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Pflichtteilsergänzungsanspruch – Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB

OLG Dresden, Az.: 17 U 1338/15, Urteil vom 30.09.2015

1. Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 14.07.2015 wird mit den Maßgaben zurückgewiesen, dass zu den Klaganträgen 1.g) und h) deren Erledigung festgestellt und dass die Zwischenfeststellungsklage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen, nur für den Kläger.

Beschluss: Gebührenrechtlich ist das Berufungsverfahren bis zu 22.000,00 € wert.

Gründe

I.

Der Kläger beansprucht seinen Pflichtteil nach dem Vater. Der Vater starb vor etwa 3 Jahren. Beerbt wurde er von der Mutter. Diese nimmt der Kläger im Wege der Stufenklage in Anspruch.

Zum Auskunftsverlangen meint die Beklagte, Angaben zu den Sachlagen der §§ 2316, 2313 BGB nicht machen zu müssen. Im Übrigen hat sie ihre Auskunftsverpflichtung anerkannt und, nach entsprechender Verurteilung, ein notarielles Verzeichnis zum Bestand des Nachlasses vorgelegt. Vom Kläger wurde daraufhin der noch nicht beschiedene Teil seiner Auskunftsklage für erledigt erklärt. Die Beklagte hat dieser Erklärung widersprochen. Sie ist der Ansicht, die Auskunftsklage sei insofern unzulässig bzw. unbegründet gewesen. Deshalb müsse hierzu die Klage abgewiesen werden. Dieser Bewertung ist das Landgericht gefolgt.

Die Angaben der Beklagten ergaben, dass die Eheleute ihr Eigenheim im Jahre 1993/1994 auf ihren zweiten Sohn, den Bruder des Klägers, übertragen hatten. Dabei behielten sie sich Nutzungsrechte an Teilen des Anwesens, auch Mitspracherechte für Baumaßnahmen und Grundstücksverfügungen vor (GA I 246). Der Kläger bewertet die Grundstücksübertragung als Schenkung, und zwar als solche, die bei der Berechnung seines Pflichtteilsanspruches zu berücksichtigen sei. Deshalb verlangt er von der Beklagten, dass sie den Wert zum Miteigentumsanteil des Vaters ermitteln lässt. Darüber hinaus will er festgestellt wissen, dass dieser Anteil der Pflichtteilsergänzung unterliegt (GA I 105).

Das Landgericht wies auch diese beiden Klaganträge zurück.

Dessen, ihm am 27.07.2015 zugestelltes, Urteil stellt der Kläger mit seiner hier am 25.08.2015 eingereichten (und sogleich begründeten) Berufung zur Überprüfung. Er meint, das landgerichtliche Urteil gehe von falschen Tatsachen aus, wende zudem das Recht nicht richtig an. Darüber hinaus habe der landgerichtliche Einzelrichter bei Erlass des Urteils die ihm infolge seiner Ablehnung obliegende Wartepflicht verletzt. Dessen Urteil müsse daher aufgehoben und die Beklagte verurteilt bzw. zu deren Lasten festgestellt werden,

den Wert des Hausgrundstücks im Grundbuch von E., Grundbuchamt Leipzig, Blatt …, Flst. …, … zu den Stichtagen 22.11.1994 und 16.08.2012 durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens ermitteln zu lassen, dass der Miteigentumsanteil des Erblassers an diesem Hausgrundstück der Pflichtteilsergänzung nach ihm unterliegt, dass sich die Klaganträge 1.g) (Verurteilung zur Auskunft hinsichtlich aller Zuwendungen des Erblassers, die eine Ausgleichspflicht nach den §§ 2050ff., 2316 BGB auslösen können) und 1.h) (Verurteilung zur Auskunft hinsichtlich aller bedingten ungewissen und unsicheren Rechte sowie zweifelhaften Verbindlichkeiten des Erblassers) erledigt haben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf das landgerichtliche Urteil (GA II 302 ff.), die Berufung des Klägers (GA II 315 ff.), die Berufungserwiderung der Beklagten vom 21.09.2015 (GA II 327 ff.), auf das Protokoll zur Berufungsverhandlung (GA II 332 ff.), in dem ein Grundriss zum Eigenheim vorgelegt und dessen Benutzung durch die Eltern erläutert wurde, sowie auf die klägerische Schrift vom 29.09.2015 (GA II 337). Mit dieser bringt der Kläger vor, die Grundstückszuwendung sei zumindest eine Ausstattung, damit jedenfalls für den Pflichtteil von Belang, was die Anträge auf Wertermittlung und Feststellung der Pflichtteilsrelevanz stütze. Hilfsweise beantrage er,

