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Pflichtteilsanspruch – Fortwirkung eines gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 59/19 – Urteil vom 12.02.2020

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Juni 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 16 O 164/18 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.731,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien, Bruder und Schwester, streiten um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tode der am 28. August 2018 verstorbenen gemeinsamen Mutter, D. M. A. (im Folgenden: Erblasserin). Diese hatte am 10. Januar 2001 ein notarielles Testament errichtet, mit dem sie den Beklagten zu ihrem alleinigen Erben eingesetzt hatte; zugleich hatte sie alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen widerrufen und ihrer vormals zur Alleinerbin eingesetzten Tochter K. K. den Pflichtteil entzogen (Bl. 8 ff. GA). Die Erblasserin war verwitwet und hinterließ neben den Parteien drei weitere Abkömmlinge. Ein weiteres von ihr geborenes Kind ist infolge Adoption aus dem Kreise der Pflichtteilsberechtigten ausgeschieden (Bl. 91, 106 GA). Auf der Grundlage von Auskünften des Beklagten, die sich die Klägerin insoweit zu Eigen gemacht hat, bestand der Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalles aus einem im Grundbuch von B., Blatt …, Flur … Nrn. … und …/… verzeichneten Hausanwesen (… pp.), dessen Verkehrswert zum Stichtag gutachterlich mit 155.000,- Euro ermittelt wurde (Bl. 100 GA) und über dessen Berücksichtigung bei den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen die Parteien streiten, sowie aus zwei Bankkonten mit Guthaben in Höhe von insgesamt 4.049,36 Euro. Als Passiva sind jedenfalls Beträge für ein restliches Hausdarlehen (723,74 Euro), Gutachterkosten (1.670,77 Euro) und Beerdigungskosten (6.211,57 Euro) in Abzug zu bringen (Bl. 105 GA). Die Erblasserin unterhielt außerdem zwei Lebensversicherungsverträge bei der … Lebensversicherung AG, deren Todesfallleistungen sich ausweislich eines Abrechnungsschreibens vom 14. Februar 2019 (Bl. 148 GA) zum Zeitpunkt des Erbfalles auf 5.795,73 Euro und 1.078,57 Euro beliefen und die aufgrund eines entsprechenden Bezugsrechts jeweils unmittelbar an den Beklagten als Begünstigten ausbezahlt wurden.

In Ansehung des vorbezeichneten Hausanwesens hatte die Erblasserin mit ihrer Tochter K. K. im Jahre 1987 zunächst einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen (UR Nr. …/… des Notars F. J. Sch., L.), der am 30. Januar 1992 von den Beteiligten vollumfänglich aufgehoben wurde (UR. Nr. …/… des Notars F. J. Sch.). Ebenfalls am 30. Januar 1992 ließen die Erblasserin, ihre Tochter K., der Beklagte sowie die weiteren Kindern A. und H. einen „gegenständlich beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzicht“ beurkunden (UR Nr. …/… des Notars F. J. Sch.). Unter Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde Nr. …/… vom selben Tage, in der die Erblasserin ihrer Tochter K. das vorbezeichnete Hausanwesen übertragen und diese sich zugleich verpflichtet hatte, zum Ausgleich für die vorstehende Übertragung an ihre Geschwister A., H. und den Beklagten jeweils einen Betrag von 20.000 DM herauszuzahlen, erklärten diese – wörtlich – Folgendes:

„Für den Fall, dass wir von unserer Schwester die uns aus der vorgenannten Urkunde zustehenden Auszahlungsbeträge von jeweils 20.000 DM (…) erhalten haben, erklären wir uns hiermit hinsichtlich des an unsere Schwester im vorgenannten Vertrag übertragenen elterlichen Hausanwesens für abgefunden und verpflichten uns hiermit, diesbezüglich keinerlei weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, insbesondere soweit es sich um Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt.“

Im Zuge eines von der Tochter K. K. und deren Ehemann gegen die Erblasserin geführten Rechtsstreites – 14 O 108/95 LG Saarbrücken – schlossen die Beteiligten am 30. Juli 1997 einen Vergleich, in dem u.a.

„die Rückübertragung des Hausanwesens … lastenfrei Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,- Euro“

vereinbart wurde (Bl. 119 ff. GA). Mit notarieller Urkunde vom 7. August 1997 (UR Nr. …/… des Notars Dr. K. K., L.) schlossen die Parteien in Erfüllung dieses Vergleiches einen „Übertragungsvertrag“, mit dem der vorbezeichnete Grundbesitz gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,- DM auf die Erblasserin übertragen wurde (Bl. 68 ff. GA). Die von der Klägerin in Erfüllung des „gegenständlich beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzichts“ vom 30. Januar 1992 an ihre drei Geschwister ausbezahlten Beträge in Höhe von jeweils 20.000,- DM verblieben bei ihrem jeweiligen Empfänger.

