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Übersicht
- 1 ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- 2 Zuständigkeit des Nachlassgerichts beim Tod im Pflegeheim geklärt
- 3 ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht München
- 3.1 Zuständigkeitsstreit zwischen Nachlassgerichten bei Erblasser im Pflegeheim
- 3.2 Gewöhnlicher Aufenthalt als entscheidendes Kriterium
- 3.3 Willensbildungsfähigkeit des Erblassers ist entscheidend, nicht die Geschäftsfähigkeit
- 3.4 Vorlage an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit
- 4 ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- 5 ✔ FAQ – Häufige Fragen
- 5.1 Welches Nachlassgericht ist zuständig, wenn der Erblasser in einem Pflegeheim verstorben ist?
- 5.2 Was versteht man unter dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Erblassers?
- 5.3 Welche Bedeutung hat das Amtsgericht Schöneberg für Nachlassangelegenheiten von Verstorbenen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland?
- 5.4 Wie beeinflusst die Geschäftsfähigkeit des Erblassers die Zuständigkeit des Nachlassgerichts?
- 5.5 Was passiert, wenn sich mehrere Nachlassgerichte für unzuständig erklären?
- 5.6 Welche Schritte sollten Erben unternehmen, wenn die Zuständigkeit des Nachlassgerichts unklar ist?
- 6 § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- 7 ⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht München
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Das Amtsgericht Günzburg erklärt sich für örtlich unzuständig, ebenso wie das Amtsgericht Sonthofen zuvor.
- Das Verfahren wird dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.
- Für die örtliche Zuständigkeit ist der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes entscheidend.
- Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch den tatsächlichen und nicht nur vorübergehenden Verbleib an einem Ort bestimmt.
- Bei Aufenthalt in einem Pflegeheim wird dieser als gewöhnlicher Aufenthalt angesehen, wenn eine Rückkehr in die frühere Wohnung ausgeschlossen ist.
- Das Gericht stellte fest, dass die Erblasserin seit 1992 in einem Pflegeheim lebte und später in ein anderes Heim verlegt wurde.
- Die Geschäftsfähigkeit des Erblassers spielt keine Rolle für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern nur die Fähigkeit, einen Bleibewillen zu bilden.
- Die Betreuerin bestätigte mehrfach, dass die Erblasserin den Wunsch hatte, im Pflegeheim zu bleiben.
- Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Erblasserin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Pflegeheim hatte, wodurch das Amtsgericht Günzburg örtlich unzuständig ist.
- Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Zuständigkeit des Nachlassgerichts am Ort des Pflegeheims liegt.
Zuständigkeit des Nachlassgerichts beim Tod im Pflegeheim geklärt
Wenn eine Person verstirbt, stellt sich oft die Frage, wo das zuständige Nachlassgericht für die Abwicklung des Nachlasses sitzt. Grundsätzlich ist der Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes maßgeblich. Doch was, wenn der Erblasser in einem Pflegeheim lebte? In diesem Fall kann unter Umständen das Nachlassgericht am Ort des Pflegeheims zuständig sein. Diese Sonderregel ist wichtig, um den Nachlass schnell und unkompliziert abwickeln zu können. Denn das Nachlassgericht am Pflegeheimort kennt die persönlichen Verhältnisse des Verstorbenen oft am besten. Dies erleichtert die Bearbeitung erheblich. Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall besprochen, der diese Thematik näher beleuchtet.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht München
Zuständigkeitsstreit zwischen Nachlassgerichten bei Erblasser im Pflegeheim
In diesem Fall geht es um einen Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Nachlassgerichten bezüglich der Abwicklung des Nachlasses eines in einem Pflegeheim verstorbenen Erblassers. Das Amtsgericht Sonthofen hatte sich zunächst für unzuständig erklärt, woraufhin das Verfahren an das Amtsgericht Günzburg abgegeben wurde. Dieses erklärte sich nun ebenfalls für örtlich unzuständig und legte das Verfahren dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit vor.
Die Erblasserin befand sich bereits seit 1992 in einem Fachpflegeheim im Bezirk des Amtsgerichts Kempten. Nach einem Brand in diesem Heim wurde sie am 30.03.2011 in das Heim der A. Pflege in S. verlegt, welches im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Günzburg liegt.
