssteuerbescheide, Erbschaftssteueranzeigen, Bescheide über die einheitlich und gesonderte Feststellung eines Gewinns, soweit diese für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Wert der Nachlassgegenstände zum Zeitpunkt des Todes sowie der ergänzungs- und / oder ausgleichungspflichtigen Zuwendungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Zuwendung zu ermitteln.
Hilfsweise wird beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, auf Kosten des Klägers Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am … mit letztem Wohnsitz in …, verstorbenen …, geboren am …, zum Zeitpunkt des Erbfalls, und zwar insbesondere auch über
a) Schenkungen an Dritte aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall, einschließlich Anstands- und Pflichtschenkungen sowie gemischter Schenkungen,
b) Ausstattungen, die der Erblasser gewährt hat,
c) Schenkungen ohne zeitliche Beschränkung, die unter dem Wohnrechts- bzw. Nießbrauchsvorbehalt erfolgt sind, dies gilt sowohl für Grundvermögen und im betrieblichen Bereich,
d) Schenkungen (einschließlich gemischter Schenkungen) ohne zeitliche Begrenzungen des Erblassers an die Beklagte und Schenkungen, die ausgleichungs- und / oder anrechnungspflichtig sind,
e) über Verträge zugunsten Dritter, die der Erblasser abgeschlossen hat, insbesondere im Bereich von Bankkonten, sonstigen Forderungen, als auch im Bereich von Lebensversicherungen u. a.,
f) Lebensversicherungsverträge, die entweder an die Beklagte abgetreten worden sind oder in denen ein Bezugsrecht enthalten war oder ist, einschließlich der auf diese Verträge ab Abtretung bzw. Bezugsrechtsumschreibung erfolgten Prämienzahlungen und zu den jeweiligen Zeitpunkten vorhandenen Rückkaufswerte,
g) eventuelle Forderungen, die der Erblasser aus einer getätigten Geschäftsbesorgung gegen die Beklagte oder einen Dritten erworben haben könnte,
h) die Konten, die der Erblasser gemeinschaftlich mit der Beklagten oder sonstigen Dritten hatte,
i) kreditsichernde Lebensversicherungen, die der Erblasser abgeschlossen hatte,
j) den Güterstand, in dem der Erblasser lebte, gegebenenfalls unter Vorlage des Ehevertrages,
k) Mitgliedschaften des Erblassers in Erbengemeinschaften,
l) Beteiligungsverhältnisse an Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften einschließlich der Vorlage geeigneter Belege und Urkunden, insbesondere Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre, Gesellschaftsverträge, Liste der Gesellschafter mit Angabe der Beteiligungsverhältnisse, Satzung etc., die für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind,
m) für den Fall, dass der Erblasser im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratet war, die Vermögensverhältnisse des Ehepartners, soweit diese nicht Vorbehaltsgut darstellen,
und zwar durch Vorlage eines von einem Notar – im Beisein des Klägers – aufgenommenen, systematischen Verzeichnisses nebst Belegen, insbesondere Kontenblätter, Sparbücher, Einkommenssteuererklärung, Einkommenssteuerbescheide, Erbschaftssteueranzeigen, Bescheide über die einheitlich und gesonderte Feststellung eines Gewinns, soweit diese für eine sachgerechte Prüfung erforderlich sind.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte meint, sie sei aufgrund der Dürftigkeit des Nachlasses im Sinne von § 1990 I BGB berechtigt, den Anspruch auf ein amtliches Nachlassverzeichnis zu verweigern. Gegen den Hilfsantrag werde der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung sowie der Einwand der Verwirkung erhoben.
Das Gericht hat dem Kläger mit Verfügung vom 03.06.2015 eine Frist zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung binnen zwei Wochen unter Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis gesetzt. Die Verfügung nebst Klageerwiderung ist dem Kläger am 08.06.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Eine Stellungnahme erfolgte erst nach der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2015 mit Schriftsatz vom 07.12.2015, bei Gericht eingegangen am 10.12.2015.
