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Notarielles Nachlassverzeichnis – Zwangsvollstreckung bei Unvollständigkeit

OLG Koblenz – Az.: 1 W 65/18 – Beschluss vom 30.04.2018

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 9.2.2018 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 26.1.2018, Az. 4 O 101/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Schuldner ist mit Teilurteil des Landgerichts Koblenz vom 6.10.2016, 4 O 101/16, unter Ziffer 1 verurteilt worden, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 6.2.2013 in …[Z] verstorbenen Erblasserin Frau …[A], geboren am …7.1939, zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zum Stichtag 6.2.2013, welches insbesondere die folgenden Punkte umfasst:

  • Nachlass bestand [richtig: Nachlassbestand] zum Todestag wobei die einzelnen Nachlassgegenstände so genau zu beschreiben sind, dass eine Bewertung möglich ist;
  • alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (aktiver [richtig: Aktiva]) des realen Nachlassbestands [richtig: Nachlassbestands];
  • soweit Immobilien sich im Nachlass befinden, sind diese im Einzelnen anzugeben und es ist durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der Wert zu ermitteln;
  • soweit Geldmittel sich im Nachlass befinden, ist vorgefundenes Bargeld anzugeben und bei Konten sind die Mitteilungen des Kreditinstituts an die Finanzverwaltung im Rahmen des ErbStG (Erbschaftssteuermitteilung) vorzulegen;
  • alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser-/Erbfallschulden);
  • alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat, einschließlich sämtlicher Nachlass fiktiver [richtig: Nachlassfiktiva], insbesondere Schenkungen der Erblasserin während der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall an Dritte sowie während der Ehe an den Beklagten oder bei Nießbrauchsvorbehalt auch außerhalb von zehn Jahren vor dem Tod der Erblasserin;
  • sämtliche Lebensversicherungsverträge und Verträge zugunsten Dritter, wobei die Namen der Begünstigten und die vertraglichen Regelungen zu offenbaren sind;
  • den Güterstand, in dem die Erblasserin verheiratet gewesen ist.

Zur Erzwingung der Erfüllung dieser Verpflichtung wird gegen den Schuldner ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € verhängt, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100 € ein Tag Zwangshaft.

Die Vollstreckung des Zwangsmittels entfällt, sobald der Schuldner der obigen Verpflichtung nachgekommen ist.

Die Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger (Gläubiger) verfolgt gegenüber dem Beklagten (Schuldner) Pflichtteilsansprüche nach dem Tod seiner Mutter (Erblasserin). Der Beklagte ist der zweite Ehemann der Erblasserin und deren Erbe.

Der Kläger nimmt den Beklagten vor dem Landgericht Koblenz, Az. 4 O 101/16, im Wege der Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft und auf Zahlung des Pflichtteils in Anspruch. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 6.10.2016 verurteilte das Landgericht Koblenz den Beklagten unter anderem, Auskunft über den Bestand des Nachlass der Erblasserin durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen (Bl. 64 GA). Eine Ausfertigung des Urteils wurde den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 12.10.2016 zugestellt (Bl. 73 GA). Dem Kläger wurde am 14.11.2016 eine vollstreckbare Ausfertigung des Teilurteils erteilt (Bl. 76 GA).

Der Kläger betreibt aus diesem Titel die Zwangsvollstreckung. Mit am 14.12.2016 bei dem Landgericht Koblenz eingegangenen Schriftsätzen vom 13.12.2016 und 14.12.2016 (Bl. 77,118 GA) hat der Kläger die „Androhung“ eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, beantragt. Das von dem Beklagten vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis vom 9.1.2018 (Anlage B5) sei unvollständig. Die dortigen Angaben korrespondierten nicht mit dem Umstand, dass die Erblasserin, welche einen äußerst sparsamen Lebenswandel geführt habe, ihrerseits ihren am 21.7.2010 verstorbenen Bruder …[B] beerbt und der Nachlass sich, zurückgerechnet von der gezahlten Erbschaftssteuer von knapp 46.000 €, auf zumindest rund 230.000 € belaufen habe. Der Notar sei in diesem Zusammenhang seiner Pflicht, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eigene Nachforschungen anzustellen, nicht hinreichend nachgekommen, insbesondere habe er nicht die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre eingesehen und berücksichtigt.

Der Beklagte bestreitet eine Erbschaft der Erblasserin in Höhe von 250.000 €, bezeichnet dies als „Hirngespinst“ des Klägers und seiner Geschwister, sowie er darauf verweist, über keine Kontoauszüge betreffend die Jahre 2010 bis 2013 zu verfügen, sowie ihm kein Erbschaftssteuerbescheid betreffend den Erbfall des Herrn …[B] vorliege.