die Beklagte zu verurteilen, den Wert des Hausgrundstückes zum Stichtag 22.11.1994 durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens ermitteln zu lassen sowie festzustellen, dass der Miteigentumsanteil des Erblassers am Hausgrundstück eine Ausstattung ist, die bei der Berechnung des ordentlichen Pflichtteils nach dem Erblasser zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte nahm hierzu, noch am nämlichen Tag, Stellung, mit dem Antrag, auch diese Berufungsanträge zurückzuweisen (GA II 341).

II.

Zur Pflichtteilsergänzung ist die Berufung (im Wesentlichen) unbegründet, zur Auskunft ist ihr stattzugeben. Kostenmäßig fällt letzteres nicht ins Gewicht. Die Kosten der Berufung trägt demnach der Kläger (§§ 97Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Anordnungen zur Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils finden ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708Nr. 10, 711 ZPO, die zur Zulassung der Revision die ihrigen in §§ 543Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 542 Abs. 1 ZPO. Zur Wertbemessung schätzt der Senat den klägerseits beanspruchten Ergänzungspflichtteil anhand der im landgerichtlichen Verhandlungstermin geäußerten Erwartungen mit 25.000,00 €, setzt hiervon 80 % an, rechnet zum Erledigungsstreit mit dem Mindestwert und kommt so auf die herangezogene Wertstufe bis zu 22.000,00 € (§§ 3, 2 ZPO, 48Abs. 1 S. 1, 47Abs. 1 S. 1, 39Abs. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG).

Zur weiteren Erläuterung, nach Maßgabe der von § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO geforderten kurzen Begründung zur (weitgehenden) Bestätigung des landgerichtlichen Urteils Folgendes:

1. Von der Berufung gerügter Verstoß gegen § 47 Abs. 1 ZPO

Der landgerichtliche Einzelrichter verhandelte die Klage am 17.03.2015. Er bestimmte dort den Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 07.04.2015. Diesen Termin verlegte der Vertreter des landgerichtlichen Einzelrichters. Verlegungsgrund war ein Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Einzelrichter. Dieses wurde durch Beschluss des oberlandgerichtlichen Beschwerdegerichts vom 10.06.2015 rechtskräftig (abschlägig) beschieden. Das landgerichtliche Urteil wurde am 14.07.2015 verkündet. Auf dessen S. 2 heißt es allerdings, es sei am 07.04.2015 gefällt worden. Hieraus leitet die Berufung ab, dass der Einzelrichter das Urteil entgegen § 47 Abs. 1 ZPO erlassen habe, was erneut die Besorgnis seiner Befangenheit und mit ihr den Einwand begründe, dass das Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht.

Diese Rüge hält der Senat für grundlos, auch für unbeachtlich. Die einzige Amtshandlung, die der landgerichtliche Einzelrichter nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs vornahm, war die der Urteilsverkündung. Diese erfolgte, was auch die Berufung nicht bestreitet, zudem das Verkündungsprotokoll belegt, am 14.07.2015. Dort war das Ablehnungsgesuch rechtskräftig beschieden, das Entscheidungsverbot demnach aufgehoben. Ein Verstoß gegen § 47 Abs. 1 ZPO liegt so nicht vor. Ob die Angabe „am 07.04.2015“ auf einem Versehen beruht oder ob dort das Urteil „erlassen“, d.h. entworfen wurde, kann demnach offen bleiben. Naheliegend ist, wegen der letzten Verkündungsverlegung, ersteres.

Im Übrigen gilt § 538 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Der Senat hat – jedenfalls – in der Sache zu entscheiden. Zur Entscheidung ist weder eine Beweisaufnahme nötig noch hat eine der beiden Prozessparteien die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beantragt.

2. Aktiv- und Passivlegitimation

Die Parteien nehmen übereinstimmend an, dass der Kläger pflichtteilsberechtigt und die Beklagte (Allein-)Erbin ist.

Der Senat beurteilt es gleichermaßen. Vom Kläger ist dargelegt, dass er der Sohn des Erblassers und die Beklagte von diesem durch wirksames Testament zur Alleinerbin eingesetzt ist (Klageschrift S. 4 = GA I 4). Von der Beklagten ist dies nicht bestritten (Klagerwiderung S. 3 = GA I 22). So ist es auch vom Landgericht – unbeanstandet – festgestellt.

