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Pflichtteilsentziehung: Warum eine Todesdrohung nicht zur Enterbung reicht

In seinem handschriftlichen Testament vom 9. März 2022 verfügte ein Sohn eine schockierende Pflichtteilsentziehung seines Vaters, indem er diesen wegen einer angeblichen Todesdrohung – O-Ton: „du sollst verrecken, oder ich mache es!“ – enterbte. Doch nach dem Tod des Sohnes im Sommer 2023 forderte der Vater unbeirrt seinen gesetzlichen Pflichtteil vom Lebensgefährten des Sohnes ein. Damit stand ein letzter Wille, der auf tiefstem Hass beruhte, einem vermeintlich unantastbaren Erbanspruch gegenüber.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 3026/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht München I
  • Datum: 24.07.2024
  • Aktenzeichen: 3 O 3026/24
  • Verfahren: Zivilklage
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Vater eines verstorbenen Mannes. Er forderte Auskunft über den Nachlass seines Sohnes, da er den Pflichtteil beanspruchte.
  • Beklagte: Der Lebensgefährte des verstorbenen Mannes. Er war im Testament als Alleinerbe eingesetzt und weigerte sich, die gewünschte Auskunft zu erteilen.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Ein Sohn setzte seinen Lebensgefährten als Alleinerben ein und enterbte seinen Vater, dem er vorwarf, ihm nach dem Leben getrachtet zu haben. Der Vater klagte, um Auskunft über den Nachlass zu erhalten und seinen Pflichtteil geltend zu machen.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Konnte der verstorbene Sohn seinem Vater den Pflichtteil am Erbe wirksam entziehen, weil er behauptete, der Vater hätte ihm nach dem Leben getrachtet?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Der Klage wurde stattgegeben.
  • Zentrale Begründung: Eine bloße mündliche Drohung, selbst wenn sie geäußert wurde, reicht rechtlich nicht aus, um den Pflichtteil wirksam zu entziehen.
  • Konsequenzen für die Parteien: Der Beklagte muss dem Kläger Auskunft über den Nachlass erteilen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Der Fall vor Gericht


Konnte eine schockierende Drohung den Vater wirklich vom Erbe ausschließen?

Im Zentrum eines bemerkenswerten Rechtsstreits vor dem Landgericht München I stand eine Frage, die tief in familiäre Abgründe blicken ließ: Konnte ein verstorbener Mann seinem Vater den gesetzlich zustehenden Mindestanteil am Erbe, den sogenannten Pflichtteil, entziehen, weil der Vater ihm angeblich nach dem Leben getrachtet hatte? Die Geschichte begann mit dem Tod eines Mannes in einer süddeutschen Großstadt im Sommer 2023. Er war unverheiratet und hatte keine Kinder. Seine Mutter war bereits verstorben, was seinen Vater zum einzigen nächsten Angehörigen machte, der einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil seines Nachlasses gehabt hätte.

Warum schrieb der Verstorbene ein so ungewöhnliches Testament?

Personen planen die Pflichtteilsentziehung, wobei die Wirksamkeit von Drohungen geprüft wird.
Symbolbild: KI generiertes Bild

Der Verstorbene hatte am 9. März 2022 ein handschriftliches Testament verfasst. Darin setzte er seinen Lebensgefährten als Alleinerben ein. Doch eine Klausel in diesem letzten Willen sorgte für Aufsehen und sollte später der Kern des Rechtsstreits werden: „Meinen Vater enterbe ich, da wir uns in einem unüberwindbaren Zustand befinden. Er trachtet mir sogar nach dem Leben: O-Ton: ‚du sollst verrecken, oder ich mache es!‘ Wegen meiner Homosexualität.“ Diese drastischen Worte deuteten auf eine tiefe, offenbar tödliche Feindschaft zwischen Vater und Sohn hin. Trotz dieser Aussage gab es im Juli 2022, also einige Monate nach der Testamentserstellung, noch einen WhatsApp-Kontakt: Der Sohn schrieb seinem Vater zum Geburtstag und teilte ihm mit, einen Schlaganfall erlitten zu haben.

Was forderte der Vater vom Lebensgefährten des Verstorbenen?

