Gerichtsurteil: Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod des Vaters geltend gemacht.
Ein Mann begehrte vor Gericht seinen Pflichtteil sowie Pflichtteilsergänzung nach dem Tod seines Vaters. Der Vater hatte ihm im Testament den Pflichtteil entzogen und stattdessen seine beiden Töchter zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Der Kläger behauptete, dass der Nachlasswert höher sei als in der notariellen Auskunft genannt und dass ihm daher ein höherer Pflichtteil zustehe. Er verlangte auch Pflichtteilsergänzungsansprüche aus diversen Zuwendungen des Erblassers an seine Töchter sowie aus dem Grundstücksüberlassungsvertrag. Das Landgericht Magdeburg verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 120.719,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung. Die Widerklage wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil ein. […]
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 2 U 162/21 – Urteil vom 04.08.2022
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.11.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird teilweise als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen eine Verurteilung in der Hauptsache von 2.191,06 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 23.08.2019 wendet.
II. Auf die weitergehende Berufung der Beklagten wird das am 11.11.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zu Klarstellungszwecken insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 112.912,40 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2019 zu zahlen.
Der Beklagten wird als Erbin die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des Erblassers J. L. vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird als unzulässig abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen in erster Instanz der Kläger zu 56 % und die Beklagte zu 44 % und in der Berufungsinstanz der Kläger zu 12 % und die Beklagte zu 88 %.
IV. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für die Gebührenberechnung wird für die erste Instanz auf 258.959,57 € und für die Berufungsinstanz auf 63.331,90 € festgesetzt, §§ 40, 43, 45 Abs. 1 S. 1 und 3, 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Gründe
A.
Die Parteien sind Geschwister. Der Kläger begehrt seinen Pflichtteil sowie Pflichtteilsergänzung nach dem letztverstorbenen Vater.
Der Erblasser und Vater der Parteien, J. L. , übertrug in Anwesenheit seiner Ehefrau E. L. , mit der er in Gütertrennung lebte, mit notarieller Urkunde der Notarin P. in H. zu UR-Nr. 362/2002 am 07.03.2002 den Grundbesitz in der P. Straße bzw. P. Straße 21 in A. , bestehend aus mit einem Einfamilienhaus, Garage und Nebengelass bebauten Grundstücken, an die Beklagte. Zugleich übertrug er das Grundstück H. Straße 41 in A. , bestehend aus einem mit einem Einfamilienhaus nebst Hinterhaus, Stallungen und Nebengebäuden bebauten Grundstück, an die Schwester der Parteien, C. L. . Unter § 3 des Vertrages vereinbarten die Vertragsparteien ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht der Eltern für das jeweilige Parterre der Hausgrundstücke P. Straße bzw. P. Straße 21 und H. Straße 41 unter Ausschluss der Eigentümer. Der Wohnraum im jeweiligen Parterre der Häuser macht dabei rund 80 % der Gesamtnutzfläche aus. Zudem verpflichteten sich die Schwestern zur lebenslangen Pflege und Betreuung der Eltern. Der übertragene Grundbesitz durfte bis zum Tode des Veräußerers, im Falle seines Erstversterbens bis zum Tode seiner Ehefrau, nicht veräußert oder belastet werden, anderenfalls waren die Empfänger zur Rückübertragung verpflichtet. Auf den weiteren Inhalt der Urkunde wird Bezug genommen (Anl. K 25, Anlagenband Kläger). Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten jeweils am 06.07.2010 ein privatschriftliches Testament, in dem der Kläger enterbt und die beiden Töchter, die Beklagte und C. L. , je zu ½ als Erben eingesetzt wurden. Die Eheleute bewohnten jeweils bis zu ihrem Tod das Haus P. Straße/P. Straße 21 in A. .
