LG Flensburg – Az.: 8 O 5/14 – Urteil vom 07.08.2014
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.515,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 94 % und die Beklagte zu 6 %.
Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist der Vater der Beklagten. Seine Mutter und damit die Großmutter der Beklagten ist am 22.01.2007 im Alter von 86 Jahren verstorben.
Gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann hatte die Mutter des Klägers (Erblasserin) ein sogenanntes „Berliner Testament“ errichtet, in welchem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und den Kläger als Alleinerben des Längstlebenden bestimmt hatten.
Die Erblasserin hatte Eigentum an einem bebauten Grundstück mit der Anschrift H.weg xx, xxxxx S. (Gemarkung L., Flur x, Flurstück xx/x, eingetragen im Grundbuch L. Bl. xxx). Dieses Grundstück übertrug die Erblasserin mittels notariellen Überlassungsvertrags am 07.06.2006 an die Beklagte. Die Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt jahrelang bei der Erblasserin gelebt. Zwischen Kläger und Erblasserin bestand zu diesem Zeitpunkt kein Kontakt mehr. Der Überlassungsvertrag, auf dessen Inhalt (Anlage K3, Bl. 20 – 24 d. A.) Bezug genommen wird, enthielt u. a. ein Nießbrauchsrecht zu Gunsten der Erblasserin. Bezüglich des genauen Wortlauts wird auf § 3 Nr. 1 a des Überlassungsvertrages Bezug genommen.
Auch enthielt der Überlassungsvertrag eine Pflegeverpflichtung zu Lasten der Beklagten in § 3 Nr. 2 a mit folgendem Inhalt:
2a) Pflegeverpflichtung
Für den Fall, dass der Veräußerer aufgrund körperlicher Gebrechen, Krankheit oder sonstiger Bedürftigkeit hierzu nicht mehr in der Lage sein sollte, verpflichtet sich der Erwerber, den Veräußerer zu pflegen und ihn bei der Besorgung aller Alltagsangelegenheiten umfassend zu unterstützen. Hierzu zählen u. a. die Zubereitung der täglichen Kost sowie das Verbringen derselben in die Wohnung des Veräußerers, die Säuberung der Wohnung sowie die Pflege der Wäsche etc.
Materielle Aufwendungen, die mit der Wartung und Pflege zusammenhängen, sind vom Veräußerer zu tragen.
Sofern im Zusammenhang mit der Pflege des Übergebers Pflegegeld nach dem PflegeVG gezahlt wird, gebühren diese Zahlungen dem pflegenden Erwerber.
Die Parteien vereinbaren das Ruhen der Pflegeverpflichtung, wenn die Berechtigte sich künftig in einem Krankenhaus, Pflege- oder Altersheim aufhalten sollte. Über den Wechsel des Aufenthaltsortes entscheidet die Berechtigte, wenn diese hierzu nicht mehr in der Lage sein sollte, der behandelnde Arzt.
Im Überlassungsvertrag war weiter festgehalten, dass die Beklagte die Kosten der Überlassung zu tragen hatte (§ 9 des Überlassungsvertrages). Entsprechend zahlte die Beklagte Grundbuchkosten in Höhe von 475,00 €, Schenkungssteuer in Höhe von 2.856,00 € und Kosten für die Löschung von Grundschulden in Höhe von 28,56 €.
Nach dem Versterben der Erblasserin verkaufte die Beklagte das bebaute Grundstück mit Kaufvertrag vom 09.05.2007 für den Kaufpreis von 110.000,00 €. Bezüglich der Beerdigung der Erblasserin wandte die Beklagte unstreitig 4.895,68 € auf. Weiteres Vermögen hatte die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Versterbens nicht.
Zu Lebzeiten der Eltern des Klägers hatte der Kläger am 30.10.1978 zugunsten seiner Eltern ein Schuldanerkenntnis hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 100.000,00 DM abgegeben. Dieses war jährlich mit 6 % ab dem 01.10.1978 zu verzinsen, wobei diese Zinsen vierteljährlich zu zahlen waren. Dieses Schuldanerkenntnis wurde notariell beurkundet, der Kläger unterwarf sich zudem hinsichtlich der Hauptschuld nebst 6 % Zinsen ab dem 01.10.1978 der sofortige Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Hinsichtlich des Wortlautes des Schuldanerkenntnisses wird auf die Anlage AG 7, Bl. 59 – 60 d. A. Bezug genommen.
