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Pflichtteilsentziehung – Diebstahl von Bargeld zum Nachteil des Erblassers – Verzeihung

OLG Stuttgart – Az.: 19 U 80/18 – Beschluss vom 24.01.2019

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Pflichtteilsberechtigung des Klägers nach der am 25.10.2014 verstorbenen Erblasserin F. H., dessen Enkel der Kläger ist.

Der Beklagte stellt in Abrede, dass die in § 3 des von der Erblasserin errichteten Erbvertrags vom 02.04.1992 enthaltene Pflichtteilsentziehung wirksam sei. Es heißt dort, die Erblasserin entziehe dem Kläger den Pflichtteil, denn er habe „sie im Juli 1991 sowie am 21.03.1992 bestohlen. Beim ersten Mal hat er ein Sparbuch sowie Bargeld in Höhe von ca. 800,00 DM gestohlen, beim zweiten Mal Bargeld in Höhe von 6.100,00 DM. Der zweite Diebstahl wurde von mir bei der Polizei in L. angezeigt, das Ermittlungsverfahren läuft derzeit noch. Auch wenn er den Diebstahl nicht gesteht und aufgrund mangelnder Beweise nicht verurteilt werden kann, kommt für mich aufgrund der gegebenen Umstände kein anderer als Dieb wie A. H. in Frage“.

Wegen der erwähnten Tat vom 21.03.1992 ist der Kläger von dem Amtsgericht … rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt worden.

Der Beklagte macht geltend, die Erblasserin habe ihm jedenfalls im Sinne von § 2337 BGB verziehen, insbesondere weil er in den Jahren seit 2004 in demselben Haus gewohnt habe wie die Erblasserin selbst und weil die Erblasserin und er seit dem Jahr 2006 einen gemeinsamen Haushalt geführt hätten.

B.

Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug ist dem Kläger zu versagen, weil seiner Berufung die Erfolgsaussicht fehlt. Das Landgericht hat seine Klage auf Feststellung der Pflichtteilsberechtigung im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dementsprechend fehlt den in zweiter Instanz erstmals gestellten weiteren Anträgen jedenfalls die erforderliche sachliche Grundlage.

I.

Der Senat teilt im Ergebnis die Ansicht des Landgerichts, die im Streit stehende Entziehung des Pflichtteils des Klägers in § 3 des Erbvertrags vom 02.04.1992 sei nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB (bzw. nach dem – soweit hier relevant – unveränderten § 2333 Nr. 3 BGB in früher geltenden Fassungen) wirksam aufgrund des in dieser Passage des Erbvertrags in einer den Anforderungen von § 2336 Abs. 2 Satz 1 BGB genügenden Form angegebenen, von dem Kläger begangenen Diebstahls der Erblasserin gehörenden Bargelds in Höhe von 6.100,00 DM am 21.03.1992.

1. Zu Recht hat das Landgericht seinem Urteil zugrunde gelegt, dass der Kläger diese vorsätzliche Tat begangen hat. Sollte die Berufung das erstinstanzliche Bestreiten aufrechterhalten wollen, hätte sie damit keinen Erfolg. Der Kläger ist, was er selbst nicht in Abrede stellt wegen dieser Tat rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Dieser Verurteilung kommt für den Entziehungstatbestand des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwar keine unmittelbare tatbestandliche Relevanz zu (vgl. nur etwa MüKo-BGB/Lange, 7. Aufl., § 2333 Rn. 26). Wohl aber führt sie zu einer Erhöhung der an den Kläger gestellten Darlegungsanforderungen (vgl. hierzu näher nur etwa OLG München, NJOZ 2007, 2163, 2164 f.; ferner etwa auch BGH, Beschl. v. 24.01.2012 – VI ZR 132/10 – juris Tz. 10; v. 25.09.2018 – VI ZR 443/16 – juris Tz. 9). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers auch nicht ansatzweise gerecht.

2. Im Ergebnis zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass sich der Kläger durch die Begehung dieses Diebstahls vom 21.03.1992 im Sinne von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht hat.