Die Mutter der Parteien verstarb am 13.08.2014. Mit Vertrag vom 12.09.2014 veräußerte der Erblasser den gesamten Hausstand des Wohnhauses P. Straße 21 und aller Nebengebäude inklusive Möbel, Bilder, Teppiche, Geschirr, Wäsche und Schmuck zum Preis von 30.000 € an die Beklagte, die ihm die Nutzung des Inventars bis zu seinem Ableben für einen davon abzuziehenden Wert von 10.000 € gestattete. Mit Vertrag vom 15.01.2015 veräußerte er den gesamten Hausstand der Wohnhäuser H. Straße 41 und 41 a sowie aller Nebengebäude wiederum einschließlich Schmuck, Inneneinrichtung etc. an die Schwester der Parteien, die ihm die Nutzung des Inventars bis zu seinem Ableben zum Wert von 5.000 € gestattete, für einen Kaufpreis von 10.000 €.
Am 11.10.2015 verstarb der Vater der Parteien und wurde von der Beklagten und der weiteren Tochter C. L. zu gleichen Teilen in ungeteilter Erbengemeinschaft beerbt. Zum Zeitpunkt der Überlassung am 07.03.2002 und zum Zeitpunkt des Erbfalls am 11.10.2015 betrug der Verkehrswert der Grundstücke in der P. Straße 350.000 € und in der H. Straße 250.000 €, was zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig ist. Am 20.10.2017 zahlte die Beklagte 100.000 € und sodann weitere 12.168,94 € auf Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche an den Kläger.
Der Kläger hat die Beklagte im Wege der Stufenklage vor dem Landgericht Magdeburg zunächst am 09.11.2017 auf Auskunft und nach Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 28.08.2018, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anl. K16, Anlagenband Kläger), auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in Anspruch genommen. Nach Erledigung der vorangegangenen Stufen durch Teil-Versäumnis- und Endurteil vom 15.03.2018 und Teil-Anerkenntnisurteil vom 01.02.2019 hat er mit Schriftsatz vom 09.08.2019 sodann zunächst Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche i.H.v. 258.959,57 € geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es sei von einem höheren Nachlasswert als dem in der notariellen Auskunft genannten auszugehen. Er hat dazu u.a. behauptet, der Wert des im Nachlassverzeichnis angegebenen Schmucks des Erblassers betrage 10.000 €. Er hat weiter behauptet, der an die Beklagte und deren Schwester veräußerte Hausrat habe einen Wert von jeweils 40.000 € gehabt und aus wertvollen Ölgemälden, antikem Mobiliar und wertvollen orientalischen Teppichen bestanden. Er hat die Zahlung des jeweiligen Kaufpreises bestritten. Zudem stünden ihm seiner Ansicht nach u.a. Pflichtteilsergänzungsansprüche aus diversen Zuwendungen des Erblassers an seine Töchter sowie i.H.v. weiteren 100.000 € aus dem Grundstücksüberlassungsvertrag vom 07.03.2002 zu. Die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB sei nicht verstrichen, da der Erblasser die Häuser weiter überwiegend genutzt bzw. die sich die Nutzung vorbehalten habe.
