Rechtsprechung entschlüsselt: Grabpflegekosten und Pflichtteil im Erbrecht
Im Mittelpunkt des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH, Az.: IV ZR 174/20) steht das komplexe Thema der Grabpflegekosten im Kontext des Pflichtteilsanspruchs und deren Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeiten. Die Hauptfrage dreht sich um die Auslegung eines Testamentes, in dem die Verwendung des Restvermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege festgelegt wurde. Die juristische Herausforderung besteht in der Untersuchung, ob diese testamentarische Anordnung den Erben die Pflicht auferlegt, für die Grabpflege zu sorgen und ob diese Kosten als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden können.
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Übersicht
Testamentarische Anordnungen und Pflichtteilberechnung
Das Berufungsgericht stellte fest, dass die im Testament eingesetzten Personen die alleinigen Erben sein sollten, auch wenn sich ihre Erbeinsetzung rechnerisch nur auf eine Quote von 55 % bezog. Es ging auch der Frage nach, ob die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung und zwanzig Jahre Grabpflege zu verwenden, eine dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten zustehende Verbindlichkeit begründet.
Unterscheidung zwischen Erbverbindlichkeit und Nachlassverbindlichkeit
Es wird klargestellt, dass eine Nachlassverbindlichkeit durch eine Erwähnung der Grabpflege in der letztwilligen Verfügung begründet werden kann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte. Dies war jedoch in dem vorliegenden Fall nicht gegeben. Demgegenüber vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass die testamentarische Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld begründen würde, die im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB zu berücksichtigen sei.
Interpretation der testamentarischen Anordnung
Die testamentarische Anordnung wurde dahingehend ausgelegt, dass eine derartige Auflage vorlag, da die Erblasserin den Erben insgesamt aufgegeben hat, dass nach dem Verkauf ihrer Sachen sowie Auszahlung der prozentual vorgesehenen Beträge an die Erben der Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben ist.
Konsequenzen für Erben und Pflichtteilsberechtigte
Das Urteil beleuchtet detailliert die Auswirkungen testamentarischer Anordnungen auf die Pflichtteilsberechnung und die Unterscheidung zwischen Erb- und Nachlassverbindlichkeiten. Es hebt hervor, dass die Grabpflegekosten in diesem speziellen Fall nicht als Nachlassverbindlichkeiten zu werten sind, was entscheidende Auswirkungen auf die Pflichtteilsansprüche der Erben hat. Dadurch wird ein wichtiger Beitrag zur Klärung dieser komplexen Thematik im Erbrecht geleistet.
Das vorliegende Urteil
BGH – Az.: IV ZR 174/20 – Urteil vom 26.05.2021
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim – 10. Zivilkammer – vom 2. Juli 2020 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3.209,04 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend. Die am 5. März 2017 verstorbene Helga Margot T. (im Folgenden: Erblasserin) war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. Den Kläger hatte sie 1981 als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändiges Testament ohne Datum, welches am 10. April 2017 durch das Nachlassgericht eröffnet wurde, mit folgendem Inhalt:
„Ich Margot T.
geb. am 25.7.1931
Mein letzter Wille!
Christine Th. möchte ich als Verwalter meiner Persönlichen Sachen Übergeben.
Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10 % + 5 % die ich jetzt Namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot.“
Dieser Text befindet sich rechtsseitig auf dem Testament. Auf der linken Seite heißt es:
„Eberhardt G. 10 %
Denise G. Dieter G. 10 %
Carolien M. 10 % B.
