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Pflichtteilsergänzungsanspruch – Erblasserschenkung durch Erlass Kaufpreisforderung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 95/18 – Urteil vom 24.07.2019

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 17. Oktober 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 16 O 264/16 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

III. Das Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.666,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin hat mit ihrer am 15. Dezember 2016 eingereichten Klage weitere Pflichtteils- sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten, ihren Bruder, geltend gemacht. Dieser hatte die am 22. März 2012 verstorbene Mutter der Parteien sowie einer weiteren Tochter der Erblasserin aufgrund eines Testaments vom 15. Juni 2006 allein beerbt; der Ehemann der Erblasserin ist vorverstorben.

Der Nachlass der Verstorbenen bestand zum Stichtag aus einem Hausanwesen in der …straße 122 (Wert: 109.000,- Euro), Bankguthaben (6.664,- Euro) und Bargeld (200,- Euro), zusammen 115.864,- Euro; dem standen auf der Passivseite jedenfalls die Beerdigungskosten (2.400,- Euro) und weitere Verbindlichkeiten (1.543,- Euro), zusammen 3.943,- Euro, gegenüber. Mit anwaltlichen Schreiben vom 6. und 23. Mai 2014 forderte die Klägerin den Beklagten zur Anerkennung und Zahlung des Pflichtteils bis zum 20. Mai 2014 auf. In der Folge machte sie ihren Pflichtteilsanspruch zunächst in Höhe eines Teilbetrages von 15.000,- Euro gerichtlich geltend; der Beklagte wurde mit – rechtskräftigem – Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24. Juni 2015 – 16 O 163/14 – zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen hieraus seit dem 6. August 2014 verurteilt.

Die Erblasserin hatte mit notariellem Vertrag vom 24. November 2006 (Bl. 14 ff. GA) ein Tankstellengrundstück an die damalige Lebensgefährtin des Beklagten, die zwischenzeitlich verstorbene Frau R. W., zum Kaufpreis von 140.000,- Euro veräußert. Nach Ziff. III.2 des notariellen Vertrages war der Kaufpreis fällig und zahlbar bis zum 31. Dezember 2006; nach Ziff. III.6 dieses Vertrages war der Notar angewiesen, die Eigentumsumschreibung erst zu beantragen und die Auflassung enthaltende Ausfertigungen oder beglaubigte Kopien der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist. Ob der Kaufpreis gezahlt wurde, ist zwischen den Parteien streitig; die Klägerin stellt dies in Abrede und möchte diesen in hälftiger Höhe als Pflichtteilsergänzungsanspruch auf den Nachlasswert angerechnet wissen.

