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Pflichtteilsberechtigung eines vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kindes

LG Hamburg, Az.: 309 O 278/09, Urteil vom 21.01.2010

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend.

Die Beklagte ist Alleinerbin des am 26. Juni 2006 verstorbenen Dr. F. W. B..

Der am 1940 geborene Kläger behauptet, er sei der nicht eheliche Sohn des Erblassers. Ihm stünden daher Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte zu. Zwar sehe Artikel 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung nicht ehelicher Kinder vor, dass er von einem solchen Anspruch ausgeschlossen sei. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 verstoße diese Regelung jedoch gegen die EMRK.

Pflichtteilsberechtigung eines vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kindes
Foto: FreedomTumZ/Bigstock

Der Kläger beantragt,

I. dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 26.6.2006 verstorbenen Erblassers Dr. F. W. B., geb. am 5.5.1913 (nachfolgend: Erblasser), und zwar

1. durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses,

2. durch Vorlage von Kopien aller Unterlagen, die zur Ermittlung des Wertes des Nachlasses erforderlich sind, das sind insbesondere alle auf den Namen des Verstorbenen lautenden Sparbücher und Kontoauszüge aller sonstigen Konten und Depotauszüge;

3. den Wert des/der im Nachlass befindlichen Grundvermögens/Immobilien zu ermitteln durch vorzulegende Sachverständigengutachten;

II. 1. dem Kläger Auskunft zu erteilen, über alle Zuwendungen und Schenkungen (auch gemischte) die der Erblasser innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall zugunsten der Beklagten oder Dritter vorgenommen hat und über al-

le Zuwendungen und Schenkungen, die der Erblasser an den Ehegatten oder unter dem Vorbehalt des Nießbrauch/Wohnrechts an Dritte geleistet hat, auch außerhalb der 10-Jahresfrist.

2. alle Unterlagen in Kopie oder im Original vor zulegen, die zur Ermittlung des Wertes dieser weggegebenen Vermögensgegenstände erforderlich sind;

III. für den Fall, dass die Auskünfte und das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt sein sollte, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass sie den Bestand des Nachlasses und die vom Erblasser gemachten Zuwendungen und Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall, nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, als sie dazu im Stande war;

IV. 1. nach Erteilung der Auskunft und Ermittlung des Wertes des Grundvermögens an den Kläger den Betrag nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen, der dem Kläger als Pflichtteil von ¼ nach dem Tode des Erblassers zusteht.

2. Nach Erteilung der Auskunft, Ermittlung (Vorlage der Wertgutachten) des Wertes der weggegebenen Vermögenswerte und Immobilien an den Kläger als Pflichtteilsergänzung jeweils ¼ der jeweiligen Werte nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die gesetzliche Regelung in Artikel 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung nicht ehelicher Kinder sei verfassungsgemäß. Dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen Fall liege ein anderer Sachverhalt als in dem vorliegenden Verfahren zugrunde.

Wegen des übrigen Vortrages der Parteien wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Pflichtteilsansprüche gemäß Artikel 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung nicht ehelicher Kinder nicht zu, weil er vor dem 1. Juli 1949 geboren ist.

Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Die Kammer folgt insoweit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. 12. 1976 (BVerfGE 44, 1 ff). Von dieser rechtlichen Bewertung ist das Bundesverfassungsgericht auch nach der Wiedervereinigung und unter Berücksichtigung von Artikel 235 § 1 EGBGB nicht abgerückt (vgl. BVerfG 1. Senat, 1. Kammer Entscheidung vom 3. 7. 1996, Az.: 1 BvR 563/96; BVerfG 1. Senat, 3. Kammer, Entscheidung vom 20. November 2003, Az.: 1 BvR 2257/03, FamRZ 2004, 433). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 (BVerfG 1. Senat, 3. Kammer, Az.: 1 BvR 755/08) betrifft einen anderen Sachverhalt und lässt keinen Rückschluss auf eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der hier interessierenden Rechtsfrage zu.

Auch ein Verstoß gegen die EMRK vermag die Kammer vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 betrifft einen anderen Sachverhalt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unter Nummer 44. des Urteils als weitere entscheidende Erwägungen aufgeführten Gesichtspunkte hier vorliegen:

– Es bestand kein regelmäßiger Kontakt zwischen dem Kläger und dem Erblasser.

– Der Erblasser hinterließ einen Abkömmling 1. Grades, nämlich die Beklagte.

– Der Kläger hat nicht einen Großteil seines Lebens in der ehemaligen DDR verbracht und wuchs auch nicht in einem gesellschaftlichen Zusammenhang auf, in dem nicht eheliche und eheliche Kinder gleichgestellt waren. Denn der Kläger verließ die DDR 1957. Zu dieser Zeit galt dort noch das BGB. Ein Erbrecht für nicht eheliche Kinder gab es dort erst 1966 (vgl. Palandt-Archiv Teil II EGBGB Artikel 235, § 1 Randnummer 6).

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91, 709 ZPO.

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