Heike G. 5 %
Marie-Christin 5 %
Christine 10 %
Jenal Ö. H. Rottmann 5 % und die Wohnung
Der Brilli geht nach B. an Heidi R. .“
Die Beklagte zu 6 wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 6. September 2017 zur Testamentsvollstreckerin ernannt und ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Sie erstellte am 23. April 2018 ein Nachlassverzeichnis und holte Angebote für die Kosten einer zwanzigjährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot belaufen sich die Kosten auf 11.682,83 €, nach einem weiteren auf 7.329,57 €. Der Aktivnachlass betrug nach dem Vorbringen des Klägers in der Revisionsinstanz 16.102,74 €. Nachlassverbindlichkeiten bestanden ohne die Grabpflegekosten in Höhe von 6.337,55 €. Der Kläger forderte die Beklagte zu 6 mit Schreiben vom 29. Juni 2018 unter Fristsetzung zum 15. Juli 2018 zur Zahlung von 3.559,77 € auf, was diese mit Schreiben vom 28. August 2018 ablehnte und dem Kläger lediglich 809,44 € überwies.
Der Kläger hat sich erstinstanzlich darauf berufen, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 3.559,77 € zu, woraus sich abzüglich der gezahlten 809,44 € ein Betrag in Höhe von 2.750,33 € ergebe. Er hat die Auffassung vertreten, die Grabpflegekosten seien bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage erweitert und zuletzt in der Hauptsache einen Betrag von 6.335,56 € geltend gemacht. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger, ausgehend von einem Bruttonachlass von 16.102,74 €, sein Begehren teilweise weiter, nämlich auf Zahlung eines Betrages von 3.209,04 € nebst Zinsen gegen die Beklagten zu 1 – 6, darüber hinaus auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 6 sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZErb 2020, 369 veröffentlicht ist, hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch aus § 2305 BGB gegen die Beklagten zu. Zwar finde § 2305 BGB auf den Kläger Anwendung. Er sei pflichtteilsberechtigt und sein Pflichtteil betrage als einziger Abkömmling die Hälfte des Nachlasses. Aus dem Testament ergebe sich für ihn eine Erbquote von 9,09 %. Der Anspruch des Klägers sei durch die vorgerichtliche Zahlung vollumfänglich erfüllt. Die Kosten für die Grabpflege seien als Nachlassverbindlichkeit anzusehen. Es handele sich zwar um keine Beerdigungskosten im Sinne des § 1968 BGB, da die Beerdigung mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte abgeschlossen sei. Hier sei jedoch die Anordnung im Testament, dass der „Rest“ des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, so auszulegen, dass den Erben testamentarisch die Pflicht auferlegt worden sei, für eine solche Grabpflege zu sorgen. Dem Erblasserwillen könne nur zur Geltung verholfen werden, wenn die Kosten der Grabpflege vom Nachlass als Verbindlichkeit abgezogen würden. Sie stellten sich als eine Erbfallschuld dar. Die Kosten der Grabpflege schätze das Gericht auf 9.506,20 €, den Mittelwert der von der Beklagten zu 6 eingeholten Angebote. Hieraus ergebe sich kein weiterer Anspruch des Klägers.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Klage nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht alle Miterben verklagt hat. Ein Nachlassgläubiger hat bis zur Teilung des Nachlasses die Wahl, ob er die Miterben als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) in Anspruch nimmt, oder ob er von ihnen (lediglich) die Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass in Form der Gesamthandsklage (§ 2059 Abs. 2 BGB) verlangt (Senatsurteil vom 10. Februar 1988 – IVa ZR 227/86, NJW-RR 1988, 710 [juris Rn. 8]). Hier hat der Kläger keine Gesamthandsklage erhoben, bei der er sämtliche Miterben hätte in Anspruch nehmen müssen (vgl. BeckOK BGB/Lohmann, [Stand: 1. Februar 2021] § 2059 Rn. 6), sondern er begehrt ausweislich der eindeutigen Formulierung im Antrag eine gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten gemäß § 2058 BGB. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass sämtliche Miterben verklagt werden (vgl. MünchKomm-BGB/Ann, 8. Aufl. § 2058 Rn. 23; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 2059 Rn. 4, 11). Vielmehr kann sich die Klage – wie hier – auch nur gegen einzelne Miterben als Gesamtschuldner richten (vgl. § 421 BGB).