Mit der am 21. November 2018 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Stufenklage hat die Klägerin den Beklagten – nach einvernehmlicher Erledigung der Auskunftsstufe und anschließender Bezifferung – zuletzt auf Auszahlung des Pflichtteils in Höhe von 15.044,33 Euro sowie eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Höhe weiterer 687,43 Euro zzgl. Prozesszinsen in Anspruch genommen (Bl. 104 GA). Sie hat gemeint, der – zuletzt übereinstimmend angegebene – Wert des im Nachlass befindlichen Hausanwesens von 155.000,- Euro müsse auch bei der Berechnung der Ansprüche berücksichtigt werden, weil sich der im Jahre 1992 erklärte Pflichtteilsverzicht lediglich auf die damals vereinbarte Schenkung des Hausanwesens an die Tochter K. K. bezogen habe, während die Erblasserin das nunmehr im Nachlass vorhandene Anwesen erst im Jahre 1997 käuflich erworben und die Finanzierungsraten aus ihrem Vermögen erbracht habe. Weitere von dem Beklagten eingewandte Beerdigungskosten seien vom Nachlasswert nicht in Abzug zu bringen. Entsprechendes gelte für eine schon vor dem Erbfall von dem Zeugen A. A. regulierte Dachdeckerrechnung, wegen der kein Anspruch des Zeugen gegen die Erblasserin bestanden habe. Hinsichtlich der vom Beklagten aufgrund schenkweiser Zuwendung vereinnahmten Todesfallleistungen aus den beiden Lebensversicherungen bestehe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 1/10 der – unstreitig – an den Beklagten ausgezahlten Beträge.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit dem Hinweis, die Erblasserin habe das Hausanwesen nicht „zurückgekauft“, sondern es sei lediglich eine Rückübertragung gegen Rückzahlung der von der Tochter K. K. für den Pflichtteilsverzicht an die Geschwister ausgezahlten Geldbeträge erfolgt. Der Pflichtteilsverzicht sei weder widerrufen noch sonst aufgehoben worden; auch sei die Verstorbene bis zuletzt davon ausgegangen, dass das Hausanwesen aus der Pflichtteilsberechnung ausgeschlossen sei. Auf der Passivseite seien weitere Beerdigungskosten für ein Trauerbild (42,50 Euro), eine aus Anlass der Trauerfeier von der Klägerin konsumierte Tasse Kaffee (4,80 Euro), die Kosten für „Unterhaltungsarbeiten“ gemäß Bescheid der Gemeinde Sch. (1.872,- Euro, Bl. 274 GA) sowie Grabsteinkosten gemäß Rechnung der Firma H. (2.490,- Euro, Bl. 136 GA) zu berücksichtigen. Dasselbe gelte für den Betrag in Höhe von 3.100,65 Euro aus einer Dachdeckerrechnung vom 16. Juli 2018 (BI. 134 GA), den der Bruder A. A. für die Erblasserin ausgelegt habe. Der Beklagte habe die pflegerische Betreuung der Erblasserin an sieben Tagen der Woche über zehn Stunden sichergestellt, wodurch sich gemäß §§ 2316, 2057a BGB eine Erhöhung seiner Anteile um mindestens 25 Prozent rechtfertige (Bl. 91, 133 GA). Ohnehin wäre der von der Klägerin vereinnahmte Betrag in Höhe von 20.000,- DM auf einen etwaigen Pflichtteil anzurechnen.

Mit dem zur Berufung angefallenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Da die Klägerin hinsichtlich des im Nachlass befindlichen Hausgrundstücks einen gegenständlich beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärt habe, müsse dessen Wert bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht bleiben. Danach sei der Nachlass überschuldet, weshalb auch unter Berücksichtigung der Zuwendung der Bezugsrechte aus den beiden Lebensversicherungsverträgen keine Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche der Klägerin in Betracht kämen.

Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Sie meint, der Wert des Hausgrundstückes sei unbeschadet des im Jahre 1992 vereinbarten Verzichts bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen, weil der im Rahmen einer Grundstücksüberlassung erklärte Pflichtteilsverzicht weichender Geschwister zugunsten der damaligen Alleinerbin auflösend bedingt durch die Rückübertragung des Grundstücks gewesen sei und die Erblasserin die Immobilie später zum Kaufpreis von 100.000,- DM zurückerhalten habe; eine solche Bedingung könne auch stillschweigend vereinbart werden und sei hier durch die vergleichsweise Rückübertragung des Hausanwesens im Jahre 1997 verwirkt worden. Die Erblasserin sei zum Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks berechtigt gewesen, dadurch sei es nicht mehr die seinerzeit vom Pflichtteilsverzicht begünstigte Schwester K., sondern der Beklagte, der als Erbe den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen habe. Auch die Dachdeckerrechnung in Höhe von 3.100,65 Euro habe das Landgericht zu Unrecht berücksichtigt, obschon die Klägerin die behauptete Forderung des Zeugen A. A. bestritten habe.

