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Pflichtteilsergänzungsanspruch des Abkömmlings eines beschenkten Pflichtteilsberechtigten

OLG München – Az.: 20 U 2354/18 – Urteil vom 06.02.2019

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil des Landgerichts Landshut vom 07.06.2018, Az. 74 O 560/15, abgeändert wie folgt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 90 %, der Beklagte 10 %.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

IV. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 24.370,48 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche am Nachlass seiner Großmutter geltend. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Zahlungsantrag (Stufe III).

Die Erblasserin ist am 22.03.2012 verstorben. Ihre Tochter Helga H. – die Mutter des Klägers – ist am 14.05.2009 vorverstorben; sie hat drei Kinder hinterlassen. Die Erblasserin hat am 14.08.1984 mit dem Beklagten – ihrem Sohn – einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie diesen zum Alleinerben eingesetzt hat. Unter dem 02.12.2005 hat die Erblasserin handschriftlich eine „Ergänzung des Erbvertrages vom 14.08.1984“ verfasst, die von ihr und dem Beklagten unterschrieben ist. Diese lautet: „Ich habe meiner Tochter Helga H. Kontovollmacht über meine Ersparnisse bei der Stadtsparkasse M, und der Postbank erteilt. Bei Entnahme vor meinem Tod ist damit ihr Pflichtteilanspruch auf mein Erbe vollständig abgegolten.“ Die Mutter des Klägers hat am 26.10.2005 von einem Konto der Erblasserin für sich 30.000 € abgehoben. Am 06.04.2006 hat sie Beträge in Höhe von 9.365,53 € und 7.797,32 € erhalten, am 12.04.2006 14.827,08 €. Insgesamt betrugen diese Zuwendungen der Erblasserin an ihre Tochter 61.989,93 €.

Zum Nachlass gehören der Anteil der Erblasserin (rechnerisch ¾) an einer Immobilie, dessen Wert streitig ist, sowie Ansprüche aus Sterbeversicherungen. Streitig ist auch, ob die Kosten der nach dem Tod der Erblasserin durchgeführten Kanalsanierung zu Lasten des Nachlasses gehen und der Saldo des Girokontos auch insoweit berücksichtigt werden kann, als er auf eine Zahlung an den Beklagten in Höhe von 1.300 € zurückzuführen ist.

Der Kläger ist der Meinung, die Zuwendungen an seine Mutter seien nicht auf den Pflichtteil anzurechnen.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 24.370,48 € nebst Zinsen seit 01.07.2013 sowie von 1.100,51 € vorgerichtlichen Anwaltskosten zu verurteilen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er ist der Auffassung, die Zuwendungen seien in voller Höhe anzurechnen und überstiegen den Pflichtteilsanspruch des Klägers.

Das Landgericht hat zum Wert des Miteigentumsanteils an der Immobilie ein Sachverständigengutachten eingeholt. Mit Schlussurteil vom 07.06.2018 hat es den Beklagten zur Zahlung von 16.852,84 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2013 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Reinnachlasswert betrage 198.972,42 €, der Pflichtteilsanspruch des Klägers vor der notwendigen Anrechnung folglich 16.581,04 €. Hinzuzurechnen sei ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 5.756,88 € aufgrund der lebzeitigen Zuwendungen an die Mutter des Klägers i.H.v. indexierten 69.082,53 €. Der Kläger müsse sich einen Betrag in Höhe von 5.485,07 € gemäß § 2327 Abs. 1 Satz 2 BGB anrechnen lassen. Nur hinsichtlich des Betrages von 14.827,08 € (indexiert 16.455,21 €) bestehe eine Anrechnungsbestimmung, die sich aus dem Schriftstück vom 02.12.2005 (Anlage B 9) ergebe. Die Zuwendungen vom 06.04.2005 und vom 26.10.2005 seien bereits zuvor erfolgt; insoweit habe der Beklagte den Beweis einer Anrechnungsbestimmung nicht erbringen können.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er beantragt, das Urteil des Landgerichts vom 07.06.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das Landgericht habe verkannt, dass die Zuwendungen über 9.365,53 € und 7.797,32 € nicht 2005, sondern 2006 erfolgt seien und deshalb von der Anrechnungsbestimmung vom 02.12.2005 umfasst seien. Hinsichtlich des Betrages von 30.000 € sei nicht auf das Datum der Abhebung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die Erblasserin von der unberechtigten Abhebung erfahren und – unter Anrechnung auf den Pflichtteil – gegenüber ihrer Tochter auf die Rückzahlung verzichtet habe. Die Erblasserin habe mit ihrer Tochter vereinbart, dass diese den gesamten Pflichtteil sofort erhalte. Mit den drei weiteren Abhebungen sei der gesamte Pflichtteil nach Auffassung sowohl der Tochter als auch der Erblasserin bezahlt gewesen; dies hätten beide anlässlich des 65. Geburtstags der Tochter am 16.04.2006 den Anwesenden berichtet. Hierzu sei bereits in erster Instanz der Zeuge Michael H. (Bruder des Klägers) benannt worden.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Er hat Anschlussberufung eingelegt und beantragt, den Beklagten zur Zahlung weiterer 7.517,64 € nebst 5 %-Punkten Zinsen seit dem 01.07.2013 zu verurteilen.

