Wer die Prozesskosten im Erbfall trägt, wurde zum Hauptstreitpunkt, als eine Erbin den geschätzten Wert einer Nachlassimmobilie monatelang ignorierte. Ihre anfängliche Untätigkeit löste nicht nur ein Gutachten aus, sondern auch eine Kette kostspieliger juristischer Schritte.
Übersicht
Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 C 180/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Krefeld
- Datum: 18.12.2024
- Aktenzeichen: 7 C 180/24
- Verfahren: Feststellungsklage
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilprozessrecht
- Das Problem: Eine Erbin verlangte ihren Pflichtteil aus einem Nachlass. Es gab Streit über den Wert einer Immobilie und die Kosten für ein gerichtliches Wertgutachten.
- Die Rechtsfrage: Musste die Beklagte den Pflichtteil unter Berücksichtigung des Immobilienwertes zahlen? Und musste sie alle Gerichtskosten tragen, weil ihr Verhalten die Klage erst nötig machte?
- Die Antwort: Ja, das Gericht bestätigte die Zahlungspflicht der Beklagten. Sie muss alle Prozesskosten tragen, weil ihr vorgerichtliches Verhalten die Klage nötig machte.
- Die Bedeutung: Wer einen berechtigten Anspruch (wie einen Pflichtteil) nicht anerkennt und dadurch ein gerichtliches Wertgutachten nötig macht, trägt die gesamten Prozesskosten. Das gilt auch dann, wenn die Zahlung erst später erfolgt.
Der Fall vor Gericht
Warum kann Zögern im Erbfall teurer sein als der Streit selbst?
Ein Brief mit einer klaren Forderung. Eine Frist, die verstreicht. Und dann: Schweigen. Im Streit um einen Pflichtteil kann dieses Schweigen teurer werden als der eigentliche Anspruch. Eine Erbin erlebte genau das.

Sie weigerte sich, den von einer Pflichtteilsberechtigten geschätzten Wert einer Immobilie anzuerkennen, ohne selbst einen Gegenvorschlag zu machen. Diese Weigerung setzte eine juristische Kettenreaktion in Gang, an deren Ende sie nicht nur den Pflichtteil, sondern auch die Kosten für Gutachter und Gerichte zahlen musste.
Der Fall begann klassisch. Nach einem Erbfall forderte eine Frau ihren gesetzlichen Pflichtteil von der Alleinerbin. Ein wesentlicher Teil des Nachlasses war eine Immobilie. Die Pflichtteilsberechtigte bezifferte deren Wert auf 430.000 Euro und verlangte auf dieser Basis ihren Anteil. Die Erbin reagierte zwar, aber nur halbherzig. Sie legte ein Nachlassverzeichnis vor. Eine Zahlung leistete sie nicht. Sie stimmte dem geschätzten Immobilienwert auch nicht zu. Die gesetzte Frist verstrich ungenutzt. Für die Pflichtteilsberechtigte war klar: Ohne Druck würde sie ihr Geld nicht bekommen.
Welchen juristischen Kniff nutzte die Klägerin für die Kostenfrage?
Die Pflichtteilsberechtigte stand vor einem Problem. Um ihren Anspruch exakt zu berechnen, brauchte sie einen offiziellen, unanfechtbaren Wert für die Immobilie. Den bekommt man durch ein gerichtliches Gutachten. Doch wer bestellt, zahlt erst einmal. Sie hätte direkt auf Zahlung eines geschätzten Betrags klagen können. Das Risiko: Liegt das Gerichtsgutachten später niedriger, verliert sie den Prozess teilweise und bleibt auf einem Teil der Kosten sitzen.
Ihr Anwalt wählte einen klügeren, zweistufigen Weg. Zuerst beantragte er ein sogenanntes „selbstständiges Beweisverfahren“. Das ist ein reines Service-Verfahren des Gerichts. Es dient nur einem Zweck: eine bestimmte Tatsache – hier den Wert der Immobilie – durch einen Sachverständigen klären zu lassen. Eine Entscheidung über Zahlung oder Kosten fällt in diesem Verfahren nicht. Nach Abschluss lag das Gutachten vor. Erst jetzt forderte die Pflichtteilsberechtigte die Erbin erneut zur Zahlung auf, die diese dann auch leistete.