Nach Teilklagerücknahmen, denen die Beklagte jeweils zugestimmt hat, hat der Kläger zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 201.681,89 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat sie beantragt, festzustellen, dass dem Kläger gegen sie kein erbrechtlicher Anspruch, sei es vermögensrechtlicher oder nichtvermögensrechtlicher Art, nach dem Tod des Erblassers und gemeinsamen Vaters J. L. zusteht.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine – erneut – ergänzte Aufstellung des Nachlasses durch die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft H. /R. vorgetragen, der dem Pflichtteilsanspruch zugrunde zu legende Nachlasswert betrage insgesamt 701.240 €. Sie hat die Auffassung vertreten, für die übertragenen Grundstücke sei die Zehnjahresfrist gem. § 2325 Abs. 3 BGB abgelaufen und hierzu zuletzt vorgetragen, der Erblasser habe in der H. Straße 41, die allein von der Schwester der Parteien genutzt worden sei, nicht gewohnt. Da der Hausrat beider Häuser einschließlich des Schmucks jeweils an sie und ihre Schwester veräußert worden sei, sei er ihrer Ansicht nach nicht dem Nachlass zuzurechnen. Unter Bezugnahme auf einen Kontoauszug (Bl. II/120) hat sie hierzu vorgetragen, den Kaufpreis für den Hausrat des Hauses P. Straße 21 i.H.v. 20.000 € am 10.02.2015 an den Erblasser gezahlt zu haben. Sie hat im Übrigen die Einrede der beschränkten Erbenhaftung erhoben und zur Widerklage die Auffassung vertreten, sie habe aufgrund der unterschiedlichen Angaben des Klägers zum Wert des Nachlasses im Prozessverlauf ein Interesse an der Feststellung, dass ihm kein erbrechtlicher Anspruch, bzw., sollte das Gericht ihm Ansprüche zugestehen, darüber hinaus jedenfalls keine weiteren Ansprüche zustünden.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht Magdeburg hat Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert des Schmucks des Erblassers erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vom 29.07.2020, das zu einem Verkehrswert von 4.845 € gelangt, Bezug genommen. Eine weitergehende Beweisaufnahme zum Grundstückswert unterblieb, nachdem die Beklagte die vom Kläger angegebenen Werte unstreitig gestellt hat.
Mit dem am 11.11.2021 verkündeten Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer hat das Landgericht Magdeburg die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 120.719,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2019 unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung verurteilt. Die Widerklage hat es als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ausgehend von einem um Nachlassverbindlichkeiten bereinigten Nachlasswert von 694.371,70 € (701.241,09 € ./. 6.869,39 €) ein Pflichtteilsanspruch i.H.v. 1/6, d. h. von 115.728,61 € zu. Nach Abzug der darauf unstreitig erfolgten Zahlungen der Beklagten i.H.v. 112.168,94 € verbleibe ein Pflichtteilsanspruch i.H.v. 3.559,67 €. Der Kläger könne darüber hinaus Pflichtteilsergänzungsansprüche aus § 2325 BGB i.H.v. weiteren 117.160,23 € verlangen. Davon entfielen auf Zuwendungen in den 10 Jahren vor dem Erbfall jeweils nach Abschmelzung gem. § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB an die Beklagte 3.191,67 €, an deren Schwester 2.461,06 € sowie an die beiden Enkel 4.000 €. Darüber hinaus könne der Kläger Pflichtteilsergänzung i.H.v. 807,50 € für Schmuck und i.H.v. 7.000 € (1/6 von 42.000 € nach Abschmelzung) für den Hausrat beider Immobilien verlangen, da die Beklagte die Zahlung des hierfür vereinbarten Kaufpreises nicht nachgewiesen habe. Auch die Immobilien in der P. Straße und in der H. Straße seien für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs heranzuziehen, da die Schenkung bezogen auf den Erbfall zwar länger als 10 Jahre zurückliege, aufgrund des Vorbehalts eines Nießbrauchs der Nutzungswert jedoch im Wesentlichen beim Schenker verblieben sei. Auf der Grundlage des unstreitigen Wertes der Grundstücke zum Zeitpunkt der Überlassung und zum Zeitpunkt des Todesfalls i.H.v. insgesamt 600.000 € stehe dem Kläger ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von 1/6, mithin von weiteren 100.000 € zu. Aufgrund Zuwendungen des Erblassers an ihn selbst müsse er sich von den Ergänzungsansprüchen 300 € abziehen lassen. Auf den Inhalt der Entscheidung wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Gegen das ihr