Der Sachverständige habe fehlerhaft eine Wertminderung der Immobilie in Höhe von 15.000 € wegen des Eigenbedarfsverzichts angenommen; dieser sei unwirksam. Zu Unrecht sei das Landgericht von einem Darlehen des Beklagten an die Erblasserin ausgegangen, zu dessen Rückführung ein Betrag von 1.300 € vom Girokonto der Erblasserin abgeflossen sei. Die Kosten der Kanalsanierung seien nicht als Nachlasskosten anzusetzen, allenfalls die anteiligen Untersuchungskosten in Höhe von 221,34 €.

Es sei nicht belegt und werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Pflichtteilsberechtigte Helga H. von der Erklärung vom 02.12.2005 Kenntnis gehabt habe. Es werde höchstvorsorglich mit Nichtwissen bestritten, dass die im April 2006 ausgezahlten Beträge auch wirklich der Mutter des Klägers zugewendet worden seien. Es bleibe bestritten, dass diese anlässlich einer Geburtstagsfeier im April 2006 eine vollständige Abgeltung ihrer Pflichtteilsansprüche eingeräumt habe.

Außergerichtliche Anwaltskosten seien zuzusprechen. Die Unterfertigte habe den Beklagten mit Schreiben vom 27.11.2014 zur Auskunft aufgefordert. Nachdem er diese nicht erteilt habe, habe sie Klage erhoben und mit Kostennote vom 03.03.2015 eine 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 1.100,51 aus einem Gegenstandswert von 18.760 € abgerechnet, die der Kläger bezahlt habe.

Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Michael H. Auf die Sitzungsniederschrift vom 06.02.2019 wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist in der Hauptsache in vollem Umfang begründet. Ein Pflichtteilsanspruch des Klägers besteht nicht mehr, weil die anzurechnenden Zuwendungen an seine Mutter den Anspruch übersteigen. Der Senat ist aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Zuwendungen der Erblasserin an die Mutter des Klägers in Höhe von insgesamt 61.989,93 € mit der Bestimmung erfolgt sind, dass diese auf den Pflichtteil anzurechnen sind.

Zurückzuweisen ist die Berufung des Beklagten lediglich insoweit, als er einen Teil der Kosten des Verfahrens erster Instanz zu tragen hat, weil er hinsichtlich der beiden ersten Stufen unterlegen ist.

