Skip to content

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Beginn Ausschlussfrist bei schenkweiser Grundstücksübertragung

Pflichtteilsergänzungsanspruch und Ausschlussfrist im Kontext schenkweiser Grundstücksübertragung

Im Kontext des Erbrechts ist das OLG Zweibrücken in einem Urteil vom 01.09.2020 (Az.: 5 U 50/19) auf den Beginn der Ausschlussfrist bei schenkweiser Grundstücksübertragung und den damit verbundenen Pflichtteilsergänzungsanspruch eingegangen. Zentral war die Frage, unter welchen Bedingungen eine Leistung im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB vorliegt. Laut Urteil ist eine Leistung gegeben, wenn der Erblasser nicht nur sein Eigentumsrecht aufgibt, sondern auch den verschenkten Gegenstand nicht mehr wesentlich nutzen kann, entweder aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch schuldrechtliche Vereinbarungen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 50/19 >>>

Die Rolle des Rückforderungsrechts

Das Vorhandensein eines durch Vormerkung gesicherten Rückforderungsrechts steht einer Leistung nicht entgegen. Insbesondere wenn das Rückforderungsrecht nicht frei ausübbar ist oder dessen Ausübung ausschließlich vom Willen des Erblassers abhängt, wird dem Erblasser der „wesentliche Genuss“ der übertragenen Immobilie genommen. Er kann die Immobilie weder nach seinem Willen bewohnen noch Mieteinnahmen daraus erzielen.

Beurteilung des Rückforderungsrechts im speziellen Fall

Im vorliegenden Fall war das Rückforderungsrecht enumerativ eingeschränkt und der Schenker konnte nur bei Bedingungseintritt auf den verschenkten Gegenstand zugreifen. Diese Bedingungen lagen außerhalb des Einflussbereichs des Schenkers. Durch die Übertragung des Eigentums hat der Schenker den Gegenstand aufgegeben und es wurde eine Leistung angenommen. Die in dem Übergabevertrag vereinbarte Rückübertragungsverpflichtung war kein freies Rückforderungsrecht des Erblassers, sondern ein enumeratives, dessen Entstehen ausschließlich von Umständen abhing, die der Schenker nicht beeinflussen konnte.

Irrelevanz der erhobenen Einreden

Die von der Beklagtenseite erhobenen Einreden (§§ 2328, 2059 BGB) warenfür die Entscheidung des Rechtsstreits irrelevant. Es ging in diesem Urteil vorrangig um die Bewertung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs und die damit verbundene Frage, ob eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB vorliegt.

Verweigerung der Zulassung der Revision

Das Gericht verweigerte die Zulassung der Revision, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hatte. Es gab keine klärungsbedürftige Frage, die in einer unbestimmten Anzahl von Fällen auftreten würde und daher das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührte. Auch aus Gründen der Rechtsfortbildung oder der Rechtseinheit war die Zulassung der Revision nicht erforderlich. Es gab keinen Anlass, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen, und es bestand keine Rechtsunsicherheit wegen Divergenzen obergerichtlicher Rechtsprechung.


Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 5 U 50/19 – Urteil vom 01.09.2020

1. Die Berufung des Klägers vom 17.04.2019 gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26.03.2019, 4 O 42/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Der Kläger macht Pflichtteilergänzungsansprüche geltend.

Der Beklagte ist der Sohn der am 9. Dezember 2016 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Witwe A… M… S…, geb. K…. Diese hatte außerdem zwei Töchter: B…K…, geb. S…, sowie die im Jahr 2003 vorverstorbene U… S…, deren einziges Kind der Kläger ist.

Die damals 77-jährige Erblasserin A… M… S… hatte dem Beklagten mit notariellem Übergabevertrag des Notars L… S… aus A… (URNr. 532 S/2004) den im Grundbuch des Amtsgerichts Landau in der Pfalz für A… auf Blatt 673 eingetragenen Grundbesitz Flurstücke Nr. 2861 und 2862 übertragen, an dessen 1. Obergeschoss der Beklagte bereits seit dem Jahr 1985 ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht innehatte. Die Auflassung erfolgte am 15. September 2004 (vgl. zu den Einzelheiten Übergabevertrag vom 09.09.2004, Anlage zur Klageschrift). Der Übergabevertrag enthält insbesondere unter Ziffer IV. folgende Bestimmungen:

1. Wohnungs-, Benutzungs-, und Mitbenützungsrecht

Der Übergeber behält sich an den übertragenen Grundstücken (…) als beschränkte persönliche Dienstbarkeit auf Lebenszeit ein Wohnungs-, Benutzungs- und Mitbenützungsrecht vor (…)