Der Antrag aus dem Schriftsatz vom 14.12.2016 wurde zurückgenommen (Bl. 87 GA). Den Antrag aus dem Schriftsatz vom 13.12.2016 hat das Landgericht Koblenz mit Beschluss vom 26.1.2018 (Bl. 130 GA), welcher dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 6.2.2018 (Bl. 135 GA) zugestellt wurde, zurückgewiesen, weil die Verpflichtung zur Auskunft durch die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 9.1.2017 erfüllt sei. Der Notar habe ausweislich der Dokumentation im Nachlassverzeichnis auch eigene Ermittlungen bei Kreditinstituten und Grundbuchämtern durchgeführt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde vom 9.2.2018 (Bl. 145, 163 GA), mit welcher er die Festsetzung des Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, weiterverfolgt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist weit überwiegend begründet.

1.

Bei dem Antrag des Kläger auf „Androhung“ eines Zwangsgeldes handelt es sich, wie aus der Beschwerdebegründung (Bl. 163 GA) ersichtlich, um einen Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung.

Im Übrigen wäre auch der Antrag auf „Androhung“ eines Zwangsgeldes dahin auszulegen gewesen, dass es sich um eine Antragstellung nach § 888 ZPO handelt (vgl. OLG Köln, MDR 1982, 589).

2.

Die sofortige Beschwerde hat weit überwiegend Erfolg.

a.

Der Antrag des Beschwerdeführers nach § 888 ZPO ist begründet.

Bei der titulierten Verpflichtung zur Auskunft über den Nachlassbestand durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses handelt es sich um eine nicht vertretbare Handlung im Sinne dieser Vorschrift. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt (§§ 704, 724 Abs. 1, 725, 750 Abs. 1 ZPO).

b.

Der Einwand des Schuldners, den vollstreckbaren Anspruch erfüllt zu haben, welcher auch im Verfahren nach § 888 ZPO zu berücksichtigen ist (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 888 Rn. 11 m.w.N.), erweist sich als unbegründet. Das vorgelegte Nachlassverzeichnis des Notars Dr. …[K] vom 9.1.2017, UR.-Nr. 39/2017, entspricht nicht der titulierten Verpflichtung des Schuldners.

aa.

Der Maßstab für die Beurteilung, ob die Auskunft vollständig gegeben wurde, wird nicht durch die Pflichten bestimmt, die den Notar bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses treffen, sondern richten sich nach dem Kenntnisstand und den Erkenntnismöglichkeiten des Auskunftspflichtigen. Die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses betrifft lediglich die für die Erfüllung der Auskunftspflicht vorgegebenen Form. Die zu deren Einhaltung erforderliche Mitwirkung des Notars ändert nichts daran, dass auch das notarielle Nachlassverzeichnis eine Erfüllung der Auskunftspflicht des Erben ist, der die Verantwortung für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit trägt (OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.8.2009 – 12 W 1364/09, Rn. 15, juris; Palandt/Weidlich, 77. Aufl., BGB, § 2314 Rn. 7).

Bei anderer Betrachtung würde der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses in sein Gegenteil verkehrt. Die Aufnahme des Verzeichnisses durch eine Amtsperson soll dem Pflichtteilsberechtigten einen höheren Grad an Richtigkeit der Auskunft gewährleisten als die Privatauskunft des Erben (OLG Koblenz, Beschluss vom 18.3.2014 – 2 W 495/13 – Rn. 20, juris). Dem widerspräche es, wenn der Erbe durch das, den notariellen Ermittlungen verborgen gebliebene, Zurückhalten von Informationen oder dadurch, dass er den Auftrag an den Notar beschränkt, den Umfang seiner Auskunft gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten einschränken könnte.

Ausgehend hiervon hat der Kläger mit dem Vortrag, dass die Erblasserin ihrerseits im Jahr 2010 nach ihrem Bruder ein Erbe in Höhe von zumindest rund 230.000 € angetreten, und dieses aufgrund eines sparsamen Lebenswandels nicht aufgebraucht haben könne, schlüssig Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass der Beklagte seine Auskunftspflicht noch nicht erfüllt hat. Denn die im notariellen Verzeichnis vom 9.1.2017 aufgeführten unentgeltlichen Verfügungen sind nicht geeignet, ein Abschmelzen dieses durch das Erbe erlangten Vermögens zu erklären, zumal diese Verfügungen in den Jahren 1996 bis 2009 vorgenommen wurden und damit den Zeitraum vor dem Erbfall betreffen. Das Nachlassverzeichnis weist auch für den Zeitraum ab 2010 keinen Grunderwerb aus und führt neben dem Kontoguthaben in Höhe von insgesamt 165.898,35 € keine werthaltigen sonstigen Vermögensgegenstände auf.