Die Klägerin beantragt (Bl. 234 GA): Unter Aufhebung des am 14. Juni 2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az. 16 O 164/18, wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Pflichtteil in Höhe von 15.044,33 Euro und Pflichtteilsergänzung in Höhe von 687,43 Euro nebst Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Gesamtbetrag in Höhe von 15.731,76 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 266 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 21. Januar und 28. Mai 2019 (Bl. 64 ff., 206 f. GA) sowie des Senats vom 22. Januar 2020 (Bl. 286 f. GA) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung. Das Landgericht hat die geltend gemachten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu Recht für unbegründet erachtet.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Nachlass im – insoweit maßgeblichen – Zeitpunkt des Erbfalles (§ 2311 BGB) überschuldet war.

a)

§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt zugunsten des Abkömmlings des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, dass dieser von dem Erben den Pflichtteil verlangen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin ist eine Tochter der am 28. August 2018 verstorbenen Erblasserin; sie ist durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, nachdem der Beklagte mit notariellem Testament vom 10. Januar 2001 (UR Nr. …/… des Notars Dr. K. Sch., L., Bl. 8 ff. GA) zum alleinigen Erben der Erblasserin eingesetzt worden ist. Dem Umfange nach besteht der Pflichtteil grundsätzlich in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er beliefe sich danach vorliegend auf 1/10 des Nachlasses, da neben den Parteien des Rechtsstreits noch drei erbberechtigte Abkömmlinge der Erblasserin existieren – eine weitere Tochter wurde, wie zuletzt unstreitig geworden ist, durch eine Tante adoptiert, wodurch das Verwandtschaftsverhältnis zur Erblasserin erloschen ist, vgl. §§ 1755 Abs. 1 Satz 1, 1756 Abs. 1 BGB –, der Ehemann der Erblasserin vorverstorben war und sich folglich der Erbteil der Klägerin im Falle der gesetzlichen Erbfolge auf 1/5 beliefe (§ 1924 BGB).

b)

Gleichwohl scheiden Pflichtteilsansprüche der Klägerin vorliegend aus. Denn der Wert des Nachlasses ist negativ; er belief sich im Zeitpunkt des Erbfalles nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten auf -11.463,67 Euro.

aa)

Die in die Ermittlung des Nachlasswertes (§ 2311 BGB) einzustellenden Vermögenswerte (Aktiva) beliefen sich zum Stichtag auf 4.049,36 Euro. Unstreitig war die Erblasserin Inhaberin von zwei Bankkonten, die zum Zeitpunkt des Erbfalles in Höhe dieses Gesamtbetrages valutierten. Auf das im Eigentum der Erblasserin stehende Hausanwesen, dessen Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles die Parteien auf der Grundlage eines Gutachtens zuletzt übereinstimmend mit 155.000,- Euro angegeben haben, hat das Landgericht dagegen zu Recht den von der Klägerin im Jahre 1992 notariell erklärten – gegenständlich beschränkten – Verzicht auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zur Anwendung gebracht mit der Folge, dass dieser Gegenstand jetzt bei der Bemessung des Aktivnachlasses nicht mehr zu berücksichtigen war.

(1)

Die Klägerin hat – ebenso wie zwei weitere Miterben, darunter der Beklagte – in Ansehung des streitgegenständlichen Hausanwesens mit der Erblasserin einen gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht vereinbart. Sie hat ausweislich notarieller Urkunde vom 30. Januar 1992 (Bl. 96 ff. GA) erklärt, dass sie sich nach Erhalt eines Auszahlungsbetrages von 20.000,- DM durch ihre Schwester K. „hinsichtlich des an unsere Schwester im vorgenannten Vertrag übertragenen elterlichen Hausanwesens für abgefunden“ erachte und sich verpflichte, „diesbezüglich keinerlei weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, insbesondere soweit es sich um Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt“. Ein solcher gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht eines Erben mit der Folge, dass bestimmte Gegenstände – hier: das in der Urkunde benannte Hausanwesen – bei der Nachlassbewertung zum Zwecke der Anspruchsberechnung außer Betracht bleiben, wird allgemein für zulässig erachtet (vgl. Staudinger/Schotten (2016) BGB § 2346, Rn. 48; Wegerhoff, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl. § 2346 Rn. 21 f.; vgl. auch RG, Urteil vom 6. Mai 1909 – IV 475/08, RGZ 71, 133). Denn gemäß § 2346 Abs. 1 BGB können Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten mit der Folge, dass der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte und dann auch kein Pflichtteilsrecht hat, und gemäß § 2346 Abs. 2 BGB kann der Verzicht auch auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Da der Pflichtteilsanspruch in einer Geldforderung besteht (§ 2303 Abs. 1 Satz 2), ist ein beschränkter Verzicht in jeder Weise möglich, die mit dem Charakter einer Geldforderung zu vereinbaren ist (Wegerhoff, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2346 Rn. 22; Fette, NJW 1970, 743; Coing, JZ 1960, 209, 211). Werden Pflichtteilsverzichte – wie hier – anlässlich einer vorweggenommenen Erbfolge erklärt, ist dies i.d.R. unproblematisch, weil durch die Zuwendung selbst der Umfang des Verzichts festgelegt ist und auch keine zukünftigen Veränderungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Umfang und die Reichweite des Pflichtteilsrechts zu beachten sind (Mayer, ZEV 2000, 263, 264; Fette, NJW 1970, 743 f.).