Pflichtteilsentziehung - Diebstahl von Bargeld zum Nachteil des Erblassers - Verzeihung
(Symbolfoto: Von CGN089/Shutterstock.com)

a) Nach dieser Vorschrift erfordert die Pflichtteilsentziehung ein schweres Fehlverhalten. Der Tatbestand setzt Fehlverhaltensweisen des Pflichtteilsberechtigten voraus, die schwerwiegend genug sind, um von einer Unzumutbarkeit für den Erblasser ausgehen zu können, eine seinem Willen widersprechende Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten hinzunehmen (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1561, 1565). Ob ein vorsätzliches Vergehen ein schweres im Sinne des Tatbestandes ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, nicht etwa nach einer generalisierenden Betrachtung der Straftatbestände (vgl. nur etwa BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.12.2018, § 2333 Rn. 31). Verfehlungen gegen Eigentum oder Vermögen der Eltern fallen – jedenfalls (noch weitergehend etwa LG Hagen, Urt. v. 08.02.2017 – 3 O 171/14 – juris Tz. 49; dem Gericht folgend insbesondere BeckOK-BGB/Müller-Engels, Stand: 01.08.2018, § 2333 Rn. 14; kritisch zur sonstigen Rechtsprechung etwa auch MüKo-BGB/Lange, 7. Aufl., § 2333 Rn. 22) – dann darunter, wenn durch sie nicht nur das Eigentum und das Vermögen des Erblassers in mehr oder weniger schwerer Weise geschädigt wird, sondern sie darüber hinaus nach der Natur der Verfehlung und der Art und Weise, wie sie begangen worden sind, eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck bringen und deswegen eine besondere Kränkung des Erblassers bedeuten (s. BGH, NJW 1974, 1084, 1085; LG Mosbach, NJW-RR 2004, 708, 709; BeckOK-BGB/Müller-Engels, Stand: 01.08.2018, § 2333 Rn. 13 m. w. N.). Entsprechendes gilt für den hier gegebenen Fall.

b) Dass danach in dem zur Entscheidung stehenden Fall die Voraussetzungen für die Pflichtteilsentziehung vorlagen, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen.

aa) Der Diebstahl vom 21.03.1992 stellte eine schwer wiegende Straftat zum Nachteil der Erblasserin dar. Das verdeutlicht allein schon die dafür verhängte Geldstrafe von 100 Tagessätzen und damit – für den Verurteilten von wesentlicher praktischer Bedeutung – in einer Höhe, die sogar einen Eintrag in ein allgemeines Führungszeugnis zur Folge hat (vgl. § 32 Abs. 2 BZRG).

bb) Es tritt hinzu, dass der Diebstahl des Bargeldes – anderes bringt der Kläger selbst nicht vor – offenbar im häuslichen bzw. privaten Bereich der Erblasserin stattfand. Entwendet worden ist – ausweislich der letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 21.03.1992, der Kläger ist offenbar dementsprechend strafgerichtlich verurteilt worden – mit 6.100,00 DM eine nicht unerhebliche Summe an Bargeld. Die Rüge der Berufung, das Landgericht habe versäumt, Feststellungen „zu den jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen“ zu treffen, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Nach den gewöhnlichen Umständen stellte eine Bargeldsumme dieser Höhe im Jahr 1992 einen jedenfalls nicht unerheblichen Vermögenswert dar, zumindest bei einer Erblasserin, der – wie der Kläger selbst vorträgt – ohne Schul- und Berufsausbildung ist und bei dem sich die eigenen Erwerbsmöglichkeiten schon von daher in engen Grenzen halten. Vor diesem Hintergrund obläge es – ungeachtet der grundsätzlich den Pflichtteilsschuldner treffenden Darlegungs- und Beweislast (§ 2336 Abs. 3 BGB; vgl. auch BeckOK-BGB/Müller-Engels, Stand: 01.08.2018, § 2333 Rn. 54; BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.12.2018, § 2336 Rn. 17) – dem Kläger, selbst Anhaltspunkte – ggf. auch zu den Vermögensverhältnissen der Erblasserin, die jedenfalls ausweislich des zu den Akten gelangten Nachlassverzeichnisses der Nachlasspflegerin vom 07.03.2016 (Anlage A 3) äußerst bescheiden gewesen sind – vorzutragen, warum hier der entwendete Geldbetrag für die Erblasserin ausnahmsweise keine erheblich ins Gewicht fallende Summe bedeutete und seine Entwendung nicht eine sie schwerwiegend treffende Minderung ihres Vermögens. Dafür, dass es sie sich so verhalten habe, fehlt es nämlich derzeit tatsächlich an jedem nachvollziehbaren Anhaltspunkt.