Das Recht ist der Ausübung nach unentgeltlich. (…)

2. Rückübertragungsverpflichtung

Der Übergeber ist berechtigt, die Rückübertragung des Vertragsobjekts zu verlangen, wenn

a) der Erwerber über das Vertragsobjekt ganz oder teilweise ohne Zustimmung des Übergebers verfügt, insbesondere es veräußert oder belastet, wobei unter Belastung auch die Neuvalutierung von Grundschulden zu verstehen ist, oder

b) über das Vermögen des Erwerbers ein Insolvenzverfahren eröffnet wird oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Erwerber in das Vertragsobjekt erfolgen, soweit diese nicht binnen drei Monaten wieder aufgehoben sind.

(…)

3. Sonstiges

Weitere Auflagen bzw. Gegenleistungen werden nicht vereinbart. Auch behält sich der Übergeber keine weiteren vertraglichen Rechte vor. Die Übertragung erfolgt im Übrigen unentgeltlich und schenkungsweise.

Hierzu merken die Beteiligten an, dass der Erwerber im Vorgriff auf die heutige Übertragung in der Vergangenheit bereits auf eigene Kosten umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten am Vertragsobjekt vorgenommen hat.

Der Erwerber hat sich den für ihn aus der Übertragung ergebenden Vermögensvorteil auf seinen Pflichtteil am Nachlass des Übergebers anrechnen zu lassen.

Darüber hinaus ist ein eventueller Vermögensvorteil nicht zur Anrechnung zu bringen.

(…).

Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs ist am 15. September 2004 eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen worden.

Der Nachlass ist noch ungeteilt, er besteht aus einem Aktivvermögen von 11.645,00 € und einem Passivbestand von 10.768,11 €.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe gegen den Beklagten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Bei der Grundstücksübertragung handele es sich um eine Schenkung. Die Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB sei erst durch den Erbfall in Gang gesetzt worden, da aufgrund des vertraglich vorbehaltenen Rückforderungsrechts noch kein Leistungserfolg eingetreten sei. Die Erblasserin habe zudem ihre Rechtsstellung als Eigentümerin lediglich formal aufgegeben und dem Beklagten durch die vertragliche Gestaltung die Ausübung wesentlicher Eigentümerrechte untersagt. Der Verkehrswert der Immobilie habe zum Zeitpunkt des Erbfalls 390.000,00 €, zum Zeitpunkt der Übertragung auf den Kläger 350.000,00 € betragen. Hiervon sei der mit jährlich 3.000,00 € für 10 Jahre anzusetzende Reinwert des Wohnrechts abzuziehen. Der Nachlass sei daher um 320.000,00 € zu ergänzen, hieran sei er entsprechend seines Pflichtteils zu 1/6 zu beteiligen. Der Beklagte hat erstinstanzlich dem Kläger die gegenteilige Rechtsansicht entgegengehalten. Weiter hat er geltend gemacht, umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten am streitgegenständlichen Anwesen durchgeführt sowie die Erblasserin seit dem Jahr 2002 versorgt, gepflegt und ihr langjährige Dienste im Haushalt geleistet zu haben. Sowohl das zu seinen Gunsten bestehende Wohnrecht am 1. Obergeschoss als auch das der Erblasserin eingeräumte Wohnungsrecht würden den tatsächlichen Wert des Hausanwesens mindern, der bereits ohne Belastung nicht mit 320.000,00 € beziffert werden könne. Der jährliche Kaltmietertrag betrage bezüglich des vorbehaltenen Wohnrechts mindestens 6.000,00 €. Hilfsweise macht der Beklagte wegen der vom Jahre 2002 an übernommenen Pflege der Erblasserin einen Ausgleichspflichtteil geltend, die ausgleichspflichtigen Einsparungen beliefen sich auf mindestens 100.000,00 €. Wegen der jahrelangen Dienste für Haushalt und Pflege sei schließlich zumindest eine Anstands- oder Pflichtschenkung an den Beklagten anzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vor dem Ausgangsgericht verwiesen.

Das Erstgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.03.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der im Hauptantrag verfolgte Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB könne nur im Rahmen der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Pflichtteilsergänzung gemäß § 2329 BGB sei subsidiär und setze voraus, dass die Haftung nach § 2325 BGB – anders als hier – geklärt sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er ist der Ansicht, dass die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht nur im Rahmen der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden könne.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Landau, 4 O 42/18, abzuändern,

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 53.333,33 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit (19.02.2018) zu bezahlen.

hilfsweise,

3. den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück G…, 7… A…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Landau/Pfalz für A…, Blatt 673, FlSt. Nr. 2861 und 2862 mit einer Größe von 850 qm, zum Zwecke der Befriedigung des dem Kläger zustehenden Anspruchs in Höhe von 53.333,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (28.05.2018) zu dulden.