Nach dem Tod des Sohnes forderte der Vater, der nun seinen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil geltend machen wollte, vom Lebensgefährten eine detaillierte Auskunft über den gesamten Nachlass. Ein Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen zusteht, selbst wenn sie im Testament enterbt wurden. Um diesen Anteil überhaupt berechnen zu können, benötigt der Pflichtteilsberechtigte eine vollständige Aufstellung aller Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen – ein sogenanntes Nachlassverzeichnis.

Der Vater setzte dem Lebensgefährten zunächst eine Frist bis Ende Oktober 2023, dann eine Nachfrist bis Ende November. Der Lebensgefährte kündigte zunächst an, ein solches Verzeichnis bis März 2024 vorzulegen, teilte aber schließlich im Februar 2024 mit, dass er kein Nachlassverzeichnis erstellen werde. Dies zwang den Vater, seine Forderung gerichtlich durchzusetzen. Er beantragte, den Lebensgefährten zur Erteilung eines detaillierten Nachlassverzeichnisses zu verurteilen, das sowohl die vorhandenen Vermögenswerte als auch die Schulden sowie alle ergänzungspflichtigen Schenkungen des Verstorbenen zu Lebzeiten umfassen sollte. Der Lebensgefährte beantragte die Abweisung der Klage.

Welche Geschichten erzählten die Beteiligten vor Gericht?

Der Vater schilderte vor Gericht eine völlig andere Beziehung zu seinem Sohn. Er behauptete, sie hätten eine gute Vater-Sohn-Beziehung gehabt. Die im Testament genannte Äußerung, er habe ihm nach dem Leben getrachtet, bestritt er vehement. Er habe niemals gesagt: „du sollst verrecken, oder ich mache es!“, sei nicht homophob und habe auch nie die Absicht gehabt, seinen Sohn zu töten. Für den Vater war klar: Die Formulierung „enterben“ im Testament bezog sich lediglich auf das gesetzliche Erbrecht, nicht aber auf den Pflichtteil. Und selbst wenn die Worte gefallen seien, so argumentierte er, reiche eine bloße Drohung nicht aus, um einen Pflichtteil zu entziehen. Hilfsweise trug er vor, der Sohn habe ihm ohnehin verziehen, wie der WhatsApp-Kontakt zum Geburtstag zeige.

Der Lebensgefährte des Verstorbenen widersprach. Er behauptete, der Vater habe seinen Sohn wegen dessen Homosexualität abgrundtief gehasst. Der Sohn habe panische Angst gehabt, dass sein Vater ihn umbringen würde. Für den Lebensgefährten war die Aussage im Testament, den Vater zu „enterben“, eindeutig als Entziehung des Pflichtteils zu verstehen. Er war der Auffassung, die Äußerung des Vaters sei nicht nur ein Wunsch oder eine bloße Drohung gewesen, sondern eine ernsthafte Bekundung der Tötungsabsicht. Ein zu enges Verständnis des Gesetzes würde diesen Entziehungsgrund bedeutungslos machen.

Was besagen die Gesetze zur Pflichtteilsentziehung?

Das Gericht musste die komplizierte Frage klären, ob die im Testament formulierte Entziehung des Pflichtteils wirksam war. Die entscheidende Rechtsgrundlage hierfür ist § 2333 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese Vorschrift erlaubt es einem Erblasser, also dem Verstorbenen, einem pflichtteilsberechtigten Angehörigen den Pflichtteil zu entziehen, wenn dieser „dem Erblasser nach dem Leben trachtet“.

Doch was bedeutet „nach dem Leben trachten“ juristisch genau? Das Gericht stellte klar, dass hierfür nicht nur ein Wunsch oder eine bloße Drohung ausreichend ist. Es erfordert eine ernsthafte Willensbetätigung, den Tod des Erblassers herbeizuführen.

Diese ernsthafte Willensbetätigung kann sich auf verschiedene Weisen zeigen:

  • Sie kann durch aktives Handeln geschehen, etwa durch straflose Vorbereitungshandlungen oder untaugliche Versuche, den Tod herbeizuführen.
  • Auch ein Mitwirken als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe einer Tat, die auf den Tod abzielt, würde genügen.
  • Selbst ein Unterlassen kann ausreichen, wenn eine rechtliche Pflicht bestünde, den Tod zu verhindern (z.B. wenn jemand eine Person, die in Lebensgefahr schwebt, nicht rettet, obwohl er dazu verpflichtet wäre).

