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Pflichtteil – Anrechenbarkeit Geldzuwendung und Bürgschaftsübernahme als Ausstattungen

OLG Karlsruhe – Az.: 6 U 137/09 – Urteil vom 27.04.2011

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 10.08.2009 (Az. 1 O 184/08) im Kostenpunkt und in Ziffern 1 und 2 des Urteilsausspruchs aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 57 %, der Beklagte 43 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 47 %, der Beklagte 53 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche und Auskunftsansprüche.

Der am 03.11.2005 verstorbene Vater des Beklagten, K. S., wurde zunächst aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments von seiner Ehefrau T. S. beerbt. Diese verstarb am 19.06.2007, der Beklagte wurde aufgrund der testamentarischen Bestimmung alleiniger Schlusserbe seiner Eltern.

Die Klägerin ist die Tochter der vorverstorbenen Schwester des Beklagten. Ihr steht rechnerisch vom Nachlass ihres Großvaters K. S. ein Pflichtteil von 1/8 zu. Diesen macht sie im vorliegenden Verfahren geltend. Über den Nachlasswert wurde in erster Instanz (für den Prozess) Einigkeit erzielt; er beträgt € 81.318,71. Davon 1/8 entsprechen der Klageforderung von € 10.164,84.

Der Klägerin wurden von ihren Großeltern K. und T. S. unstreitig erhebliche Geldbeträge zur Verfügung gestellt. Der Beklagte hat sich auf eine von seiner Mutter erstellte handschriftliche Aufzeichnung berufen, wonach die Klägerin für Hausbau, diverse Einrichtungsgegenstände und ein Fahrzeug insgesamt DM 419.000 erhalten habe. Außerdem liegen Überweisungs- bzw. Auszahlungsbelege vor, die jeweils der Klägerin zur Verfügung gestellte Beträge betreffen sollen. Weiterhin übernahmen die Großeltern der Klägerin am 09.04.1996 zu deren Gunsten eine selbstschuldnerische Bürgschaft gegenüber der Volksbank W. (jetzt Volksbank M.-T.) über 330.000 DM zur Sicherung des Anspruchs der Volksbank aus der Geschäftsverbindung mit der Klägerin. Im Juni 2006 kündigte der mittlerweile für T. S. bestellte Betreuer die Bürgschaft zum 30.09.2006. Laut einer Auskunft der Volksbank M.-T. beliefen sich die verbürgten Ansprüche zum Kündigungszeitpunkt auf € 50.375,00.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei ihm gegenüber zur Auskunft darüber verpflichtet, welche Beträge sie seit 1996 von ihren Großeltern K. und T. S. schenkweise erhalten hat. Des Weiteren müsse sie ihm Auskunft über die Verwendung des durch die Bürgschaft gesicherten Kredits erteilen und über den aktuellen Stand des Kredits, für den die Bürgschaft der Großeltern gewährt worden sei.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt – nachdem sie den ursprünglich im Wege der Stufenklage gestellten Auskunftsantrag für erledigt erklärt hat – beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 10.164,84 nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 12.10.2007 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Bearbeitungskosten als unselbständige Nebenforderung in Höhe von € 837,52 nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und im Wege der Widerklage folgende Anträge gestellt:

1. Die Widerbeklagte wird verurteilt, dem Widerkläger Auskunft zu erteilen über die Beträge, die sie vom 01.01.1996 bis zum 31.12.2004 von ihren Großeltern K. S. und A. T. S. schenkweise erhalten hat.

2. Die Widerbeklagte wird verurteilt, Auskunft über die Verwendung des Betrages von 118.350,92 € zu geben, der innerhalb der bei der Volksbank M.-T. bestehenden Bürgschaft verwendet worden ist.

3. Die Widerbeklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über den aktuellen Stand des Kredits, den sie bei der Volksbank M.-T., aufgenommen hat und für den die Bürgschaft der Eheleute K. S. und A. T. S. geleistet worden ist.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben; ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten im Hinblick auf Auskunftsansprüche bestehe nicht. Ferner hat es dem Widerklageantrag Ziff. 1 stattgegeben und die Widerklage im Übrigen abgewiesen. Ein rechtliches Interesse an der Auskunft über schenkweise Zuwendungen sei im Hinblick auf § 2326 BGB zu bejahen. Hinsichtlich der weiter begehrten Auskunft sei dagegen ein Anspruch oder ein rechtliches Interesse des Beklagten nicht ersichtlich.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein auf Abweisung der Klage gerichtetes Prozessziel weiter; was die Widerklage angeht, verfolgt er mit der Berufung über die erfolgte Verurteilung der Klägerin hinaus (nur) den Widerklageantrag Ziff. 2 weiter.