1. Der Pflichtteil des Klägers beträgt 16.581,04 €, nämlich 1/12 des vom Landgericht zutreffend ermittelten Reinnachlasswert von 198.972,42 €. Die Einwände des Klägers gegen die Wertermittlung des Landgerichts greifen nicht durch.

a) Das Landgericht durfte mit dem Sachverständigen eine Wertminderung in Höhe von 15.000 €, bezogen auf den Gesamtwert der Immobilie, wegen des Verzichts auf Kündigung wegen Eigenbedarfs annehmen. Dieser Verzicht ist weder formnichtig noch kündbar. Dass allein die Erblasserin als Vermieterin genannt ist, obgleich der Beklagte in ungeteilter Erbengemeinschaft mit der Erblasserin Miteigentümer des von seinem Vater hinterlassenen Hälfteanteils der Immobilie war (vgl. K 21), berührt die Wirksamkeit des Mietvertrages nicht. Den Gemeinschaftern steht es frei, eine solche Verwaltungsregelung zu treffen (§§ 744, 745 BGB). Der Beklagte hat überdies durch Vereinbarung vom 02.11.2005 (K 22) für die Dauer des Aufenthalts der Erblasserin in der Heilig-Geist-Spital-Stiftung auf den ihm zustehenden Mietanteil von 25 % zugunsten der Erblasserin verzichtet. Auch die Vereinbarung bezüglich der Anpassung der Miete ab 2012 „parallel zum Preissteigerungsindex des statistischen Landesamts“ ändert nichts an der Wirksamkeit des Mietvertrags und des Verzichts auf Eigenbedarfskündigung. Eine unwirksame Indexmietvereinbarung führt wegen des mieterschützenden Charakters der maßgeblichen Vorschriften (§§ 557, 557 b BGB) nur zur Teilnichtigkeit hinsichtlich dieser Bestimmung, nicht aber zur Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB 78. Aufl. 2019 § 557 Rn. 10 m.w.N.).

b) Zu Recht hat das Landgericht es aufgrund des Anlagenkonvoluts B 16 als nachgewiesen angesehen, dass der Beklagte der Erblasserin ein Darlehen zur Ausgleichung von Mietausfällen gewährt und die Zahlung vom Girokonto der Erblasserin am 13.03.2012 der Rückführung dieses Darlehens gedient hat. Aus dem Anlagenkonvolut B 16 geht klar hervor, dass der Beklagte Zahlungen auf das Konto der Erblasserin geleistet hat mit dem Betreff „Mietersatz Januar 2010“, „Aktion Saldo ins Plus“, „Ausgleich Mietausfall“.

c) Die anteiligen Kosten der Kanalsanierung fallen dem Nachlass zur Last. Entgegen der Auffassung des Klägers war bei Versterben der Erblasserin nicht nur eine Dichtigkeitsprüfung veranlasst. Mit Schreiben der M. Stadtentwässerung vom 28.09.2011 (Anlage B 18) wird mitgeteilt, der aufgezeigte Schaden (Muffenversatz) lasse vermuten, dass der Anschlusskanal undicht sei. Zugleich wird gefordert, bis 25.01.2012 nachzuweisen, dass der Anschlusskanal wasserdicht sei. Veranlasst war vor dem Tod der Erblasserin im März 2012 deshalb nicht nur eine Untersuchung des Kanals, sondern auch die Behebung von Undichtigkeiten.

2. Dem Kläger steht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen der Zuwendungen an seine Mutter zu. Ergänzungspflichtig sind nach § 2325 Abs. 1 BGB Schenkungen an einen Dritten. Die Zuwendungen der Erblasserin sind aber an die zu ihren Lebzeiten an Stelle des Klägers pflichtteilsberechtigte Mutter erfolgt.

§ 2327 BGB kommt hier nicht zur Anwendung. Danach sind Schenkungen an den Ergänzungsberechtigten auf die Ergänzung in gleicher Weise anzurechnen wie das einem Dritten gemachte Geschenk (Abs. 1); der Abkömmling, der an die Stelle eines fortgefallenen Abkömmlings tritt, muss sich Geschenk an den fortgefallenen anrechnen lassen wie dieser selbst (Abs. 2). § 2327 setzt jedoch voraus, dass neben dem Pflichtteilsberechtigten mindestens ein Geschenk an einen Dritten erfolgt sein muss. War außer dem fortgefallenen Abkömmling niemand beschenkt, kommt für den an dessen Stelle getretenen Abkömmling eine Ergänzung nicht in Betracht (vgl. Soergel/Dieckmann BGB 13. Aufl. 2002 § 2327 Rn. 21; Staudinger/Olshausen BGB <2014> § 2327 Rn. 14 a.E.; MünchKommBGB/Lange 7. Aufl. 2017 § 2327 Rn. 5 a.E.).