Gemäß § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Pflichtteilsanspruch ferner, auch wenn dem Testamentsvollstrecker – wie hier der Beklagten zu 6 – die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen die Erben geltend gemacht werden. Diese Klage kann indessen – wie hier durch den Antrag zu 2 geschehen – mit einem Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung verbunden werden, um gemäß § 748 Abs. 3 ZPO eine Vollstreckung in den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass zu ermöglichen (MünchKomm-BGB/Zimmermann, 8. Aufl. § 2213 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteile vom 11. Mai 2006 – IX ZR 42/05, BGHZ 167, 352 Rn. 25; vom 3. Dezember 1968 – III ZR 2/68, BGHZ 51, 125 [juris Rn. 20]; RGZ 109, 166 f.). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann von einer willkürlichen Verknüpfung der beiden Ansprüche nicht gesprochen werden. Der Antrag zu 2 ist hierbei dahin auszulegen, dass er sich hinsichtlich der Duldung der Zwangsvollstreckung auf denselben Betrag bezieht wie der Zahlungsantrag zu 1 gegen die Miterben.
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagten – auf der Grundlage des Revisionsvorbringens und vorbehaltlich der von den Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung (dazu unter III.) – ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB in Höhe von 3.209,04 € zu. Der Kläger ist als Abkömmling der Erblasserin gemäß § 2303 Abs. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Sein Pflichtteil als einziger Abkömmling beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 1924 Abs. 1, § 2303 Abs. 1 BGB).
Ausweislich der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts sollten die von der Erblasserin in ihrem Testament eingesetzten Personen ihre alleinigen Erben sein, auch wenn sich deren Erbeinsetzung rechnerisch zusammen nur auf eine Quote von 55 % bezog. Hierbei kann offenbleiben, ob sich dies bereits aus einer entsprechenden Auslegung des Testaments mit einer Erhöhung der Quoten ergibt (so die Fallgestaltung BayObLG ZEV 2003, 241 [juris Rn. 24 f.] bei Erbeinsetzung von zwei Personen zu je 40 % und Verwendung weiterer 20 % für die Grabpflege) oder – wie das Berufungsgericht angenommen hat – aus einer quotalen Erhöhung der Bruchteile gemäß § 2089 BGB. Jedenfalls bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen der Erblasserin eine Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung nur zu 55 % und im Übrigen gesetzliche Erbfolge hätten eintreten sollen. Ausgehend hiervon ergibt sich für den Kläger, der im Testament mit 5 % des Erbes bedacht wurde, eine Erbquote von 9,09 % und damit ein Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB von 40,91 %. Der Geltendmachung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB steht nicht entgegen, dass der Kläger die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat. Dies ist bei § 2305 BGB im Gegensatz zu § 2306 BGB nicht erforderlich (vgl. Staudinger/Otte, BGB (2015) § 2305 Rn. 14; Damrau/Tanck/Riedel, Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl. § 2305 Rn. 10).
3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, der Anspruch des Klägers auf den Zusatzpflichtteil sei durch die außergerichtliche Zahlung der Beklagten zu 6 in Höhe von 809,44 € erfüllt worden.
a) Die Kosten für die Grabpflege sind im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zwar trägt gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1973 – III ZR 148/71, BGHZ 61, 238, 239; RGZ 160, 255, 256; OLG Düsseldorf ZErb 2018, 104 [juris Rn. 28]; OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4; OLG Schleswig ZEV 2010, 196 [juris Rn. 32-35]; OLG München ErbR 2010, 59 [juris Rn. 70]; OLG Oldenburg FamRZ 1992, 987 [juris Rn. 25 f.]; LG Rottweil BeckRS 2004, 10336; Staudinger/Herzog, BGB (2015) § 2311 Rn. 55; Staudinger/Kunz, BGB (2020) § 1968 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Erman/Horn, BGB 16. Aufl. § 1968 Rn. 7; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4; BeckOK BGB/Lohmann, [Stand: 1. Februar 2021] § 1968 Rn. 5; Damrau/Tanck/Gottwald, Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl. § 1968 Rn. 14; jurisPK-BGB/Ehm, 9. Aufl. § 1968 Rn. 14; Märker, MDR 1992, 217; a.A. LG Heidelberg ZEV 2011, 583 [juris Rn. 61]; AG Neuruppin ZEV 2007, 597 [juris Rn. 35]; Damrau, ZEV 2004, 456).