Der Beklagte führt aus, das Landgericht habe bei seiner Verurteilung zur Zahlung eines Pflichtteils von € 10.164,84 unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin vom Erblasser Zuwendungen erhalten habe, die als Ausstattungen nach §§ 2050 Abs. 1, 1624 BGB zu qualifizieren seien. So habe die Klägerin am 14.03.1996 einen Betrag von DM 30.000 (Anlage B), am 18.04.1996 einen Betrag von DM 220.000 (Anlage A) erhalten. Zudem hätten die Großeltern zugunsten der Klägerin eine Bürgschaft in Höhe von DM 330.000 übernommen. Diese habe sich auf das Hausanwesen bezogen, welches die Klägerin u.a. mit dem ihr überlassenen Geld erworben habe. Auf die Bürgschaft habe der Erblasser bis 2006 rund € 118.000,00 bezahlt. Diese Zuwendungen hätten einerseits bezweckt, der Klägerin steuerliche Abschreibungen zu ermöglichen; zum anderen hätten sie der damals ledigen Klägerin, die gerade ihre Ausbildung als Krankenschwester abgeschlossen habe, den „Start ins Leben“ ermöglichen sollen; die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Belastungen, die sich aus dem Hauskauf ergäben, aus eigenen Mitteln zu bedienen. Die somit vorliegende Ausstattung müsse sich die Klägerin nach §§ 2316 Abs. 3, 2050 Abs. 1 BGB anrechnen lassen. Hinsichtlich des im Wege der Widerklage geltend gemachten Auskunftsanspruchs nimmt der Beklagte Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung der Berufung. Sie rügt den Sachvortrag des Beklagten als verspätet. Es sei nie streitig gewesen, dass die Klägerin am 18.04.1996 einen Betrag von DM 220.000,00 für ihren Hauskauf erhalten habe (Anlage A). Bei dieser Zuwendung handele es sich um eine Schenkung, nicht um eine Ausstattung. Das ergebe sich schon daraus, dass die die Zuwendung entgegen § 1624 BGB nicht von den Eltern der Klägerin erfolgt sei. Außerdem habe die Klägerin erst ca. 8 Jahre nach dem Hauskauf geheiratet. Die Deckung eines privaten Wohnbedarfs der Klägerin habe auch nichts mit der Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zu tun; die Klägerin sei seinerzeit unselbständig bei der BfA tätig gewesen; das sei auch derzeit wieder der Fall. Zudem sei die Zuwendung in dem ihr zugrunde liegenden Vertrag vom März 1996 als „objektbezogene Schenkung“ bezeichnet worden; in dem Vertrag habe sich die Klägerin verpflichtet, nach dem Tod eines Großelternteils dem überlebenden Ehegatten ein lebzeitiges Wohnrecht einzuräumen, das mit rund DM 80.000,00 zu bewerten sei. Damit verbleibe ein Zuwendungswert von DM 140.000,00, der – bezogen auf den Erblasser – hälftig aufgeteilt werden müsse. Damit verbleibe eine Schenkung im Wert von rund € 35.700,00. Ein Auskunftsanspruch bestehe nicht; der Erblasser habe auf die Bürgschaft keine Zahlungen leisten müssen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in Bezug auf seine Verurteilung zur Zahlung Erfolg; ein Pflichtteilsanspruch besteht im Hinblick auf die gebotene Anrechnung einer von der Klägerin erhaltenen Ausstattung nicht. Dagegen bleibt die Berufung ohne Erfolg, soweit sich der Beklagte gegen die Abweisung des Widerklageantrags Ziff. 2 wendet.