Damit stehen Aktiv- und Passivlegitimation fest (§§ 138 Abs. 3 ZPO, 2303Abs. 1 S. 1, 2314Abs. 1, 2325 Abs. 1 BGB, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

3. Pflichtteilsrelevanz der 18 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Grundstückszuwendung

Die Klageanträge auf Wertermittlung und Feststellung der Pflichtteilsrelevanz wies das Landgericht zu Recht zurück. Eine Schenkung unterliegt nach dem Gesetz nicht mehr der Pflichtteilsergänzung, wenn seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes bis zum Erbfall 10 Jahre vergangen sind (§ 2325 Abs. 3 S. 2 BGB). Verschenkt hat der Erblasser hier seinen Anteil am Grundstückseigentum. Dieses Geschenk hat der zweite Sohn des Erblassers mit seiner Eintragung im Grundbuch als neuer Eigentümer erhalten. Diese erfolgte am 22.11.1994. Das war knapp 18 Jahre vor dem Ableben des Erblassers am 16.08.2012. Damit liegen die Voraussetzungen der 10-jährigen Ausschlussfrist vor. Der Miteigentumsanteil zählt nicht zum (fiktiven) Nachlass, damit nicht zu den Nachlassgegenständen, deren Wert eine Erbin nach § 2314 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. BGB ermitteln lassen muss. Die auf Wertermittlung gerichtete Klage ist demnach unbegründet. Die auf Feststellung der Pflichtteilsergänzung ist es auch. Unzulässig ist sie allerdings nicht. Das beurteilt der Senat anders als das Landgericht. Der vom landgerichtlichen Einzelrichter herangezogene Entscheid des Reichsgerichts (RGZ 170, 328, 330) gibt für die vom Landgericht angenommene Unzulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage nichts her. Die vom Reichsgericht so bezeichnete Hauptklage ist im Streitfall nicht der Anspruch auf Wertermittlung, sondern der auf Zahlung des Pflichtteils (unter Einbeziehung des Wertes der Grundstückszuwendung). Dass hier zugleich über die Wertermittlung entschieden wird, macht die erstrebte Feststellung der Pflichtteilsrelevanz also nicht überflüssig.

Damit ist die Zwischenfeststellungsklage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen. § 538 ZPO mag eine entsprechende Korrektur des landgerichtlichen Urteils gebieten. Jedenfalls ist sie sachdienlich und erlaubt, zumal ihr § 528 S. 2 ZPO nicht entgegensteht (zu letzterem BGHZ 23, 36, 50).

Dass, gemessen an der Eigentumsumschreibung, die 10-Jahres-Frist abgelaufen ist, ist – natürlich – auch dem anwaltlich vertretenen Kläger nicht entgangen. Er meint, die Frist sei nicht einmal angelaufen, weil die Eltern das Grundeigentum nur als „leere Hülle“ übertragen hätten und von ihnen sichergestellt worden sei, dass sie die „volle Herrschaft“ über das Anwesen behielten.

Das hält der Senat für überzogen und – jedenfalls deshalb – rechtlich für nicht ausschlaggebend.

Überzogen ist es, weil sich die Eheleute bei der Eigentumsübertragung zwar Rechte vorbehielten, dies aber nicht in einem Ausmaß, dass, wie es die Berufung formuliert, für sie mit der Übertragung keine spürbare Veränderung verbunden war/ist. Die Eltern behielten sich ein Wohnungsrecht zurück, das aber nicht alle drei Etagen des Hauses umfasste, nur die Räumlichkeiten im Erdgeschoss, die Mitbenutzung des Gartens, der Nebenräume sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens. Hinzu kam das Recht zur Nutzung der Garage. Die Eltern behielten ein Mitspracherecht bei der Grundstücksveräußerung sowie bei Um- oder Anbaumaßnahmen. Diese durften nur mit ihrer Zustimmung erfolgen. Der Befund ist also nicht der, dass die Eltern „die volle Herrschaft behielten“, dass für sie „mit der Übertragung keine spürbare Veränderung“ verbunden war. Nach dem Gesetz kann der Eigentümer einer Sache mit ihr nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen (§ 903 S. 1 BGB). Davon waren und sind die Eltern nach der Übertragung weit entfernt. Unbeachtlich dabei ist, dass die Eltern, wie von der Beklagten selbst erklärt, das Hausgrundstück nach der Übergabe im Wesentlichen in dem Umfang nutzten wie zuvor (GA I 116). Denn das ändert nichts daran, dass sie über das Hausgrundstück nicht nur (rechtlich) nicht mehr verfügen, sondern es auch nicht so nutzen konnten, wie sie es für richtig hielten. Das gilt wegen § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB selbst für die von ihnen weiter bewohnten Räume.