Damit war die Hauptsache erledigt. Aber die Kostenfrage war offen. Wer sollte für das teure Gutachten und die Anwälte aufkommen? Um das zu klären, reichte die Pflichtteilsberechtigte eine zweite Klage ein. Eine reine Feststellungsklage. Das Ziel war nicht mehr, Geld zu bekommen. Das Ziel war, das Gericht feststellen zu lassen, dass die Erbin von Anfang an zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre und deshalb auch alle Kosten des Umwegs – also die des Gutachtenverfahrens und des neuen Prozesses – tragen muss. Ein strategisch sauberer Zug.
Wieso sah das Gericht die Schuld allein bei der Erbin?
Das Amtsgericht Krefeld folgte der Logik der Klägerin. Die Richter konzentrierten sich auf einen einzigen Punkt: das Verhalten der Erbin, bevor die Gerichte überhaupt eingeschaltet wurden. Die zentrale Frage des Zivilprozessrechts lautet hier: Wer hat Anlass zur Klage gegeben? Wer sich so verhält, dass sein Gegenüber glauben muss, sein Recht nur per Gericht durchsetzen zu können, der hat den Prozess provoziert. Und wer provoziert, muss am Ende auch die Rechnung bezahlen.
Das Gericht zerlegte das Verhalten der Erbin. Sie hatte das Nachlassverzeichnis vorgelegt. Das war korrekt. Sie hatte aber den konkret bezifferten Anspruch weder anerkannt noch bezahlt. Sie hatte auch kein eigenes Gutachten beauftragt oder den vorgeschlagenen Wert auf andere Weise infrage gestellt. Sie tat im Grunde nichts. Dieses passive Verhalten erzeugte bei der Pflichtteilsberechtigten den absolut berechtigten Eindruck, ohne gerichtliche Hilfe nicht weiterzukommen.
Der Einwand der Erbin, sie habe den Betrag ja kurz vor Klageeinreichung bezahlt, verfing nicht. Für die Kostenentscheidung war dieser Zeitpunkt unerheblich. Entscheidend war ihr Zögern davor. Dieses Zögern hatte das Beweisverfahren überhaupt erst notwendig gemacht. Die Richter stellten klar: Die Erbin hätte die Eskalation leicht verhindern können. Sie hätte den Wert anerkennen, selbst ein Gutachten vorschlagen oder zumindest signalisieren können, dass sie auf Basis eines objektiven Werts zahlen wird. Ihr Schweigen zur Kernforderung pulverisierte ihre Argumente im Kostenstreit. Das Gericht verurteilte sie zur Übernahme aller Kosten. Die des Beweisverfahrens und die des anschließenden Feststellungsprozesses.
Die Urteilslogik
Untätigkeit in Nachlassstreitigkeiten kann teure Prozesskosten nach sich ziehen, selbst wenn der Hauptanspruch später erfüllt wird.
- Untätigkeit provoziert Kosten: Wer sich in einer Rechtssache passiv verhält und einer berechtigten Forderung nicht aktiv entgegentritt oder sie anerkennt, schafft den Anlass für eine Klage und trägt die daraus entstehenden Kosten.
- Wer Beweisverfahren erzwingt, trägt die Kosten: Ein selbstständiges Beweisverfahren dient allein der Faktenklärung, beispielsweise zur Immobilienbewertung, doch die Partei, die es durch ihr Verhalten notwendig macht, übernimmt am Ende dessen Kosten.
- Kostenklärung per Feststellungsklage: Eine Feststellungsklage ermöglicht es, die Kostenpflicht für ein Verfahren auch dann gerichtlich zu klären, wenn der Hauptanspruch bereits erfüllt ist und keine direkte Zahlungsklage mehr möglich ist.
Eine proaktive und transparente Kommunikation in Erbschaftsangelegenheiten minimiert das Risiko teurer gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Benötigen Sie Hilfe?