Nach dem Versterben seiner Mutter und dem Verkauf des Grundstücks durch seine Tochter macht der Kläger erbrechtliche Ansprüche gegen seine Tochter geltend. Er hatte sie mit Fristsetzung zum 04.06.2008 zur Zahlung von 105.104,32 € aufgefordert.
Der Kläger behauptet, das Grundstück sei deutlich werthaltiger gewesen als von der Beklagten behauptet. Das ergebe sich schon aus der Überlassungsurkunde, in der das Grundstück mit einem Wert von 200.000,00 € angegeben worden sei. Das Grundstück habe eine hochwertige Einrichtung, insbesondere hochwertige Holzarbeiten am Wohnhaus aufgewiesen. Pflegeleistungen seien von der Beklagten nicht erbracht worden, die Erblasserin sei vielmehr bis kurz vor ihrem Tod bei bester Gesundheit gewesen. Die Beklagte habe zudem im Haus der Erblasserin mietfrei gewohnt, was sie sich anrechnen lassen müsse. Insgesamt sei die Übertragung des Hauses an die Beklagte nur geschehen, um ihn, den Kläger, zu benachteiligen.
Er ist der Ansicht, dass die Kosten, die die Beklagte nach der Überlassung des Grundstücks aufgewendet hat (Grundbuchkosten, Schenkungssteuern) vom Nachlass nicht abzuziehen seien.
Das Schuldanerkenntnis, welches er im Jahr 1978 zugunsten seiner Eltern abgegeben habe, sei nur zum Schein abgegeben worden, um anderen Gläubiger eine vorrangige Schuld entgegenhalten zu können. Eine Forderung hieraus sei zudem verjährt, jedenfalls aber verwirkt, da die Erblasserin diese Schuld niemals ihm gegenüber geltend gemacht habe. Soweit die Beklagte behaupte, dass die Erblasserin Schulden gegenüber ihren Enkelinnen, nämlich der Beklagten und ihrer Schwester, gehabt habe, seien diese Grundschulden nur zum Schein abgegeben worden und ebenfalls in der Absicht, ihn zu benachteiligen. Eine Pflegeleistung, selbst wenn sie stattgefunden hätte, stünde in krassem Missverhältnis zum Wert des Grundstücks, weswegen dies unentgeltlich übertragen worden sei. Zudem sei dies, wie bereits ausgeführt, in Benachteiligungsabsicht geschehen. Daher könne er den Wert des gesamten Grundstückes herausverlangen. Dies sei unter Zugrundelegung des von der Beklagten erzielten Kaufpreises und nach Abzug der unstreitigen Beerdigungskosten 105.104,32 €.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 105.104,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, dass der Wert des Grundstücks vom Kläger hochgerechnet werde. Das Grundstück sei in einem verwohnten und schlechten Zustand gewesen, aufgrund der teilweisen Steillage des Grundstücks sei dieses nur schwer nutzbar gewesen. Der Zustand der Erblasserin sei in den letzten Jahren vor ihrem Versterben schlecht gewesen, es hätten ständig Pflegeleistungen erbracht werden müssen. Sie habe auch Miete gezahlt. Schließlich müsse sie aufgrund der Grundschulden, die die Erblasserin ihr und ihrer Schwester schenkweise überlassen habe, ihre Schwester noch auszahlen. Diese Grundschulden seien im Übrigen länger als zehn Jahre vor dem Versterben der Erblasserin, nämlich im Jahre 1989, eingetragen worden zu Gunsten der Beklagten und ihrer Schwester und daher seien sie nicht mehr im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu berücksichtigen.
Auch sei das Grundstück nicht in Benachteiligungsabsicht gegenüber dem Kläger übertragen worden, vielmehr sei dies als Gegenleistung für die Versorgung und Pflege geschehen, die der Beklagten ihrer Großmutter habe angedeihen lassen. Hinsichtlich des notariellen Schuldanerkenntnisses, welches der Kläger im Jahre 1978 abgegeben habe, habe die Erblasserin – was unstreitig ist – ausgeführt, dass sie die Verbindlichkeit hieraus nur deswegen nicht geltend mache, weil beim Kläger nichts zu holen sei. Daher sei die Forderung auch nicht verwirkt. Vielmehr sei diese im Zeitpunkt des Erbfalls durch Konfusion untergegangen. Als Erbe habe der Kläger diese Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Erbfalls erlangt, weswegen seine Schuld untergegangen sei.
Im Übrigen wird auf sämtliche von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 6.515,52 € aufgrund eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß der §§ 2329, 2325, 2326 BGB.