Entscheidend ist jedoch, dass bloße mündliche Äußerungen, Bedrohungen oder Ankündigungen einer Tötungsabsicht nicht ausreichen. Es ist der Unterschied zwischen dem bloßen Aussprechen eines gefährlichen Gedankens und der konkreten Handlung, die diesen Gedanken ernsthaft umsetzen will. Man könnte es vergleichen mit dem Unterschied, ob jemand im Zorn sagt: „Ich wünschte, du wärst weg!“, oder ob er konkret plant oder versucht, eine Person von der Straße zu drängen.

Wie bewertete das Gericht die Vorwürfe gegen den Vater?

Das Landgericht München I kam nach Prüfung der Sachlage zu dem Schluss, dass der Klage des Vaters stattzugeben und der Lebensgefährte zur Auskunft über den Nachlass zu verurteilen war. Die entscheidende Begründung des Gerichts war, dass eine wirksame Entziehung des Pflichtteils gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht erfolgt war.

Der Vater war unstreitig pflichtteilsberechtigt, da er durch das Testament vom Erbe ausgeschlossen wurde und keine anderen näheren Angehörigen vorhanden waren, die seinen Anspruch ausgeschlossen hätten. Der Lebensgefährte war als Alleinerbe der richtige Adressat für die Auskunftsforderung.

Der zentrale Punkt war die Auslegung der im Testament genannten Äußerung des Vaters. Das Gericht entschied, dass selbst wenn die vom Lebensgefährten behauptete Aussage des Vaters – „du sollst verrecken, oder ich mache es!“ – tatsächlich gefallen wäre, diese allein nicht für eine Pflichtteilsentziehung genügt hätte. Das Gericht qualifizierte diese Äußerung als allenfalls eine Drohung. Für eine Entziehung des Pflichtteils wäre jedoch ein tatsächliches „Erstreben“ des Todes durch den Vater erforderlich gewesen, also eine Handlung, die über die bloße Drohung hinausgeht und den ernsthaften Willen zur Tötung belegt. Der Lebens, er kenne die Äußerungen nur vom Hörensagen des Sohnes und vermute, sie seien vor seiner Beziehung gefallen, konnten keine konkrete Handlung des Vaters schildern. Die lange Zeitspanne von Jahrzehnten ohne persönlichen Kontakt zwischen Vater und Sohn, mit Ausnahme einiger WhatsApp-Nachrichten ab Juli 2022, unterstützte ebenfalls die Annahme, dass keine konkrete Verfolgung einer Tötungsabsicht vorlag.

Wurden die weiteren Einwände der Parteien berücksichtigt?

Das Gericht prüfte auch die weiteren Argumente des Lebensgefährten. Ein von ihm im Gerichtstermin angebotener Beweisantrag, der auf die Einvernahme von Ärzten und Psychologen abzielte, wurde vom Gericht als unzulässiger sogenannter „Ausforschungsbeweis“ zurückgewiesen. Ein solcher Beweisantrag ist unzulässig, wenn die Partei, die den Beweis erbringen möchte, keine konkreten Tatsachen benennt, zu denen die Zeugen aussagen sollen, sondern hofft, erst durch die Zeugenbefragung die notwendigen Details für ihre Behauptung zu finden. Selbst wenn bewiesen worden wäre, dass der Sohn aufgrund des Verhaltens seines Vaters depressiv oder alkoholkrank geworden sei, hätte dies nach Ansicht des Gerichts keine ausreichende Grundlage für den Vorwurf des „nach dem Leben Trachtens“ im Sinne der gesetzlichen Norm geboten.

Die Argumente des Vaters bezüglich der Auslegung des Testaments – dass „enterben“ nur das gesetzliche Erbrecht und nicht den Pflichtteil betreffe – sowie seine Behauptung, der Sohn habe ihm verziehen, wurden vom Gericht nicht abschließend entschieden. Da die entscheidenden Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung ohnehin nicht erfüllt waren, waren diese Fragen für das Ergebnis des Urteils nicht mehr relevant.