(2)

Zu Recht hat das Landgericht diesen Pflichtteilsverzicht für wirksam erachtet und ihm auch unter Berücksichtigung der späteren Entwicklung nicht seine Rechtswirkungen abgesprochen. Aus der notariellen Urkunde vom 30. Januar 1992 folgt, dass die Beteiligten den auf das Hausanwesen beschränkten Verzicht unter die Voraussetzung gestellt haben, dass die Klägerin, ebenso wie die weiteren Verzichtenden, im Gegenzug von ihrer Schwester einen Geldbetrag in Höhe von 20.000,- DM ausbezahlt erhalten. Diese Voraussetzung ist hier unstreitig erfüllt worden; sie beinhaltete bei wirtschaftlicher Betrachtung eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung in Ansehung des betroffenen Gegenstandes unter den daran beteiligten Miterben. Insoweit hat die Klägerin den rechnerisch ihr gebührenden Anteil auf der Grundlage des von den Beteiligten damals angenommenen Wertes im Wege der abgekürzten Zahlung unmittelbar von ihrer Schwester K. ausbezahlt erhalten; dadurch wurde die Vereinbarung vollzogen. Diese Vereinbarung ist in der Folgezeit nicht rückgängig gemacht worden; auch der Betrag wurde seitens der Klägerin – unstreitig – nicht zurückgezahlt. Der spätere Rückkauf des Anwesens durch die Erblasserin gegen Zahlung von 100.000,- DM an die Schwester hat daran ebenfalls nichts geändert, weil hiernach sowohl der von den Parteien angenommene Gegenwert des Hausanwesens, den die Erblasserin an ihre Tochter K. gezahlt hat, als auch der rechnerische Anteil der Klägerin hieraus mangels Rückzahlung jeweils bei der jeweiligen Begünstigten verblieben ist. Da die Erblasserin das Hausanwesen entgeltlich zurückerworben hat und die wirtschaftlichen Grundlagen der darauf bezogenen Teilauseinandersetzung nicht entfallen sind, kommt es auf die Motive, die sie zu diesem Schritt veranlassten, nicht an. Dass die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen eines wirksamen Pflichtteilsverzichts (§§ 2346 ff BGB), insbesondere die vertragsmäßige Vereinbarung unter persönlicher Beteiligung des Erblassers (§ 2347 Abs. 2 BGB) sowie die Beachtung der vorgeschriebenen Form (§ 2348 BGB) eingehalten wurden, steht ebenfalls außer Frage.

(3)

Vergeblich beruft sich die Klägerin mit der Berufung darauf, der Pflichtteilsverzicht habe hier unter der auflösenden Bedingung einer Rückübertragung des Hausanwesens an die Erblasserin gestanden, die verwirkt worden sei. Das trifft nicht zu:

(a)

