LG Neubrandenburg, Az.: 4 O 136/16, Urteil vom 12.07.2017
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft, Erblasser …, bestehend aus:
…………..
‒ … gesetzlich vertreten durch die Betreuerin …
4.275,00 € zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin zu 2, weitere 4.275 € zu zahlen.
3. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen der Beklagte zu 3/4, die Klägerin zu 1) zu 1/4. Die Klägerin zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) trägt der Beklagte.
4. Das Urteil ist für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin zu 1) wird nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert wird bis 21.06.2017 auf 8.100 € und danach auf 8.550,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Nutzungsentschädigung für die Nutzung eines Grundstücks.
Am 06.04.2014 verstarb Herr … . Die Klägerin zu 2) war die Ehefrau des Verstorbenen. Die Klägerin zu 1) und der Beklagte sowie Frau …, Herr … und Herr … sind die Kinder des Erblassers. Der Erblasser wurde von der Klägerin zu 2) zu 1/2 und von den Kindern jeweils zu 1/10-Anteil beerbt. In den Nachlass fällt auch der hälftige Miteigentumsanteil am mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück … in …. Weitere Eigentümerin zu 1/2 ist die Klägerin zu 2). Der Beklagte nutzte das streitgegenständliche Grundstück mit seiner Familie allein. Nach Abstimmung mit den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1) teilte die Betreuerin der Klägerin zu 2) mit Schreiben vom 31.07.2015 mit, dass sie den Beklagten und seine Familie auf anfallende Zinsen oder Nutzungsentgelt hingewiesen habe. Mit anwaltlichen Schreiben vom 10.08.2015 forderten die Prozessbevollmächtigten, die damals die Klägerin zu eins vertraten, den Beklagten auf, unter Berücksichtigung eines Nutzungswertes von 500 € und Abzug eines zehnprozentigen eigenen Anteils ab 01.09.2015 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 450 € zu zahlen. Dem kam der Beklagte nicht nach. Die weitere Miterbin … sowie der weitere Miterbe … brachten mit Schreiben vom 25. bzw. 23.08.2015 gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerseite zum Ausdruck, dass sie der Ansicht seien, der Beklagte müsse eine Nutzungsentschädigung zahlen. Am 31.03.2017 zog der Beklagte aus dem ehemals im hälftigen Eigentum des Erblassers stehenden Grundstück aus.
Die Kläger sind der Auffassung, dass die Erbengemeinschaft für den in ihrem Eigentum stehenden hälftigen Miteigentumsanteil monatlich mindestens 225 € beanspruchen könne. Ferner stehe wegen der insoweit unberechtigten Nutzung des hälftigen Miteigentumsanteils der Klägerin zu 2) dieser ein eigener Entschädigungsanspruch in Höhe von 225 € monatlich zu.
Die Klägerin haben ursprünglich den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 450 € an die Erbengemeinschaft in Anspruch genommen. Nachdem durch die Beklagtenseite eingewendet wurde, dass der Anteil des Erblassers am Grundstück lediglich 1/2 betragen habe, haben die Klägerinnen die Klage umgestellt.
Die Klägerinnen beantragen nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft, Erblasser …, bestehend aus:
…………….
‒ … gesetzlich vertreten durch die Betreuerin Frau …
4275,00 € zu zahlen, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 4.275,00 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass eine Nutzungsentschädigung schon deshalb ausscheide, da die üblichen Mitglieder der Erbengemeinschaft einen eigenen Nutzungswillen nicht gehabt hätten. Ferner fehle es an einer gemeinschaftlichen Entscheidung über die Einforderung einer Nutzungsentschädigung. Die angesetzte monatliche Entschädigung in Höhe von 500 € insgesamt sei deutlich zu hoch bemessen, da der Zustand des Hauses mangelhaft sei, im Keller sei schon der Holzwurm.