So entschied das Gericht letztlich, dass dem Vater ein Anspruch auf Auskunft über den Nachlass zusteht, da die im Testament verfügte Pflichtteilsentziehung nicht wirksam war. Der Lebensgefährte wurde verurteilt, das detaillierte Nachlassverzeichnis vorzulegen. Die Kosten des Rechtsstreits hatte der Lebensgefährte zu tragen.

Wichtigste Erkenntnisse

Ein Gericht legt strenge Maßstäbe an, wenn es darum geht, einen gesetzlichen Pflichtteil aufgrund von Lebensbedrohungen zu entziehen.

  • Pflichtteil entziehen erfordert konkretes Handeln: Wer den Pflichtteil entziehen will, weil jemand ihm nach dem Leben trachtet, muss nachweisen, dass eine ernsthafte Willensbetätigung zum Tod des Erblassers vorlag, die über bloße mündliche Äußerungen oder Drohungen hinausgeht.
  • Beweisanträge müssen substanziiert sein: Ein Gericht weist Beweisanträge zurück, wenn eine Partei keine konkreten Tatsachen für ihre Behauptungen nennen kann und lediglich darauf hofft, erst durch die Zeugenbefragung die notwendigen Informationen zu finden.

Das Pflichtteilsrecht genießt einen starken gesetzlichen Schutz, dessen Entzug nur unter sehr spezifischen und nachweisbaren Bedingungen zulässig ist.


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Das Urteil in der Praxis

Für jeden, der meint, eine bloße Drohung reiche zur Pflichtteilsentziehung aus, sollte dieses Urteil eine ernüchternde Pflichtlektüre sein. Das Landgericht München I legt die Hürden für den Entzug des gesetzlichen Pflichtteils aufgrund von „Nachstellung nach dem Leben“ enorm hoch an. Eine schockierende verbale Äußerung allein genügt eben nicht; das Gericht fordert eine ernsthafte, auf den Tod zielende Handlung – eine strenge Auslegung, die den Pflichtteil als fast unantastbar schützt. Dies ist ein klares Signal an Erblasser und Erben: Der Pflichtteil ist kein Papiertiger, sondern ein robustes Recht, das nur in extremsten Ausnahmefällen weichen muss.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist der Pflichtteil im deutschen Erbrecht, und wer ist pflichtteilsberechtigt?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen zusteht, selbst wenn sie im Testament vom Erblasser enterbt wurden. Dies bedeutet, dass eine Person, die an sich erbberechtigt wäre, trotz einer Enterbung einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses hat.

Man kann sich den Pflichtteil wie ein vorab festgelegtes Anrecht auf einen Teil eines Kuchens vorstellen, der für bestimmte, sehr enge Familienmitglieder reserviert ist. Selbst wenn der Bäcker festlegt, wer den Rest des Kuchens bekommt, haben diese nahestehenden Personen das Recht auf ihr Stück, das ihnen gesetzlich zusteht und nicht beliebig entzogen werden kann.

Dieser gesetzliche Anspruch soll sicherstellen, dass bestimmte nahe Angehörige trotz einer Enterbung eine Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten. Zu diesem Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen können unter bestimmten Voraussetzungen auch die Eltern des Erblassers gehören, wie der Vater im geschilderten Fall. Sein Anspruch entstand, da der Erblasser unverheiratet war und keine Kinder hatte.

Um diesen Mindestanteil überhaupt berechnen zu können, benötigt der Pflichtteilsberechtigte eine vollständige Aufstellung aller Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen – ein sogenanntes Nachlassverzeichnis.

Diese Regelung schützt die gesetzlich vorgesehene Mindestbeteiligung naher Familienangehöriger am Nachlass, selbst wenn der Erblasser etwas anderes bestimmt hat.


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Unter welchen Voraussetzungen kann ein Erblasser nahe Angehörige vom Pflichtteil ausschließen?