Müssen Sie im Erbfall unnötige Gutachten-Kosten zur Durchsetzung des Pflichtteils befürchten? Kontaktieren Sie uns für eine rechtliche Ersteinschätzung Ihres Anliegens.
Experten Kommentar
Manchmal ist Schweigen Gold, doch im Erbrecht kann es richtig ins Geld gehen. Dieses Urteil macht glasklar: Wer bei einem Pflichtteilanspruch den geschätzten Immobilienwert anzweifelt, muss aktiv Gegenwind geben oder einen eigenen Vorschlag machen. Passivität kostet am Ende nicht nur den eigentlichen Anteil, sondern auch die kompletten Kosten für Gutachten und Gerichte – eine klare rote Linie für alle Erben, die Diskussionen aussitzen wollen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie berechne ich meinen Pflichtteil am Nachlass?
Die exakte Berechnung Ihres Pflichtteils hängt maßgeblich von einem unanfechtbaren, objektiven Wert des Nachlasses ab. Insbesondere die Immobilienbewertung stellt oft den größten finanziellen Hebel dar. Ohne eine Einigung über diesen Wert erfordert die Feststellung schnell gerichtliche Klärung. Eine fundierte Basis ist unerlässlich, um Ihren Anspruch wirksam durchzusetzen.
Juristen nennen die Grundlage für Ihren Pflichtteil den Verkehrswert aller Nachlassgegenstände zum Zeitpunkt des Erbfalls. Von diesem Gesamtwert werden dann etwaige Schulden des Verstorbenen abgezogen. Ihre persönliche Schätzung dieses Wertes, besonders bei Immobilien, kann der Erbe jedoch einfach ignorieren. Ein rechtlich bindender, objektiver Wert ist zwingend erforderlich.
Die größte Hürde ist hierbei oft die Einigung über den Wert von Immobilien. Gelingt keine einvernehmliche Feststellung, führt der Weg häufig über ein selbstständiges Beweisverfahren. Hierbei beauftragt das Gericht einen unabhängigen Sachverständigen, um den genauen Verkehrswert festzustellen. Nur so erhalten Sie einen offiziellen Wert, der für die Berechnung Ihrer Forderung unbestreitbar ist.
Denken Sie an den Kauf eines Gebrauchtwagens. Niemand akzeptiert den Preis, den der Verkäufer „schätzt“, ohne eigene Recherche oder ein Gutachten. Genauso verhält es sich im Erbrecht. Die Quote Ihres Pflichtteils ist zwar gesetzlich festgelegt – oft die Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils. Doch ohne den endgültigen, unbestreitbaren Wert des gesamten Nachlasses bleibt die konkrete Summe eine vage Annahme und lässt sich schwer durchsetzen.
Um Ihren Anspruch auf eine solide Basis zu stellen, verschaffen Sie sich als ersten, konkreten Schritt eine belastbare und anerkannte Einschätzung. Konkret bedeutet das: Fordern Sie vom Erben ein detailliertes Nachlassverzeichnis an. Bei wesentlichen Nachlassgegenständen, insbesondere Immobilien, sollten Sie parallel eine unabhängige Wertermittlung durch eine anerkannte Quelle oder einen Gutachter beauftragen. Dies ermöglicht Ihnen, eine fundierte und begründete Forderung zu stellen, die der Erbe ernst nehmen muss.
Welche Auskunftsrechte habe ich als Pflichtteilsberechtigter?
Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie ein essenzielles Recht auf ein vollständiges, detailliertes und nachprüfbares Nachlassverzeichnis vom Erben. Dieses Verzeichnis verschafft Ihnen die nötige Transparenz über alle Vermögenswerte und Schulden des Erblassers zum Todeszeitpunkt, insbesondere deren genaue Werte wie bei Immobilien, um Ihren Pflichtteil fundiert berechnen und einfordern zu können. Ohne diese Auskunft ist eine korrekte Bezifferung unmöglich.