Hier sind keine Schenkungen an Dritte nachgewiesen. Soweit der Kläger in erster Instanz vorgetragen hat, der Beklagte habe ein Sparguthaben in Höhe von 9.800 € erhalten, hat das Landgericht diese Behauptung nicht als erwiesen angesehen. Das greift die Anschlussberufung nicht an.

3. Der Kläger hat sich auf seinen Pflichtteil das anrechnen zu lassen, was seiner vorverstorbenen Mutter von der Erblasserin mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil anzurechnen ist (§ 2315 Abs. 1, Abs. 3 BGB i.V.m. § 2051 Abs. 1 BGB).

a) Die Anrechnungsbestimmung, die vor oder bei der Zuwendung erfolgen muss, ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie bedarf keiner Form und kann auch mündlich oder stillschweigend erklärt werden, muss aber so eindeutig sein, dass sie für den Pflichtteilsberechtigten vor oder bei Zuwendung als solche erkennbar ist (vgl. Palandt/Weidlich BGB 78. Aufl. 2019 § 2315 Rn. 2, 3 m.w.N.).

b) Die von der Erblasserin und dem Beklagten unterzeichnete „Ergänzung des Erbvertrages vom 14.08.1984“ stellt für sich betrachtet noch keine Anrechnungsbestimmung dar. Es ist nicht vorgetragen, dass die Tochter der Erblasserin davon Kenntnis erlangt hat, als oder bevor sie die Zuwendungen erhalten hat.

c) Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen Michael H. bei seiner Vernehmung vor dem Senat davon überzeugt, dass die Mutter des Klägers die Geldbeträge in Höhe von insgesamt 61.989,93 € von der Erblasserin mit der zuvor mündlich erklärten Bestimmung zugewendet erhalten hat, dass sie auf den Pflichtteil anzurechnen sind.

Der Zeuge hat bekundet, dass bereits vor der Geburtstagsfeier seiner Mutter am 16. April 2006 in der Familie darüber gesprochen worden sei, dass seine Mutter mit ihrer Kontovollmacht 30.000 € von einem Konto der Erblasserin, seiner Großmutter, abgehoben habe. Das sei ohne die Zustimmung seiner Großmutter erfolgt. Sie habe sich dann mit ihrer Tochter darauf verständigt, auf die Rückforderung zu verzichten, sofern der Betrag auf den Pflichtteil angerechnet werde. Beide hätten sich darauf geeinigt, dass die Tochter den gesamten Pflichtteil erhalten solle. Deshalb seien die weiteren Zahlungen im April 2006 erfolgt. Bei der Höhe habe man sich an dem von seinem Vater geschätzten Wert für das Haus in M. -M. orientiert. Bei der Geburtstagsfeier seiner Mutter am 16. April 2006 sei darüber gesprochen worden, dass der Pflichtteil seiner Mutter vollständig bezahlt sei. Weder seine Großmutter noch seine Mutter hätten Streit gewollt, da sie ein gutes Verhältnis zueinander gehabt hätten. Seine Mutter habe das Geld nicht gebraucht, da sie selbst sehr vermögend gewesen sei. Sie habe jedoch Bedenken gehabt, hinsichtlich des Hauses zu kurz zu kommen.