Im Übrigen wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.
Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch durch Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Verzeichnisses gemäß § 2314 I 3 BGB gegen die Beklagte nicht zu.
Die Beklagte durfte aufgrund Dürftigkeit des Nachlasses die Einholung eines kostenpflichtigen notariellen Nachlassverzeichnisses gemäß § 1990 1 I BGB analog verweigern.
Deckt ein Nachlass nicht einmal die Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis, so kann der pflichtteilsberechtigte Nichterbe die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht verlangen (OLG Schleswig, Beschluss vom 30.07.2010 – 3 W 48/10; Palandt, BGB, 75. Auflage 2016, § 2314 Rn. 18). § 1990 l 1 BGB regelt den Fall, dass eine die Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens deckende Masse fehlt und deshalb die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht tunlich ist oder dass aus diesem Grund die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt worden ist.
Die Regelung kann auf den Fall, dass bei notleidendem Nachlass ein notarielles Nachlassverzeichnis gefordert wird, übertragen werden. Für diesen Fall fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Jedoch besteht auch hier die Interessenlage, bei einem ohnehin schon notleidenden Nachlass weitere Nachlasskosten zu vermeiden. Dem steht auch kein schutzwürdiges Interesse des Klägers entgegen, da diesem bereits Auskunft durch ein privates Nachlassverzeichnis erteilt wurde.
Zwar kann ein Erbe sich gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Nichterben wegen eines Auskunftsanspruchs aus § 2314 I BGB nicht auf die Haftungsbeschränkung oder Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Dies gilt jedoch nicht, soweit die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses begehrt wird. Für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses fallen Kosten an, die gemäß § 2314 II BGB der Nachlass trägt. Dasselbe gilt für die Kosten einer Wertermittlung nach § 2314 I 2 BGB. Diese Kostenpositionen stellen Nachlassverbindlichkeiten dar.
Der Nachlass ist vorliegend notleidend. Der Vortrag der Beklagtenseite, wonach die Passiva die Aktiva deutlich übersteigen, wurde von Klägerseite nicht bestritten und ist somit als zugestanden anzusehen, § 138 III ZPO.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger im Klageschriftsatz vorträgt, er gehe davon aus, dass ihm im Ergebnis ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von wenigstens 7.500,00 € zustehe. Der Beklagte hat unstreitig ein Nachlassverzeichnis mit Wertangaben vorgelegt, das eine detaillierte Auflistung enthält und ergibt, dass die Aktiva, die Passiva übersteigen. Allein die pauschale, nicht näher begründete Vermutung, dem Kläger stünden dennoch Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche zu, genügt nicht, um Zweifel an der Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses zu begründen.
Etwaige Anhaltspunkte dafür, dass das Nachlassverzeichnis unrichtig sein soll, werden von Klägerseite ebenfalls nicht substantiiert vorgetragen. Soweit der Kläger behauptet, der Erblasser habe ein Hausgrundstück gehabt, das auf Umwegen – mutmaßlich unentgeltlich – bei der Beklagten in das Eigentum der Beklagten gelangt sei, fehlt es diesem Vortrag an Substanz. Die vage Vermutung reicht nicht aus, um Zweifel an der Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses zu begründen. Vielmehr hätte die Beklagte Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ergibt, dass das Nachlassverzeichnis falsch ist bzw. dass ein Gegenstand fehlerhaft oder gar nicht berücksichtigt wurde. Allein der pauschale Hinweis auf eine mutmaßlich unentgeltliche Übertragung eines nicht näher bezeichneten Hauses ohne konkrete Anhaltspunkte genügt diesen Anforderungen nicht. Der Vortrag ist nicht einlassungsfähig und wurde auch im Laufe des Verfahrens nicht konkretisiert, da abgesehen von dem Klageschriftsatz ein weiterer Sachvortrag bis zum Ende der mündlichen Verhandlung durch die Klägerseite trotz Hinweises der Beklagten, dass der Vortrag hinsichtlich des Hauses in dieser Form nicht nachvollziehbar sei, nicht erfolgte.