Ihr primäres Auskunftsrecht ist die Anforderung eines Nachlassverzeichnisses vom Erben, wie es § 2314 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsieht. Dieses muss eine genaue und lückenlose Aufstellung aller Aktiva wie Immobilien, Konten, Wertpapiere und Schmuck sowie aller Passiva, sprich Schulden des Nachlasses, enthalten. Juristen nennen das die „Bestandsaufnahme“ des Erbes. Entscheidend ist, dass das Verzeichnis nicht nur die Existenz von Vermögenswerten auflistet, sondern auch deren Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls klar beziffert. Besonders bei bedeutenden Posten wie Immobilien ist eine präzise Werterfassung essenziell, denn sie bildet die unverzichtbare Basis für Ihre Pflichtteilsberechnung. Zudem können Sie Auskunft über Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten fordern, da diese Ihren Pflichtteilsanspruch erhöhen können.
Denken Sie an die Situation, als würden Sie ein Rezept ohne genaue Mengenangaben backen wollen. Ohne das detaillierte Nachlassverzeichnis mit konkreten Werten ist Ihr Pflichtteilsanspruch nur eine ungefähre Vorstellung – nicht aber eine belastbare Forderung. Sie brauchen die exakten Zutaten, um Ihr „Rezept“ zu vollenden.
Fordern Sie den Erben unverzüglich schriftlich und mit einer angemessenen Fristsetzung auf, ein vollständiges und detailliertes Nachlassverzeichnis vorzulegen. Dieses Verzeichnis muss die Bewertung aller wesentlichen Vermögenswerte, insbesondere Immobilien, transparent und nachvollziehbar ausweisen. Akzeptieren Sie niemals ein unvollständiges oder nur pauschale Angaben enthaltendes Verzeichnis. Bestehen Sie auf einer präzisen Bezifferung aller Werte. Nur so können Sie Ihren Anspruch fundiert stellen und sich vor unnötigen Verzögerungen schützen.
Wie kläre ich den Immobilienwert außergerichtlich?
Den Immobilienwert klären Sie außergerichtlich, indem Sie als Erbe entweder selbst proaktiv einen anerkannten, unabhängigen Immobiliengutachter beauftragen oder den vom Pflichtteilsberechtigten vorgeschlagenen Wert aktiv und begründet mit nachvollziehbaren Daten infrage stellen, statt passiv zu schweigen. Dies vermeidet kostspielige Gerichtsverfahren effektiv und schafft eine faire Verhandlungsgrundlage, oft zum Vorteil aller Beteiligten.
Als Erbe stehen Ihnen gleich mehrere Optionen offen, um den Immobilienwert fair und ohne gerichtliche Einmischung festzulegen. Ein erster, sehr empfehlenswerter Weg ist die proaktive Beauftragung eines neutralen und zertifizierten Sachverständigen. Dessen Verkehrswertgutachten liefert eine objektive Basis für die weiteren Gespräche. Sie können dieses Gutachten dann dem Pflichtteilsberechtigten vorlegen, um eine gemeinsame Linie zu finden.
Sollte der Pflichtteilsberechtigte bereits einen Wert vorschlagen, müssen Sie nicht stumm bleiben. Im Gegenteil: Sie können diesen Wert aktiv und fundiert infrage stellen. Zeigen Sie eigene, nachvollziehbare Vergleichswerte auf, ziehen Sie Daten aus Immobilienportalen heran oder präsentieren Sie eine eigene, gut begründete Schätzung. Dieses Vorgehen ermöglicht eine sachliche Verhandlung. Wichtig ist nur: Vermeiden Sie es um jeden Preis, auf eine bezifferte Forderung einfach nicht zu reagieren, keinen Gegenvorschlag zu machen oder ein eigenes Gutachten einzuholen. Dieses passive Verhalten provoziert nicht nur unnötige gerichtliche Auseinandersetzungen, sondern wird vom Gericht auch als „Anlass zur Klage“ gewertet, was dann teuer für Sie werden kann.