Der Kläger kann auch als Erbe diesen Anspruch geltend machen (MüKo-BGB-Lange, 6. Aufl. 2013, § 2326 Rdnr. 1). Anspruchsgegnerin ist die Beschenkte, also die Beklagte, da der Erbe nicht verpflichtet ist (§ 2329 BGB).
Der Kläger kann gemäß §§ 2325, 2329 BGB von der Beklagten als Ergänzung seines Pflichtteils den Wert verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dieser Anspruch ist jedoch gemäß § 2326 BGB beschränkt, denn der Erbe kann die Ergänzung nicht einfach aus der Summe der Geschenke nach seiner Pflichtteilsquote verlangen, sondern nur den Wert, der sich als Differenz zwischen dem ergibt, was er als Erbe erhalten hat und dem, was er als Pflichtteil bei Hinzurechnung der Schenkung zum Nachlass erhalten würde (Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 2326 Rdnr. 2).
Der Wert des fiktiven Nachlasses, also des tatsächlichen Nachlasses zuzüglich des verschenkten Gegenstandes beträgt vorliegend 140.704,41 €.
Der Wert der Schenkung, die deutlich vor Ablauf der in § 2325 Abs. 3 a.F. BGB gesetzten Frist erfolgte, beträgt 85.094,68 €. Bezüglich des Hausgrundstückes kommt es auf den Verkehrswert des Grundstücks an. Der Kläger als Anspruchssteller war beweisbelastet für den Wert dieses Hausgrundstücks. Dieser Wert beträgt ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens 117.000,00 €. Als Stichtag ist dabei der Überlassungsvertragstag maßgeblich, weil zum Zeitpunkt des Erbfalls des Nießbrauchsrechts wegfiel und der günstigere Stichtag stets maßgeblich ist (Palandt a.a.O., § 2325 Rdnr. 20). Der Kläger konnte die von ihm vorgetragenen besonderen Ausstattungsmerkmale nicht beweisen. Die neuen Eigentümer haben das Grundstück stark verändert und das Haus weitgehend entkernt. Dies geht zu seinen Lasten, so dass die von der Beklagten vorgetragenen Ausstattungsmerkmale maßgeblich sind. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger selbst in seiner Klage von einem Wert des Grundstücks von 110.000,00 € ausgegangen ist, ergeben sich keine großen Differenzen zu dem Wert, den der Sachverständige ermittelt hat. Der Sachverständige hat den Gesamtwert von 117.000,00 € in seinem Gutachten nachvollziehbar erläutert. Er hat genau dargelegt, dass er aufgrund der schwierigen Beweisumstände von einem mittleren Wert ausgegangen ist, was in diesem Fall auch notwendig ist. Die Nachfragen der Parteien zu seinem Gutachten hat er nachvollziehbar beantwortet. Er ist danach zu einem Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks unter Zugrundelegung der Angaben der Beklagten von 165.000,00 € gekommen. Zudem hat er aufgrund entsprechender anerkannter Formeln das Nießbrauchsrecht mit 48.000,00 € bewertet, so dass der Verkehrswert des Grundstücks 117.000,00 € betrug.
Soweit die Übertragung dieses Grundstücks nicht schenkweise, sondern gegen Gegenleistung erfolgte, war diese Gegenleistung vom Gesamtwert, also von 117.000,00 €, abzuziehen. Der Wert der abzuziehenden Gegenleistung beträgt 31.905,60 €. Die Gegenleistung, die im Überlassungsvertrag enthalten war und zu berücksichtigen ist, ist die Pflegeverpflichtung zu Lasten der Beklagten. Dieser Posten ist auch zusätzlich zum Nießbrauchsrecht abzuziehen, weil diese Verpflichtungen unterschiedliche Dinge beinhalten. Wer ein Nießbrauchsrecht hat, kann daraus noch lange keine Pflegeverpflichtung herleiten.
Soweit auch die Verpflichtung zur Verköstigung der Beklagten und zur Wohnungspflege im Überlassungsvertrag enthalten sind, waren diese nicht gesondert abzuziehen. Denn die Beklagte konnte mietfrei in dem Haus wohnen, was sie durch diesen Vertrag auch erlangt hat als Wertposition. Das Gericht schätzt, dass die Hilfeleistungen im Haushalt und die Miete sich gegeneinander aufheben, so dass diese Position nicht mehr gesondert zu berücksichtigen ist. Die Beklagte hat keinen Beweis dafür angetreten, dass sie Miete gezahlt hat.