Die Klägerin, die mit ihrer Klage als weiteren Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch einen Betrag in Höhe von 15.320,17 Euro – dies entspricht 1/6 des um den hälftigen Kaufpreis des Tankstellengrundstücks erhöhten Nachlasswertes (181.921,- Euro), abzüglich des mit Urteil vom 24. Juni 2015 titulierten Betrages – geltend gemacht hat, hat gemeint, es müsse hier davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin der damaligen Lebensgefährtin des Beklagten die Kaufpreiszahlung für das Tankstellengrundstück erlassen oder einem anderen dieses Geld schenkweise zugewendet habe. Die Erblasserin sei nicht einmal sechs Jahre nach dem vereinbarten Fälligkeitstermin verstorben, der Kaufpreis sei im Nachlass nicht vorhanden gewesen. Angesichts des Lebenswandels der Erblasserin könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese in so kurzer Zeit 140.000,- Euro „durchgebracht“ habe. Der Beklagte habe keinerlei Auskünfte erteilt oder die Verwendung des Geldes belegt, obwohl ihm dies unschwer möglich gewesen sei. Der Beklagte hat behauptet, seine Recherchen zum Verbleib des Kaufpreises seien erfolglos geblieben; auch aus den Kontoauszügen des Jahres 2006 ergäben sich keine weiteren Aufschlüsse über dessen Verbleib. In die Vertragsverhandlungen zwischen der Erblasserin und seiner Lebensgefährtin habe er sich bewusst nicht eingemischt und auch keine nähere Kenntnis davon. Seine Mutter habe gegenüber dem Notar bestätigt, dass die Kaufpreisverpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt worden sei. In welcher Weise die Erfüllung erfolgt sei, könne er nicht angeben; weitergehende Darlegungen seien ihm weder möglich noch zumutbar, auch habe auch die Klägerin wegen einer ihr erteilten General- und Vorsorgevollmacht vom 5. Mai 2006 jederzeit Zugang zu den Bankunterlagen der Erblasserin gehabt und sei daher nicht auf die Auskünfte angewiesen. Die Erblasserin habe in der Vergangenheit nicht unerhebliche Geldschenkungen an die Schwester der Parteien vorgenommen; auch hätten andere Personen wie Familienmitglieder, Mitglieder der Gemeinde der Klägerin oder Handwerker Zugang zur Erblasserin gehabt. Sollte diese allerdings auf Teile des Kaufpreises verzichtet haben, sei jedenfalls von einer belohnenden Schenkung auszugehen. Eine entsprechende Verfügung der Erblasserin wäre allein durch die persönlichen Beziehungen zur Erwerberin motiviert gewesen vor dem Hintergrund ständiger, sich über mehr als fünf Jahre erstreckender Hilfsleistungen wie Besorgungen im persönlichen Bereich und Behördenbereich, Buchhaltungsarbeiten und Anfertigung von Steuererklärungen. Bei der Berechnung des Nachlasswertes seien auch die – nicht näher bezifferten – Kosten des Gutachtens zur Wertermittlung des Nachlassgrundstücks in Abzug zu bringen.

Das Landgericht Saarbrücken hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Notars Dr. … Mit dem zur Berufung angefallenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 15.320,17 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gelegener Zinsen seit dem 21. Mai 2014 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein weiterer Pflichtteilsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.653,50 Euro ergebe sich unter Zugrundelegung der Pflichtteilsquote und des unstreitigen Nachlasswertes von 111.921,- Euro; für eine Berücksichtigung weiterer Positionen auf Passivseite habe der Beklagte nichts Ausreichendes vorgetragen. Darüber hinaus sei der hälftige Kaufpreis des Tankstellengrundstücks von 70.000,- Euro als Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berücksichtigen. Die Klägerin habe konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Kaufpreiszahlung nicht erfolgt bzw. als Schenkung an einen Dritten geflossen sei, denen der Beklagte trotz mehrfachen Hinweises nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten sei. Anders als der Klägerin, wäre ihm weitergehender Vortrag möglich gewesen, weil er über die Nachforschungsmöglichkeiten eines Erben verfüge und auch davon ausgegangen werden müsse, dass er als Sohn der Verkäuferin und Lebensgefährte der Käuferin Kenntnis von den näheren Umständen gehabt habe. Aufforderungsgemäß vorgelegte Kontenschreibungen, aus denen sich kein Eingang des Betrages ersehen lasse, seien unzureichend; auch folge die Tatsache der Kaufpreiszahlung nicht aus der von dem Zeugen Dr. S. vorgelegten Bestätigung der Erblasserin, die lediglich dazu gedient habe, die Eigentumsumschreibung herbeizuführen. Zu den Voraussetzungen einer belohnenden Schenkung habe der Beklagte ebenfalls nicht ausreichend vorgetragen.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung eines höheren Betrages als 3.653,50 Euro nebst Zinsen. Er hält die Berücksichtigung des hälftigen Kaufpreises des Tankstellengrundstücks zur Ermittlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruches für verfehlt, weil die Klägerin eine solche Schenkung nicht bewiesen habe und das Landgericht fälschlicherweise unter Berufung auf eine vermeintliche sekundäre Darlegungslast des Beklagten von der Nichtzahlung des Kaufpreises durch die Erwerberin ausgegangen sei. Der Beklagte habe im Rahmen seines Wissens zur Sache vorgetragen, im Übrigen verfüge er weder über bessere Nachforschungsmöglichkeiten als die Klägerin, noch seien ihm weitergehende Angaben zuzumuten. Auf fehlenden Vortrag zu den sachlichen Voraussetzungen einer belohnenden Schenkung sei er nicht hingewiesen worden.