Rechtlich unbeachtlich ist es (und das ohne Weiteres), wenn man zur hier streitentscheidenden Frage, ob und inwiefern vorbehaltene Rechte für die Bestimmung der Ausschlussfrist bedeutsam sind, auf den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien abstellt. Nach beiden sind Nutzungsvorbehalte ohne Belang. Im Gesetz sind sie nicht erwähnt. Der Gesetzgeber hat sich bei den Beratungen zur Ausschlussfrist dagegen ausgesprochen, den Fristbeginn bei Nutzungsvorbehalten zu verlegen. Der Vorschlag, § 2325 Abs. 3 BGB dahin zu fassen, dass der Lauf der Ausschlussfrist erst mit dem Erlöschen des vorbehaltenen Nutzungsrechtes beginnt, wurde von ihm ausdrücklich abgelehnt. Dergleichen hätte eine unnötige Verwicklung des Gesetzes und nicht unerhebliche praktische Schwierigkeiten zur Folge. Anders sei es bei Schenkungen unter Ehegatten. Zu diesen sei eine besondere Bestimmung zum Fristbeginn gerechtfertigt, die, dass die Frist erst von der Auflösung der Ehe an laufe. Bei Schenkungen an Ehegatten bleibe der verschenkte Gegenstand tatsächlich gemeinschaftliches Vermögen, der Schenker habe also während der Ehe auch nach der Schenkung den Genuss desselben nicht zu entbehren. Zudem liege hier auch aus anderen Gründen der Verdacht arglistigen Verhaltens besonders nahe (Protokolle II 5 S. 581, 584, 588).

Dort (Ehegattenschenkung) wie hier (sonstige Schenkung) wird also, ohne dass dies im Einzelfall zu hinterfragen ist, angenommen, dass die Schenkung böswillig bzw. billigenswert ist, damit ein Kompromiss zwischen dem Schutz des Pflichtteilsberechtigten und den Interessen des Erblassers und letztlich auch denen des Beschenkten erzielt. Der Vorteil dieser Lösung liegt auf der Hand: Sie vermeidet Abgrenzungsschwierigkeiten, gibt dem Rechtsanwender eine eindeutige Linie vor, sorgt so für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.

Verfassungsrechtlich erscheint dies unbedenklich. Zwar genießt das Pflichtteilsrecht verfassungsrechtlichen Schutz. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Schutz unbeschränkt zu gewähren ist. Schließlich ist grundgesetzlich über das Eigentum auch die Verfügungsfreiheit des Erblassers garantiert. Zu berücksichtigen ist auch, dass die pflichtteilsrechtliche Ausgleichspflicht von Schenkungen nicht daran geknüpft ist, dass die Zuwendung übermäßig war bzw. in Benachteiligungsabsicht erfolgte. Dann ist es konsequent und ausgewogen, dass der Ergänzungsanspruch der zeitlichen Beschränkung ohne Rücksicht auf eine etwaige Benachteiligungsabsicht unterliegt.

Dem Kläger ist allerdings einzuräumen, dass die Rechtsprechung sich von diesen Vorgaben distanziert und eine gegenläufige Linie eingeschlagen hat. Dies gilt insbesondere auch für den Bundesgerichtshof. Nach seiner Rechtsprechung muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Schenkung in Benachteiligungsabsicht erfolgte oder nicht. Eine Leistung im Sinne von § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB liege erst vor, wenn der spätere Erblasser über die endgültige Aufgabe seiner Rechtsstellung hinaus darauf verzichtet habe, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen. Hieran fehle es, wenn er sich den Nießbrauch uneingeschränkt vorbehalten hat ( IVa ZR 13/85, Rn. 18 sowie IV ZR 132/93, Rn.12, 13; Hervorhebung von hier aus).

