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Notarielles Testament reicht nicht für Alleineigentümer-Eintragung bei Zweifeln

Ein Alleinerbe in spe forderte die Grundbuchberichtigung ohne Erbschein und legte dafür notarielle Ausschlagungserklärungen der Miterben vor. Trotz dieser öffentlichen Urkunden blieb das Grundbuchamt unnachgiebig und forderte zur endgültigen Klärung überraschend einen Erbschein.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 W 59/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
  • Datum: 16.09.2025
  • Aktenzeichen: 5 W 59/25
  • Verfahren: Grundbuchbeschwerde
  • Rechtsbereiche: Grundbuchrecht, Erbrecht

  • Das Problem: Ein Miterbe wollte nach dem Tod der Mutter als alleiniger Eigentümer im Grundbuch stehen. Er legte dafür ein notarielles Testament und Urkunden über die Ausschlagung der Miterben vor. Das Grundbuchamt forderte dennoch einen Erbschein als zusätzlichen Nachweis.
  • Die Rechtsfrage: Kann das Grundbuchamt einen Erbschein verlangen, wenn es Zweifel an der Erbfolge gibt, weil neben einem notariellen Testament ein späteres privates Testament existiert und die Wirksamkeit der Erbausschlagungen unklar ist?
  • Die Antwort: Ja. Die Beschwerde des Miterben wurde zurückgewiesen. Öffentliche Testamente ersetzen den Erbschein nicht, wenn konkrete Zweifel an der tatsächlichen Erbfolge oder der Wirksamkeit von Ausschlagungen bestehen.
  • Die Bedeutung: Das Grundbuchamt muss die Eintragung von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen, sobald die Erbfolge durch widersprüchliche Testamente oder unsichere Ausschlagungen kompliziert wird. Fragen zur Annahme der Erbschaft vor einer Ausschlagung müssen immer im Erbscheinverfahren geklärt werden.

Grundbuchberichtigung ohne Erbschein: Warum ausgeschlagene Miterben den Alleinerben ausbremsen können

Ein notarielles Testament und beglaubigte Urkunden über die Erbausschlagung der Geschwister – für einen Sohn schien der Weg ins Grundbuch als alleiniger Eigentümer klar vorgezeichnet. Doch das Grundbuchamt stellte sich quer und verlangte einen Erbschein. In einer Entscheidung vom 16. September 2025 (Az.: 5 W 59/25) musste das Oberlandesgericht Saarbrücken klären, wann die formale Perfektion von Urkunden nicht ausreicht, um die materielle Rechtslage zweifelsfrei nachzuweisen, und warum das Grundbuchamt in solchen Fällen auf einem Erbschein bestehen darf.

Was genau war geschehen?

Die Spitze eines Kugelschreibers deutet auf einen Widerspruch zwischen einem offiziellen und einem handschriftlichen Testament.
Erbschein trotz Ausschlagung: Grundbuchamt verlangt Beweis der korrekten Erbfolge. | Symbolbild: KI

Am 14. April 2024 verstarb die im Grundbuch als Alleineigentümerin einer Immobilie eingetragene Frau L. Sie hinterließ drei Kinder. Bereits im Jahr 2002 hatte sie in einem notariellen Testament verfügt, dass ihre drei Kinder zu gleichen Teilen, also zu je einem Drittel, erben sollten. Dieses Testament regelte auch detailliert, wer an die Stelle eines Kindes treten würde, sollte dieses vor der Erblasserin versterben oder das Erbe nicht annehmen (sogenannte Ersatzerben).

Nach dem Tod der Mutter wurde dieses notarielle Testament offiziell eröffnet. Zunächst schien alles nach Plan zu laufen: Die drei Kinder wurden als Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Doch kurz darauf, im Juni 2024, erklärten zwei der drei Kinder notariell beurkundet die Ausschlagung der Erbschaft. Einer von ihnen tat dies auch im Namen seiner eigenen Kinder. Damit schien der Weg frei für den verbliebenen Sohn, das alleinige Erbe anzutreten und als alleiniger Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu werden. Er stellte am 4. Juni 2025 einen entsprechenden Antrag auf Grundbuchberichtigung und legte dem Amt alle relevanten Urkunden vor: das notarielle Testament, das Protokoll über dessen Eröffnung und die notariellen Ausschlagungserklärungen.

