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Nottestament – trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 216/21 – Beschluss vom 06.01.2022

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 28. September 2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 200.000,- €

Gründe

I.

Mit handschriftlich errichtetem Testament vom 20. Oktober 2019 bestimmte der Erblasser die Beteiligten zu 1 bis 3 zu jeweils gleichen Anteilen zu seinen Erben. Mit weiterem Testament vom 6. März 2021, überschrieben als Nottestament, geschrieben von der Beteiligten zu 3, vom Erblasser sowie von drei Zeugen unterschrieben, setzte der Erblasser die Beteiligte zu 3 zu seiner Alleinerbin ein.

Gestützt auf das Testament vom 20. Oktober 2019 hat der Beteiligte zu 1 einen die Beteiligten zu 1 bis 3 als Miterben zu je 1/3-Anteil ausweisenden Erbscheins beantragt.

Dem ist die Beteiligte zu 3 unter Berufung auf das Testament vom 6. März 2021 entgegen getreten. Hierzu hat sie vorgebracht, die Voraussetzungen für die Errichtung eines Nottestaments hätten vorlegen. Am 6. März 2021, einem Wochenendtag, habe der Erblasser aufgrund seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung befürchtet, alsbald in einen Zustand zu verfallen, in dem er nicht mehr in der Lage sein würde, ein Testament zu errichten, und in der Folge zu versterben. Ein Notar sei nicht erreichbar gewesen. Auf Wunsch des Erblassers sei am 6. März 2021 dann die Behandlung mit Schmerzmitteln ausgesetzt worden, um in der Lage zu sein, seinen letzten Willen wirksam zu äußern.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des vom Beteiligten zu 1 gestellten Erbscheinsantrages erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Das Nottestament sei nicht wirksam, denn die das Testament mitunterzeichnenden Zeugen seien nicht gleichzeitig anwesend gewesen. Sie hätten die Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text unterschrieben.

Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 6. Oktober 2021 zugestellten Beschluss vom 28. September 2021 wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer Beschwerde vom 3. November 2021. Sie meint, der Gesetzeswortlaut von § 2250 BGB verlange schon nicht die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen. Wegen der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen hätten nicht gleichzeitig drei Personen den Erblasser im Krankenhaus besuchen dürfen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 5. November 2021 zur Entscheidung vorgelegt. Es schließe sich der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, wonach aus dem Gesetzeswortlaut von § 2250 BGB, der die „mündliche Erklärung vor drei Zeugen“ verlange, das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit von drei Zeugen folge. Die Anwesenheits- und Mitwirkungspflicht gelte für die mündliche Erklärung des letzten Willens, dessen Aufnahme und Verlesung und deren Genehmigung durch den Erblasser. Das Vorbringen der Beteiligten zu 3, aufgrund der Pandemie-Situation hätten die drei Zeugen den Erblasser nicht gleichzeitig besuchen dürfen, sei durch nichts belegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie den der beigezogenen Akte über die Verfügung von Todes wegen (AG Mülheim an der Ruhr, 4 IV 253/21) verwiesen.

II.

Die nach Maßgabe von §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 28. September 2021 ist dem Senat zur Entscheidung angefallen, nachdem das Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 5. November 2021 ordnungsgemäß die Nichtabhilfe und Vorlage erklärt hat, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass das als Nottestament am 6. März 2021 errichtete Testament unwirksam ist. Der vom Nachlassgericht eingenommene Rechtsstandpunkt, wonach § 2250 BGB die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen während des gesamten Errichtungsaktes verlangt, entspricht der einhellig in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung. Anlass, hiervon aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen abzuweichen, besteht nicht. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss und im Nichtabhilfebeschluss merkt der Senat folgendes an:

Gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich bei den Vorschriften über den Errichtungsakt um zwingende Vorschriften („muss“). Zwingende Vorschriften sind indes schon grundsätzlich nicht ausnahmefähig. Das gilt auch für § 2250 BGB, der seinerseits schon eine Ausnahmevorschrift ist und abweichend von den ihrerseits bereits strengen Formvorschriften der §§ 2231, 2247 BGB und der weiteren Ausnahmevorschrift des § 2249 BGB (Nottestament vor dem Bürgermeister) die Zulässigkeit eines Nottestaments regelt. Die Bedeutung von § 2250 BGB und die dort normierte Errichtung vor drei Zeugen liegt darin, dass durch möglichst klare und unmissverständliche Wiedergabe der Erklärungen des Erblassers dessen letzter Wille sowohl zum Ausdruck als auch zur Geltung gebracht werden soll. Welche Anforderungen aber erfüllt werden müssen, damit die statt vor einem Notar oder einem Bürgermeister vor Laien niedergelegten Erklärungen des Erblassers als rechtsverbindliche Wiedergabe seines in naher Todesgefahr geäußerten Willens gewertet werden können, steht nicht im Ermessen des Gerichts, sondern ist im einzelnen gesetzlich vorgeschrieben (BGH NJW 1970, 1601 ff.).

Entscheidend aber ist, dass es sich bei der durch die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen eingetretenen Situation nicht um eine neue, vom Gesetzgeber nicht bereits in abstrakter Hinsicht bedachte Lage ist. Es handelt sich vielmehr um eine Situation der Absperrung im Sinne von § 2250 Abs. 1 BGB. Der Gesetzgeber hat in § 2250 Abs. 1 BGB den Fall geregelt, dass sich der Erblasser an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände derart abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist. Die Absperrung kann verschiedene Ursachen haben, neben Naturereignissen wird beispielsweise auch die Situation einer Quarantäne infolge von Seuchen und ansteckenden Krankheiten unter § 2250 Abs. 1 BGB subsumiert (vgl. MüKo BGB/Sticherling, 8. Aufl. 2020, § 2250 Rn. 5; BeckOGK/Griwotz, BGB, Stand: 1. Oktober 2021, § 2250 Rn. 3; s. auch Krätzschel, Die Errichtung letztwilliger Verfügungen in Corona-Zeiten, ZEV 2020, 268 ff.; Panz, Die Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf die notarielle Tätigkeit, BWNotZ 2020, 2 ff.). Dass die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen für Patienten in Krankenhäusern zu einer Situation führen, die einer Quarantäne vergleichbar ist, nämlich die Isolation von anderen Personen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Nach den vom Gesetzgeber normierten Voraussetzungen muss aber auch das Absperrungstestament als Dreizeugentestament errichtet werden und ein Verstoß hiergegen führt zur Nichtigkeit des Testaments.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 84 FamFG. Danach sollen die Kosten eines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels demjenigen der Beteiligten auferlegt werden, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG. Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung hat der Senat das mit der Beschwerde in wirtschaftlicher Hinsicht verfolgte Interesse zugrunde gelegt. Das ist hier das Interesse der Beteiligten zu 3, Alleinerbin und nicht lediglich Miterbin zu 1/3-Anteil zu sein. Ausgehend von dem im Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 mit 300.000,- € bezifferten Nachlasswert errechnet sich die Differenz zwischen dem der Beteiligten zu 3 als Alleinerbin zustehenden Wert und dem auf sie als Miterbin zu 1/3-Anteil entfallenden Wert mit einem Betrag von 200.000,- €.

 

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