Der Senat hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen. Der Senat verkennt nicht, dass die Vorgänge bereits nahezu 13 Jahre zurückliegen und der Zeuge ersichtlich ein gutes persönliches Verhältnis zum Beklagten hat. Er hat seine Erinnerung an die Gespräche über die Geldzuwendungen an seine Mutter und deren Anrechnung plausibel damit erklärt, dass es sich um eine nicht alltägliche Angelegenheit gehandelt habe, über die bereits vor der Geburtstagsfeier im April 2006 wiederholt im Familienkreis gesprochen worden sei. Seine Angaben werden außerdem dadurch gestützt, dass die Erblasserin am 02.12.2005 handschriftlich eine „Ergänzung des Erbvertrages vom 14.08.1984“ (Anlage B 9) verfasst hat, in der sie eine Anrechnung auf den Pflichtteil für Entnahmen von ihrem Konto angeordnet hat. Dieses Schriftstück kann zwar nicht als Anrechnungsbestimmung gegenüber ihrer Tochter gewertet werden, weil nicht nachgewiesen ist, dass diese davon Kenntnis erlangt hat. Aus ihm geht aber der Wille der Erblasserin hervor, Geldzuwendungen an ihre Tochter auf deren Pflichtteilsansprüche anzurechnen. Zudem erscheint es lebensfremd, anzunehmen, dass die Erblasserin diese „Ergänzung des Erbvertrages“ ohne jeden Anlass angefertigt hat. Es liegt nahe, dass Hintergrund eine nicht mit der Erblasserin abgesprochene erhebliche Abhebung durch die mit Bankvollmachten ausgestattete Tochter war, die die Erblasserin nicht auf sich beruhen lassen wollte. Das ergibt sich auch daraus, dass in der „Ergänzung des Erbvertrages“ ausdrücklich auf die erteilten Kontovollmachten Bezug genommen wird. Auch die Tatsache, dass innerhalb eines knappen halben Jahres der Tochter zusätzlich zu den von ihr selbst abgehobenen 30.000 € weitere knapp 32.000 € zugeflossen sind, spricht eher dafür, dass die hoch betagte Erblasserin, die seit November 2005 im Altenheim lebte, mit diesen Zuwendungen für eine vollständige Abgeltung der Pflichtteilsansprüche ihrer Tochter sorgen wollte.

d) Die gegenbeweislich angebotenen Zeugen Angelika D. (Schwester des Klägers) und K. waren nicht zu vernehmen, weil sie nicht zu einem konkreten, entscheidungserheblichen Beweisthema benannt sind. Konkrete tatsächliche Kenntnisse der Zeugin D. bezüglich der hier streitgegenständlichen Zuwendungen an die Mutter des Klägers sind nicht vorgetragen; sie soll lediglich bestätigen können, dass die Erblasserin ein inniges Verhältnis zu ihrer Tochter gehabt und ihr für 20-jährige Pflege eine Zuwendung habe zukommen lassen wollen. Was den Zeugen K. angeht, wird nur vorgetragen, dass er bei der Geburtstagsfeier der verstorbenen Helga H. zugegen gewesen sei.

e) Die anzurechnenden Zuwendungen an die Mutter des Klägers betragen nach Indexierung 69.082,53 €. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren mit Nichtwissen bestreitet, dass seine Mutter die im April 2006 ausgezahlten Beträge erhalten hat, ist das unbeachtlich (§ 138 Abs. 4 ZPO). Im Übrigen wäre dieser Vortrag verspätet (§ 531 PO).

Auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers ist 1/3 hiervon anzurechnen, also 23.027,51 €. Dieser Betrag übersteigt seinen Pflichtteilsanspruch.

III.

Die Anschlussberufung des Klägers ist nicht begründet.

1. Wie oben ausgeführt, steht dem Kläger wegen der anzurechnenden Zuwendungen an seine Mutter kein Pflichtteilsanspruch mehr zu. Die Voraussetzungen für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch liegen nicht vor. Abgesehen davon würde dieser ebenfalls durch die Anrechnung der Zuwendungen an die Mutter des Klägers aufgezehrt, wobei die Anrechnung auf die Ergänzung (§ 2327 Abs. 1 BGB) keine Anrechnungsbestimmung des Erblassers voraussetzt.

2. Das Landgericht hat zu Recht keine vorgerichtlichen Anwaltskosten zugesprochen. Die erst im Berufungsverfahren vorgelegte Rechnung vom 03.03.2015 betrifft nicht den vorgerichtlich geltend gemachten Auskunftsanspruch, sondern die gesamte bis zum 03.03.2015 angefallene Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers einschließlich der Klageerhebung.

IV.

Bei der Kostenentscheidung berücksichtigt der Senat, dass die Stufenklage bezüglich Stufe I und II erfolgreich war, und schätzt den Anteil, zu dem der Kläger obsiegt hat, auf 10 %. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 GKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

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