Die Sache hatte jedoch einen Haken. Neben dem notariellen Testament von 2002 existierte eine weitere, handschriftliche Verfügung der Mutter aus dem Jahr 2011. Darin hatte sie zwar ihre frühere Verfügung bekräftigt, aber eine wichtige Ergänzung gemacht: Die Kinder ihrer Tochter sollten ausdrücklich nicht als Ersatzerben in Betracht kommen. Angesichts dieses zweiten Testaments und der komplexen Situation durch die Ausschlagungen hegte das Grundbuchamt Zweifel. Es forderte den Sohn mittels einer sogenannten Zwischenverfügung auf, einen Erbschein vorzulegen. Nur dieser könne die Erbfolge zweifelsfrei klären. Der Sohn wehrte sich dagegen mit einer Beschwerde. Er war der Meinung, seine vorgelegten öffentlichen Urkunden seien Beweis genug.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Im Zentrum dieses Falles steht das Spannungsfeld zweier Vorschriften der Grundbuchordnung (GBO). Das Grundbuchamt hat die Aufgabe, die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken verlässlich zu dokumentieren. Stirbt ein eingetragener Eigentümer, wird das Grundbuch „unrichtig“ und muss berichtigt werden (§ 22 GBO).

Für den Nachweis, wer der neue Eigentümer ist, gilt eine klare Regel: Grundsätzlich muss dem Grundbuchamt ein Erbschein vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO). Ein Erbschein ist ein amtliches Zeugnis des Nachlassgerichts, das nach eingehender Prüfung ausweist, wer Erbe geworden ist und wie groß sein Erbteil ist.

Das Gesetz sieht jedoch eine wichtige Ausnahme vor, um Verfahren zu vereinfachen und Kosten zu sparen. Liegt die Erbfolge in einem notariellen Testament oder einem Erbvertrag – also einer „öffentlichen Verfügung von Todes wegen“ – so genügt es in der Regel, dem Grundbuchamt diese Urkunde zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll vorzulegen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO). Der Gedanke dahinter ist, dass eine notarielle Urkunde bereits eine hohe Beweiskraft und Richtigkeitsvermutung für sich beansprucht.

Diese Ausnahme hat aber Grenzen. Sie greift nur dann, wenn sich die Erbfolge eindeutig und ohne begründete Zweifel aus der öffentlichen Urkunde ergibt. Genau hier lag der Knackpunkt des Falles.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Beschwerde des Sohnes zurück und bestätigte die Haltung des Grundbuchamtes. Die Richter stellten klar, dass die Ausnahme vom Erbscheinzwang ein Privileg ist, das nur bei einer absolut klaren und widerspruchsfreien Sachlage gewährt werden kann. Im vorliegenden Fall existierten jedoch gleich zwei gewichtige Gründe für „begründete konkrete Zweifel“, die das Grundbuchamt nicht selbst ausräumen konnte und durfte.

Die Konkurrenz zweier Testamente untergräbt die Eindeutigkeit

Der erste Stolperstein war die Existenz des späteren, handschriftlichen Testaments von 2011. Zwar kann ein notarielles Testament grundsätzlich eine ausreichende Grundlage für die Grundbuchberichtigung sein. Diese Kraft verliert es aber, sobald eine neuere, potenziell abändernde Verfügung auftaucht, die nicht ebenfalls in öffentlicher Form errichtet wurde.

Das Gericht argumentierte, dass die Ausnahme des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO nur dann greift, wenn die Erbfolge allein auf der öffentlichen Urkunde beruht. Durch das private Testament von 2011, das die Ersatzerbenregelung des notariellen Testaments von 2002 änderte, war dies nicht mehr der Fall. Das Grundbuchamt stand nun vor der Aufgabe, das Zusammenspiel zweier Testamente zu bewerten. Ist das handschriftliche Testament gültig? Wie genau ist es auszulegen? Solche Fragen der Testamentsauslegung sind komplex und gehören nicht zu den Aufgaben eines Grundbuchamtes, sondern in die Zuständigkeit des Nachlassgerichts im Erbscheinverfahren. Allein die Existenz dieses zweiten, nicht offensichtlich unwirksamen Testaments schloss die vereinfachte Grundbuchberichtigung aus.