Im Übrigen wird zum Sach- und Streitstand auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Erbengemeinschaft steht gegen den Beklagten für die Nutzung des hälftigen im Eigentum der Erbengemeinschaft stehenden Grundstücksanteils ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 225,00 € monatlich ab 01.09.2015 aus §§ 745, 2038 Abs. 2 BGB zu.
Es ist anerkannt, dass auch einzelne Miterben berechtigt sind, den Nutzungsentschädigungsanspruch im Prozess für die Erbengemeinschaft geltend zu machen. Zwar ist der Beklagtenseite zuzugeben, dass ein Anspruch aus Nutzungsentschädigung nicht bereits allein daraus folgt, dass ein Teilhaber ein im Miteigentum stehendes Grundstück allein nutzt. Eine Ausnahme ist in der Rechtsprechung jedoch dann anerkannt, wenn der Mitgebrauch der Übrigen hartnäckig verweigert wird (BGH, NJW 1966, 1707; BGH, NJW-RR 1993, 386). Voraussetzung für einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung ist dabei, dass die Miterben eigene Gebrauchsrechte einfordern oder eine Regelung der Erbengemeinschaft gemäß § 745 Abs. 2 BGB herbeiführen. Anhaltspunkte dafür, dass eigene Gebrauchsrechte eingefordert wurden, ergeben sich nicht.
Nach dem Sachvortrag der Parteien ist jedoch davon auszugehen, dass vor Einforderung der Nutzungsentschädigung mit Schreiben vom 10.08.2015 eine Regelung der Erbengemeinschaft gemäß Paragraph 745 Abs. 2 BGB herbeigeführt wurde. Die Betreuerin der Klägerin zu 2) hat ausgeführt, dass auch sie für die Klägern zu 2) Nutzungsentschädigung begehrt habe. Dieser Umstand ergibt sich auch aus dem vorgelegten Schreiben der Betreuerin vom 31.07.2015, in dem diese drauf hinweist, dass auch sie den Beklagten auf anfallenden Mietzins bzw. ein Nutzungsentgelt hingewiesen habe. Daraus folgt, dass die Betreuerin der Klägerin zu 2) für diese mit der Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung einverstanden war. Da auch die Klägerin zu 1) entsprechend eine Nutzungsentschädigung eingefordert hat liegt jedenfalls eine mehrheitliche Entscheidung der Erbengemeinschaft vor. Gemäß § 745 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine Entscheidung der Mehrheit ausreichend. Zusammen waren beide Klägerinnen zu 6/10 am Nachlass beteiligt, so dass ihre Verständigung insoweit ausreichend ist. Daher kommt es nicht darauf an, ob durch die übrigen Miterben einer entsprechenden Regelung zugestimmt wurde, was jedenfalls hinsichtlich der weiteren Miterben … und … im Hinblick auf die nach erstmaliger Einforderung der Nutzungsentschädigung datierten außergerichtlichen Schreiben naheliegend erscheint.
Zwar ist grundsätzlich vor Herbeiführung einer Entscheidung zur Nutzungsentschädigung den übrigen Miterben rechtliches Gehör zu gewähren (so etwa Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 5). Die Versagung des rechtlichen Gehörs führt jedoch dann nicht zur Unwirksamkeit der Beschlussfassung, wenn es sich um eine Maßnahme im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt. Nicht erfasst sind insoweit Organisationsakte, durch die sich die Gemeinschaft im Innenverhältnis eine Verfassung gibt; die Aufhebung der Gemeinschaft oder der Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes (Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 6). Demgegenüber ist die Überlassung oder Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts gegen Abfindung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung zu qualifizieren (vergleiche BGH, NJW-RR 2010, 1312).
Zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Zahlung der Nutzungsentschädigung gemäß Schreiben der damals ausschließlich für die Klägern zu 1) tätigen Prozessbevollmächtigten vom 10.08.2015 konnte damit eine Entschädigung für die Erbengemeinschaft eingefordert werden. Das Zahlung an die Gemeinschaft begehrt wurde ergibt sich daraus, dass der Beklagte bis zur Klärung der weiteren Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zur Zahlung auf das Nachlasskonto des verstorbenen Vaters aufgefordert wurde. Hieraus folgt, dass die Klägerin zu 1) nicht die Zahlung der Nutzungsentschädigung an sich geltend gemacht hat.