Der Beklagte beantragt (Bl. 220 GA), unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Oktober 2018 – Az. 16 O 264/16 – die Klage insoweit abzuweisen, als ein über 3.653,50 Euro hinausgehender Anspruch zuzüglich Zinsen hieraus geltend gemacht wird.

Die Klägerin beantragt (Bl. 232 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 23. August 2017 und vom 5. September 2018 (Bl. 88 ff., 182 ff. GA) und des Senats vom 3. Juli 2019 (Bl. 239 f. GA) verwiesen. Der Senat hat die Akten des Landgerichts Saarbrücken – 16 O 304/15 und 16 O 163/14 – zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Beklagten, mit der dieser sich nur noch gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Höhe von 11.666,67 Euro wendet, ist unbegründet. Das Landgericht hat den Beklagten auch insoweit zu Recht zur Zahlung verurteilt.

1.

Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte – hier: die Klägerin als durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossener Abkömmling, vgl. § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB – für den Fall, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dabei wird die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger, hier folglich angesichts des Zeitablaufes von fünf Jahren nur noch in hälftiger Höhe, berücksichtigt (§ 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB). Ein solcher Pflichtteilsergänzungsanspruch setzt mithin zunächst voraus, dass der Erblasser eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat, d.h. eine Zuwendung, die ihren Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (BGH, Urteil vom 14. März 2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, 1475). Eine ergänzungspflichtige Schenkung kann danach angenommen werden, wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers geführt hat (BGH, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2003 – IV ZR 249/02, BGHZ 157, 178). Darlegungs- und beweisbelastet für diese tatsächlichen Voraussetzungen ist der Pflichtteilsberechtigte: Diesem obliegt insbesondere der Nachweis, dass ein bestimmter Gegenstand zum Nachlass gehörte und dass dieser unentgeltlich auf einen Dritten übertragen wurde (BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 – IVa ZR 132/80, NJW 1981, 2458; Urteil vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705; Lange, in: MünchKomm-BGB 7. Aufl., § 2325 Rn. 44).

2.

In Anwendung dieser Grundsätze war es mithin Sache der Klägerin, die sich für ihre Behauptung einer pflichtteilsergänzungsrelevanten Schenkung auf einen Erlass der mit notariellem Vertrag vom 24. November 2006 begründeten Kaufpreisforderung berufen hat, die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vereinbarung mit den Anforderungen des § 286 ZPO zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 – IVa ZR 132/80, NJW 1981, 2458); das ist ihr hier auch gelungen. Bei sachgerechter Würdigung aller Umstände des Falles steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erblasserin der seinerzeitigen Lebensgefährtin des Beklagten den notariell vereinbarten Kaufpreis für das Tankstellengrundstück nachträglich erlassen und ihr diesen so schenkweise zugewandt hat.

a)

Der behauptete nachträgliche Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB) der Kaufpreisforderung durch die Erblasserin, auf den sich die Klägerin hier ausdrücklich beruft und der als solches einen eigenständigen ergänzungspflichtigen Schenkungstatbestand im Sinne des § 2325 Abs. 1 BGB darstellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1986 – IVa ZR 13/85, BGHZ 98, 226; Birkenheier in: jurisPK-BGB 8. Aufl., § 2325 Rn. 127; zum nachträglichen Verzicht auf einen als Gegenleistung vereinbarten Nießbrauch Blum/Melwitz, ZEV 2010, 77), kann allerdings nicht schon deshalb als zugestanden angesehen werden, weil der Beklagte der diesbezüglichen Behauptung der Klägerin nicht ausreichend entgegengetreten wäre (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO). Er hat diese Behauptung schon erstinstanzlich in ausreichender Weise bestritten:

aa)