Der Beklagte hat den detaillierten Vortrag des Klägers auch nicht erheblich bestritten. Das Bestreiten und der Vortrag sind vielmehr ausweichend. So wird die Erbschaft der Erblasserin selbst nicht Abrede gestellt, sondern nur ein konkreter Nachlasswert bestritten. Ansonsten wird der klägerische Vortrag lediglich pauschal als „Hirngespinst“ abqualifiziert und darauf verwiesen, dass der betreffende Erbschaftssteuerbescheid und Kontoauszüge für die Jahre 2010 bis 2013 nicht vorlägen – letzteres in Verkennung des Umstandes, dass sich der Beklagte als Erbe nicht auf fehlende Auszüge über Konten der Erblasserin berufen kann. Ihm ist aufgrund seiner Stellung als Erbe die eigenständige Einholung dieser Kontoauszüge möglich und im Rahmen der Auskunftserteilung auch zumutbar, denn er hat sich das zur Auskunftserteilung erforderliche Wissen zu verschaffen und an der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses aktiv mitzuwirken (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.8.2009 – 12 W 1364/09; Staudinger/Stephanie Herzog (2015), BGB, § 2314 Rn. 28).

bb.

Soweit der Kläger in Frage stellt, ob das derzeit vorliegende notarielle Nachlassverzeichnis überhaupt eine formal ordnungsgemäße Auskunftserteilung darstellt, da der beauftragte Notar die geforderten eigenständigen Ermittlungen, wie z.B. Einsichtnahme in die Kontoauszüge und Bankunterlagen für einen Zeitraum von 10 Jahren (vgl. hierzu OLG Koblenz a.a.O. Rn. 25, 26), nicht getätigt habe, erscheint dies angesichts des Umstandes, dass das Nachlassverzeichnis sich in weiten Teilen, unter anderem hinsichtlich der unentgeltlichen Verfügungen, ausschließlich in der Wiedergabe der Angaben des Beklagten erschöpft, nicht von vornherein unbegründet. Ein weitgehend auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben beschränktes notarielles Nachlassverzeichnis bringt dem Gläubiger nicht denjenigen Vorteil gegenüber der Privatauskunft, den das Gesetz bezweckt (OLG Koblenz a.a.O. Rn. 20). Letztlich bedarf die Frage, ob hier eine formal ordnungsgemäße Auskunft vorliegt, keiner Entscheidung, da bereits aus den unter Ziffer 2.b.aa. ausgeführten Gründen die Auskunftspflicht nicht erfüllt ist.

c.

Der Anordnung des Zwangsgeldes steht auch nicht entgegen, dass der Kläger von dem Beklagten gemäß Teilurteil vom 6.10.2016 die eidesstattliche Versicherung über die Vollständigkeit

der Auskunft verlangen könnte, da es im derzeitigen Verfahrensstand noch um die Erfüllung des Auskunftsanspruchs geht.

3.

Die sofortige Beschwerde kann gleichwohl nicht vollständig Erfolg haben, da der Urteilstenor infolge textlicher Unzulänglichkeit nicht in Gänze vollstreckbar ist. Neben kleineren textlichen, und im Wege der Auslegung sich erschließender Unschärfen, die im Tenor jeweils durch einen Klammerzusatz in Gestalt der Zeichen [ ] entsprechend korrigiert wurden, entbehrt die titulierte Verpflichtung, Auskunft u.a. zu dem Punkt zu erteilen:

„alle unter Abkömmlingen entsprechend §§ 2050 ff., 2057 und 2316 BGB grundsätzlich aus Bestellscheinen Zuwendungen, die die Erblasserin zu Lebzeiten an ihre Abkömmlinge getätigt hat“

jeglichen Sinns und enthält keinen vollstreckbaren Inhalt.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

5.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach dem Interesse des Beschwerdeführers an der Auskunft. Dieses ist regelmäßig nur mit einem Bruchteil des angesetzten Streitwertes der Stufenklage zu veranschlagen und wird hier mit 1/5 des Streitwertes der Stufenklage (50.000 €) bemessen.

 

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