am 01.12.2021 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 06.12.2021 – per Fax – eingelegten Berufung, die sie mit einem am 22.12.2021 – per beA – bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Die Beklagte greift das Urteil des Landgerichts nur noch hinsichtlich eines über 57.388 € hinausgehenden Betrages sowie wegen der Abweisung der Widerklage an. Zu dem Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen des Schmucks (807,50 €) und weiteren Hausrats (7.000 €) bezieht sie sich auf den bereits in erster Instanz vorgelegten Zahlungsbeleg über 20.000 € und legt ergänzend einen Zahlungsbeleg über den im Kaufvertrag zwischen dem Erblasser und C. L. genannten Kaufpreis von 10.000 € vor. Wegen des aufgrund der Übertragung der Immobilien ausgeurteilten Ergänzungsanspruchs vertritt sie die Auffassung, bereits in erster Instanz sei unstreitig gewesen, dass der Erblasser nur die Immobilie P. Straße 21, nicht aber die H. Straße 41, genutzt habe. Für die Immobilie P. Straße im Wert von 350.000 € sei ihrer Meinung nach ein um 20 % reduzierter Wert anzusetzen, da die vertraglich vorbehaltene Nutzung durch den Erblasser – unstreitig – nur rd. 80 % der Fläche umfasst habe. Für das Objekt H. Straße 41 bestehe hingegen mangels tatsächlicher Nutzung kein Ergänzungsanspruch, woraus sie einen Zahlungsanspruch des Klägers von 46.666,66 € (1/6 von 280.000 €) errechnet. Die Widerklage hält sie für zulässig und begründet. Wegen des Berufungsvorbringens wird im Übrigen auf die Berufungsbegründung vom 22.12.2021 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
(1) unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg, Geschäftszeichen: 9 O 1328/17 vom 11.11.2021 die Beklagte – lediglich – zu verurteilen, an den Kläger 57.388,00 € zu zahlen;
der Beklagten wird als Erbin die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des Erblassers J. L. vorbehalten. Der Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung;
(2) im Übrigen die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt sie,
(3) unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg, Geschäftszeichen: 9 O 1328/17 vom 11.11.2021 festzustellen, dass dem Kläger gegen die Beklagte über den vorstehend anerkannten Anspruch in Höhe von 57.388,00 € kein erbrechtlicher Anspruch, sei es vermögensrechtlicher oder nicht vermögensrechtlicher Art, nach dem Tod des Erblassers J. L. zusteht.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines diesbezüglichen Vortrags. Auf die Berufungserwiderung vom 03.03.2022 wird ergänzend Bezug genommen.
B.
Die Berufung ist teilweise mangels Begründung unzulässig. Im Übrigen hat sie in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.
I. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und hinsichtlich des überwiegenden Teils der angegriffenen Entscheidung auch begründet worden.
Im Umfang der Verurteilung zur Hauptsache von 2.191,06 € (Teil von Ziffer 1 des Tenors des Urteils vom 11.11.2021) zuzüglich Zinsen ist die Berufung unzulässig, da keine Begründung vorliegt, § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung ausdrücklich nur gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung in Höhe von mehr als 57.388 €. Die Differenz zwischen ausgeurteilten 120.719,90 € und 57.388,00 € beträgt 63.331,90 €. Die Berufungsbegründung bezieht sich jedoch nur auf Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung im Umfang von 61.140,84 € (807,50 € für Schmuck, 7.000 € für Hausrat sowie den über 46.666,66 € hinausgehenden Anspruch für die Übertragung der Immobilien = 53.333,34 €). Demgegenüber wird die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung des weiteren Pflichtteils i.H.v. 3.559,67 € sowie zur Pflichtteilsergänzung wegen Zuwendungen des Erblassers in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall i.H.v. 4.000 € an die beiden Enkel sowie i.H.v. 3.191,67 € an die Beklagte ebenso wie der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen Zuwendungen die Schwester der Parteien, C. L. , i.H.v. 2.461,06 € ausdrücklich nicht angegriffen, wobei auch der vom Landgericht zu Gunsten der Beklagten vorgenommene Abzug von 300 € unberücksichtigt bleibt. Hinsichtlich der Differenz (63.331,90 € – 61.140,84 € = 2.191,06 €) fehlt es somit bereits an einer Berufungsbegründung i.Si.v. § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO.