Der Umfang der Darlegungslast der Partei im Zivilprozess kann je nach der Art der Einlassung des Gegners variieren. Allgemeine Behauptungen können schlicht in Abrede gestellt werden. Hat sich der Kläger substantiiert geäußert, so obliegt es dem Beklagten, zu den einzelnen Behauptungen gezielt Stellung zu nehmen (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO; Fritsche, in: MünchKomm-ZPO 5. Aufl., § 138 Rn. 19). Soweit eine an sich behauptungs- und beweisbelastete Partei keinen Einblick in streitrelevante Vorgänge hat, können die Anforderungen an die Substantiierung auch zu ihren Gunsten reduziert sein. Ist der Gegner besser informiert und ist ihm eine Offenlegung seiner Kenntnisse zuzumuten, trifft ihn eine sog. sekundäre Darlegungslast: In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982; Greger, in: Zöller, ZPO 32. Aufl., § 138 Rn. 8b). Genügt er ihr nicht und beschränkt sich auf ein pauschales Bestreiten, gilt die Behauptung der primär darlegungsbelasteten Partei nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden; dann muss der Anspruchsteller seine Behauptung nicht beweisen (Greger, a.a.O.; Prütting in: MünchKommZPO, a.a.O., § 286 Rn. 103; vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15, VersR 2018, 499; Senat, Urteil vom 9. Januar 2009 – 5 U 41/18). Eine sekundäre Darlegungslast kann unter diesen Voraussetzungen auch den Erben treffen, wenn ihm gegenüber behauptet wird, dass einer Zuwendung des Erblassers keine Gegenleistung gegenübersteht. Weitergehender Vortrag des Pflichtteilsberechtigten ist hier u.U. mit kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden, wenn er als Dritter von den insoweit wesentlichen Tatsachen keine Kenntnis hat, weil das der behaupteten Gegenleistung zugrunde liegende Rechtsgeschäft allein im Verhältnis zwischen dem Erblasser und seinem Vertragspartner vollzogen worden sein soll. In solchen Fällen ist den Beweisschwierigkeiten dadurch Rechnung zu tragen, dass es zunächst Sache des über die erforderlichen Kenntnisse verfügenden Anspruchsgegners ist, die für die Begründung der Gegenleistung maßgeblichen Tatsachen im Wege des substantiierten Bestreitens der Unentgeltlichkeit vorzutragen (BGH, Urteil vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705; Lange, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2325 Rn. 44).

bb)

Im Streitfall hat die Klägerin ihre Behauptung, die Erblasserin habe der Erwerberin des Grundstücks den Kaufpreis erlassen, nur pauschal erhoben. Zu einer konkreten Vereinbarung zwischen der Erblasserin und der Erwerberin des Tankstellengrundstücks hat sie – unter Hinweis auf ihre fehlende Kenntnis – nichts Näheres dargelegt, sondern vielmehr Umstände (Indizien) vorgetragen, die darauf hindeuten sollen, nämlich dass zum Verbleib des Kaufpreises keine Erkenntnisse vorlägen und dass der Beklagte hierzu keine ausreichenden Auskünfte erteilt habe. Weder sei bekannt, wann der Kaufpreis gezahlt worden sei, noch, wo dieser „abgeblieben“ sei, und es sei auch unwahrscheinlich, dass die Erblasserin diesen Betrag in den verbleibenden knapp sechs Jahren bis zu ihrem Tode „durchgebracht“ habe. Hierauf hat der Beklagte im Rahmen seiner Behauptungslast ausreichend erwidert (§ 138 Abs. 2 ZPO), indem er einerseits vortrug und unter Beweis stellte, die Erblasserin habe dem beurkundenden Notar gegenüber die Erfüllung der Kaufpreiszahlungspflicht bestätigt, andererseits zum Verbleib, auch unter Vorlage von Kontoauszügen, angab, weitere Recherchen seinerseits hätten keine zusätzlichen Feststellungen erbracht, es sei aber denkbar, dass die Erblasserin, die insbesondere der Schwester der Parteien wiederholt Geldgeschenke gemacht und auch sonst Kontakt zu zahlreichen anderen Personen unterhalten habe, den Betrag ganz oder teilweise ausgegeben habe. Damit hat er seiner Darlegungslast genügt und das Vorbringen der Klägerin zum angeblichen Erlass der Kaufpreisforderung substantiiert bestritten. Darauf, dass die Klägerin diesen Gegenvortrag für nicht glaubwürdig gehalten hat, kommt es insoweit nicht an; denn derartige Umstände können unter Umständen im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO berücksichtigt werden, sie berechtigten jedoch nicht zu der Annahme, der Beklagte habe das gegnerische Vorbringen nicht wirksam bestritten (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 – IVb ZR 78/85, BGHZ 98, 353).