Die Wirksamkeit der Ausschlagungen war nicht zweifelsfrei geklärt

Der zweite, noch entscheidendere Punkt betraf die Ausschlagungen der Geschwister. Der Sohn argumentierte, die notariell beurkundeten Erklärungen seien doch ein eindeutiger Beweis. Das Gericht folgte dem nicht und deckte eine entscheidende juristische Feinheit auf: Die formale Erklärung einer Ausschlagung beweist noch nicht deren Materielle Wirksamkeit.

Eine Erbschaft kann nämlich nicht mehr ausgeschlagen werden, wenn sie zuvor – auch nur durch schlüssiges Verhalten (konkludent) – angenommen wurde (§ 1943 BGB). Hat ein Erbe beispielsweise bereits über Nachlassgegenstände verfügt, Rechnungen vom Konto des Erblassers bezahlt oder sich den Erben gegenüber als neuer „Herr im Haus“ geriert, kann dies als Annahme der Erbschaft gewertet werden. Eine danach erklärte Ausschlagung wäre unwirksam.

Im vorliegenden Fall waren zwischen der Testamentseröffnung Ende April 2024 und den Ausschlagungen Mitte Juni 2024 mehrere Wochen vergangen. Das Gericht sah hier einen ausreichend langen Zeitraum, in dem eine solche Konkludente Annahme durch die beiden anderen Kinder stattgefunden haben könnte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist eine reine Tatfrage. Das Grundbuchamt hat aber weder die Mittel noch den Auftrag, Zeugen zu vernehmen oder Kontobewegungen zu prüfen. Seine Prüfung beschränkt sich auf die vorgelegten Urkunden. Da diese Urkunden die Frage einer möglichen vorherigen Annahme nicht klären konnten, blieb ein Restzweifel bestehen. Und genau dieser Zweifel rechtfertigte die Forderung nach einem Erbschein, denn im Erbscheinverfahren werden solche Tatsachenfragen durch das Nachlassgericht ermittelt und verbindlich geklärt.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Diese Entscheidung verdeutlicht eindrücklich die unterschiedlichen Rollen und Prüfungsmaßstäbe im deutschen Rechtssystem. Sie zeigt, dass formale Korrektheit nicht immer ausreicht, um komplexe Lebenssachverhalte rechtssicher abzubilden, und liefert daraus ableitbare Prinzipien für Erben.

Die erste zentrale Erkenntnis ist, dass der Erbschein das primäre und sicherste Instrument zum Nachweis der Erbfolge bleibt. Er ist mehr als nur ein Stück Papier; er ist das Ergebnis eines gerichtlichen Prüfverfahrens, das Zweifel ausräumt und Rechtsfrieden schafft. Die Möglichkeit, das Grundbuch ohne Erbschein zu berichtigen, ist eine Ausnahme für die absolut unstrittigen und glasklaren Fälle. Sobald widersprüchliche Testamente, unklare Formulierungen oder – wie hier – komplexe Vorgänge wie Ausschlagungen nach einer gewissen Zeitspanne ins Spiel kommen, ist die Grenze dieser Vereinfachung schnell erreicht. Das Festhalten des Grundbuchamtes am Erbschein ist in solchen Fällen kein bürokratischer Formalismus, sondern ein Akt der Rechtssicherheit zum Schutz des gesamten Rechtsverkehrs.

Die zweite wichtige Lehre betrifft die scheinbare Allmacht eines notariellen Testaments im Grundbuchverfahren. Es bietet zweifellos enorme Vorteile und beschleunigt viele Vorgänge. Seine Wirkung kann jedoch durch spätere, sogar formlosere Verfügungen wie ein handschriftliches Testament entscheidend geschwächt werden. Wer also sicherstellen möchte, dass seine notariell beurkundeten Wünsche nach dem Tod schnell und unkompliziert umgesetzt werden, sollte davon absehen, diese durch spätere private Schriftstücke zu modifizieren. Jede Änderung sollte idealerweise in der gleichen rechtssicheren Form erfolgen, um Widersprüche und Auslegungsschwierigkeiten von vornherein zu vermeiden.