Auch die Möglichkeit, erbschaftsteuerlich Grabpflegekosten abzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), vermag an dieser fehlenden rechtlichen Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern, da die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nichts über die zivilrechtliche Verpflichtung des Erben zur Kostentragung besagt (OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4; OLG Schleswig ZEV 2010, 196 [juris Rn. 34 f.]; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; anders LG Heidelberg, AG Neuruppin, je aaO). Diese steuerrechtliche Regelung hat dem Gesetzgeber auch keine Veranlassung zu einer Änderung des § 1968 BGB gegeben.
Ferner ist eine möglicherweise bestehende öffentlich-rechtliche Pflicht von Erben oder Angehörigen zur Grabpflege unabhängig von der rein zivilrechtlichen Frage des Bestehens einer Nachlassverbindlichkeit zu beurteilen (OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Märker, MDR 1992, 217; a.A. LG Heidelberg aaO). Die Instandhaltungspflicht für eine Grabstätte trifft nach den einschlägigen Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten oder den Totenfürsorgeberechtigten, der nicht zwingend personenidentisch mit dem Erben sein muss.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag auch die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie zwanzig Jahre Grabpflege zu verwenden, keine dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören gemäß § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2014 – XII ZB 133/12, FamRZ 2014, 1775 Rn. 14).
aa) Eine Nachlassverbindlichkeit kann zwar durch eine Erwähnung der Grabpflege in der letztwilligen Verfügung begründet werden, wenn bereits der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte, der sodann die Erben als dessen Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB bindet (vgl. OLG Schleswig ZEV 2010, 196 [juris Rn. 37]; LG Rottweil BeckRS 2004, 10336; LG München I NJW-RR 1989, 197; Staudinger/Herzog, BGB (2015) § 2311 Rn. 55; Erman/Horn, BGB 16. Aufl. § 1968 Rn. 7; BeckOK BGB/Lohmann [Stand: 1. Februar 2021], § 1968 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Märker, MDR 1992, 217). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Erblasserin zu ihren Lebzeiten keinen derartigen Vertrag geschlossen hatte.
bb) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht demgegenüber an, die testamentarische Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, begründe bereits eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld, die im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB zu berücksichtigen sei. Die Bestimmung eines Erblassers in einer letztwilligen Verfügung hinsichtlich Art und Umfang der nach seinem Tod durchzuführenden Grabpflege ist als Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB (vgl. BayObLG ZEV 2003, 241 [juris Rn. 24 f.]) oder – je nach Ausgestaltung – als Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB anzusehen. Eine Auflage ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder einem Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt wird, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf die Leistung erhält (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 8. Aufl. § 1940 Rn. 2). Hier liegt – entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung – eine derartige Auflage vor, da die Erblasserin den Erben insgesamt aufgegeben hat, dass nach dem Verkauf ihrer Sachen sowie Auszahlung der prozentual vorgesehenen Beträge an die Erben der Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben ist. Im Verhältnis der Erben untereinander sowie zu außenstehenden Dritten stellt eine Auflage, wie sich auch aus § 1967 Abs. 2 BGB ergibt, eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld dar (vgl. Staudinger/Kunz, BGB (2020) § 1968 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4; Erman/Horn, BGB 16. Aufl. § 1968 Rn. 7; Damrau/Tanck/Gottwald, Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl. § 1968 Rn. 14 Fn. 52; jurisPK-BGB/Ehm, 9. Aufl. § 1968 Rn. 14; Märker, MDR 1992, 217).