Der Erblasser kann nahe Angehörige vom Pflichtteil nur unter sehr strengen und gesetzlich genau definierten Ausnahmefällen ausschließen. Einer dieser seltenen Gründe, der im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB) aufgeführt ist, liegt vor, wenn die pflichtteilsberechtigte Person dem Erblasser „nach dem Leben trachtet“.

Dies bedeutet mehr als nur eine Drohung. Man kann es sich vorstellen wie den Unterschied, ob jemand lediglich in Wut eine gefährliche Absicht äußert, oder ob er tatsächlich konkrete Schritte unternimmt oder ernsthaft plant, diese Absicht umzusetzen.

Für die Entziehung des Pflichtteils wegen „nach dem Leben trachten“ ist eine ernsthafte Absicht oder Handlung erforderlich, die auf den Tod des Erblassers abzielt. Bloße mündliche Drohungen, Wunschäußerungen oder Ankündigungen genügen hierfür nicht. Es geht um eine tatsächliche Willensbetätigung, den Tod herbeizuführen, beispielsweise durch vorbereitende Handlungen oder auch ein Unterlassen, wenn eine rechtliche Pflicht zur Verhinderung des Todes bestünde. Der Grund für die Entziehung muss vom Erblasser im Testament klar benannt werden.

Diese sehr hohen Hürden schützen den Pflichtteil als gesetzlich gesicherten Mindestanteil am Erbe und stellen sicher, dass eine Entziehung nur in extrem schwerwiegenden Fällen gerechtfertigt ist.


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Was bedeutet der Begriff „nach dem Leben trachten“ im Erbrecht, und welche Anforderungen stellt er an eine Pflichtteilsentziehung?

Der Begriff „nach dem Leben trachten“ im Erbrecht wird juristisch sehr eng ausgelegt und erfordert eine ernsthafte Willensbetätigung, den Tod des Erblassers herbeizuführen. Es genügt nicht, wenn lediglich ein Wunsch, eine bloße Beschimpfung, eine Bedrohung oder die Ankündigung einer Tötungsabsicht vorliegt. Juristen betrachten dies nicht als ausreichend.

Man kann es vergleichen mit dem Unterschied, ob jemand im Zorn sagt: „Ich wünschte, du wärst weg!“, oder ob er konkret plant oder versucht, eine Person von der Straße zu drängen. Der entscheidende Punkt ist die Absicht zur Tat, die sich in konkretem Handeln äußert.

Diese ernsthafte Willensbetätigung zeigt sich in Handlungen. Dazu zählen zum Beispiel straflose Vorbereitungshandlungen, untaugliche Versuche, den Tod herbeizuführen, oder die Mitwirkung als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe bei einer Tat, die auf den Tod abzielt. Ausnahmsweise kann auch ein Unterlassen ausreichen, wenn eine rechtliche Pflicht bestanden hätte, den Tod zu verhindern.

Diese strenge Auslegung stellt sicher, dass eine Pflichtteilsentziehung, die eine sehr einschneidende Folge hat, nur bei einer tatsächlich ernsthaften und über eine bloße Äußerung hinausgehenden Verfolgung einer Tötungsabsicht wirksam ist.


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Reichen verbale Drohungen oder schwere Vorwürfe allein aus, um einem nahen Angehörigen den Pflichtteil zu entziehen?

Nein, verbale Drohungen oder schwere Vorwürfe allein reichen in der Regel nicht aus, um einem nahen Angehörigen den Pflichtteil zu entziehen. Das Gesetz stellt für die Entziehung des Pflichtteils sehr hohe Anforderungen.

Man kann es sich vorstellen wie den Unterschied, ob jemand im Zorn sagt: „Ich wünschte, Sie wären weg!“, oder ob diese Person konkret plant oder versucht, eine andere Person von der Straße zu drängen. Bloße mündliche Äußerungen sind nicht genug.

Der Gesetzgeber erlaubt die Entziehung des Pflichtteils nur unter sehr engen Voraussetzungen, insbesondere wenn ein Angehöriger dem Erblasser „nach dem Leben trachtet“. Dafür ist eine ernsthafte Willensbetätigung erforderlich, den Tod des Erblassers herbeizuführen. Dies bedeutet, dass konkrete Handlungen nötig sind, die über reine mündliche Äußerungen, Bedrohungen oder das Ankündigen einer Tötungsabsicht hinausgehen. Selbst schwerwiegende verbale Äußerungen, wie eine mutmaßliche Todesdrohung, genügen dafür nicht. Es müssen Handlungen vorliegen, die den ernsthaften Willen zur Tötung belegen.