Schließlich unterstreicht der Fall die Tücken der Erbausschlagung. Die Entscheidung, ein Erbe nicht anzutreten, ist ein folgenschwerer Schritt mit klaren Fristen. Das Urteil macht jedoch deutlich, dass auch das Verhalten vor der offiziellen Erklärung zählt. Wer als potenzieller Erbe handelt, als wäre er bereits Erbe, kann das Recht zur Ausschlagung verlieren. Dieser Grundsatz schützt Gläubiger und andere Erben davor, dass ein Miterbe sich zunächst die Vorteile des Nachlasses sichert und sich später durch eine Ausschlagung der Verantwortung entzieht. Für Miterbengemeinschaften bedeutet dies, dass die alleinige Stellung eines Erben nach Ausschlagung der anderen erst dann wirklich sicher ist, wenn diese Fragen im Rahmen eines Erbscheinverfahrens geklärt sind.

Die Urteilslogik

Die privilegierte Grundbuchberichtigung ohne Erbschein scheitert, sobald das Gesamtbild der Erbfolge durch unklare Tatsachen oder widersprüchliche Dokumente getrübt wird.

  • Formelle Ausschlagung garantiert nicht die Wirksamkeit: Eine Erbausschlagung bleibt unwirksam, wenn der Erbe die Erbschaft zuvor durch schlüssiges Handeln angenommen hat; die bloße notarielle Form der Ablehnung klärt diesen materiellen Umstand nicht.
  • Rechtssicherheit geht vor Verfahrensvereinfachung: Das Grundbuchamt muss einen Erbschein verlangen, sobald konkrete Zweifel an der Eindeutigkeit der Erbfolge aufkommen, denn es besitzt weder die Zuständigkeit noch die Mittel, komplexe Tatsachenfragen oder die Annahme der Erbschaft zu ermitteln.
  • Spätere Verfügungen entkräften das notarielle Testament: Der Beweiswert eines notariellen Testaments für die sofortige Grundbuchberichtigung sinkt drastisch, sobald eine spätere, nicht ebenfalls notarielle Verfügung die Auslegung der Ersatzerbenregelung erschwert.

Nur das Nachlassgericht besitzt die juristische Kompetenz und die Mittel, um komplexe Erbfälle verbindlich zu klären und damit den Rechtsverkehr zu schützen.


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Experten Kommentar

Viele halten das notarielle Testament für einen Generalschlüssel, der die teure Erbscheinpflicht umgeht. Dieses Urteil zeigt eindrücklich, wo dieser Schlüssel nicht greift: Sobald eine Miterbenausschlagung im Spiel ist, zählt nicht nur die formale Beurkundung. Entscheidend ist die Zeit, die zwischen Erbfall und Ausschlagung vergangen ist, denn das Grundbuchamt schaut genau hin, ob in dieser Phase womöglich schon stillschweigend die Erbschaft angenommen wurde. Für angehende Alleinerben gilt daher: Wer das Verfahren beschleunigen will, muss nicht nur für ein klares Testament sorgen, sondern bei der Ausschlagung der anderen auch handeln wie der Blitz. Jede Unklarheit oder Verzögerung führt konsequent zurück zum Erbscheinverfahren – ganz egal, wie viele Notare schon beteiligt waren.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Reicht ein notarielles Testament zur Grundbuchberichtigung ohne Erbschein aus?

Ein notarielles Testament stellt gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO eine gesetzliche Ausnahme zum Zwang des Erbscheins dar. Es beschleunigt die Grundbuchberichtigung und spart den Erben Kosten. Diese Vereinfachung funktioniert jedoch nur, wenn die Erbfolge absolut widerspruchsfrei und allein auf der notariellen Urkunde beruht. Sobald begründete Zweifel an der Klarheit der Verfügung entstehen, muss das Grundbuchamt zwingend den teuren Erbschein verlangen.

Die hohe Beweiskraft der öffentlichen Urkunde entfällt, sobald ein neueres handschriftliches Testament existiert, das das notarielle Dokument potenziell ergänzt oder ändert. Das Grundbuchamt ist keine juristische Prüfstelle; es ist nicht befugt, komplexe Verfügungen auszulegen oder das Zusammenspiel mehrerer Testamente zu bewerten. Nur das Nachlassgericht kann in einem formalen Verfahren die Erbfolge verbindlich feststellen und damit die Eindeutigkeit wiederherstellen.