Die obergerichtliche Rechtsprechung ist dem gefolgt, hat diese Bewertung auf Wohnungsrechtsvorbehalte übertragen, dabei Wesentlichkeitsbetrachtungen angestellt, mit ihnen danach differenziert, ob der Eigentumsverlust für den Erblasser ein spürbares Vermögensopfer war oder nicht. Das hatte u.a. zur Folge, dass vergleichbare Fälle unterschiedlich bewertet wurden. Besonders deutlich wird dies an zwei Entscheidungen des Erbrechtssenats beim Oberlandesgericht in Düsseldorf. In der zweiten, derjenigen auf die der Kläger abstellt, befand dieses Gericht, dass der Eigentumsverlust kein spürbares Vermögensopfer für den Übergeber gebracht habe, da er in Anbetracht seines Wohnrechts an den von ihm bis dato bewohnten Räumen im Erdgeschoss und einem Raum im Obergeschoss den Genuss des überlassenen Grundstücks im Wesentlichen behalten habe. In dem anderen, nur gut 1,5 Jahre zuvor entschiedenen, kam es, trotz auch dort unveränderter realer Wohn- und Nutzungsverhältnisse, zum gegenteiligen Ergebnis (U. v. 18.12.1998 – 7 U 78/98 – Rn. 10 einerseits und U. v. 28.02.1997 – 7 U 45/96 – Rn. 7 andererseits).

Mit dieser Bewertung sind also die praktischen Schwierigkeiten eingetreten, die der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte. Unterstellt, dass sich diese Bewertung noch im Rahmen zulässiger Rechtsanwendung bewegt, dürfte allerdings geboten sein, ihr zu folgen, aus Gründen einheitlicher Rechtsprechung. Am Ergebnis ändert dies für den Senats nichts. Aus den zu Gesetzeswortlaut und Gesetzesbegründung angestellten Erwägungen muss die Verschiebung des Fristbeginns jedenfalls auf Sachlagen beschränkt bleiben, die der Schenkung an den Ehegatten vergleichbar sind. So liegt der Streitfall nach Ansicht des Senats nicht. Im Hinblick auf den beschränkten Umfang des den Eltern eingeräumten Wohnungsrechts, den im Übergabevertrag vorgesehenen Ausschluss seiner Überlassung an Dritte und der dem Übernehmer dort eingeräumten Möglichkeit, die Immobilie in Höhe von 200.000,00 DM zu belasten, dies sogar im Rang vor dem Wohnrecht, meint der Senat, dass sich der Erblasser und die Beklagte des „Genusses“ des Hausanwesens mit seiner Übertragung zu beachtlichen Teilen, damit in nicht unwesentlichem Umfang entäußert haben. Mit der Situation, dass ein Ehemann seinen Miteigentumsanteil zwar der Ehefrau überträgt, gleichwohl mit der Immobilie aber noch nach seinem Belieben verfahren kann, der Eigentumswechsel also nur auf dem Papier steht, nicht wirklich gelebt wird, ist dies nicht gleichzusetzen.

Diese Bewertung dürfte mit der der erwähnten älteren Entscheidung des Oberlandesgerichts in Düsseldorf und mit derjenigen anderer Oberlandesgerichte übereinstimmen (Celle, OLGR 2003, 370, 371 f.; Bremen, OLGR 2005, 233; Oldenburg, ZEV 06, 80, Karlsruhe, ZEV 08, 244). Widersprechen dürfte sie der jüngeren Entscheidung aus Düsseldorf und einer solchen, die das Oberlandesgericht in München im Jahre 2008 fällte (ZEV 08, 480). Mit Rücksicht auf diese beiden Entscheidungen, eine Vielzahl von Vorschlägen, die von Experten des Erbrechts unterbreitet wurden (etwa: „gespaltener Fristlauf“; „Flächen- bzw. Wertabgleiche“, Übertragung der Rechtsprechung zum „lebzeitigem Eigeninteresse“; Heranziehung der jüngeren BGH-Rspr. zu § 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB), ist die Revision zuzulassen.

4. Auskunftsanträge zu den Sachlagen der §§ 2316, 2313 BGB

Diese Auskünfte sind erteilt und damit, so sie denn geschuldet waren, erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Deren Erledigung ist vom Kläger erklärt. Es bleibt die Frage, ob die Auskunftsklage insofern zulässig und begründet war. Bedeutsam ist dies nur und allenfalls für die vom Landgericht noch zu treffende Kostenentscheidung. Dabei ist gut vorstellbar, dass sich die Abweisung der Auskunftsklage insofern nicht auswirkt. Sicher ist es nicht. Mit dieser Unsicherheit geht einher, dass die Teilabweisung der Auskunftsklage den Kläger nicht ausschließbar beschwert, dessen Berufung daher auch zu ihr zulässig ist, zumal kein Fall des § 99 Abs. 1 ZPO vorliegt.