Gewöhnlicher Aufenthalt als entscheidendes Kriterium
Gemäß § 343 Abs. 1 FamFG ist für die örtliche Zuständigkeit eines Nachlassgerichts der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes maßgeblich. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt vor, wenn der Erblasser nicht nur vorübergehend an einem Ort verweilt und dort den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat.
Entscheidend ist der umgesetzte Wille, einen bestimmten Ort bis auf Weiteres zum Lebensmittelpunkt zu machen. Befindet sich der Erblasser aufgrund seines Gesundheitszustands dauerhaft in einem Pflegeheim und ist eine Rückkehr in seine vorherige Wohnung an einem anderen Ort nicht zu erwarten, so begründet dies den gewöhnlichen Aufenthalt am Ort des Pflegeheims.
Willensbildungsfähigkeit des Erblassers ist entscheidend, nicht die Geschäftsfähigkeit
Das Amtsgericht Sonthofen begründete seine Unzuständigkeit mit der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Erblasserin. Laut Amtsgericht Günzburg kommt es jedoch nicht auf die Geschäftsfähigkeit an, sondern lediglich darauf, ob der Erblasser fähig war, einen Bleibewillen zu bilden. Grundsätzlich kann demnach auch in Heimen ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden.
Aus der Nachlassakte geht durch mehrere Schreiben der Betreuerin hervor, dass die Erblasserin zu einer freien Willensbildung in der Lage war. Auf mehrmaliges Nachfragen äußerte sie eindeutig, dass sie im Heim in S. bleiben möchte. Daraus lässt sich schließen, dass die Erblasserin willens und fähig war, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.
Vorlage an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit
Da sich das Amtsgericht Günzburg ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt hat, wurde das Verfahren dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt. Dieses muss nun anhand der Aktenlage und der gesetzlichen Regelungen klären, welches Nachlassgericht für die Abwicklung des Nachlasses zuständig ist.
Für die beteiligten Erben bedeutet dies zunächst eine Verzögerung des Nachlassverfahrens bis zur Klärung der Zuständigkeitsfrage. Sie müssen die Entscheidung des Oberlandesgerichts abwarten, bevor das zuständige Nachlassgericht die weiteren Schritte zur Abwicklung des Nachlasses einleiten kann.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung zeigt, dass für die örtliche Zuständigkeit eines Nachlassgerichts der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes maßgeblich ist. Dabei kommt es nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern auf die Fähigkeit an, einen Bleibewillen zu bilden. Ein Pflegeheim kann den gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft dorthin verlegt hat und zu freier Willensbildung fähig war. Die Willensbildungsfähigkeit ist anhand der konkreten Umstände zu beurteilen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Nachlassgerichtliche Zuständigkeit wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Welches Nachlassgericht ist zuständig, wenn der Erblasser in einem Pflegeheim verstorben ist?
- Was versteht man unter dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Erblassers?
- Welche Bedeutung hat das Amtsgericht Schöneberg für Nachlassangelegenheiten von Verstorbenen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland?
- Wie beeinflusst die Geschäftsfähigkeit des Erblassers die Zuständigkeit des Nachlassgerichts?
- Was passiert, wenn sich mehrere Nachlassgerichte für unzuständig erklären?
- Welche Schritte sollten Erben unternehmen, wenn die Zuständigkeit des Nachlassgerichts unklar ist?
Welches Nachlassgericht ist zuständig, wenn der Erblasser in einem Pflegeheim verstorben ist?
Nach § 343 Abs. 1 FamFG ist für Nachlasssachen grundsätzlich das Amtsgericht als Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Entscheidend ist also nicht der Sterbeort, sondern der Ort, an dem der Erblasser zuletzt seinen Lebensmittelpunkt hatte.
Lebte der Erblasser zuletzt dauerhaft in einem Pflegeheim, so begründet dies regelmäßig einen gewöhnlichen Aufenthalt am Ort des Pflegeheims. Denn der gewöhnliche Aufenthalt setzt voraus, dass der Erblasser an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilte, sondern dass er dort den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hatte. Dies ist bei einem Pflegeheimbewohner in aller Regel der Fall.
Beispiel: Zog der Erblasser von München in ein Pflegeheim nach Starnberg und verstarb dort einige Zeit später, so ist das Amtsgericht Starnberg als Nachlassgericht zuständig. Denn durch den Umzug ins Pflegeheim hat der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Starnberg begründet.