Die Pflegeverpflichtung war abstrakt mit dem Wert zu bemessen, die sie zum Zeitpunkt des Überlassungsvertrages hatte. Auf tatsächlich geleistete Pflegedienste kommt es daher nicht an, auch wenn sich aus den von der Beklagten eingereichten Pflegedokumentationen ergibt, dass die Beklagte selbst Pflegeleistungen erbracht hat.
Die Schätzung des Wertes dieser Pflegeverpflichtung war vom Gericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO anhand von objektiven Schätzungsgrundlagen vorzunehmen. Ausweislich der Generationssterbetafeln für Deutschland (Jahrgänge 1896 – 2009), erschienen am 12.08.2011, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, Wiesbaden, hatte die Erblasserin zum Zeitpunkt des Überlassungsvertrages noch eine Lebenserwartung von 5,78 Jahren. Ausweislich der eingereichten Unterlagen hatte die Erblasserin spätestens ab dem 02.11.2006 die Pflegestufe 2 (Anlage B10/9); bereits im Dezember 2005 war Widerspruch gegen die Pflegestufe 1 eingelegt worden (B10/7), da die Erblasserin nach damaligem Vortrag weit mehr Pflege benötigte. Als Parameter waren daher die Sachleistungen zugrunde zu legen, die für häusliche Pflege bei einer Pflegestufe 2 gemäß § 36 SGB XI in der zum Zeitpunkt der Überlassung geltenden Fassung zugesprochen worden. Dies waren 921,00 €. Da jedoch schon im Überlassungsvertrag die Möglichkeit ausdrücklich erwähnt war, dass ergänzende Pflege von außenstehenden Personen erfolgen konnte und die Beklagte aufgrund fehlender medizinischer Kenntnisse nicht eine professionelle Pflegekraft ersetzen konnte, war dieser Wert mit der Hälfte anzusetzen, also mit 460,00 € im Monat. Auf ein Jahr gerechnet betrug der Wert dieser Pflegeleistung 5.520,00 €. Multipliziert mit dem Faktor 5,78 ergibt dies die Summe von 31.905,60 €. Dieser Wert ist mithin vom errechneten Verkehrswert des Grundstücks abzuziehen, so dass ein Wert der Schenkung von 85.094,40 € verbleibt. Hiervon abzuziehen sind noch die Nachlassverbindlichkeiten, die der Erbe zu übernehmen hat, die aber hier unstreitig die Beklagte übernommen hat, nämlich die Beerdigungskosten usw., die auch der Kläger in seiner Klagschrift zugrunde gelegt hat und die 4.895,68 € betragen. Dies ergibt dann 80.198,72 €.
Dieser Wert der Schenkung ist nur ein Teil des fiktiven Nachlasses. Hinzuzurechnen ist noch der Wert des tatsächlichen Nachlasses. Dieser betrug insgesamt 60.505,69 €. Auch Forderungen gegen Personen sind Gegenstand eines Nachlasses. Diese fallen dann ebenfalls dem Erben zu. Die Erblasserin hatte aus dem Schuldanerkenntnis des Klägers gegen diesen eine Forderung von 51.129,19 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9.376,50 €. Diese Forderung ist nicht verjährt. Es handelt sich um eine in einer notariellen Urkunde festgehaltene Forderung, in der sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Diese Titel verjähren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB in dreißig Jahren. Die Verjährung wäre damit am 30.10.2008 eingetreten. Der Erbfall trat jedoch im Januar 2007 ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung tritt nur dann ein, wenn zum Zeitmoment noch ein Umstandsmoment hinzukommt. Ein solches Umstandsmoment ist nicht erkennbar. Die Erblasserin hat lediglich diese Forderung gegen den Kläger nicht geltend gemacht. Dies ist unbestrittenermaßen auch über einen langen Zeitraum nicht der Fall gewesen. Das Zeitmoment alleine genügt jedoch alleine nicht zur Verwirkung aus. Der Kläger hat zudem ausdrücklich unstreitig gestellt, dass die Erblasserin geäußert habe, dass sie es für sinnlos halte, ihn wegen seiner Schulden bei ihr zu verfolgen, da er nach ihrer Einschätzung sowieso nie zu Vermögen kommen werde. Diese Aussage impliziert aber, dass die Erblasserin nur aus diesem und keinem anderen Grund mit der Verfolgung zugewartet hat. Wäre also der Kläger in den verbleibenden Lebensjahren der Erblasserin zu Vermögen gekommen, wäre es durchaus wahrscheinlich gewesen, dass diese ihren Anspruch noch durchgesetzt hätte. Zudem hat er keine nach außen ersichtlichen Umstände außer der fehlenden Geltendmachung des Anspruchs vorgetragen, aus denen auf eine Verwirkung geschlossen werden konnte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Schuldanerkenntnis lediglich zum Schein abgegeben wurde und daraus von Vornherein nie Rechte hätten geltend gemacht werden sollen. Dagegen spricht schon der starke Anschein einer notariellen Urkunde. Überdies setzt der Vortrag des Klägers, nämlich dass mittels dieses Anerkenntnisses andere Gläubiger auf hintere Schuldränge hätten gedrängt werden sollen, voraus, dass das Schuldanerkenntnis auch wirksam war. Denn sonst hätten die anderen Gläubiger nicht auf hintere Ränge verwiesen werden können.