1. Aus dem unstreitigen Nachlasswert von € 81.318,71 ergibt sich der der Klageforderung entsprechende Pflichtteilsanspruch der Klägerin als Enkelin (1/8) in Höhe von € 10.164,84. Nach § 2316 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt sich aber der Pflichtteil eines Abkömmlings (das ist die Klägerin als Enkelin des Erblassers, vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 1922 Rz. 7) bei Vorhandensein mehrerer Abkömmlinge (der Beklagte ist Sohn und damit ebenfalls Abkömmling des Erblassers) unter Berücksichtigung der Ausgleichspflichten, die im Falle der gesetzlichen Erbfolge bei Zuwendungen des Erblassers gelten würden. Zu prüfen ist also, ob die Klägerin eine Zuwendung erhalten hat, die im Falle der gesetzlichen Erbfolge „zur Ausgleichung zu bringen“ wäre. Nach § 2050 Abs. 1 BGB sind Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, verpflichtet, bei der Auseinandersetzung untereinander dasjenige, was sie vom Erblasser zu dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser – wie hier – nichts anderes bestimmt hat.

2. Ausstattung ist nach der Definition des § 1624 Abs. 1 BGB dasjenige, was einem Kind (das bedeutet im Fall der Verweisung nach § 2050 Abs. 1: einem Abkömmling, vgl. Palandt/Weidlich a.a.O. § 2050 Rz. 8) mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von Vater oder Mutter (lies: vom Erblasser, vgl. § 2050 Abs. 1) zugewandt wird. Die Ausstattung ist eine von der Schenkung zu unterscheidende Art der unentgeltlichen Zuwendung („causa sui generis“); sie beruht auf einer Einigung der Parteien darüber, dass aufgrund eines objektiven Ausstattungsanlasses mit der „behaltensfesten“ Zuwendung einer der genannten Ausstattungszwecke verfolgt wird (vgl. Kerscher in jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 1624 Rz. 30). Ob dies der Fall ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.

Als Ausstattungsanlass kommen – neben den hier nicht vorliegenden „klassischen“ Fällen wie Verheiratung oder Geschäftsgründung – auch finanzielle Hilfen in Betracht, sofern die Zuwendung sich nicht in einer Hilfe aus aktueller Not erschöpft („schnell mal geholfen“), sondern der Begründung und Erhaltung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des Abkömmlings dient oder zu dienen bestimmt ist (Kerscher a.a.O. Rz. 33, 35). Das folgt daraus, dass § 1624 Abs. 1 als Fall der Ausstattung auch eine Zuwendung nennt, die „mit Rücksicht auf … die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung … der Lebensstellung“ gewährt wird. Nicht entscheidend ist dabei, ob die Zuwendung notwendig ist, um die selbständige Lebensstellung des Empfängers zu begründen oder zu erhalten (BGHZ 44, 91). Bei größeren Zuwendungen liegt deshalb die Deutung als Ausstattung nahe, wenn sich eine andere causa nicht sicher feststellen lässt (Kerscher a.a.O. Rz. 35). Andere, zusätzlich verfolgte Zuwendungszwecke schließen das Vorliegen einer Ausstattung nicht aus, sofern sie gegenüber dem Ausstattungszweck nicht dominieren. Das gilt insbesondere für das häufig mitverfolgte Ziel der Steuerersparnis (Kerscher a.a.O. Rz. 35-37). Gerade wenn ein relativ großer Altersunterschied zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger besteht, liegen die Zwecke der Ausstattung und der vorweggenommenen Erbfolge zeitlich und gedanklich nahe beisammen (Kerscher a.a.O. Rz. 36). Behält sich der Zuwendende bestimmte Rechte vor, so ist zu fragen, ob deswegen die Dominanz des Ausstattungszwecks fehlt. Ein lediglich partielles Wohnrecht steht – anders als z.B. ein umfassender Nießbrauch – der Dominanz des Ausstattungszwecks nicht entgegen (Kerscher a.a.O. Rz. 38). Das Erfordernis einer „behaltensfesten“ Zuwendung bedeutet, dass wegen des Zwecks der Zuwendung die Rückforderungsmöglichkeiten nach §§ 528, 530 BGB ausgeschlossen sein müssen (vgl. Kerscher a.a.O. Rz. 16).