Demgegenüber führt eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Nach einhelliger Auffassung ist der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig (Senatsurteil vom 16. September 1987 – IVa ZR 97/86, NJW 1988, 136 [juris Rn. 12]; BGH, Beschluss vom 27. August 2014 – XII ZB 133/12, FamRZ 2014, 1775 Rn. 20; OLG Koblenz ErbR 2020, 797 [juris Rn. 12, 15]; OLG Düsseldorf ZErb 2018, 104 [juris Rn. 30]; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1991 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2311 Rn. 22; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht 3. Aufl. § 2311 Rn. 37). Dieser Vorrang ergibt sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 1991 Abs. 4 BGB. Hiernach sind Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden. Nach § 327 Abs. 1 InsO werden Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten vor Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen erfüllt. Dem Erblasser soll es verwehrt sein, den Pflichtteilsanspruch durch freigiebige Vermächtnisanordnungen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen.
Dieser Vorrang des Pflichtteilsanspruchs gilt auch dann, wenn der Erblasser – wie hier – Grabpflege in Form einer Auflage angeordnet hat. Auch in einem solchen Fall können die Grabpflegekosten bei der Berechnung des Nachlasswertes für den Pflichtteilsanspruch nicht in Abzug gebracht werden (so zu Recht OLG Düsseldorf ZErb 2018, 104 [juris Rn. 28-30]; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4; Schuhmacher, ZErb 2020, 373; Ruby/Schindler, ZEV 2010, 545, 546; anders in einem obiter dictum OLG Schleswig ZEV 2010, 196 [juris Rn. 37]; hierzu Maibach, jurisPR-FamR 5/2010 Anm. 4; Hartmann, ErbStB 2010, 333). Der Unterschied zu einem noch vom Erblasser geschlossenen Grabpflegevertrag liegt darin, dass es sich in diesem Fall noch um eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erblasserschuld gemäß § 1967 Abs. 1 BGB handelt, die bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs wertmindernd zu berücksichtigen ist.
4. Für die Berechnung des Anspruchs gilt auf dieser Grundlage:
Der Kläger ist als Miterbe zu 9,09 % durch die Anordnung der Grabpflege mit einer Auflage beschwert. Bei der Berechnung des Wertes des Zusatzpflichtteils bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht (§ 2305 Satz 2 BGB). Der Berechtigte muss also die seinen Erbteil betreffenden Beschränkungen und Beschwerungen stets voll tragen, wenn er nicht ausschlägt. Lediglich für den Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB bleiben die Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht (vgl. BT-Drucks. 16/8954 S. 19 f.; MünchKomm-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2305 Rn. 8; BeckOK BGB/Müller-Engels, [Stand: 1. Februar 2021] BGB § 2305 Rn. 7-7.2; Mayer, Handbuch Pflichtteilsrecht 3. Aufl. S. 107 f.). Der Pflichtteilsrestanspruch bemisst sich mithin aus der Differenz zwischen der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und dem hinterlassenen Erbteil ohne Abzug der Belastungen und Beschränkungen. Hieraus ergibt sich auf der Grundlage des Revisionsvorbringens folgende Berechnung:
Bruttonachlass 16.102,74 €
abzüglich Nachlassverbindlichkeiten (6.337,55 € + 9.506,20 € Grabpflegekosten)
15.843,75 €
Differenz 258,99 €
davon 9,09 % Erbteil des Klägers 23,54 €
Zusatzpflichtteil ohne Auflage (40,91 % aus 16.102,74 € – 6.337,55 € = 9.765,19 €)
3.994,94 €
Gesamt 4.018,48 €
abzüglich erhaltener 809,44 €
verbleiben 3.209,04 €.
III. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat gleichwohl verwehrt, da der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif ist. Die Beklagten haben hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch die Aufrechnung erklärt und hierzu behauptet, der Kläger habe einen ihm zur Aufbewahrung übergebenen Nerzmantel der Erblasserin mit einem Wert von 700 € bis 1.000 € nicht zurückgegeben. Der Kläger behauptet demgegenüber, er habe nie einen Nerzmantel zur Verwahrung gehabt. Dieser sei vielmehr von der damaligen Betreuerin im Rahmen der Haushaltsauflösung für wertlos erachtet und entsorgt worden. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches über die Hilfsaufrechnung, gegebenenfalls nach Beweisaufnahme, zu entscheiden haben wird.