II. Die im Übrigen zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.
Klage
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung i.H.v. 7.000 € für Hausrat und 807,50 € für Schmuck aus § 2325 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB zu. Die Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg.
a) Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Der Anspruch setzt eine Schenkung i.S. von § 516 BGB voraus, das heißt eine Zuwendung, die den Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei der beide darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (allg. A., vgl. Grüneberg-Weidlich, BGB, 81. Aufl., Rz. 7 zu § 2329 BGB m.w.N.; BGH, Urteil v. 10.12.2003, IV ZR 249/02, NJW 2004, 1382, beck-online). Die Unentgeltlichkeit muss dabei der Pflichtteilsberechtigte darlegen und beweisen, ggf. auch ein für eine Schenkung sprechendes, auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. BGH, Urteil v. 17.01.1996, IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705).
b) Der Kläger ist in Höhe von 1/6 des Nachlasswerts pflichtteilsberechtigt gem. §§ 2303 Abs. 1, 2325 Abs. 1 BGB, da er als Sohn des Erblassers durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen wurde und drei gesetzliche Erben, jeweils Abkömmlinge, vorhanden sind.
c) Die Beklagte ist passiv legitimiert, da sie für derartige Ansprüche aufgrund der ungeteilten Erbengemeinschaft als Gesamtschuldnerin mit ihrer Schwester haftet, §§ 2058 Abs. 1, 2059, 421 S. 1 BGB.
d) Es fehlt jedoch am Nachweis einer Schenkung an die Beklagte und ihre Schwester im Sinne von § 516 BGB.
aa) Ausweislich des Kaufvertrages über den Hausrat des Objekts P. Straße 21 umfasste dieser u.a. den im Haushalt vorhandenen Schmuck des Erblassers und sah eine Gegenleistung i.H.v. insgesamt 30.000 € vor, von der ein Betrag von 10.000 € für die weitergehende Nutzung bis zum Tode des Erblassers abgezogen wurde.
bb) Der Kaufvertrag über den Hausrat des Objektes H. Straße 41/41a sah ebenfalls eine Gegenleistung i.H.v. 15.000 € vor, wovon nur 10.000 gezahlt werden sollten, da 5.000 € für die fortgesetzte Nutzung durch den Erblasser abgezogen wurden.
cc) Es ist schon nicht erkennbar, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand, was für eine (ggf. gemischte) Schenkung sprechen würde (vgl. BGH, Urteil v. 06.03.1996, IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754). Hierfür müssen sich die Vertragsparteien überhaupt einer Wertdifferenz zwischen den beiden Leistungsseiten bewusst und insoweit darüber einig sein, jedenfalls den überschießenden Leistungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden (vgl. BGH, Urteil v. 18.10.2011, X ZR 45/10, NJW 2012, 605 Rn. 17, beck-online).
(1) Die Behauptung des für ein derartiges Missverhältnis darlegungs- und beweisbelasteten Klägers, der Hausrat habe aus „wertvollen Ölgemälden, antikem Mobiliar und dichten orientalischen Teppichen“ bestanden und jeweils einen Wert von 40.000 € gehabt, ist durch keinerlei Tatsachenvortrag unterlegt und wird auch nicht nach den beiden Haushalten, um die es hier geht, differenziert. Das Vorbringen ist einer Beweisaufnahme damit bereits nicht zugänglich. Demgegenüber ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Grüneberg-Weidlich, a.a.O., Rz. 30 zu § 2325 BGB) insoweit nachgekommen, da jedenfalls dem notariellen Nachlassverzeichnis (Anlage K 16, Anlagenband Kläger) eine in Tabellenform gehaltene, detaillierte Aufstellung des gesamten Hausrates beigefügt war. Dem Kläger wäre entsprechender Vortrag nicht zuletzt auch deswegen möglich gewesen, da es sich um den Hausrat des bzw. der gemeinsamen Elternhäuser der Parteien handelt.