Nur wenn der Erblasser im Pflegeheim lediglich vorübergehend untergebracht war, etwa zur Kurzzeitpflege oder Reha, kann sich etwas anderes ergeben. Dann richtet sich die Zuständigkeit weiterhin nach dem vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers.
Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist nach § 343 Abs. 2 FamFG das Gericht zuständig, in dessen Bezirk er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Lässt sich ein solcher nicht ermitteln, ist gemäß § 343 Abs. 3 FamFG das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig, sofern der Erblasser Deutscher war oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden.
Was versteht man unter dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Erblassers?
Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person bestimmt, welches Nachlassgericht nach dem Tod dieser Person für die Nachlassangelegenheiten örtlich zuständig ist. Entscheidend ist dabei der Ort, an dem sich der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes tatsächlich aufgehalten hat und wo der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse lag. Dieser Ort muss nicht zwingend mit dem Wohnsitz des Erblassers identisch sein.
Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt vor, wenn sich der Erblasser unter Umständen an einem Ort aufgehalten hat, die erkennen lassen, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilte. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse und sozialen Bindungen des Erblassers an diesem Ort. Ein nur kurzfristiger Aufenthalt, beispielsweise zu Besuchs-, Erholungs- oder Kurzwecken begründet noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt.
Befand sich der Erblasser zuletzt dauerhaft in einem Pflegeheim oder Hospiz und ist aufgrund der Umstände nicht von einer Rückkehr in seine vorherige Wohnung auszugehen, so kann das Pflegeheim als sein letzter gewöhnlicher Aufenthaltsort und damit als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts anzusehen sein. Denn in einer solchen Einrichtung steht neben der medizinischen Versorgung auch die dauerhafte Unterbringung und Wohnungsgewährung im Vordergrund.
Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Lässt sich ein solcher nicht feststellen, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig, sofern der Erblasser Deutscher war oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden.
Welche Bedeutung hat das Amtsgericht Schöneberg für Nachlassangelegenheiten von Verstorbenen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland?
Das Amtsgericht Schöneberg in Berlin ist in bestimmten Fällen für Nachlassangelegenheiten zuständig, auch wenn der Erblasser zuletzt keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte:
Hat der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Lässt sich ein solcher nicht feststellen, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig, sofern der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden.
Diese besondere Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg geht auf historische Entwicklungen zurück. Infolge der Teilung Berlins wurde dem Amtsgericht Schöneberg 1949 die Zentralzuständigkeit für die West-Sektoren Berlins übertragen, die zuvor für ganz Berlin das im Sowjetischen Sektor liegende Amtsgericht Mitte innehatte.
Seitdem ist das Amtsgericht Schöneberg auch für Verfahren vor dem Nachlassgericht (§ 343 FamFG) sowie Todeserklärungen (§ 15a VerschG) zuständig, wenn sich aus völkerrechtlichen Verträgen die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt, weil der Betroffene die deutsche Staatsangehörigkeit hat, aber keinen Wohnsitz in Deutschland.
Wie beeinflusst die Geschäftsfähigkeit des Erblassers die Zuständigkeit des Nachlassgerichts?
Die Geschäftsfähigkeit des Erblassers hat keinen direkten Einfluss auf die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts. Maßgeblich ist vielmehr der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes gemäß § 343 Abs. 1 FamFG. Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt sich nach dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Erblassers. Entscheidend sind dabei vor allem äußere Kriterien wie die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts, familiäre und soziale Bindungen sowie die Lage des Vermögens.
Daneben kann auch der Bleibewille des Erblassers eine Rolle spielen. Dieser setzt jedoch nicht zwingend Geschäftsfähigkeit voraus. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Erblasser trotz etwaiger geistiger Einschränkungen zu einem natürlichen Willen fähig war, seinen Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. War dies nicht der Fall, etwa weil der Erblasser gegen oder ohne seinen Willen in ein Pflegeheim verlegt wurde, kann dies gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt am Heimatort sprechen.
Die Rechtsprechung ist sich uneins, welche Anforderungen an den Bleibewillen zu stellen sind. Das OLG München stellt auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit der letztmalig vorhandenen Geschäftsfähigkeit ab. Das OLG Celle hält die Geschäftsfähigkeit dagegen für unerheblich. Letztlich dürfte es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen, insbesondere darauf, ob der Erblasser zu einem natürlichen Willen fähig war und sich am neuen Aufenthaltsort tatsächlich integriert hat.