Ein passender Vergleich ist ein Autokauf, bei dem Käufer und Verkäufer unterschiedliche Preisvorstellungen haben. Der Verkäufer sagt 10.000 Euro, der Käufer bietet 8.000 Euro. Bleibt der Verkäufer stumm oder ignoriert das Angebot, endet das Geschäft nicht. Besser ist es, einen Gutachter einzuschalten, Referenzwerte zu nennen oder sich auf einen Kompromiss zu einigen. Die Initiative, eine objektive Basis zu schaffen oder aktiv zu verhandeln, ist der Schlüssel, um eine faire Lösung zu finden, ohne einen Richter bemühen zu müssen.
Kontaktieren Sie bei Uneinigkeit über den Immobilienwert unverzüglich einen zertifizierten Immobiliengutachter. Fordern Sie ein verbindliches Angebot für ein Verkehrswertgutachten an. Informieren Sie den Pflichtteilsberechtigten über diesen konkreten Schritt. So signalisieren Sie klar Ihre Bereitschaft zur objektiven Klärung und vermeiden den Eindruck, Sie würden blockieren. Handeln Sie proaktiv, um teure Überraschungen zu vermeiden.
Wer zahlt die Prozesskosten, wenn der Nachlass nicht reicht?
Die Prozesskosten tragen Sie als Erbe persönlich – und diese können weitaus höher sein als der eigentliche Pflichtteil – wenn Sie durch Zögern und passives Nichthandeln den Pflichtteilsberechtigten dazu zwingen, den Wert des Nachlasses oder dessen Auszahlung gerichtlich feststellen zu lassen, selbst wenn der Nachlass nominell ausreicht.
Juristen nennen das „Anlass zur Klage geben“. Wenn Sie als Erbe eine berechtigte Pflichtteilsforderung durch passives Verhalten – keine Anerkennung, keine Zahlung, kein begründeter Gegenvorschlag – ignorieren, vermitteln Sie dem Pflichtteilsberechtigten den Eindruck, er müsse klagen. Genau dann werden Ihnen vom Gericht die gesamten Verfahrenskosten angelastet. Dabei ist es unerheblich, ob der Nachlass theoretisch ausreichen würde.
Kosten für ein selbstständiges Beweisverfahren, etwa zur Wertermittlung einer Immobilie, und eine anschließende Feststellungsklage zur Klärung der Kostenpflicht summieren sich schnell zu hohen Summen. Diese Beträge können Ihre Erbschaft erheblich schmälern. Schlimmer noch: Diese unnötig entstandenen Kosten gehen im Zweifel zu Lasten Ihrer persönlichen Finanzen. Ihre Untätigkeit ist die Ursache für diese Eskalation. Richter unterscheiden hier klar: Es gibt die Pflicht zur Zahlung des Pflichtteils und die separate Pflicht zur Kostentragung, wenn man den Prozess provoziert hat.
Denken Sie an die Situation im Straßenverkehr: Wer trotz klarer Vorfahrtsregelung einfach stehen bleibt und den anderen zum Ausweichen zwingt, trägt am Ende die Schuld, selbst wenn er objektiv im Recht war. Ihre Passivität provoziert den „Unfall“ vor Gericht.
Reagieren Sie unverzüglich und proaktiv auf jede Pflichtteilsforderung. Anerkennen Sie berechtigte Ansprüche oder zahlen Sie aus. Legen Sie andernfalls einen begründeten Gegenvorschlag vor. Beauftragen Sie zeitnah ein eigenes Gutachten zur Wertermittlung, falls nötig. Nur so vermeiden Sie eine gerichtliche Eskalation und unnötige Kosten von vornherein.
Was muss ich als Erbe aktiv tun, um unnötige Kosten zu vermeiden?
Als Erbe vermeiden Sie unnötige Kosten, indem Sie auf Pflichtteilsforderungen umgehend und proaktiv reagieren. Anerkennen Sie berechtigte Ansprüche, zahlen Sie den Pflichtteil aus oder legen Sie selbst ein objektives Gutachten zur Wertermittlung vor. Schweigen oder passives Nichthandeln wird als kostspielige Taktik vor Gericht gewertet und kann erhebliche Folgekosten verursachen.