Soweit der Kläger seinen Vortrag mit Schriftsatz vom 07.12.2015, bei Gericht eingegangen am 10.12.2015, konkretisiert, kann dieser Vortrag nach § 296 a S. 1 ZPO keine Berücksichtigung finden. Der Vortrag erfolgte nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, die am 03.11.2015 stattgefunden hat. Eine Schriftsatzfrist wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Unabhängig davon wurde bereits mit Verfügung des Gerichts vom 03.06.2015 eine Frist zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung, in der die Behauptung, das Hausgrundstück sei auf Umwegen, mutmaßlich unentgeltlich, in das Eigentum der Beklagten gelangt, bestritten wurde, gesetzt. Die im Schriftsatz des Klägers vom 07.12.2015 enthaltenen Ausführungen geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Es war auch nicht veranlasst, den Kläger zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 27.11.2015 anzuhören, da dieser lediglich Rechtsausführungen enthielt und die Problematik des Hauses bereits in der Klageerwiderung vom 01.06.2015 thematisiert wurde, worauf eine Stellungnahme nicht erfolgte.
2.
Es besteht auch kein Anspruch auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände zum Zeitpunkt des Todes sowie der ergänzungs- und / oder ausgleichspflichtigen Zuwendungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Zuwendung.
Der Anspruch aus § 2314 I 2 BGB ist durch Erfüllung erloschen, § 362 I BGB. Die Beklagte hat unstreitig ein Nachlassverzeichnis mit Wertangaben vorgelegt. Einwände gegen diese Wertangaben oder eine etwaige Unvollständigkeit der Angaben werden von Seiten des Klägers nicht vorgetragen.
II.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
Ein Anspruch auf Auskunft durch ein notarielles Nachlassverzeichnis ergibt sich auch nicht mit der Einschränkung, dass die Auskunft auf Kosten des Klägers erteilt werden soll.
Der Antrag ist nicht geeignet, die Einrede nach § 1990 I BGB auszuschließen. Er zielt nach wie vor darauf ab, dass die Beklagte verurteilt wird, Auskunft durch ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erteilen. Gemäß § 29 Nr. 1 GNotKG würde die Beklagte damit auch in dieser Konstellation Kostenschuldnerin werden.
Die Auslegung des Antragswortlauts „auf Kosten des Klägers“ ist unklar. Diese könnte zum einen so ausgelegt werden, dass der Kläger sich verpflichtet, die Kostenschuld gegenüber dem Notar zu übernehmen. Dies würde ihn nach § 29 Nr. 2 GNotKG ebenfalls zum Kostenschuldner machen, was im Ergebnis zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Parteien gemäß § 32 I GNotKG führen würde. Dies hätte wiederum zur Folge, dass die Beklagte gemäß § 421 I BGB in voller Höhe in Anspruch genommen werden könnte und dann lediglich die Möglichkeit hätte, den Kläger auf Ausgleich der Gesamtschuld gemäß § 426 BGB in Anspruch zu nehmen. Zum anderen könnte die Formulierung so ausgelegt werden, dass damit lediglich ein Regressanspruch der Beklagten gegen den Kläger gewollt ist und es bei der Kostenschuld nach § 29 Nr. 1 GNotKG bleiben solle.
Mit der Regelung wird in keiner der beiden Auslegungsvarianten verhindert, dass die Kosten für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses nach wie vor gemäß § 2314 II BGB dem Nachlass zur Last fallen. Die Beklagte muss sich nicht auf einen Regressanspruch gegen den Kläger verweisen lassen, zumal sie damit dem Nachteil ausgesetzt wäre, dessen Insolvenzrisiko zu tragen.
Auf die Frage, inwiefern es sich um eine unzulässige Rechtsausübung handelt bzw. Verwirkung eingetreten ist, muss daher nicht näher eingegangen werden.
B.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 I ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.