3. An diesen Maßstäben gemessen ist im Streitfall vom Vorliegen einer Ausstattung auszugehen. Die Klägerin war im Zeitpunkt der Zuwendung 24 Jahre alt; sie hatte ihre Ausbildung abgeschlossen und war abhängig beschäftigt. Die Zuwendung, die ausschließlich für den Kauf eines im Zuwendungszeitpunkt bereits bekannten Hausgrundstücks bestimmt war, ermöglichte der Klägerin unstreitig erst den Erwerb eines dauerhaften, gemessen an ihrem damaligen Lebenszuschnitt erheblichen Vermögenswerts. Aufgrund des Immobilienerwerbs brauchte die Klägerin dauerhaft keine Miete zu bezahlen; die für die Rest-Finanzierung zu leistenden Darlehenstilgungen stellten sich fortan als Investition ins eigene Vermögen dar. Insofern war die Zuwendung objektiv ein erheblicher Beitrag zu ihrer finanziellen Selbständigkeit. Der Senat ist davon überzeugt, dass dies von den Parteien auch angestrebt wurde. Angesichts des Umstands, dass die konkrete Immobilie von der Klägerin ohne die Zuwendung nicht erworben worden wäre, musste es den Parteien auch um eine „behaltensfeste“ Zuwendung gehen.

Dass die Parteien die Zuwendung im Vertrag vom März 1996 – dessen wirksamer Abschluss zugunsten der Klägerin unterstellt werden kann – als „objektbezogene Schenkung“ bezeichnet haben, steht der Annahme eines von ihnen verfolgten Ausstattungszwecks nicht entgegen. Der Begriff der Ausstattung für ein Rechtsgeschäft ist wenig gebräuchlich; dass eine unentgeltliche Zuwendung in einem privatschriftlichen Vertrag als „Schenkung“ bezeichnet wird, muss daher nicht zwingend auf das Vorliegen einer Schenkung im rechtlichen Sinne schließen lassen. Dass die „Schenkung“ aber „objektbezogen“ genannt wird und ausdrücklich „zum Kauf des Wohnhauses v.-S.-Str. 11, 97980 B. M.“ dienen soll, spricht eher für die Verfolgung des genannten Ausstattungszwecks. Die Klägerin sollte über den zugewandten Geldbetrag nicht nach Gutdünken verfügen können, sondern durfte ihn allein für den Erwerb der wertbeständigen und über ihren damaligen Lebenszuschnitt hinausgehenden Immobilie verwenden.

Mit diesem Vertrag haben die Großeltern der Klägerin allerdings auch den Zweck verfolgt, nach dem Tod des Erstversterbenden von ihnen dem Überlebenden ein lebzeitiges Wohnrecht bei der Klägerin zu sichern. Das steht nach dem oben Gesagten der Annahme einer Ausstattung in der Regel nicht entgegen; jedenfalls in der hier gegebenen konkreten Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erlangung eines Wohnrechts gegenüber der Ausstattung der dominierende Zweck war. Denn angesichts des hohen Alters der Zuwendenden bei Vertragsschluss – der Erblasser war zu diesem Zeitpunkt 85, seine Ehefrau 80 Jahre alt – konnten die Parteien nicht damit rechnen, dass das Wohnrecht mehr als einige Jahre lang in Anspruch genommen würde. Das bedeutete zugleich, dass das zu erwerbende Haus der damals 24 Jahre alten Klägerin mit Wahrscheinlichkeit für den größten Teil ihres Lebens insgesamt zur Verfügung stehen würde. Selbst wenn die Klägerin also, wie sie mit Schriftsatz vom 24.02.2011 vorgetragen hat, zunächst ein kleineres Objekt erwerben wollte und dann von ihren Großeltern motiviert worden wäre, ein größeres Haus zu erwerben, damit der Überlebende bei Bedarf bei der Klägerin wohnen könnte, könnte vor dem genannten Hintergrund nicht angenommen werden, dass der Ausstattungszweck von diesem Bestreben in den Hintergrund gedrängt würde. Auch das Streben nach steuerlicher Besserstellung der Klägerin spricht nicht gegen die Annahme einer Ausstattung. Dass der Beklagte selbst von den Großeltern ebenfalls Zuwendungen erhalten haben mag, die möglicherweise als Ausstattung zu qualifizieren sein könnten – eine abschließende Beurteilung lässt der Vortrag der Parteien nicht zu –, ist in der vorliegenden Streitsituation ohne Belang.