Juristen nennen es „Anlass zur Klage geben„. Wer als Erbe eine konkret bezifferte Pflichtteilsforderung erhält, muss darauf handeln. Das bedeutet, entweder Sie prüfen den Anspruch, erkennen ihn an und überweisen den Pflichtteil. Oder Sie legen einen fundierten Gegenvorschlag vor, falls Sie den Wert anders einschätzen. Besonderes Gewicht kommt dabei der Wertermittlung von Immobilien zu. Hier gilt: Beauftragen Sie bei Uneinigkeit über den Wert proaktiv einen unabhängigen Sachverständigen für ein Verkehrswertgutachten. Dies schafft eine unanfechtbare Diskussionsgrundlage. So verhindern Sie, dass der Pflichtteilsberechtigte selbst ein teures gerichtliches Beweisverfahren anstrengt, dessen Kosten Ihnen dann angelastet werden.
Ein passender Vergleich ist ein Schachspiel. Jeder Zug erfordert eine Antwort. Bleibt Ihre Figur einfach stehen, während der Gegner einen Plan schmiedet, führt das unweigerlich zum Verlust. Im Erbrecht ist es ähnlich: Passivität ist keine Strategie, sie provoziert den nächsten Zug – oft eine Klage – und die damit verbundenen Kosten fallen dann auf Sie zurück.
Prüfen Sie sofort nach Erhalt einer Pflichtteilsforderung die genannten Nachlasswerte, insbesondere für Immobilien. Setzen Sie sich eine interne, kurze Frist. Innerhalb dieser Zeitspanne sollten Sie entweder den Wert bestätigen und die Zahlung anbieten oder einen begründeten Gegenvorschlag unterbreiten. Ein transparentes Signal Ihrer Handlungsbereitschaft kann eine gerichtliche Eskalation effektiv verhindern.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anlass zur Klage geben
Juristen sagen, man hat Anlass zur Klage gegeben, wenn das eigene Verhalten den Gegner zwingt, seine Rechte vor Gericht einzuklagen. Dieses Prinzip im Zivilprozessrecht entscheidet darüber, wer die Kosten eines Verfahrens tragen muss, selbst wenn die Hauptforderung am Ende erfüllt wird. Es soll Parteien dazu anhalten, berechtigte Ansprüche außergerichtlich zu klären und unnötige Prozesse zu vermeiden.
Beispiel: Die Erbin gab Anlass zur Klage, weil sie den Wert der Immobilie weder anerkannte noch einen Gegenvorschlag machte und die Pflichtteilsberechtigte so in ein selbstständiges Beweisverfahren drängte.
Feststellungsklage
Eine Feststellungsklage ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem man nicht auf Zahlung, sondern auf die offizielle Klärung einer Rechtsbeziehung oder Tatsache durch das Gericht abzielt. Sie dient dazu, Ungewissheiten zu beseitigen und Rechtssicherheit zu schaffen, beispielsweise über die Pflicht, bestimmte Kosten zu tragen. Damit lässt sich verhindern, dass dieselbe Frage später erneut strittig wird.
Beispiel: Nach Klärung des Immobilienwertes reichte die Pflichtteilsberechtigte eine Feststellungsklage ein, um gerichtlich bestätigen zu lassen, dass die Erbin die Kosten für das Beweisverfahren tragen muss.
Nachlassverzeichnis
Ein Nachlassverzeichnis ist eine detaillierte Auflistung aller Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes, die der Erbe auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten erstellen muss. Dieses Verzeichnis schafft Transparenz und gibt dem Pflichtteilsberechtigten die notwendige Informationsgrundlage, um seinen Anspruch korrekt zu berechnen. Es soll eine faire und nachvollziehbare Abwicklung des Erbfalls ermöglichen.
Beispiel: Obwohl die Erbin ein Nachlassverzeichnis vorlegte, fehlte darin eine klare Anerkennung des von der Pflichtteilsberechtigten geschätzten Immobilienwertes, was zu weiteren Streitigkeiten führte.