(2) Auf die in erster Instanz durchgeführte Begutachtung des Schmuckwertes, den der Kläger mit 10.000 € beziffert hatte und den der Sachverständige mit 4.845 € feststellte, kommt es nicht mehr an. Letzten Endes spricht aber auch das Ergebnis der Begutachtung dafür, dass tatsächlich kein auffälliges Missverhältnis zwischen dem jeweils vereinbarten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des Hausrats vorlag, zumal – mit Ausnahme von 2 Einzelstücken, deren Existenz der Kläger erst nach Vorlage des Gutachtens behauptet hat – der gesamte beim Erbfall vorhandene Schmuck des Erblassers begutachtet wurde.
dd) Die Beklagte hat auch den Nachweis der Zahlung des jeweiligen Kaufpreises erbracht.
(1) Sie hatte bereits in erster Instanz vorgetragen, den Kaufpreis für den Hausrat des Objekts P. Straße an den Erblasser bezahlt zu haben und hierzu einen Kontoauszug in Kopie vorgelegt, aus dem sich eine Gutschrift i.H.v. 20.000 € vom 10.02.2015 mit dem Betreff „Kaufpreis Inventar, P. Straße 21“ ergibt. Dem Inhalt dieser Anlage ist der Kläger nicht mehr erheblich entgegengetreten.
(2) Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals vorträgt, auch ihre Schwester habe den für den Hausrat des Hauses H. Straße 41 vereinbarten Kaufpreis gezahlt und einen entsprechenden Nachweis vorlegt, handelt es sich zwar um neuen Sachvortrag, der jedoch unstreitig ist und deswegen nicht dem Ausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO unterfällt.
2. Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen einen Anspruch des Klägers auf Pflichtteilsergänzung i.H.v. insgesamt 100.000 € aus § 2325 Abs. 1 BGB wegen der Übertragung der Hausgrundstücke an die Beklagte und deren Schwester wendet.
a) Gem. § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB bleiben Schenkungen, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt sind, bei der Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs unberücksichtigt.
aa) Eine den Fristenlauf des § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB auslösende Schenkung liegt allerdings erst dann vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen (BGH, Urteil v. 27.04.1994, IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 [398 f.] = NJW 1994, 1791). Maßgebend sind dabei die Umstände des Einzelfalls, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen konnte. Eine Schenkung gilt danach nicht als i.Si.v. § 2325 Abs. 3 BGB geleistet, wenn der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstands nach der Schenkung nicht auch tatsächlich entbehren muss (BGH, a.a.O.; BGH, Urteil v. 29.06.2016, IV ZR 474/15, NJW 2016, 2957 Rn. 8, beck-online).
bb) Die Grundstücksüberlassung erfolgte an beide Schwestern in derselben Urkunde mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall jeweils unentgeltlich. Die Übertragung unter dem jeweiligen Vorbehalt des lebenslangen Wohnrechts mit Pflegeverpflichtung stellt sich insofern als Schenkung unter Auflage gemäß § 525 BGB dar und lässt die Schenkungen insgesamt nicht als entgeltliche Geschäfte erscheinen (vgl. auch BGH, Urteil v. 17.01.1996, IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705; OLG Celle, Urteil v. 13.06.2002, 22 U 0104/01, NJW-RR 2002, 1448). Dies wird mit der Berufung auch nicht angegriffen. Der Wert zu den maßgeblichen Stichtagen gem. § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB ist mittlerweile unstreitig.
cc) Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise waren die Grundstücke nicht bereits mehr als 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers aus seinem Vermögen ausgegliedert worden. Zwar übertrug der Erblasser das Eigentum jeweils auf seine Töchter. Allerdings vereinbarten die Parteien für beide Hausgrundstücke das lebenslängliche Wohnungsrecht des Erblassers und seiner Ehefrau an der gesamten, abgeschlossenen Wohnung im jeweiligen Parterre der Häuser P. Straße 21 und H. Straße 41 unter Ausschluss der Eigentümer. Zudem verpflichteten sich die Erwerber, den übertragenen Grundbesitz bis zum Tode des Veräußerers und im Falle seines Erstversterbens bis zum Tode der Ehefrau weder zu veräußern, noch zu belasten. Diese Verpflichtungen wurden durch entsprechende Rückübertragungsansprüche auch dinglich gesichert. Nach dem unstreitigen Sachverhalt stellte das jeweilige Parterre der Häuser dabei mit rund 80 % den ganz überwiegenden Teil der Nutzfläche dar.