b)

Die Klägerin hat aber den ihr infolgedessen nach allgemeinen Grundsätzen obliegenden Nachweis einer pflichtteilsergänzungsrelevanten Schenkung zu führen vermocht. Wie letztlich auch schon das Landgericht, sieht der Senat bei Würdigung aller Umstände und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zahlreiche Anhaltspunkte, die in der Zusammenschau mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit auf einen nachträglichen schenkweisen Erlass der zunächst rechtswirksam begründeten Kaufpreisforderung durch die Erblasserin durchgreifend hindeuten.

aa)

Zwar vermochte die Klägerin – wie bereits ausgeführt – zu konkreten Abreden, die einen nachträglichen Erlass der Kaufpreisforderung begründen, keine konkreten Einzelheiten darzulegen. Da es sich bei einem Erlass um einen schuldrechtlichen Verfügungsvertrag handelt (Grüneberg, in: Palandt, BGB 77. Aufl., § 397 Rn. 1; Wagner in: Erman, BGB 15. Aufl., § 397 BGB Rn. 1), ist hierzu eine entsprechende Willenseinigung der Beteiligten erforderlich, die mit Blick auf die durch den Vertrag vom 24. November 2006 – auch nach Überzeugung der Klägerin – rechtswirksam begründete Kaufpreisforderung hätte getroffen werden müssen. An das Vorliegen eines solchen Erlasses (§ 397 Abs. 1 BGB) sind allgemein hohe Anforderungen zu stellen; so muss das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages unmissverständlich erklärt werden (BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 – VII ZR 356/00, NJW 2001, 2325), auch an die Feststellung des insoweit erforderlichen Verzichtswillens sind strenge Anforderungen zu stellen, er darf nicht vermutet werden (BGH, Urteil vom 3. November 1992 – X ZR 83/90, NJW 1993, 1063; Urteil vom 21. November 2006 – VI ZR 76/06, VersR 2007, 71). Steht fest, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben (BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 – X ZR 91/00, NJW 2002, 1044). Dementsprechend muss der Erlass, mit dem eine Schenkung im Sinne des § 2325 Abs. 1 BGB begründet werden soll, nachvollziehbar feststehen; insbesondere muss er von anderen Möglichkeiten abgegrenzt werden, die sich in dem bloßen Nichtgeltendmachen oder dem Verjährenlassen des Anspruchs erschöpfen, die – ebenso wie im Schenkungsrecht, § 517 BGB – keine Schenkung im Sinne des § 2325 Abs. 1 BGB darstellen (Horn, in: Burandt/Rojahn, Ebrecht 3. Aufl., § 2325 Rn. 26; Staudinger/Olshausen (2015) BGB § 2325 Rn. 45; Birkenheier in: jurisPK-BGB, a.a.O., § 2325 BGB, Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September 2001 – IV ZR 198/00, NJW 2002, 672). Das ungeklärte Schicksal einer Kaufpreisforderung des Erblassers, das vielfältige Ursachen haben kann, ermöglicht deshalb nur dann den Schluss auf eine pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkung, wenn andere Möglichkeiten als eine bewusste unentgeltliche Zuwendung mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden können. Hierzu hat die Klägerin, weil sie als Außenstehende unstreitig keine näheren Kenntnisse von den Umständen hatte, nichts Konkretes vorgetragen, so dass der unmittelbare Nachweis einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung nicht in Betracht kommt.

bb)