Diese strenge Regelung schützt den Pflichtteil als ein grundlegendes Recht naher Angehöriger, selbst wenn der Erblasser sie im Testament enterben möchte.


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Welche Bedeutung hat ein Nachlassverzeichnis für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen?

Ein Nachlassverzeichnis ist für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen von zentraler Bedeutung, da es die notwendige Grundlage für die Berechnung dieses gesetzlichen Geldanspruchs bildet. Ohne diese detaillierte Übersicht kann die genaue Höhe des Pflichtteils nicht festgestellt werden.

Stellen Sie sich vor, man muss den Wert eines unbekannten Kontostandes ermitteln, ohne Einsicht in die Kontoauszüge zu haben. Eine genaue Berechnung wäre unmöglich. Ähnlich verhält es sich mit dem Nachlassverzeichnis, das die notwendigen Informationen für die Berechnung des Pflichtteils liefert.

Ein Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Geldanspruch. Seine genaue Höhe hängt direkt vom Wert des gesamten Nachlasses ab. Um diesen Anspruch korrekt zu berechnen, benötigt der Pflichtteilsberechtigte eine vollständige und transparente Aufstellung. Diese umfasst alle Vermögenswerte des Erblassers zum Todeszeitpunkt, wie Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere und Wertgegenstände, sowie auch dessen Schulden. Zudem kann das Verzeichnis auch sogenannte ergänzungspflichtige Schenkungen enthalten, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, da diese ebenfalls den Pflichtteil beeinflussen können. Der Erbe ist der Adressat dieser Auskunftsforderung.

Ohne die Bereitstellung eines solchen Verzeichnisses ist es dem Pflichtteilsberechtigten nicht möglich, seinen Anspruch zu beziffern oder durchzusetzen, weshalb die Verweigerung oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erblasser

Der Erblasser ist die verstorbene Person, deren Vermögen (der Nachlass) nach ihrem Tod auf andere übergeht. Im Erbrecht ist der Erblasser die zentrale Figur, da er durch sein Testament oder die gesetzliche Erbfolge bestimmt, wer was von seinem Vermögen erhält. Der Begriff ist wichtig, um klar zwischen dem Verstorbenen und den Erben oder Pflichtteilsberechtigten zu unterscheiden.

Beispiel: Im Artikeltext ist der verstorbene Mann, der seinen Lebensgefährten als Alleinerben einsetzte und seinen Vater enterben wollte, der Erblasser.

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Nachlassverzeichnis

Ein Nachlassverzeichnis ist eine detaillierte Auflistung aller Vermögenswerte und Schulden, die eine verstorbene Person (der Erblasser) zum Zeitpunkt ihres Todes hinterlassen hat. Der Zweck dieses Verzeichnisses ist es, einen vollständigen Überblick über den Nachlass zu geben. Dies ist besonders wichtig für die Berechnung von Ansprüchen wie dem Pflichtteil, da dieser sich nach dem Wert des gesamten Nachlasses richtet und zur Transparenz der Erbschaft beiträgt.

Beispiel: Der Vater forderte vom Lebensgefährten ein detailliertes Nachlassverzeichnis, um die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs berechnen zu können, da der Lebensgefährte als Alleinerbe dazu verpflichtet war, diese Auskunft zu erteilen.

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nach dem Leben trachten

„Nach dem Leben trachten“ bedeutet im Erbrecht, dass eine pflichtteilsberechtigte Person ernsthaft und mit konkreten Handlungen den Tod des Erblassers herbeizuführen versucht hat. Dieser juristische Begriff ist ein sehr schwerwiegender Grund, der es dem Erblasser ermöglichen kann, einer eigentlich pflichtteilsberechtigten Person ihren gesetzlichen Mindestanteil am Erbe zu entziehen. Es geht dabei nicht um bloße verbale Drohungen, sondern um eine ernsthafte, auf den Tod abzielende Willensbetätigung.