4. dem Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung nach Ziffer 3 durch Bezahlung des Betrages in Höhe von 53.333,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (28.05.2018) abzuwenden.

Der Beklagte verteidigt die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahrens wird auf die von den Parteien in der zweiten Instanz eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache zurückzuweisen. Das Erstgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sowohl Hauptantrag als auch die Hilfsanträge sind abzuweisen.

I. Der Kläger macht im Hauptantrag einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB geltend.

1. Der Kläger ist als Pflichtteilsberechtigter i.S.d. § 2303 BGB grundsätzlich Anspruchsinhaber des Anspruchs aus § 2325 Abs. 1 BGB. Hierfür ist nicht erforderlich, dass ihm tatsächlich ein Pflichtteilsanspruch zusteht, ein Ergänzungsanspruch steht auch dem Miterben zu (vgl. nur Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2325 Rn. 4 m.w.N.).

2. Unschädlich ist auch, dass der Beklagte allein und nicht die Erbengemeinschaft oder alle übrigen Miterben verklagt worden sind. Schuldner des Anspruchs aus § 2325 BGB sind die Erben, bei mehreren Erben damit die Erbengemeinschaft als Gesamtschuldner, hierbei steht auch dem Gläubiger-Miterben die Gesamtschuldklage nach § 2058 BGB neben der Gesamthandsklage nach § 2059 Abs. 2 BGB zu (BGH, Urteil vom 10. Februar 1988 – IVa ZR 227/86 –, juris OLG München, Urteil vom 12. Juni 2019 – 21 U 1295/18 –, juris). Im Einzelfall mag sich zwar die Pflicht ergeben, zunächst aus der Gesamthandsklage vorzugehen (BeckOGK/Rißmann/Szalai, 1.07.2020, BGB § 2046 Rn. 17 f.). Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich.

3. Mangels Entscheidungserheblichkeit kann dahinstehen, ob – wie die Kammer meint – ein Miterbe seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch ausschließlich im Wege der Erbauseinandersetzung geltend machen kann (BGH, Urteil vom 08.02.2007 – IX ZR 233/04, juris; a.A. Schindler, ErbR 2018, 185, Weidlich, in: Palandt, § 2325 Rn. 5, 79. Auflage 2020). Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers scheitert vorliegend jedenfalls daran, dass die Grundstücksübergabe wegen Ablaufs der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB unberücksichtigt bleibt. Bei der Grundbesitzübertragung in dem notariellen Übergabevertrag vom 09.09.2004 handelte es sich um eine Leistung i.S.d. § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Zehnjahresfrist ist zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits abgelaufen. Sie hat vorliegend bereits mit der Grundstücksübertragung im September 2004 zu laufen begonnen.

Das der Erblasserin eingeräumte Wohnrecht steht der Annahme einer Leistung nicht entgegen. Eine Leistung im Sinne von § 2325 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB liegt vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im wesentlichen weiterhin zu nutzen (BGH, Urteil vom 27. April 1994 – IV ZR 132/93, juris). Ob auch ein vorbehaltenes Wohnungsrecht wie ein Nießbrauch den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB hindern kann, lässt sich aber nicht abstrakt beantworten. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen kann. Eine Schenkung gilt nicht als im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB geleistet, wenn der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstands nach der Schenkung nicht auch tatsächlich entbehren muss. Eine Leistung liegt vielmehr nur vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den Gegenstand im Wesentlichen weiterhin zu nutzen. Besteht das im Wohnungsrecht verankerte Ausschließungsrecht nur an Teilen der übergebenen Immobilie, so ist der Erblasser – anders als beim Vorbehalt des Nießbrauchs – mit Vollzug des Übergabevertrags nicht mehr als „Herr im Haus“ anzusehen. Entscheidend ist, dass dem Erblasser jedenfalls kein weitgehend alleiniges Nutzungsrecht unter Ausschluss des Übernehmers am Grundstück mehr zusteht (vgl. hierzu BGH ZEV 2016, 445; BGH ZEV 1994, 233). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze hindert der Vorbehalt des Wohnrechts durch die Erblasserin den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB nicht. Vorliegend hat sich die Erblasserin ein ausschließliches Bewohnungs- und Benützungsrecht an der Wohnung im Erdgeschoss sowie das Mitbenützungsrecht an gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen vorbehalten. Die Wohnung im Obergeschoss stand dem Beklagten zur freien Verfügung (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. Januar 2008 – 12 U 124/07, Rn. 26, juris; OLG Oldenburg, BeckRS 2007, 04318, beck-online; OLG Bremen, NJW 2005, 1726, beck-online).