In Euro umgerechnet beträgt der Wert dieses Schuldanerkenntnisses 51.129,19 €. Die Zinsen hieraus verjähren jedoch im Gegensatz zu der Hauptforderung gemäß § 197 Abs. 2 nach der regelmäßigen Verjährungsfrist, so dass zum Zeitpunkt des Versterbens der Erblasserin am 22.01.2007 nur Zinsen in Höhe von 9.376,50 € noch nicht verjährt waren. Dieser Wert des Nachlasses ist dem Kläger im Zeitpunkt des Erbfalls anheimgefallen Er ist somit im Zeitpunkt des Erbfalls von einer Verbindlichkeit in dieser Höhe freigeworden.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers beträgt 9.846,52 €. Dies berechnet sich nach folgender Formel:
EP = N + S – E
2Q
(aus MüKo – BGB- Lange, 6. Auflage 2013, § 2326 Rn. 2).
Nach den hier gegebenen Zahlen ergibt die Anwendung dieser Formel folgendes:
60.505,69 € + 80.198.72 € : 2 = 70.352,21 € abzüglich des erhaltenen Nachlasswertes von 60.505,69 € = 9.846,52 €.
Dieser so berechnete Anspruch kann vom Kläger nach den Voraussetzungen über die ungerechtfertigte Bereicherung von der Beklagten gefordert werden (MüKo BGB-Lange, a.a.O., § 2329 Rn. 16). Dies bedeutet, dass die Beklagte Entreicherungspositionen vortragen kann, die von diesem Betrag abzuziehen sind. Das sind vorliegend 3.331,00 €. Der Beschenkte ist insbesondere insoweit entreichert, als Positionen betroffen sind, die unmittelbar aus der Schenkung folgen (MüKo BGB-Lange, § 2329 Rn. 17). Dass die Beklagte Grundbuchkosten und Schenkungssteuer im Rahmen der Überlassung gezahlt hat, ist unstreitig. Daher sind von dem berechneten Anspruch noch diese Kosten in Höhe von 475,00 € und 2.856,00 € abzuziehen, so dass sich insgesamt eine Summe von 6.515,52 € ergibt. Soweit die Beklagte noch Kosten für die Löschung von Grundschulden vorträgt, ist hier nicht ersichtlich, dass diese Kosten unmittelbar auf der Schenkung selbst beruhen. Es ist nicht erkennbar, warum zwingend die Grundschulden hätten nach der Überlassung gelöscht werden müssen. Soweit sie vorträgt, dass sie ihre Schwester habe auszahlen müssen, ist kein Beweis angeboten worden.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 2287 BGB. Es fehlt an einer Beeinträchtigungsabsicht der Erblasserin bei der Überlassung des Grundstücks an die Beklagte. Diese Voraussetzung war vom Kläger als Anspruchsteller zu beweisen. Maßgeblich für die Frage, ob eine Beeinträchtigungsabsicht vorliegt oder nicht ist, ob ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an seiner Vermögensdisposition anzuerkennen ist (MüKo BGB -Musielak, § 2287 Rn. 12). Ein solches anerkennenswertes Eigeninteresse ist hier gegeben. Die Erblasserin wollte mittels des Überlassungsvertrages sicherstellen, dass sie im Alter Pflege durch die Beklagte erhält. Sie hat somit für sich Nutzen aus dieser Überlassung gezogen. Auch eine räumliche Bindung der Beklagten an sie konnte so erfolgen. Es ist nachvollziehbar, dass ein ansonsten alleinstehender älterer Mensch diese Interessen hat und umsetzen will. Dieses Interesse ist auch anerkennenswert. Dass eine Beeinträchtigungsabsicht gegeben war, die dieses Eigeninteresse überwiegen würde, konnte vom Kläger nicht bewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.