Selbst ohne konkurrierendes Dokument wird ein Erbschein erforderlich, wenn komplexe Tatsachen außerhalb der Urkunde geklärt werden müssen. Dies tritt häufig bei Erbausschlagungen durch Miterben auf, die erst nach einer gewissen Zeit erklärt werden. Das Grundbuchamt kann nicht prüfen, ob diese Miterben das Erbe zuvor schon durch schlüssiges Verhalten angenommen hatten, wodurch die spätere Ausschlagung unwirksam wäre.

Prüfen Sie sofort alle Unterlagen des Erblassers auf handschriftliche Notizen, die das notarielle Testament ergänzen oder ändern könnten, und leiten Sie andernfalls direkt das Erbscheinverfahren ein.


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Muss ich nach der Ausschlagung meiner Miterben trotzdem einen Erbschein beantragen?

Die kurze Antwort lautet: Ja, fast immer benötigen Sie den Erbschein, wenn zwischen dem Erbfall und der formalen Ausschlagung der Miterben Zeit vergangen ist. Obwohl notariell beurkundete Ausschlagungen formal perfekt erscheinen, beweisen sie nur die Erklärung des Verzichts. Das Grundbuchamt muss aber stets die materielle Wirksamkeit dieser Ausschlagung zweifelsfrei klären können.

Das Grundbuchamt kann ausschließlich die Wirksamkeit der ihm vorgelegten Urkunden prüfen. Es darf keine eigene Tatsachenermittlung durchführen, also beispielsweise keine Zeugen befragen oder Kontobewegungen prüfen. Die juristische Gefahr liegt in der konkludenten Annahme der Erbschaft. Hat ein Miterbe, selbst unwissentlich oder aus Pflichtgefühl, vor der formalen Ausschlagung bereits über Nachlassgegenstände verfügt oder Rechnungen beglichen, gilt das Erbe nach § 1943 BGB als angenommen. In diesem Fall ist die spätere Ausschlagung unwirksam.

Für das Grundbuchamt besteht daher immer ein Restzweifel, ob die ausgeschlagenen Miterben in der Zeit zwischen dem Tod und der notariellen Erklärung Annahmehandlungen vorgenommen haben. Da dieser Sachverhalt nicht durch öffentliche Dokumente bewiesen wird, ist die Erbfolge nicht eindeutig geklärt. Diese entscheidenden Tatsachenfragen können nur im Rahmen des Erbscheinverfahrens durch das Nachlassgericht ermittelt und rechtsverbindlich geklärt werden, weshalb der Erbschein zwingend erforderlich ist.

Um das Verfahren zu beschleunigen, fordern Sie von den ausschlagenden Miterben eine detaillierte Eidesstattliche Versicherung über das Fehlen von Annahmehandlungen an.


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Welche Zweifel berechtigen das Grundbuchamt, meinen Antrag auf Berichtigung abzulehnen?

Das Grundbuchamt ist verpflichtet, Ihren Antrag abzulehnen, sobald es Tatsachen ermitteln muss, die nicht bereits durch öffentliche Urkunden bewiesen sind. Das Amt muss den teuren Erbschein verlangen, wenn Zweifel an der materiellen Wirksamkeit einer Erbausschlagung oder die Auslegung von Testamenten notwendig wird. Die Beweiskraft notarieller Dokumente endet sofort, wenn ein Widerspruch oder eine Unklarheit auftaucht.

Kritisch ist zunächst die Existenz konkurrierender Verfügungen. Wenn neben einem notariellen Testament ein späteres, handschriftliches Testament auftaucht, entfällt die vereinfachte Berichtigung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO. Das Grundbuchamt darf nicht prüfen, ob das private Dokument gültig ist oder wie es mit der Notarurkunde zusammenwirkt. Das Oberlandesgericht Saarbrücken stellte fest: Solche komplexen Testamentsauslegungen sind dem Nachlassgericht vorbehalten, da sie nicht zu den Aufgaben eines Grundbuchamtes gehören.

Ein zweiter Ablehnungsgrund liegt in der Unklarheit über die materielle Wirksamkeit von Erbausschlagungen. Selbst notarielle Ausschlagungen reichen nicht aus, wenn zwischen Erbfall und Ausschlagung Zeit vergangen ist. Das Grundbuchamt muss annehmen, dass eine konkludente Annahme des Erbes durch schlüssiges Verhalten erfolgt sein könnte. Da das Amt keine Zeugen befragen oder Kontobewegungen prüfen kann, muss es einen Erbschein fordern, um diese Tatsachenfrage verbindlich zu klären.