Die Höhe der monatlich zu beanspruchenden Nutzungsentschädigung wird in Anwendung des § 287 ZPO auf 225,00 geschätzt. Die von Klägerseite eingestellte Gesamtentschädigung von 500 € für das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück liegt am unteren Rand der für Einfamilienhäuser erzielbaren Miete. Substantiierte Einwendungen, die eine abweichende Beurteilung zuließen ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagtenseite nicht. Von Beklagtenseite wurde zwar darauf abgestellt, dass die Bausubstanz insoweit beeinträchtigt sei, als dass der Keller schon durch Holzwurm geschädigt sei. Unter besonderer Berücksichtigung der geringfügigeren Bedeutung der Kellernutzung ist damit nicht ersichtlich, dass die wie dargestellt eher am unteren Rand liegende Entschädigung von 500,00 € monatlich hier unangemessen wäre.
Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite steht dem Anspruch § 2038 BGB nicht entgegen. Vorliegend ist die Klage auf Zahlung an die Erbengemeinschaft gerichtet. Eine Teilung der Früchte ist damit von Klägerseite gerade nicht begehrt.
Ausgehend von einer Entschädigung für das gesamte Grundstück in Höhe von 500 € entfiel auf den heftigen Miteigentum der Gemeinschaft ein Anteil in Höhe von 250 €. Unter Berücksichtigung des zehnprozentigen Miteigentumsanteils des Beklagten ergibt sich somit ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 225 € monatlich wie von Klägerseite geltend gemacht. Für die insgesamt 19 Monate von September 2015 bis einschließlich März 2017 bemisst sich die gesamte Entschädigungsleistung auf 4.275,00 €.
Der Klägerin zu 2) steht darüber hinaus aufgrund der Nutzung ihres hälftigen Miteigentumsanteils ein Anspruch aus § 812 Absatz 1 Satz 1, erste Alternative BGB in Höhe von 4.275 € zu. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin zu 2) und dem Beklagten hinsichtlich der Nutzung des hälftigen Miteigentumsanteils besteht nicht. Eine Berechtigung zur Mitnutzung ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Der im Rahmen des Paragraphen 818 Abs. 2 zu bemessende Wertersatz ist unter Berücksichtigung des angemessenen Mietzinses bei hälftigem Eigentumsanteil auf mindestens 225 € monatlich zu bemessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass ursprünglich die Klage auf Zahlung von 450 € monatlich an die Erbengemeinschaft im Namen beider Klägerinnen gerichtet war. Dabei wurde versehentlich von komplettem Eigentum der Erbengemeinschaft an dem Grundstück ausgegangen. Nach Berichtigung aufgrund des hälftigen Miteigentumsanteils der Klägerin zu 2) hat die Klägerin zu 1) Zahlungsansprüche nunmehr lediglich in Höhe von 225 € monatlich weiterverfolgt. Insoweit war sie anders als die im Ergebnis in vollem Umfang obsiegende Klägerin zu 2) teilweise unterlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Geltendmachung von Nutzungsentschädigung § 42 GKG vorliegend keine Anwendung findet sondern der Streitwert nach §§ 3,9 ZPO zu bemessen ist. Soweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einfach gelagerten Sachverhalten die Nutzungsentschädigung regelmäßig mit dem zwölfmonatigen Bezug zu berücksichtigen ist (KG, MDR 2007, 645; OLG Celle, MDR 2014, 568). So war bis zur Umstellung der Klageanträge der zwölfmalige Bezug mit 5.400 € sowie der geltend gemachte Rückstand in Höhe von 2700 € zu berücksichtigen. Damit ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 8.100 €. Für die Zeit danach war der Streitwert nach dem Zahlbetrag auf 8.550 € zu bemessen.