Die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts unter einer auflösenden Bedingung wird zwar allgemein als zulässig erachtet, weil dies es ermöglicht, auf spätere Veränderungen zu reagieren; allerdings muss eine solche auflösende Bedingung auch tatsächlich – ausdrücklich oder stillschweigend – vereinbart worden sein (§§ 133, 157 BGB; vgl. OLG München, FamRZ 2015, 961; BayObLGZ 1957, 292; Wegerhoff, in: MünchKomm-BGB a.a.O. § 2346 Rn. 12; Hermanns, MittRhNotK 1997, 149, 160). Insoweit entspricht es allgemeinen Grundsätzen, dass derjenige, der sich – wie hier die Klägerin – auf die Rechtswirkungen einer auflösenden Bedingung beruft, ihre Vereinbarung sowie ihren Einritt beweisen muss, weshalb diesbezügliche Zweifel hier zu Lasten der Klägerin gehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1966 – Ib ZR 50/64, MDR 1966, 571; Urteil vom 25. November 1999 – IX ZR 40/98, NJW 2000, 362). Davon, dass eine auflösende Bedingung vereinbart worden wäre, kann hier bei sachgerechter Auslegung der vertraglichen Abreden der Beteiligten nicht ausgegangen werden. Wie das Landgericht richtig ausführt, finden sich keine Hinweise auf eine solche Vereinbarung. Eine ausdrückliche Abrede dieses Inhaltes enthält der Vertrag ohnehin nicht. Die schlichte Bezugnahme auf das mittels gesonderter Urkunde an die Tochter K. K. übertragene Hausanwesen, die ersichtlich nur der zwecks Bestimmtheit notwendigen Beschreibung des Gegenstandes diente, genügt auch nicht für die Annahme, Solches sei hier konkludent gewollt gewesen, ebenso wenig wie der auch schon vom Landgericht berücksichtigte Umstand, dass die Parteien des Verzichts damals davon ausgingen, ihre Schwester werde im Rahmen der von ihnen vereinbarten gegenständlich beschränkten Auseinandersetzung das Eigentum an dem Hausanwesen erhalten. Da die Möglichkeit späterer Veränderungen dem Rechtsgeschäft innewohnte und es den Parteien frei stand, dies durch vertragliche Abreden zu regeln (vgl. zu den Möglichkeiten vertraglicher Vorsorge Hermanns, MittRhNotK 1997, 149, 160; Mayer, ZEV 2000, 263, 264 f.), dürfen diesbezüglich fehlende Vereinbarungen nicht leichtfertig mittels Auslegung in den Vertrag hineingelesen werden. Vielmehr bedarf es auch mit Blick auf die vorbeschriebene Beweislastverteilung schon erheblicher Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien stillschweigend ihr Geschäft unter die auflösende Bedingung des Eintritts eines bestimmten späteren Ereignisses stellen wollten, wofür hier jedoch, wie das Landgericht zutreffend ausführt, gar nichts ersichtlich ist. Weder die Umstände des Vertragsschlusses, noch Sinn und Zweck der getroffenen Abreden gebieten die Annahme, dass die am Erbverzicht Beteiligten – konkret: die Erblasserin einerseits und ihre Kinder andererseits – den Fortbestand der Vereinbarung davon abhängig machen wollten, dass allein der körperliche Gegenstand des Verzichts – das Hausanwesen – auf Dauer im Eigentum der seinerzeit in Aussicht genommenen Begünstigten verbleibt. Vielmehr liegt es gerade auch mit Blick auf den Charakter der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche als Geldforderung mindestens genauso nahe, dass aus ihrer Sicht in erster Linie die Fortdauer der wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsgeschäfts entscheidend sein sollte, die hier jedoch – wie bereits ausgeführt – weiterhin gegeben ist.

(bb)

Vergeblich bezieht sich die Klägerin mit ihrer Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 14. Mai 2014 (FamRZ 2015, 961). Dort wurde die Annahme eines stillschweigend auflösend bedingten Pflichtteilsverzichts maßgeblich darauf gestützt, dass der Übertragungsvertrag, der als Gegenleistung für die Überlassung des Hausanwesens der Erblasserin eine persönliche Verpflichtung des Bedachten zur Versorgung und Pflege der Erblasserin vorsah, bei Versterben des Bedachten eine Rückübertragungsverpflichtung an die Erblasserin enthielt, die verwirkt worden war. Diese Auslegung ließ sich damit rechtfertigen, dass durch den Tod des Bedachten die als Gegenleistung vereinbarte persönliche Betreuung und Pflege der Erblasserin durch den Bedachten und damit der wesentliche Grund für den Pflichtteilsverzicht der anderen Miterben entfallen war (OLG München, FamRZ 2015, 961). Durch die Rückabwicklung fiel der dortige Vertragsgegenstand mit seinem gesamten Wert vollumfänglich in das Vermögen der Erblasserin zurück. Der vorliegende Fall einer vorweggenommenen, auf einen bestimmten Vertragsgegenstand beschränkten Auseinandersetzung unter Miterben kann dem nicht gleichgesetzt werden. Anders als dort, ist der wirtschaftliche Wert des Vertragsgegenstandes hier mit seiner Übertragung auf die Tochter K. K. dauerhaft aus dem Erblasservermögen ausgeschieden und auch danach, unbeschadet des späteren (entgeltlichen) Rückkaufes durch die Erblasserin gemäß notarieller Urkunde vom 7. August 1997, nicht mehr dorthin zurückgelangt. Da die Weggabe des Grundstücks vielmehr wirtschaftlich fortwirkte, kommt es, entgegen der Klägerin, auch nicht entscheidend auf die Motive an, die die Erblasserin zum Rückkauf bewegt haben mögen, weshalb ihr Hinweis auf einen – vermeintlichen – Schenkungswiderruf wegen groben Undankes ebenfalls keine abweichende Betrachtung rechtfertigt. Für die Annahme, mit dem Rückkauf des Vertragsgegenstandes durch die Erblasserin sei eine stillschweigend vereinbarte auflösende Bedingung des gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts verwirkt worden, fehlt deshalb auch vor diesem Hintergrund jeder Anhalt.

bb)