Haben Sie mehrere Verfügungen oder komplexe Ausschlagungen, fragen Sie das Grundbuchamt schriftlich an, ob die Berichtigung auf Basis Ihrer Unterlagen ausgeschlossen ist, bevor Sie weitere kostspielige Schritte einleiten.


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Wann gilt eine Erbschaft als angenommen, sodass meine spätere Ausschlagung unwirksam wird?

Die Erbschaft ist unwiderruflich angenommen, sobald Sie Handlungen vornehmen, die objektiv beweisen, dass Sie sich als neuer Eigentümer betrachten. Dieses schlüssige Verhalten (konkludente Annahme) beendet sofort das Recht zur Ausschlagung, auch wenn die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist noch nicht abgelaufen ist (§ 1943 BGB). Wenn das Erbe auf diese Weise angenommen wurde, wird Ihre spätere notarielle Ausschlagungserklärung rechtlich bedeutungslos.

Die Annahme muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern folgt aus Ihren Verfügungen über das Vermögen des Erblassers. Juristisch gilt jede Handlung als Annahme, die über die notwendige Sicherung des Nachlasses hinausgeht. Die Begleichung der Bestattungskosten gilt oft als notwendige Sicherungsmaßnahme und wird daher meist nicht als Annahme gewertet. Anders sieht es aus, wenn Sie Konten auflösen, Wertgegenstände verkaufen oder Verträge kündigen, die nicht sofort erforderlich sind.

Konkret entsteht die Gefahr einer konkludenten Annahme oft, wenn Erben aus Pflichtgefühl handeln und glauben, das Erbe ausschlagen zu können, nachdem sie die Finanzen geordnet haben. Nehmen wir an, Sie begleichen offene Kreditraten oder Schönheitsreparaturen an einer Immobilie über das Nachlasskonto des Verstorbenen. Damit handeln Sie bereits als Erbe. Diese Unwirksamkeit der Ausschlagung ist besonders kritisch bei Miterbengemeinschaften: Wenn ein Miterbe das Erbe angenommen hat, bleibt er Teil der Erbengemeinschaft, selbst wenn er formal ausschlägt.

Wenn Sie über eine Ausschlagung nachdenken, legen Sie unverzüglich alle Originalschlüssel, Bankkarten und Unterlagen des Erblassers an einem sicheren, neutralen Ort ab, um jede Verfügungsmacht zu vermeiden.


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Wie sorge ich mit meinem Testament vor, damit meine Erben den Erbscheinzwang umgehen können?

Um den aufwendigen Erbscheinzwang zu umgehen, müssen Sie als Erblasser jegliche Zweifel an der Erbfolge von vornherein ausschließen. Nutzen Sie ausschließlich ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag als rechtssicheren Nachweis der Erbenstellung. Vermeiden Sie strikt, dieses Dokument später durch private, handschriftliche Verfügungen zu verändern oder zu ergänzen. Jede Form von Auslegung untergräbt die Beweiskraft.

Die Regel: Nur eine notarielle Urkunde besitzt die notwendige Beweiskraft, um dem Grundbuchamt die vereinfachte Berichtigung des Eigentums zu ermöglichen. Sobald jedoch ein späteres, handschriftliches Testament existiert, wird die Eindeutigkeit der öffentlichen Urkunde massiv infrage gestellt. Das Grundbuchamt ist nicht befugt, die widersprüchlichen Dokumente auszulegen oder deren Gültigkeit zu prüfen. Das Widerspruchsverbot ist daher essenziell, denn komplexe Auslegungsfragen gehören stets in die Zuständigkeit des Nachlassgerichts.

Sorgen Sie daher für die innere Konsistenz Ihrer Verfügung, indem Sie alle Eventualitäten von Ersatzerben bis hin zu Vermächtnissen klar innerhalb des notariellen Textes regeln. Wenn sich Ihre Lebenssituation ändert und eine Anpassung des Testaments notwendig wird, nehmen Sie sofort einen neuen Notartermin wahr. Lassen Sie die neue Fassung notariell beurkunden und stellen Sie dabei sicher, dass sie alle früheren widersprüchlichen Anweisungen formal aufhebt.