dd) Da sich der Erblasser die weit überwiegende Nutzung der Grundstücke somit auch nach der Übertragung vorbehielt, begann die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB insgesamt nicht zu laufen. Im Rahmen der einheitlichen Schenkung kommt auch eine Differenzierung des Fristbeginns wegen des Teils der Nutzfläche, deren Nutzung sich der Erblasser nicht vorbehalten hatte, nicht in Betracht.
ee) Es kann insoweit dahinstehen, ob der Erblasser tatsächlich nur das Haus P. Straße 21, nicht aber das Haus H. Straße 41 bewohnte. Hierauf kommt es im Ergebnis nicht an, da es ihm durch die gewählte Vertragsgestaltung jederzeit möglich gewesen wäre, die Beklagte und ihre Schwester als Eigentümer von der Nutzung der Objekte weitestgehend auszuschließen. Auch konnten sie sich insoweit nicht als Eigentümer gerieren, als ihnen bis zu seinem Tod bzw. dem Tod des letztversterbenden Ehegatten weder eine Belastung noch eine Veräußerung der Grundstücke möglich war. Die Vertragsgestaltung zielte daher, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, darauf ab, dass der Erblasser „Herr im Hause“ blieb und die tatsächliche Verfügungsgewalt über beide Grundstücke bis zu seinem Tode behielt. Ob der Erblasser – im Nachhinein betrachtet – von den vertraglich vorbehaltenen Rechten tatsächlich Gebrauch machte, ist für den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB unbeachtlich.
b) Daraus folgt, dass auch eine Differenzierung zwischen den beiden Hausgrundstücken vorliegend nicht berechtigt ist, da es dem Erblasser rechtlich jederzeit möglich gewesen wäre, seine weitreichenden Nutzungsrechte auch hinsichtlich des Hausgrundstücks 41 durchzusetzen, selbst wenn er dies bis zu seinem Tode tatsächlich nicht getan hätte.
c) Dem Kläger steht daher ein weiterer Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 Abs. 1 BGB i.H.v. 1/6 des Wertes beider Grundstücke, mithin i.H.v. 100.000 €, zu.
3. Der Zinsanspruch folgt, soweit die Klageforderung zugesprochen wird, aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.
Widerklage
Die von der Beklagten mit der Berufung weiterverfolgte, auf Feststellung des Nichtbestehens erbrechtlicher Ansprüche des Klägers gerichtete Widerklage ist, worauf das Landgericht zu Recht erkannt hat, unzulässig. Weder erfüllt sie die Anforderungen an eine Widerklage i.Si.v. der ZPO, noch besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gem. § 256 Abs. 2 ZPO.
1. Die Widerklage ist eine echte und selbständige Klage besonderer Art (Zöller-Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 33 Rz. 10). Bei der Widerklage und der Hauptklage handelt es sich um zwei selbständige Prozesse, die lediglich zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung in einem Verfahren vereinigt sind. Mit der Widerklage beschränkt sich die beklagte Partei nicht nur auf Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel gegen den Anspruch der klagenden Partei, sondern geht ihrerseits zum selbständigen Gegenangriff über, indem ein anderer prozessualer Anspruch erhoben und damit ein anderer als der mit der Klage verfolgte Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt wird. Durch diesen eine Widerklage kennzeichnenden selbständigen Antrag unterscheidet sich die Widerklage vom bloßen Leugnen des von der klagenden Partei beanspruchten Rechts und von Einwendungen bzw. Einreden, mit denen eine vollständige oder teilweise Klageabweisung begehrt wird (vgl. BAG, Urteil v. 26.06.1990, 1 AZR 454/89, NZA 1990, 987, beck-online; Musielak/Voit-Heinrich, ZPO, 19./2022, Rz. 9 zu § 33 ZPO). Wenn das geltend gemachte Begehren nicht als selbstständige Rechtsschutzhandlung angesehen werden kann, liegt bereits begrifflich keine Widerklage vor. Es handelt sich dabei selbst dann nicht um eine Widerklage, wenn der Antrag als solcher bezeichnet wird. Diese ist, wenn darauf beharrt wird, als unzulässig abzuweisen, da der Streitgegenstand bereits durch die Hauptklage rechtshängig ist (MüKoZPO/Patzina, 6. Aufl. 2020, ZPO § 33 Rn. 8; BAG, a.a.O.; Musielak/Voit-Heinrich, ZPO, 19./2022, Rz. 9 zu § 33 ZPO).