Zum Auskunftsanspruch ist die klägerische Berufung auch begründet. Die Auskunftsklage war zulässig. Sie verstieß, das beurteilt der Senat anders als die Beklagte und der landgerichtliche Einzelrichter, nicht gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot bei Beschreibung der Informationen, die der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten zu erteilen hat, sind jedenfalls hier gering, weil eine notargestützte Auskunft verlangt ist. Ein Notar weiß, weil vom Fach, welche Zuwendungen bzw. Rechte und Verbindlichkeiten für die Pflichtteilsberechnung maßgeblich sind. Dass die Auskunftsklage begründet war, folgt aus § 2314 Abs. 1 BGB und hierzu ergangener Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Nach dieser Rechtsprechung hat ein Nachlassverzeichnis über alle an Abkömmlinge erfolgten Zuwendungen Auskunft zu geben, die nach §§ 2050ff., 2316 BGB ausgleichspflichtig sind (FamRZ 1965, 135; LM BGB § 2314 Nr. 5). Daran hält sich der Antrag des Klägers. Dass er den Zusatz „an Abkömmlinge“ ausspart, ist unschädlich. Diese Beschränkung folgt bereits aus der Angabe „nach §§ 2050ff., 2316 BGB“. Unschädlich ist auch, dass die Zuwendungen zeitlich nicht eingegrenzt sind. Zu ihnen gibt es keine Ausschlussfristen, auch keine wiedervereinigungsbedingten.

Im Ergebnis nichts anderes gilt zur Auskunft nach § 2313 BGB. Er führt die von ihm erfassten Rechte und Verbindlichkeiten einer pflichtteilsrechtlichen Sonderbehandlung zu. Verlässlich berechnen kann der Kläger seinen Pflichtteil mithin nur, wenn zu den von der Beklagten aufgelisteten Nachlassrechten und -verbindlichkeiten klargestellt ist, ob diese der Regel des § 2311 Abs. 1 BGB oder der Ausnahme des § 2313 BGB unterfallen. Hierin liegt der im landgerichtlichen Urteil vermisste „selbständige Inhalt“ dieser Auskunft.

Schließlich folgt nichts anderes aus dem in der Berufungserwiderung erwähnten einfachen Bestandsverzeichnis. Damit ist die Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Verzeichnisses weder erfüllt noch ist der Anspruch auf Beibringung eines solchen auf bestimmte Angaben beschränkt. Für eine solche Beschränkung geben weder § 2314 Abs. 1 BGB noch, ohne Weiteres, § 242 BGB etwas her. Hier kommt hinzu, dass es allein um Auskünfte zu den Sachlagen der §§ 2316, 2313 BGB geht und sich zu diesen in den vorgerichtlich am 22.04.2013 (B 5 = GA I 32 ff.) und am 20.06.2013 (B 7 = GA I 39 f.) verfassten Angaben nichts findet.

5. Grundstückszuwendung als Ausstattung

Sofern hierzu zusätzliche Klaganträge angekündigt werden, bleiben diese unbeschieden, weil nicht vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt. Für deren Wiedereröffnung sieht der Senat keinen Grund, zumal der Rechtsstreit ohnehin vor dem Landgericht fortzusetzen ist (§§ 261Abs. 2, 297,525 S. 1,156 ZPO).

Die darüber hinaus vom Kläger angestellte Erwägung, die Grundstückszuwendung sei entweder eine Schenkung in der Absicht, ihn zu benachteiligen, oder eine Ausstattung seines Bruders, rechtfertige daher so oder so den Wertermittlungsanspruch, teilt der Senat nicht. Maßgeblich für die Bewertung einer Zuwendung als pflichtteilsrelevante Ausstattung ist deren in § 1624 Abs. 1 BGB näher beschriebener Zweck. Und dieser lässt sich nicht mit der schlichten Erwägung begründen, die Zuwendung sei nur gutgemeint. Ansonsten ist weder jetzt noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung etwas vorgebracht, was die Einordnung der Zuwendung als Ausstattung rechtfertigt. Auch über §§ 2316Abs. 1 S. 1, 2050 Abs. 1 BGB lässt sich daher eine Verpflichtung der Beklagten zur Wertermittlung nicht begründen.

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