Zu den von diesem Aktivnachlass von mithin 4.049,36 Euro in Abzug zu bringenden Passiva sind die im Zeitpunkt des Erbfalls entstandenen Nachlassverbindlichkeiten zu zählen sowie darüber hinaus diejenigen Verbindlichkeiten, die – wie Erblasser- und Erbfallschulden – zu diesem Zeitpunkt bereits angelegt waren (Lange, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2311 Rn. 15; Weidlich, in: Palandt, BGB 78. Aufl. § 2311 Rn. 3 ff.). Diese summieren sich vorliegend auf einen Betrag in Höhe von 15.513,03 Euro:

(1)

Auf der Grundlage der von dem Beklagten erteilten Auskünfte hat die Klägerin als Verbindlichkeiten zu Lasten des Nachlasses Beträge in Höhe von insgesamt 8.003,08 Euro anerkannt. Dies betrifft im Einzelnen die Beträge für das restliche Hausdarlehen in Höhe von 723,74 Euro, Gutachterkosten in Höhe von 1.670,77 Euro sowie jedenfalls anteilige Beerdigungskosten in Höhe von 6.211,57 Euro.

(2)

Auch die weiteren vom Beklagten eingewandten Beerdigungskosten, die am Stichtag bereits als Verbindlichkeiten angelegt waren, sind entgegen der Auffassung der Klägerin in voller Höhe zu berücksichtigen. Allgemein gehen Beerdigungskosten, die der Erbe zu tragen hat (§ 1968 BGB), zu Lasten des Nachlasses (Weidlich, in: Palandt a.a.O. § 2311 Rn. 4). Sie erfassen den Aufwand, der der Lebensstellung des Erblassers angemessen ist, unter anderem die Kosten für die Todesanzeige und für eine übliche Feier, zu der auch der Blumenschmuck gehört (OLG München, NJW-Spezial 2011, 391; Weidlich, in: Palandt a.a.O. § 1968 Rn. 2). Darunter fallen über das unbedingt Notwendige hinaus die Kosten für alles das, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen und angemessenen Bestattung gehört (Senat, Urteil vom 15. Juli 2009 – 5 U 472/08, FamRZ 2010, 1192; Weidlich, in: Palandt a.a.O. § 1968 Rn. 2). Das erfasst im vorliegenden Fall auch die Aufwendungen für ein Trauerbild (42,50 Euro, Bl. 272 GA), die die Klägerin zuletzt ohnehin nicht mehr substantiell in Abrede gestellt hat (Bl. 156 GA), sowie für zwei nach den vorgelegten Unterlagen ersichtlich aus Anlass der Trauerfeier in Rechnung gestellte Tassen Kaffee (4,80 Euro, Bl. 272 GA), mögen diese von der Klägerin oder von anderen Trauergästen konsumiert worden sein. Abzugsfähig sind schließlich auch die weiteren Kosten für die Anfertigung eines Grabsteins gemäß Rechnung der Firma H. vom 21. März 2019 (2.490,- Euro, Bl. 136 GA), die unter Berücksichtigung aller Umstände noch nicht übersetzt erscheinen, sowie die mit Bescheid der Gemeinde Sch. vom 4. September 2018 berechnete „Pauschal für Unterhaltungsarbeiten“ in Höhe von 1.872,- Euro (Bl. 274 GA) als Teil der durch die Bestattung veranlassten öffentlich-rechtlichen Gebühren (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2009 – 5 U 472/08, FamRZ 2010, 1192).

(3)

Zu Recht hat das Landgericht auf der Passivseite auch eine Forderung des Zeugen A. A. gegen den Nachlass aus §§ 677, 683, 670 BGB in Höhe von 3.100,65 Euro aus der Begleichung einer Dachdeckerrechnung in Ansatz gebracht; dass dieser selbst die Rechnung zum Stichtag bereits ausgeglichen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich. Dass Arbeiten, wie sie in der Rechnung vom 16. Juli 2018 (Bl. 134 f. GA) ausgewiesen sind, am Hausanwesen der Erblasserin erbracht wurden, hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Unstreitig ist auch, dass die Rechnung durch den Zeugen A. A. bezahlt wurde (Bl. 155 GA). Der schon erstinstanzlich erhobene Einwand der Klägerin, es fehle insoweit an einer entsprechenden Einigung der Erblasserin mit dem Zeugen, der als Mitbewohner die Arbeiten im eigenen Interesse in Auftrag gegeben und diese dementsprechend selbst bezahlt habe, geht indessen fehl. Soweit der Zeuge nicht schon aufgrund eines rechtsgeschäftlichen Auftrages (§ 662 BGB) der Erblasserin gehandelt haben sollte, lag in der Vergütung von Arbeiten, die der Wiederherstellung der Dachrinnenfunktion dienten und damit ersichtlich Erhaltungsmaßnahmen an der Gebäudesubstanz darstellten, eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag dieses Zeugen (§ 677 BGB). Da die Arbeiten das im Eigentum der Erblasserin stehende Hausanwesen betrafen, stellte sich dies für den Zeugen, unbeschadet der zu Protokoll des Senats in Abrede gestellten Behauptung, auch er habe in dem Anwesen gewohnt, als – zumindest auch – fremdes Geschäft dar; dass eine dahingehende Verpflichtung des Zeugen bestanden hätte, ist nicht dargelegt oder erkennbar (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 – VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188). Den infolgedessen zu seinen Gunsten vermuteten Fremdgeschäftsführungswillen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2006 – III ZR 274/05, NJW 2007, 63) hat die Klägerin nicht widerlegt; ihr Berufungsvorbringen, das eine Verkennung der Beweislast durch das Landgericht und eine infolgedessen unterlassene Beweisaufnahme beanstandet, geht deshalb an der Sache vorbei. Vielmehr steht unwiderlegt fest, dass dem Zeugen in Ansehung der von ihm verauslagten Beträge ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gegen den Nachlass zusteht, der zum Zeitpunkt des Erbfalles unstreitig nicht beglichen war und der daher als Passivposten in die Berechnung des Nachlassvermögens einzustellen ist.