cc) Es tritt schließlich der – von dem Landgericht zu Recht in seine Betrachtung einbezogene und als solcher von dem Kläger auch nicht in Abrede gestellte – Umstand hinzu, dass die Erblasserin zurzeit der Entziehung des Pflichtteils den ausdrücklich auch in § 3 des Erbvertrags mit dem Zusatz, für sie komme „aufgrund der gegebenen Umstände“ niemand anders als der Kläger als Dieb in Betracht, aufgenommenen Verdacht hegte, der Kläger habe sie bereits im Juli 1991 bestohlen und ihr seinerzeit „ein Sparbuch sowie Bargeld in Höhe von ca. 800,00 DM gestohlen“. Unabhängig davon, ob dieser von der Erblasserin gehegte Verdacht zutraf oder nicht, stellte sich aus ihrer Sicht, die sie durch die gegebenen Umstände belegt sah, der Diebstahl vom 21.03.1992 als Widerholungstat dar. In einer solchen aber hätte zweifellos eine grobe Missachtung des Verhältnisses des Klägers zu der Erblasserin gelegen. Dass indes unabhängig davon, ob ihr Verdacht berechtigt war, unter diesen Umständen aus Sicht der Erblasserin in dem Diebstahl vom 21.03.1992 eine besondere Kränkung lag, liegt ebenfalls auf der Hand. Nachdrücklicher Beleg dafür ist schon der Umstand, dass es zur notariellen Pflichtteilsentziehung bereits wenige Tage nach dem Diebstahl vom 21.03.1992 gekommen ist, ferner dass die Verurteilung des Klägers zu einer nicht unerheblichen Geldstrafe wegen der Tat durch den Strafantrag der Erblasserin erst ermöglicht worden ist (§ 247 StGB). Dass dem Kläger selbst – sollte es darauf überhaupt ankommen – zurzeit der zweiten Tat am 21.03.1992 zumindest der von der Erblasserin gehegte Verdacht bekannt war, entspricht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und stellt der Kläger auch nicht in Abrede.

II.

Der Senat teilt im Ergebnis auch die Ansicht des Landgerichts, die Voraussetzungen für eine Verzeihung durch die Erblasserin (§ 2337 BGB) seien im Streitfall zumindest nicht feststellbar.

1. Eine Verzeihung liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die durch den jeweiligen Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet, er also das Verletzende der Kränkung als nicht mehr existent betrachtet (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.09.1993 – 17 U 43/92 – juris Tz. 41; OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 45; MüKo-BGB/Lange, 7. Aufl., § 2337 Rn. 2). Die Verzeihung ist somit der nach außen kundgemachte Entschluss des Erblassers, aus den erfahrenen Kränkungen bzw. dem schweren Fehlverhalten nichts mehr herleiten und darüber hinweggehen zu wollen (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.09.1993 – 17 U 43/92 – juris Tz. 41; OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 45; auch BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 5). Die Verzeihung ist ein tatsächliches Verhalten; sie kann insbesondere auch durch schlüssige Handlungen gezeigt werden (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.09.1993 – 17 U 43/92 – juris Tz. 41; OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 45; BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 4). Es ist auch nicht erforderlich, dass der Erblasser sich der mit der Verzeihung eintretenden Unwirksamkeit der Pflichtteilsentziehung bewusst ist; notwendig ist indes, dass er den moralischen Gehalt seines Verhaltens begreift (OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 45), er muss also – ohne voll geschäftsfähig sein zu müssen – die Bedeutung der Verzeihung erkennen (s. etwa BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 4). Zur Verzeihung im Rechtssinne ist außerdem nur der Wegfall der Kränkungsempfindung des Erblassers, nicht auch eine darüber hinausgehende Versöhnung oder gar Innigkeit im Verhältnis zwischen Kränker und Gekränktem erforderlich (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.09.1993 – 17 U 43/92 – juris Tz. 41; OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 45; BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 5). Für eine Verzeihung ist es in der Regel ausreichend, wenn in dem Verhältnis des späteren Erblassers zu dem Abkömmling ein Wandel zur Normalität im Sinne eines Wiederauflebens der familiären Beziehungen stattgefunden hat (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.09.1993 – 17 U 43/92 – juris Tz. 41; OLG Nürnberg Tz. 47), eine Wiederherstellung familiengerechter Beziehungen etwa auch durch Aufnahme des Schuldigen in das Haus des Erblassers (vgl. Staudinger/Olshausen, BGB, 2015, § 2337 Rn. 21); hierbei wird die Verzeihung oft erst den Abschluss eines länger dauernden Entwicklungsprozesses bilden, bei dem der Erblasser zunehmende Versöhnungsbereitschaft erkennen lässt (OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 47). Allerdings kann für eine Verzeihung der Wegfall des Kränkungsempfindens dann nicht ausreichen, wenn sich der Gekränkte vom Kränkenden – etwa sogar infolge einer durch die Kränkung in Gang gesetzten Entfremdung – innerlich völlig gelöst hat, wenn also Gleichgültigkeit eingetreten ist (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2012 – 12 U 2016/11 – juris Tz. 46; Staudinger/Olshausen, BGB, 2015, § 2337 Rn. 23). Tritt beim Erblasser eine derartige Gleichgültigkeit gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten ein und tangiert ihn dessen Fehlverhalten deswegen nicht mehr, reicht dies für eine Verzeihung demnach nicht aus; vielmehr muss der Erblasser auf irgendeine Weise positiv zum Ausdruck bringen, dass er in den früheren Umständen keinen Anlass mehr sieht, den Pflichtteilsberechtigten von der Nachlassteilhabe auszuschließen (BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 5). Abgesehen davon darf, kommt es zu einer Wiederannäherung zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigten, dies auch allgemein nicht zu großzügig als Verzeihung gewertet werden (BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 5); insgesamt dürfen die Anforderungen an eine konkludente Verzeihung nicht zu niedrig angesetzt werden, damit diese nicht außer Verhältnis zu den vergleichsweise hohen inhaltlichen und formellen Anforderungen an eine Pflichtteilsentziehung geraten (vgl. BeckOGK-BGB/Rudy, Stand: 01.08.2018, § 2337 Rn. 7.1; Lange, ZEV 2018, 237, 241 f.).