An dem Vorliegen einer Leistung fehlt es auch nicht wegen des durch Vormerkung gesicherten Rückforderungsrechts. Zumindest dann, wenn es sich weder um ein freies Rückforderungsrecht handelt noch um ein solches, dessen Ausübung allein vom Willen des Erblassers abhängt, entbehrt dieser den „wesentlichen Genuss“ der übertragenen Immobilien, da er diese weder selbst insgesamt nach seinem Willen bewohnen noch daraus Mieteinnahmen erzielen kann (so im Ergebnis auch MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, BGB § 2325 Rn. 75; Herrler, ZEV 2008, 525, beck-online; Diehn, DNotZ 2009, 67, beck-online; Burandt/Rojahn/Horn, 3. Aufl. 2019, BGB § 2325 Rn. 107-110; v. Proff, ZEV 2016, 681, beck-online; LG Kiel, NJW-RR 2018, 841, beck-online; LG München I, FD-ErbR 2009, 273831, beck-online). Handelt es sich um ein tatbestandlich eingeschränktes Rückforderungsrecht (enumeratives Rückerwerbsrecht) und hat der Schenker nur bei Bedingungseintritt Zugriff auf den verschenkten Gegenstand und liegen diese Bedingungen außerhalb des Einflussbereichs des Schenkers, hat der Schenker durch den Eigentumsübergang den Gegenstand aufgegeben, so dass eine Leistung anzunehmen ist (Burandt/Rojahn/Horn, 3. Aufl. 2019, BGB § 2325 Rn. 107-110, m.w.N.). Die in IV.2. des Übergabevertrages vereinbarte Rückübertragungsverpflichtung stellt kein freies Rückforderungsrecht der Erblasserin dar, sondern ein enumeratives, dessen Entstehen alleine von Umständen, die vom Schenker nicht zu beeinflussen sind, abhing.

Auf die beklagtenseits erhobenen Einreden (§§ 2328, 2059 BGB) kommt es damit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

II. Die für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags gestellten Hilfsansprüche sind ebenfalls abzuweisen. Mangels Entscheidungserheblichkeit kann die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes („soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist“) des Anspruchs nach § 2329 BGB dahinstehen (zwingende vorherige Inanspruchnahme des Erben gemäß § 2325 BGB: Burandt/Rojahn/Horn, 3. Aufl. 2019, BGB § 2329 Rn. 30; a.A. vorherige erfolglose Inanspruchnahme des Erben aus rechtlichen, nicht aus tatsächlichen Gründen: Weidlich, in: Palandt, § 2329 Rn. 2, 79. Auflage 2020 m.w.N.). Auch soweit der Beklagte zur Verteidigung gegen die Hilfsanträge auf § 2326 Satz 2 BGB und auf § 2328 BGB verweist, kann die Berechtigung dieser Einwendungen dahinstehen. Jedenfalls steht einer erfolgreichen Geltendmachung der Hilfsanträge die zeitliche Grenze des § 2325 Abs. 3 BGB entgegen, die auch für den Anspruch gemäß § 2329 BGB (BGH NJW 87,122) gilt.

C. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO und aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn es ist keine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden, deren Auftreten in einer unbestimmten Anzahl der Fälle zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Auch ist die Zulassung der Revision weder aus Gründen der Rechtsfortbildung noch der Rechtseinheit erforderlich. Weder gibt die hiesige Entscheidung Anlass, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen, noch lässt sie Rechtsunsicherheit wegen Divergenzen obergerichtlicher Rechtsprechung befürchten. Etwaige Divergenzen bei der Frage der Berücksichtigung eines vorbehaltenen Wohnrechts im Rahmen des Fristbeginns des § 2325 Abs. 3 BGB zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.04.2008 – 7 U 70/07, juris) sind durch die zeitlich danach ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (ZEV 2016, 445) bereits rechtsvereinheitlichend geklärt. Insoweit ist festgestellt, dass die Frage des Beginns der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB sich nicht abstrakt beantworten lässt, sondern vielmehr die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. Vorliegend sind lediglich konkrete Einzelfragen des Sachverhaltes zum Fristbeginn der Zehnjahresfrist nach § 2325 Abs. 3 BGB zu erwägen gewesen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 53.333,33 € festgesetzt (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!