cc)

Ausgehend von einem Aktivvermögen in Höhe von 4.049,36 Euro und abzugsfähigen Verbindlichkeiten in Höhe von 15.513,03 Euro belief sich der gemäß § 2311 BGB für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs maßgebliche Wert des Nachlasses zum Stichtag mithin auf -11.463,67 Euro. Der Nachlass war mithin schon zu diesem Zeitpunkt objektiv überschuldet, so dass ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin von vornherein nicht entstanden ist (OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 1283; Lange, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl., § 2311 Rn. 15).

2.

Der von der Klägerin weiterhin geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB in Höhe von 687,43 Euro besteht ebenfalls nicht.

a)

Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte für den Fall, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dieser Anspruch setzt voraus, dass der Erblasser eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat, d.h. eine Zuwendung, die ihren Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (BGH, Urteil vom 14. März 2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, 1475). Eine ergänzungspflichtige Schenkung kann danach angenommen werden, wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers geführt hat (BGH, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2003 – IV ZR 249/02, BGHZ 157, 178). Darlegungs- und beweisbelastet für diese tatsächlichen Voraussetzungen ist der Pflichtteilsberechtigte: Diesem obliegt insbesondere der Nachweis, dass ein bestimmter Gegenstand zum Nachlass gehörte und dass dieser unentgeltlich auf einen Dritten übertragen wurde (BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 – IVa ZR 132/80, NJW 1981, 2458; Urteil vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705; Lange, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2325 Rn. 44).

b)

Im Streitfall hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Erblasserin dem Beklagten die Bezugsrechte aus den beiden Lebensversicherungsverträgen bei der … Lebensversicherung AG schenkweise zugewandt hat und dass deshalb die an den Beklagten ausgekehrten Todesfallleistungen grundsätzlich der Pflichtteilsergänzung unterliegen.

aa)

Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, schon von längerer Zeit als Bezugsberechtigter der beiden Versicherungsverträge eingesetzt worden zu sein (Bl. 88 GA). Aus dem Abrechnungsschreiben des Versicherers vom 4 Oktober 2018 folgt hierzu, dass die Verstorbene zu Lebzeiten ein namentliches Bezugsrecht zu seinen Gunsten ausgesprochen hatte (Bl. 94 GA). Dabei ist – mangels abweichender Behauptung – schon kraft gesetzlicher Vermutung (vgl. § 159 Abs. 1 VVG; Schneider, in: Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 159 Rn. 2) davon auszugehen, dass die Einsetzung widerruflich erfolgte; dies bewirkt, dass im Verhältnis zum Versicherer mit dem Tode der Erblasserin ein Anspruch auf die Versicherungssumme unmittelbar in der Person des Beklagten entstanden ist mit der Folge, dass die Versicherungsleistung nicht in den Nachlass gefallen ist, sondern unmittelbar von ihm erworben wurde (§ 159 Abs. 2 VVG). Dem lag – im Verhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beklagten – auch eine Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB zugrunde. Da der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages mit Bezugsberechtigung einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) darstellt, müssen zwei Rechtsverhältnisse, das Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer (= Erblasser) und Versicherer und das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer (= Erblasser) und Begünstigtem (= Beklagter), voneinander unterschieden werden; ausschließlich letzteres bestimmt darüber, ob und aus welchem Grunde der Begünstigte im Verhältnis zu den Erben das aus dem Bezugsrecht Erlangte auf Dauer behalten darf (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2015 – IV ZR 437/14, VersR 2015, 1148; Schneider, in: Prölss/Martin a.a.O. § 159 Rn. 26). Wie das Landgericht zu Recht ausführt, bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten des Beklagten Gegenleistungen für die Einräumung der beiden Bezugsrechte erbracht wurden. Eine Einigung über die (zumindest teilweise) Unentgeltlichkeit einer Zuwendung wird jedoch schon dann vermutet, wenn zwischen den Leistungen der einen und der anderen Seite objektiv ein auffälliges, grobes Missverhältnis besteht, das den Vertragsschließenden nicht verborgen geblieben sein kann (BGH, Urteil vom 17. April 2002 – IV ZR 259/01, FamRZ 2002, 883; Versäumnisurteil vom 25. November 2009 – XII ZR 92/06, BGHZ 183, 242). Dafür, dass dies hier ausnahmsweise anders sein könnte oder dass es sich um eine – nicht ergänzungspflichtige – Pflicht- oder Anstandsschenkung handeln könnte, wurde nichts dargetan.