2. Das Vorbringen des Klägers füllt die danach erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verzeihung nach § 2337 BGB nicht nachvollziehbar aus. Das geht angesichts der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast (vgl. nur Staudinger/Olshausen, BGB, 2015, § 2337 Rn. 18; MüKo-BGB/Lange, 7. Aufl., § 2337 Rn. 10) zu seinen Lasten.

a) Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht angegeben, er sei im Jahr 2004 in den Keller des auch von der Erblasserin bewohnten Hauses eingezogen, und im Jahr 2007 sei sein Sohn dahin nachgekommen. Das weitere, in der Berufungserwiderung bestrittene Vorbringen des Klägers, er habe seit dem Jahr 2006 „mit der Erblasserin zusammen einen Haushalt geführt“, weswegen auch ein „Naheverhältnis“ bestanden habe, sowie sich „seit langem“ um sie „gekümmert“ und sie habe „umfassend seine Dienste in Anspruch genommen“, lässt die tatsächlichen Verhältnisse nicht ausreichend erkennen, um daran die von dem Kläger gewünschten rechtlichen Folgen knüpfen zu können. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass der Kläger zwar offenbar seit vielen Jahren und auch derzeit noch im Keller des in die Erbmasse fallenden Hauses wohnt, jedoch Vorbringen dazu fehlt, ob auch die Erblasserin die von dem Kläger genutzten Räume selbst bewohnte, sowie überhaupt genügende Darlegung dazu, auf welcher Grundlage der Kläger zu Lebzeiten der Erblasserin diese Räume überhaupt bewohnte, insbesondere ob – ggf. auf welcher Grundlage, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe – er dort Miete bezahlte oder nicht.

b) Abgesehen davon lässt sich dem Vorbringen des Klägers nichts Nachvollziehbares dazu entnehmen, von welcher Art überhaupt die persönlichen Kontakte waren, die er mit der Erblasserin in den Jahren seit 2004 bzw. 2006 im Rahmen des Wohnens in demselben Haus gepflegt haben will. Vor diesem Hintergrund aber ist aus den von dem Kläger vorgebrachten bzw. den sonst ersichtlichen Umständen für die Frage, ob die Erblasserin die in dem Diebstahl liegende Kränkung in den Jahren ab 2004 bzw. 2006 als nicht mehr existent betrachtete, nichts Tragfähiges abzuleiten, insbesondere nicht ein Wandel zur Normalität im Sinne eines Wiederauflebens der familiären Beziehungen und schon gar nicht eine Wiederherstellung familiengerechter Beziehungen. Der Umstand, dass der Kläger und sein Sohn in dem Keller des Hauses der Erblasserin wohnten, kann vielmehr auf diversen denkbaren Motiven und Erwägungen beruht haben.