Beispiel: Der verstorbene Sohn warf seinem Vater im Testament vor, ihm „nach dem Leben getrachtet“ zu haben („du sollst verrecken, oder ich mache es!“), um ihn vom Pflichtteil auszuschließen. Das Gericht stellte aber klar, dass diese verbale Äußerung allein nicht ausreichte, da keine konkreten Handlungen zur Tötung belegt waren.

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Pflichtteil

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen zusteht, selbst wenn der Erblasser sie in seinem Testament enterbt hat. Diese Regelung dient dem Schutz der engsten Familienmitglieder (Kinder, Ehepartner, unter Umständen auch Eltern), indem sie ihnen trotz Enterbung einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasswertes sichert. Es ist ein Geldanspruch und kein Recht auf bestimmte Nachlassgegenstände.

Beispiel: Obwohl der verstorbene Sohn seinen Vater im Testament enterbte, forderte der Vater dennoch seinen Pflichtteil, da er als nächster Angehöriger (keine Kinder, Mutter verstorben) gesetzlich darauf Anspruch hatte.

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Pflichtteilsentziehung

Die Pflichtteilsentziehung ist der seltene und nur unter strengen Voraussetzungen zulässige Akt, durch den der Erblasser einem eigentlich pflichtteilsberechtigten Angehörigen seinen gesetzlich zustehenden Mindestanteil am Erbe endgültig entzieht. Sie ist die Ausnahme von der Regel des Pflichtteils und nur in sehr gravierenden Fällen möglich, die das Gesetz explizit vorsieht (z.B. „nach dem Leben trachten“, schwere vorsätzliche Straftaten gegen den Erblasser). Dieser Mechanismus soll dem Erblasser ein Mittel an die Hand geben, um sich vor extrem illoyalem oder gefährlichem Verhalten naher Angehöriger zu schützen.

Beispiel: Der verstorbene Sohn versuchte, eine Pflichtteilsentziehung gegenüber seinem Vater zu bewirken, indem er in seinem Testament anführte, der Vater habe ihm „nach dem Leben getrachtet“. Das Gericht entschied jedoch, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Pflichtteilsentziehung nicht erfüllt waren.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Pflichtteilsentziehung bei Trachten nach dem Leben (§ 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB)

    Ein Erblasser kann einem nahen Angehörigen den Pflichtteil entziehen, wenn dieser dem Erblasser nach dem Leben trachtet.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die zentrale Frage war, ob die vom Verstorbenen im Testament behauptete Äußerung des Vaters ausreichte, um ihm seinen gesetzlichen Mindestanspruch auf das Erbe zu entziehen.

  • Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 Abs. 1 BGB)

    Bestimmte nahe Angehörige haben einen gesetzlich garantierten Mindestanspruch auf einen Teil des Erbes, selbst wenn sie im Testament enterbt wurden.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Als Vater des Verstorbenen hatte dieser grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil, da er im Testament vom Erbe ausgeschlossen wurde und keine anderen näheren Angehörigen vorhanden waren.

  • Auskunftsanspruch über den Nachlass (§ 2314 Abs. 1 BGB)

    Wer einen Pflichtteil beansprucht, kann vom Erben eine genaue Aufstellung aller Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen verlangen, um seinen Anspruch zu berechnen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Vater forderte vom Lebensgefährten des Verstorbenen ein detailliertes Nachlassverzeichnis, um die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs feststellen zu können.

  • Erfordernis einer ernsthaften Tötungsabsicht beim „nach dem Leben Trachten“ (Rechtsprinzip der Auslegung)

    Das bloße Aussprechen einer Drohung oder eines Wunsches reicht nicht aus; es muss eine konkrete und ernsthafte Absicht oder Handlung vorliegen, den Tod des Erblassers herbeizuführen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte klar, dass die vom Lebensgefährten behauptete Äußerung des Vaters, selbst wenn sie gefallen wäre, als bloße Drohung nicht ausreichte, um den Pflichtteil zu entziehen, da keine ernsthafte Tötungsabsicht nachgewiesen werden konnte.


Das vorliegende Urteil


LG München I – Az.: 3 O 3026/24 – Endurteil vom 24.07.2024


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