bb)

Der Wert der beiden Bezugsrechte ist nach Maßgabe der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252; Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 230/08, VersR 2010, 1067) mit den an den Beklagten ausgekehrten Geldbeträgen – 5.795,73 Euro und 1.078,57 Euro – zu bewerten. Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenkweise zu, so berechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch weder nach der Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien (so noch RG, Urteil vom 25. März 1930 – VII 440/29, RGZ 128, 187; BGH, Urteil vom 14. Juli 1952 – IV ZR 74/52, BGHZ 7, 134). Es kommt vielmehr allein auf den Wert an, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252; Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 230/08, VersR 2010, 1067). Da die Schenkung bei einer – wie hier – widerruflichen Begünstigung erst mit dem Erbfall vollzogen wird (§ 159 Abs. 2 VVG), ist sie überdies auch unter Berücksichtigung der Abschmelzungsregelung des § 2325 Abs. 3 BGB mit dem vollen Wert der beiden Todesfallleistungen anzusetzen.

c)

Jedoch führt die Berücksichtigung der Beträge aus den beiden Todesfallleistungen vorliegend nicht zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin. Denn gemäß § 2325 Abs. 1 BGB ist die Pflichtteilsergänzung dergestalt vorzunehmen, dass der Pflichtteilsberechtigte den Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Maßgebend ist damit der Wert des sog. fiktiven Nachlasses, der sich aus der Zusammenrechnung von realem Nachlass und dem Wert des Geschenks ergibt; nur soweit dieser dann einen aktiven Wert aufweist, kann der Berechtigte den Betrag verlangen, um den sich sein ordentlicher Pflichtteil erhöhen würde, wenn zum Nachlass alle berücksichtigungsfähigen Schenkungen hinzugerechnet werden (vgl. Weidlich, in: Palandt a.a.O. § 2325 Rn. 3). Insoweit gelten dieselben Berechnungsgrundsätze wie für den Pflichtteilsanspruch; insbesondere hat – entsprechend der notariellen Vereinbarung vom 30. Januar 1992, die den gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht ausdrücklich auf Pflichtteilsergänzungsansprüche erweitert – der Wert des Hausanwesens auch insoweit unberücksichtigt zu bleiben. Bei einem danach – wie hier – negativen Nachlasswert käme eine Pflichtteilsergänzung also nur in Betracht, wenn sich unter Hinzurechnung des Geschenks ein Aktivnachlass ergäbe (Lange, in: MünchKomm-BGB a.a.O. § 2325 Rn. 51). Das ist aber nicht der Fall. Selbst nach Hinzurechnung der beiden Todesfallleistungen in Höhe von insgesamt 6.874,30 Euro zu dem mit -11.463,67 Euro überschuldeten Nachlass verbleibt kein Aktivnachlass, aus dem die Klägerin vorliegend eine Ergänzung ihres Pflichtteils verlangen könnte.

d)

Auch ein Herausgabeanspruch aus § 2329 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten als Beschenkten scheidet vorliegend aus. Insoweit kann dahinstehen, dass der Klagantrag derzeit nur auf Geldzahlung lautet, der Anspruch aus § 2329 BGB jedoch auf Herausgabe (Duldung der Zwangsvollstreckung) gerichtet ist, weil ggf. ein entsprechender Hilfsantrag der Klägerin hätte angeregt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1961 – V ZR 137/59, MDR 1961, 491). Denn in dem – hier gegebenen – Fall, dass der (Netto-) Nachlass auch bei Hinzurechnung des verschenkten Gegenstands nicht aktiv wird, scheidet ein Pflichtteilsergänzungsanspruch sowohl nach § 2325 als auch nach § 2329 aus (BGH, Urteil vom 8. Februar 1961 – V ZR 137/59, MDR 1961, 491; Weidlich, in: Palandt a.a.O. § 2329 Rn. 2; Staudinger/Olshausen (2015) BGB § 2329, Rn. 7). Dies begründet sich damit, dass der Pflichtteilsberechtigte auch mit dem Ergänzungsanspruch nicht bessergestellt werden soll, als er stünde, wenn das Geschenk sich noch im Nachlass befände (Staudinger/Olshausen (2015) BGB § 2325, Rn. 61). Wären die Bezugsrechte nicht verschenkt worden und daher im Nachlass verblieben, würde sich dies vermögensichtlich jedoch nicht zugunsten der Klägerin auswirken.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Wertfestsetzung beruht auf den § 3 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

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