Pflichtteil
Der Pflichtteil ist ein Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen zusteht, selbst wenn sie durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurden. Das Gesetz will damit sicherstellen, dass Ehepartner und direkte Abkömmlinge (Kinder, Enkel) nicht völlig mittellos aus einem Erbfall ausgeschlossen werden. Dieser Anspruch ist eine finanzielle Beteiligung, kein Recht auf konkrete Gegenstände aus dem Nachlass.
Beispiel: Die Pflichtteilsberechtigte forderte ihren Pflichtteil von der Alleinerbin, da sie durch den letzten Willen des Verstorbenen vom Erbe ausgeschlossen worden war und nun einen Teil des Nachlasses beanspruchte.
selbstständiges Beweisverfahren
Ein selbstständiges Beweisverfahren ist ein gerichtliches Service-Verfahren, das allein dazu dient, bestimmte Fakten oder Beweise durch Sachverständige festzustellen, ohne dass dabei über einen Zahlungsanspruch entschieden wird. Das Verfahren ermöglicht es, frühzeitig und verbindlich Klarheit über strittige Sachverhalte, wie den Wert einer Immobilie, zu erhalten. Es hilft, spätere, teurere Hauptsacheklagen vorzubereiten oder sogar zu vermeiden, da eine objektive Basis für Verhandlungen geschaffen wird.
Beispiel: Um den Wert der Immobilie unanfechtbar festzustellen, beantragte der Anwalt der Pflichtteilsberechtigten ein selbstständiges Beweisverfahren, bevor er eine Klage auf Zahlung einreichte.
Verkehrswert
Der Verkehrswert ist der objektive Marktpreis einer Sache, insbesondere einer Immobilie, der sich zum Zeitpunkt des Erbfalls unter normalen Umständen am freien Markt erzielen ließe. Dieser Wert bildet die unverzichtbare Basis für die korrekte Berechnung von Erbschaften, Pflichtteilen oder Steuern. Das Gesetz will sicherstellen, dass Vermögenswerte realistisch und nachvollziehbar bewertet werden, um alle Beteiligten fair zu behandeln.
Beispiel: Ohne eine Einigung über den Verkehrswert der Immobilie konnte die genaue Höhe des Pflichtteils nicht final beziffert werden, was zu weiteren juristischen Schritten führte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Veranlassung zur Klage (§ 93 Zivilprozessordnung)
Diese Regel besagt, dass die Partei, die durch ihr Verhalten eine Klage notwendig macht, am Ende die Prozesskosten tragen muss.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sah das Zögern und Schweigen der Erbin als Grund an, dass die Klägerin gerichtlich den Immobilienwert klären und die Kosten einfordern musste.
Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Bürgerliches Gesetzbuch)
Dieses Gesetz garantiert nahen Angehörigen, die enterbt wurden, einen gesetzlichen Mindestanteil am Nachlass.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hatte als Pflichtteilsberechtigte einen gesetzlichen Anspruch auf einen Anteil des Erbes, dessen genaue Höhe vom Wert der Immobilie abhing.
Selbstständiges Beweisverfahren (§ 485 Zivilprozessordnung)
Dieses Gerichtsverfahren ermöglicht es, wichtige Tatsachen wie den Wert einer Immobilie durch einen Sachverständigen klären zu lassen, ohne dass dabei schon über Zahlungsansprüche entschieden wird.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin nutzte dieses Verfahren, um den genauen und gerichtlich anerkannten Wert der Immobilie zu erhalten, da die Erbin selbst keine verbindliche Angabe machte.
Feststellungsklage (§ 256 Zivilprozessordnung)
Mit dieser speziellen Klage kann das Gericht feststellen, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis oder eine Verpflichtung existiert.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Nachdem der Pflichtteil bezahlt war, reichte die Klägerin diese Klage ein, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Erbin von Anfang an zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre und somit alle Kosten tragen muss.
Das vorliegende Urteil
AG Krefeld – Az.: 7 C 180/24 – Anerkenntnisurteil vom 18.12.2024
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Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