c) Hinzu kommt im Übrigen, dass – worauf das Landgericht zu Recht abgestellt hat – die von dem Kläger gewünschten Folgerungen aus den erwähnten Umständen auch schon deshalb nicht gezogen werden können, weil sich jedenfalls nicht ausschließen lässt, dass die Erblasserin zumindest in der Zeit ab dem Einzug des Klägers in den Keller des Hauses bereits nicht mehr in der Lage war, den moralischen Gehalt ihres Verhaltens zu begreifen und die Bedeutung einer etwaigen Verzeihung zu erkennen. Zweifel an ihrer Fähigkeit dazu weckt bereits die von der Schwester des Klägers in ihrer Vernehmung durch das Landgericht bekundete Wahrnehmung von Auffälligkeiten im Verhalten der Erblasserin in etwa seit den Jahren 2001 oder 2002, zumal der Kläger auch noch im Berufungsrechtszug selbst von einer Demenzerkrankung der Erblasserin ausgeht, die ab dem Jahr 2002 begann. Weitere Zweifel ergeben sich, worauf das Landgericht ebenfalls zutreffend abstellt, aus den Bekundungen des durch das Landgericht vernommenen Arztes, der mit der Erblasserin im Jahr 2013 in Kontakt kam und zu der Ansicht kam, zu diesem Zeitpunkt habe bereits Demenz in fortgeschrittenem Stadium vorgelegen. Schließlich bestehen insofern Zweifel allein schon aufgrund des eigenen Vorbringens des Klägers, nach dem die Erblasserin bereits seit dem Tod ihres Sohnes P. H. im Jahr 1987 (!) „höchst verwirrt“ gewesen sei, „erhebliche Isolationstendenzen“ gezeigt habe und „für ihre Umgebung nicht mehr zugänglich“ gewesen sei, was den Kläger veranlasste, ihr im vorliegenden Verfahren – wie entsprechend auch bereits in dem Schreiben vom 20.04.2016 (Anlage A 6) – schon für das Jahr 1992 (!) die Testierfähigkeit abzusprechen mit Hinweis darauf, sie habe schon seinerzeit „über keinerlei Umfeldorientierung mehr“ verfügt, und zu behaupten, die Erblasserin sei bereits ab 1992 nicht mehr in der Lage gewesen, sich an die von ihr getroffene letztwillige Verfügung überhaupt zu erinnern und diese zu korrigieren. Ein derartiger Vortrag aber ist unvereinbar mit der Sicht des Klägers zu der angeblichen Verzeihung durch die Erblasserin, und er begründet am Vorliegen einer solchen jedenfalls nicht ausgeräumte Zweifel, und zwar ungeachtet des Umstands, dass sich dieses Vorbringen zumindest in seiner Drastik im vorliegenden Verfahren als letztlich nicht belastbar erwiesen hat. Dies gilt umso mehr, als hier nicht einmal ausgeschlossen erscheint, dass sich die Erblasserin von dem Kläger jedenfalls in der Zeit ab Mitte der 2000er-Jahre innerlich völlig gelöst hatte, also Gleichgültigkeit eingetreten ist. Auch dass dies der Fall war, liegt schon angesichts der erwähnten Umstände nicht fern. Vor allem deckte es sich mit den Wahrnehmungen, die der durch das Landgericht vernommene Arzt für das Jahr 2013 geschildert hat.

d) Bereits aufgrund der eigenen Einlassung des Klägers in seiner Anhörung durch das Landgericht wie auch vor dem Hintergrund der von der von dem Landgericht vernommenen Zeugin gemachten Angaben als – zumindest in dem hier erheblichen Kontext, also als Grundlage für tragfähige Rückschlüsse auf die im Streit stehende Frage der Verzeihung – nicht belastbar erwiesen hat sich schließlich die noch erstinstanzlich von dem Kläger aufgestellte, bestrittene Behauptung, er habe die Erblasserin seit dem Jahr 1989 bis zu ihrem Tod gepflegt. Die Frage, was überhaupt aus einer solchen Sachlage für die in Frage stehende Verzeihung abzuleiten wäre, bedarf angesichts dessen keiner näheren Betrachtung. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Kläger die Erblasserin zumindest ab einem deutlich späteren, jedenfalls nach seinem Einzug in das Haus der Erblasserin liegenden Zeitpunkt gepflegt hat, wofür Einiges sprechen mag und was zumindest der als Zeuge vernommene Arzt für die Zeit ab 2013 bestätigt hat (Anlage A 7). Dass sich insbesondere für die Frage, ob und ab wann der Kläger die Erblasserin gepflegt hat, wie abgesehen davon auch in jeder anderen denkbaren Hinsicht eine die hier im Streit stehende Verzeihung betreffende Überzeugung nicht gründen ließe auf Aussagen der Erblasserin in einem Strafverfahren aus dem Jahr 2013, versteht sich schließlich schon angesichts der Bekundungen des durch das Landgericht vernommenen Arztes zum seinerzeit bestehenden Gesundheitszustand der Erblasserin.

 

 

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