Jedoch kann aus zahlreichen von der Klägerin vorgetragenen und aktenkundigen Indiztatsachen sowie unter Berücksichtigung des prozessualen Verhaltens des Beklagten mit ausreichender Gewissheit auf das Vorliegen eines nachträglich vereinbarten Erlasses der Kaufpreisforderung durch die Erblasserin geschlossen werden. Danach ist nämlich davon auszugehen, dass der vertraglich vereinbarte Kaufpreis tatsächlich nicht gezahlt wurde, was angesichts der Bestätigung der Erblasserin, die diese dem Notar gegenüber erteilt hat und die auch der Erwerberin bekannt gewesen sein muss, vorliegend nur damit zu erklären ist, dass die Erblasserin der Erwerberin diese Forderung erlassen wollte und erlassen hat:

(1)

Auch das Unterbleiben der Kaufpreiszahlung als solches kann allerdings nicht als unstreitig zugrunde gelegt werden. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, der Beklagte habe nicht ausreichend substantiiert zur Kaufpreiszahlung vorgetragen – dies allerdings, ohne daraus auch den prozessual konsequenten Schluss zu ziehen, die Nichtzahlung sei gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden – tritt die Berufung dem im Ansatz zu Recht entgegen. Derart gesteigerten Anforderungen an die Darlegungslast des beklagten Erben sind nur dann gerechtfertigt, wenn der dem Pflichtteilsberechtigten obliegende Nachweis, einer schlüssig behaupteten Leistung des Erblassers stehe keine Gegenleistung gegenüber, sonst daran scheitern müsste, dass dieser als Dritter von den wesentlichen Tatsachen keine Kenntnis hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705; Urteil vom 14. März 2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, 1475). Nur dann greift nämlich die Erwägung, dass der Nachweis einer negativen Tatsache, aus deren Vorliegen auf das Bestehen des Anspruchs geschlossen werden kann, ohne konkret widerlegbaren Sachvortrag des nicht beweisbelasteten Prozessgegners nicht geführt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2010 – XII ZR 175/08, BGHZ 185, 1; Urteil vom 4. Oktober 2018 – III ZR 213/17, WM 2018, 2175). Dementsprechend war in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung vom 17. Januar 1996 (– IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705) eine Verpflichtung des Erben bejaht worden, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast näher zum Erlass von nicht näher spezifizierten Darlehensschulden vorzutragen, der als angebliche Gegenleistung für eine vom Pflichtteilsberechtigten schlüssig behauptete Schenkung vereinbart worden war. Der Beklagte beanstandet zu Recht, dass der vorliegende Sachverhalt dem nicht gleichzusetzen ist. Anders als dort, geht es vorliegend nicht um den Nachweis der Unentgeltlichkeit einer von der Klägerin schlüssig behaupteten Leistung des Erblassers, sondern um den Nachweis der Leistung als solcher, d.h. keiner negativen, sondern einer positiven Tatsache, deren Darlegung der Klägerin grundsätzlich möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – III ZR 565/16, BGHZ 216, 245; Urteil vom 4. Oktober 2018 – III ZR 213/17, WM 2018, 2175) und die sie auch vollumfänglich beweisen muss.

(2)

Der Senat ist aber, wie letztlich auch schon das Landgericht, davon überzeugt, dass die mit notariellem Vertrag vom 24. November 2006 vereinbarte Kaufpreiszahlung tatsächlich unterblieben ist, und dass dies in der Absicht geschah, diese der Erwerberin im Wege des Erlasses zuzuwenden.

(a)