2. In erster Instanz hat die Beklagte mit ihrer Widerklage gegenüber der geltend gemachten Leistungsklage die Feststellung begehrt, dass dem Kläger kein erbrechtlicher Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch zustünde.
a) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten war ihr Antrag auch nicht dahingehend auslegungsfähig, dass durch die Feststellung lediglich – nicht näher bezeichnete – weitere oder andere Ansprüche des Klägers ausgeschlossen werden sollten. Das ergab sich weder aus dem Antrag selbst, noch aus der Begründung, da die Beklagte dem Anspruch insgesamt entgegentrat.
b) Auch unter Berücksichtigung der in der Berufungsinstanz vorgenommenen „Klarstellung“ hierzu handelt es sich weiterhin lediglich um einen auf Klageabweisung gerichteten Antrag.
Der Kläger hat im hiesigen Prozess seine Ansprüche auf Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung jeweils vollständig im Wege der Leistungsklage geltend gemacht, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung und Höhe. Er hat hingegen weder eine Teilklage erhoben, noch gerichtlich oder außergerichtlich Ansprüche geltend gemacht oder sich ihrer berühmt, die nicht bereits im hiesigen Prozess streitgegenständlich sind bzw. waren. Damit ist das Begehren der Beklagten aber nach wie vor lediglich auf Leugnung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gerichtet, ohne dass ein anderer Streitgegenstand rechtshängig gemacht wird.
c) Deswegen besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO. Dem Rechtsschutzbegehren der Beklagten, eine abschließende sachliche Entscheidung über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der Ansprüche des Klägers zu erhalten, wird mit der Entscheidung über die Leistungsklage vielmehr vollumfänglich Rechnung getragen. Daneben ist für eine Feststellungswiderklage kein Raum. Die Widerklage ist somit nach wie vor unzulässig (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Rz. 7d zu § 256 ZPO).
d) Auch soweit der Kläger seine Klage erstinstanzlich teilweise zurückgenommen hatte, kann keine – teilweise – Zulässigkeit der Feststellungswiderklage angenommen werden, da es der Beklagten möglich gewesen wäre, durch bloße Nichtzustimmung eine Entscheidung über die Berechtigung der Forderung zu erhalten. Es fehlt daher jedenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
C.
I. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
II. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
IV. Die Festsetzung des Streitwerts für die Gebührenberechnung folgt aus §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 S. 1 und 3, 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Die Widerklage hat keinen gem. § 45 Abs. 1 S. 1 und S. 3 GKG zur Klage zu addierenden Wert, da sie denselben Gegenstand betrifft. Wirtschaftlich handelt es sich bei Klage und Feststellungswiderklage um exakt dieselben Ansprüche, da die Beklagte lediglich den klägerischen Anspruch leugnet (vgl. Schneider/Kurpat-Seggewiße, Streitwertkommentar, 15. Aufl. 2022, Rz. 2.1579 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2003, I-5 W 2/03, BauR 2003, 1760 ff.). Die vom Landgericht vorgenommene Wertfestsetzung für die erste Instanz war gem. § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG insofern von Amts wegen um den Wert der leugnenden Widerklage zu korrigieren. Eine gestaffelte Wertfestsetzung aufgrund Teilklagerücknahme kommt dabei auch für die erste Instanz nicht in Betracht (vgl. Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Rz. 64 ff. zu § 63 GKG).