Ein Beispiel: Wird ein an Demenz erkrankter Erblasser in ein Pflegeheim in Polen verlegt, begründet dies nur dann einen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen, wenn der Umzug auf seinem natürlichen Willen beruhte und er dort noch soziale Kontakte knüpfen konnte. Andernfalls bleibt es bei der Zuständigkeit des bisherigen Aufenthaltsorts in Deutschland.
Was passiert, wenn sich mehrere Nachlassgerichte für unzuständig erklären?
Wenn sich mehrere Nachlassgerichte für unzuständig erklären, entscheidet das im Instanzenzug übergeordnete Gericht über die Zuständigkeit. Dies ist in der Regel das Oberlandesgericht (OLG). Das OLG bestimmt dann verbindlich, welches Nachlassgericht für die Durchführung des Nachlassverfahrens zuständig ist.
Hintergrund ist, dass die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts sich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers richtet. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Todes. Zieht der Erblasser vor seinem Tod noch in ein Pflegeheim in einem anderen Amtsgerichtsbezirk, kann es zu Unklarheiten bei der Zuständigkeit kommen.
War der Erblasser beim Umzug ins Heim noch geschäftsfähig, ist in der Regel das Nachlassgericht am Ort des Pflegeheims für die Nachlassangelegenheiten wie die Testamentseröffnung zuständig. Entscheidend ist, dass der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt mit Umzug ins Heim dorthin verlagert hat.
Sieht jedoch das ursprünglich zuständige Nachlassgericht am letzten Wohnsitz den Aufenthalt im Pflegeheim nur als vorübergehend an, kann es die Abgabe des Verfahrens an das Nachlassgericht am Ort des Heims ablehnen. Erklärt sich umgekehrt das Nachlassgericht am Ort des Pflegeheims für unzuständig, weil es den letzten gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin am ursprünglichen Wohnsitz sieht, kommt es zum Streit zwischen den Gerichten.
In diesem Fall entscheidet das gemeinsam übergeordnete OLG, welches Nachlassgericht zuständig ist. Die Entscheidung des OLG ist für die Nachlassgerichte bindend. Das festgelegte Amtsgericht muss dann das Nachlassverfahren durchführen.
Welche Schritte sollten Erben unternehmen, wenn die Zuständigkeit des Nachlassgerichts unklar ist?
Wenn die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts unklar ist, sollten Erben folgende Schritte unternehmen:
Zunächst ist zu prüfen, wo der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Maßgeblich ist der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Verstorbenen. Dieser kann sich vom Wohnsitz unterscheiden, wenn der Erblasser zum Beispiel dauerhaft in einem Pflegeheim untergebracht war. Dann ist das Nachlassgericht am Ort des Pflegeheims zuständig, auch wenn der Erblasser dort nicht freiwillig lebte. Entscheidend ist, dass der Betreuer das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübte und der Erblasser dort seinen Daseinsmittelpunkt hatte.
Besteht weiterhin Unklarheit über die Zuständigkeit, sollten die Erben bei den in Frage kommenden Nachlassgerichten einen Antrag auf Klärung der örtlichen Zuständigkeit stellen. Dazu genügt ein formloses Schreiben mit den relevanten Informationen zum letzten Aufenthalt des Erblassers. Die Gerichte werden dann untereinander die Zuständigkeit verbindlich bestimmen.
Bis zur Klärung der Zuständigkeit sollten die Erben keine Fristen versäumen. Insbesondere die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft ist zu beachten. Die Ausschlagung kann vorsorglich bei allen in Betracht kommenden Nachlassgerichten erklärt werden. Auch andere fristgebundene Erklärungen wie die Anfechtung eines Testaments sollten form- und fristgerecht bei den möglichen zuständigen Gerichten eingereicht werden.
Parallel dazu empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat einzuholen. Ein im Erbrecht versierter Rechtsanwalt kann die Zuständigkeitsfrage oft schneller klären und die Erben bei den nötigen Schritten unterstützen. So lässt sich vermeiden, dass es wegen der unklaren Zuständigkeit zu Verzögerungen bei der Nachlassabwicklung kommt.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 343 Abs. 1 FamFG: Regelt die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts, welches zuständig ist, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt seines Todes hatte. Dies ist entscheidend für die Klärung, welches Gericht die Nachlassabwicklung übernimmt.