Dafür spricht zunächst, dass der Beklagte, der als Erbe ohne weiteres auf die Kontounterlagen der Erblasserin zugreifen oder diese – im Rahmen der Aufbewahrungspflichten – besorgen kann, für den tatsächlichen Zahlungsfluss dieser – ganz erheblichen – Summe in Höhe von 140.000,- Euro keinerlei Nachweise vorgelegt hat und insbesondere die von ihm schließlich im Rechtsstreit eingereichten Kontounterlagen des maßgeblichen Zeitraumes eine solche Zahlung nicht ausweisen. Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass und ggf. welche anderen Bankverbindungen existierten, auf die das Geld unter Umständen hätte überwiesen werden können. Auch Zahlungsbelege der Schuldnerin hat er nicht vorgelegt, obschon es sich hierbei um seine damalige „langjährige Lebensgefährtin“ gehandelt hat, so dass mangels anderweitiger Angaben, die von ihm zu erwarten gewesen wären auch vermutet werden kann, dass insoweit ein enges Vertrauensverhältnis bestand, und der Beklagte insbesondere auch nicht erläutert hat, weshalb er insoweit nicht über weitergehende Erkenntnismöglichkeiten verfügt. Dass eine derart hohe Geldsumme in bar geleistet worden sein könnte, hält der Senat hier angesichts der Umstände, insbesondere des hohen Alters der Erblasserin und dem Vorhandensein einer Bankverbindung, die ausweislich der vorgelegten Kontenschreibungen auch rege von ihr genutzt wurde, für ausgeschlossen. Solches wäre nicht nur vollkommen unüblich, sondern auch mit erheblichen Risiken für alle Beteiligten behaftet gewesen; letztlich wurde dies von Beklagtenseite, ebenso wenig wie andere, in der Theorie denkbare Zahlungsmodalitäten, auch nicht ansatzweise substantiiert behauptet. Der Senat hält es schon deshalb für sehr naheliegend, dass eine Zahlung des Kaufpreises tatsächlich unterblieben ist.

(b)

Damit geht weiter einher, dass – worauf die Klägerin mehrfach hingewiesen hat – auch im Übrigen keine Spur dieses Geldes vorhanden ist, zumal dieses im Falle einer Zahlung an die Erblasserin „schon irgendwo hingeflossen sein“ müsste. Vom fehlenden Eingang bei der Erblasserin abgesehen, ist nämlich auch der spätere Verbleib des Betrages völlig unklar. Unstreitig hat die Erblasserin über eigene Einkünfte verfügt, ein Eigenheim besessen und auch im Übrigen sparsam gelebt; gleichwohl ist von dem Betrag in Höhe von 140.000,- Euro bei ihrem Tode im Nachlass nichts auffindbar gewesen. Soweit sie rund fünf Jahre nach der Veräußerung des Grundstückes verstarb und deshalb durchaus Gelegenheit – und das Recht – gehabt hätte, in dieser Zeit hiervon Ausgaben zu tätigen, ist dafür ebenfalls nichts Konkretes dargetan oder sonst erkennbar. Der mehrfach wiederholte – einzige – Hinweis des Beklagten, die Erblasserin habe in der Vergangenheit Geldgeschenke, u.a. an die gemeinsame Schwester der Parteien gemacht, rechtfertigt aus Sicht des Senats nicht die Annahme, diese habe im genannten Zeitraum Beträge in einer Größenordnung von 140.000,- Euro verschleudert. Konkreten Vortrag hierzu hat der Beklagte ohnehin nur unter Bezugnahme auf einen Rechtsstreit mit der Schwester der Klägerin gehalten, in dem Zuwendungen in Höhe von – lediglich – 8.200,- Euro unstreitig gestellt wurden (Bl. 228 d. A. 16 O 304/15). Dass dieser relativ geringe Betrag – zu anderen Schenkungen wurde nichts Konkretes dargetan – auch aus anderen Mitteln der Erblasserin hervorgebracht worden sein kann und die Zahlung des Kaufpreises dadurch nicht einmal ansatzweise belegt wird, liegt auf der Hand.

(c)