Investieren Sie jetzt in die professionelle Form, um Ihren Erben später die hohen Kosten und den Zeitverlust eines Erbscheinverfahrens zu ersparen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erbausschlagung

Die Erbausschlagung ist der förmliche Akt, mit dem ein potenzieller Erbe erklärt, dass er die ihm angefallene Erbschaft nicht annimmt. Dieses Recht dient dazu, Schulden oder unerwünschte Pflichten aus dem Nachlass abzuwehren; sie muss innerhalb einer kurzen Frist (meist sechs Wochen) beim Nachlassgericht erklärt werden.

Beispiel: Nach dem Tod der Mutter erklärten zwei der drei Geschwister notariell beurkundet die Erbausschlagung, um dem verbliebenen Sohn das Alleinerbe zu ermöglichen.

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Grundbuchberichtigung

Als Grundbuchberichtigung bezeichnen Juristen den Vorgang, bei dem ein unrichtig gewordenes Grundbuch – etwa nach dem Tod des eingetragenen Eigentümers – wieder mit der aktuellen Rechtslage in Einklang gebracht wird. Dieses Verfahren ist nach § 22 GBO zwingend, da das Grundbuch die korrekten Eigentumsverhältnisse dokumentieren muss, um den Rechtsverkehr zu schützen und die Verlässlichkeit der Angaben zu gewährleisten.

Beispiel: Der Sohn stellte den Antrag auf Grundbuchberichtigung, um sich als alleiniger Eigentümer der Immobilie eintragen zu lassen, nachdem seine Geschwister das Erbe ausgeschlagen hatten.

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Konkludente Annahme

Eine konkludente Annahme der Erbschaft liegt vor, wenn ein Erbe das Erbe durch sein schlüssiges Verhalten annimmt, ohne dies ausdrücklich erklären zu müssen. Sobald jemand durch Handlungen, die über reine Sicherungsmaßnahmen hinausgehen, das Erbe annimmt (§ 1943 BGB), verliert er unwiderruflich das Recht zur späteren Ausschlagung.

Beispiel: Das Grundbuchamt hegte den begründeten Zweifel, ob die ausschlagenden Miterben in der Zwischenzeit bereits Handlungen vorgenommen hatten, die als konkludente Annahme des Erbes zu werten wären.

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Materielle Wirksamkeit

Die materielle Wirksamkeit beschreibt die tatsächliche rechtliche Gültigkeit oder den Erfolg einer formal erklärten Handlung, ungeachtet ihrer äußeren Form. Eine Erklärung ist materiell unwirksam, wenn eine entgegenstehende Tatsache, wie zum Beispiel die vorherige konkludente Annahme des Erbes, ihre Rechtsfolge verhindert.

Beispiel: Das Oberlandesgericht stellte klar, dass die notarielle Erklärung der Erbausschlagung zwar formal perfekt war, aber nicht die materielle Wirksamkeit bewies, da die Möglichkeit einer konkludenten Annahme nicht ausgeschlossen werden konnte.

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Öffentliche Verfügung von Todes wegen

Juristen verstehen unter einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen ein Testament oder einen Erbvertrag, das oder der in einer besonders rechtsgesicherten Form vor einem Notar errichtet wurde. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO ermöglicht diese Urkundenform die vereinfachte Grundbuchberichtigung, weil ihr eine hohe Richtigkeitsvermutung innewohnt und sie deshalb den teuren Erbschein oft entbehrlich macht.

Beispiel: Obwohl das notarielle Testament von 2002 eine öffentliche Verfügung von Todes wegen darstellte, verlor es seine Beweiskraft, als ein späteres, handschriftliches Testament auftauchte, das potenziell widersprüchlich war.

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Zwischenverfügung

Die Zwischenverfügung ist eine formelle Mitteilung des Grundbuchamtes an den Antragsteller, in der mitgeteilt wird, dass dem Antrag noch Behebungshindernisse entgegenstehen. Damit setzt das Amt dem Antragsteller eine Frist, um die Mängel, oft durch das Vorlegen fehlender Dokumente wie eines Erbscheins, zu beseitigen, bevor es den Antrag endgültig ablehnt.

Beispiel: Angesichts der komplexen Situation um die Ausschlagungen forderte das Grundbuchamt den Sohn mittels einer Zwischenverfügung auf, einen Erbschein vorzulegen, um die Erbfolge zweifelsfrei zu klären.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 59/25 – Beschluss vom 16.09.2025


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