4. Wegen der somit vorliegenden Ausstattung scheidet ein Anspruch der Klägerin auf einen Pflichtteil selbst dann aus, wenn man ansonsten alle streitigen Punkte zugunsten der Klägerin unterstellt. Die Anrechnung ist von den Zuwendenden nicht ausgeschlossen worden; daher ist nach der Zweifelsregel des § 2050 Abs. 1 BGB anzurechnen. Dem Umstand, dass die Erblasser bei Zuwendungen an den Beklagten – noch dazu testamentarisch, d.h. nicht bei der Zuwendung (vgl. aber § 2050 Abs. 1 BGB) – die Anrechnung ausdrücklich angeordnet haben mögen, kommt daher für die Beurteilung des Streitfalls ebenfalls keine entscheidende Bedeutung zu.

Im Rahmen der Pflichtteilsberechnung ist wie folgt zu rechnen: Es ist der gesetzliche Erbteil nach Maßgabe der §§ 2050 ff. BGB unter Berücksichtigung der Ausstattung (die zunächst den fiktiven Nachlass erhöht und dann vom aus diesem berechneten gesetzlichen Erbteil abgezogen werden muss) zu berechnen; dieser ist dann durch 2 zu teilen (Pflichtteil). Das bedeutet:

Nachlasswert nach K. S.: € 81.318,71.

Davon ½ abzurechnen für gesetzlichen Erbteil der Ehefrau: € 40.659,36.

Dieser Nachlasswert erhöht sich um den Wert der Zuwendung, hier: € 35.790,43 (DM 220.000 / 2 [Zuwendung beider Großeltern] = DM 110.000, abzgl. Wohnrecht des Erblassers nach Klägervortrag [DM 80.000 / 2 = 40.000] = DM 70.000 = € 35.790,43)

Der fiktive Nachlasswert beträgt also (€ 40.659,36 + € 35.790,43 = € 76.449,79

Davon ¼ (ges. Erbteil) = € 19.112,45

Abzüglich Zuwendung € 35.790,43 = 0,00 (vgl. zum Rechenweg Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 2316 Rz. 2 f.)

5. Zum Auskunftsantrag: Die Klägerin soll verurteilt werden, „Auskunft über die Verwendung des Betrages von 118.350,92 € zu geben, der innerhalb der bei der Volksbank M.-T. bestehenden Bürgschaft verwendet worden ist“.

Nach der Berufungsbegründung wird mit dem Antrag das Ziel verfolgt, Klarheit über die Vorempfänge der Klägerin zu erhalten (AS II 33). Wie im Verhandlungstermin beim Einzelrichter am 14.02.2011 erörtert, geht der widerklagende Beklagte davon aus, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die Verpflichtungen aus dem bürgschaftsgesicherten Darlehen, mit dem der Hauserwerb (zusätzlich zu der genannten Zuwendung) finanziert wurde, aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Der Beklagte mutmaßt also, dass die Klägerin zur Bedienung des Darlehens weitere Mittel vom Erblasser erhalten hat.

Eine Anspruchsgrundlage dafür, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten über die Rückführung des bürgschaftsgesicherten Immobiliendarlehens abrechnet, ist jedenfalls in der hier gegebenen Situation nicht ersichtlich. Der Beklagte ist Alleinerbe der Großeltern; weshalb er nicht in der Lage sein soll, sich aus den ihm zur Verfügung stehenden oder zu beschaffenden Unterlagen und Bankauskünften Klarheit über etwaige Zahlungen der Großeltern auf Bürgschaft und/oder Darlehen zu verschaffen, erschließt sich nicht.

Zudem ist die Antragsformulierung in der gestellten Weise nicht sachdienlich. Dies wurde im Termin vom 14.02.2011 angesprochen; hierauf kommt es aber wegen des Fehlens einer Anspruchsgrundlage nicht entscheidend an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Wert der Auskunftsanträge entsprechend der plausiblen Streitwertfestsetzung des Landgerichts (Beschluss vom 19.08.2009) zugrundegelegt wurde. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.

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