- Gewöhnlicher Aufenthalt: Ein zentraler Begriff, der definiert, wo der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt hatte. Dies betrifft die gerichtliche Zuständigkeit und kann besonders wichtig sein, wenn der Erblasser in einem Pflegeheim verstorben ist.
- Geschäftsfähigkeit des Erblassers: Die Geschäftsfähigkeit ist irrelevant für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, solange der Erblasser einen Bleibewillen bilden konnte. Diese Klarstellung ist wesentlich, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Bleibewillen des Erblassers: Entscheidend ist, ob der Erblasser den Willen hatte, an einem bestimmten Ort zu bleiben. Dies beeinflusst die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts und damit die Zuständigkeit des Nachlassgerichts.
- Amtsgericht Günzburg: Erklärt sich für örtlich unzuständig, was den Fall an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit weiterleitet. Dies zeigt, dass mehrere Gerichte involviert sein können, wenn die Zuständigkeit unklar ist.
- Oberlandesgericht München: Das Gericht, welches letztendlich die Zuständigkeit klären muss. Die Entscheidung dieses Gerichts ist für die weitere Nachlassabwicklung entscheidend.
- Nachlassakte VI 1306/22: Dokumentiert relevante Informationen, die den gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasserin im Pflegeheim bestätigen. Diese Akte ist wichtig für die gerichtliche Entscheidungsfindung.
- Bedeutung der Betreuerin: Die Betreuerin bestätigt die Willensbildung der Erblasserin, was den gewöhnlichen Aufenthalt im Pflegeheim unterstützt. Ihre Aussagen sind entscheidend für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts und somit für die Zuständigkeit des Nachlassgerichts.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht München
AG Günzburg – Az.: VI 1306/22 – Beschluss vom 23.01.2023
1. Das Amtsgericht Günzburg erklärt sich im Hinblick auf den Beschluss des Amtsgerichts Sonthofen vom 05.09.2022 ebenfalls für örtlich unzuständig.
2. Das Verfahren wird dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.
Gründe
Gemäß § 343 Abs. 1 FamFG ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt dann vor, wenn der Erblasser tatsächlich und nicht nur vorübergehend dort verweilt und somit hier den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Es kommt daher auf den umgesetzten Willen an, einen bestimmten Ort bis auf Weiteres zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen. Hält sich der Erblasser zur Zeit des Erbfalls in einem Pflegeheim auf, weil sein Gesundheitszustand eine auf nicht begrenzte Dauer angelegte medizinische und pflegerische Betreuung erfordert und spricht nichts dafür, dass eine Rückkehr des Erblassers in die zuletzt von ihm bewohnte, an einem anderen Ort befindliche Wohnung in Betracht zu ziehen ist, so ist der für die örtliche Zuständigkeit maßgebliche letzte Wohnsitz des Erblassers am Ort des Pflegeheimes.
Aus der Nachlassakte VI 1306/22, die nunmehr bei dem Amtsgericht in Günzburg geführt wird, geht hervor, dass sich die Erblasserin bereits im Jahr 1992 im Fachpflegeheim M. in … O. (Amtsgerichtsbezirk Kempten) befand (siehe Blatt 24). Nach einem Brand in diesem Pflegeheim wurde die Erblasserin am 30.03.2011 in das Heim der A. Pflege in S. verlegt.
Das für örtlich unzuständig erklärte Gericht begründet die Unzuständigkeit mit der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Verstorbenen. Jedoch kommt es auf die Geschäftsfähigkeit nicht an, sondern lediglich darauf, ob der Erblasser fähig war, einen Bleibewillen zu bilden. Somit kann grundsätzlich in Heimen ein Aufenthalt begründet werden.
Weiterhin stellt die Betreuerin in mehreren Schreiben, die aus der Nachlassakte hervor gehen klar, dass die Erblasserin zu einer freien Willensbildung in der Lage war (Blatt 24, 72). Zudem wurde sie mehrmals gefragt, ob sie im Heim in S. bleiben möchte und dies beantwortete sie immer eindeutig mit „Ja“. Daraus lässt sich schließen, dass die Erblasserin sehr wohl fähig war, ihren eigenen Willen zu bilden und auch im Heim der A. Pflege bleiben wollte.
Somit ist das Amtsgericht Günzburg örtlich unzuständig.