Aus der Aussage des Zeugen Dr. S. und der von ihm vorgelegten Bestätigung der Erblasserin über den Erhalt des Kaufpreises kann nicht der Schluss auf eine tatsächlich erfolgte Zahlung gezogen werden; vielmehr stützt diese hier ganz im Gegenteil die Annahme, der Kaufpreis sei der Erwerberin nachträglich durch die Erblasserin schenkweise erlassen worden. Es ist allgemein bekannt, und auch die Erblasserin wusste dies aufgrund des Inhaltes der notariellen Urkunde, dass solche Bestätigungen erforderlich sind, um dem Notar die Freigabe zur Bewirkung der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch zu erteilen. Ob der Bestätigung auch tatsächlich eine Zahlung des Bestätigenden zugrunde liegt, ist hierbei ohne Belang; dies wird nicht geprüft und kann auch für den vorliegenden Rechtsstreit nicht angenommen werden. Gegenstand einer solchen Erklärung ist damit nur die Aussage des Veräußerers, die Bewirkung der von ihm geschuldeten Leistung sei nicht mehr vom Erhalt der Gegenleistung abhängig. Hintergrund einer solchen Erklärung kann daher gerade auch der nachträgliche Erlass einer – wie hier – zunächst wirksam vereinbarten Kaufpreisforderung sein, weil auch in diesem Falle die Erwerberin des Grundstücks nur nach Vorlage der Bestätigung als Eigentümerin eingetragen werden kann; auch dies musste der Erblasserin, als sie die Bestätigung formulierte, nach den Umständen bekannt und bewusst sein. Soweit die Erblasserin die Bestätigung erteilte, obschon aus den bereits dargelegten Gründen eine Kaufpreiszahlung ausgeschlossen erscheint, weil insbesondere die vom Beklagten vorgelegten Kontenschreibungen keine entsprechende Buchung aufweisen und Anhaltspunkte für einen irgendwie gearteten Zahlungsfluss nicht bestehen, kann daraus zugleich auf ihren – erkennbaren – Willen geschlossen werden, der Lebensgefährtin des Beklagten die zugrunde liegende Forderung zu erlassen. Denn anders kann die Bestätigung, den Kaufpreis erhalten zu haben, unter diesen Umständen aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers nicht gedeutet werden, und ebenso unzweifelhaft ist es auch, dass die Erwerberin dieses Angebot (konkludent) angenommen hat, indem sie dementsprechend keine Zahlungen auf den Kaufpreis erbracht hat.

(d)

Der Senat sieht sich in dieser Wertung letztendlich auch durch das vorgerichtliche und prozessuale Verhalten des Beklagten vollumfänglich bestätigt. Der Beklagte ist trotz mehrfacher förmlicher Anordnung durch das Landgericht zu keinem der Gerichtstermine erschienen, ohne dies ausreichend zu entschuldigen. Dadurch hat er sich der Möglichkeit begeben, zur weiteren Aufklärung des behaupteten Erlasses beizutragen und sich insbesondere auch gezielten Fragen des Gerichts zu den näheren Umständen und zu den Gründen seines Verhaltens zu stellen. Dies legt es nahe, dass er sich weitergehenden Aufklärungsbemühungen, mit denen er nach Erhalt der Anordnung seines persönlichen Erscheinens rechnen musste, bewusst entziehen wollte. Sein Erscheinen wäre auch deshalb in besonderem Maße angezeigt gewesen, weil die von ihm vorgerichtlich erteilten Auskünfte ebenso wie die im vorliegenden Rechtsstreit eingereichten Kontenschreibungen nicht weiterhelfen, während andererseits der ungeklärte Verbleib des Kaufpreises unter den gegebenen Umständen aufklärungsbedürftig war. Der – anwaltlich vertretene – Beklagte, dem diese Zweifel aufgrund der zuvor gewechselten Schriftsätze bekannt waren, hätte auf diese Weise im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein redliches Bemühen um weitere Aufklärung unter Beweis stellen können; dass er diese Gelegenheit nicht nutzte, deutet ebenfalls darauf hin, dass er daran kein Interesse hat. Zugleich streitet dies gegen die Aufrichtigkeit seiner eigenen Darstellung, von nichts zu wissen, die – wie der Senat bereits im Termin ausgeführt hat – angesichts seiner vielfältigen persönlichen Implikationen und des gesamten zeitlichen Ablaufes nicht glaubhaft erscheint. Dies begründet ein weiteres erhebliches Indiz für das Vorliegen des von der Klägerin behaupteten Erlasses der Kaufpreisforderung über 140.000,- Euro, den der Senat nach all dem mit dem Maßstab des § 286 ZPO für erwiesen erachtet und um die – unter Berücksichtigung der Anrechnungsregel des § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB vorliegend aber nur mit 5/10 dieses Betrages, d.h. 70.000,- Euro – der Nachlasswert, aus dem der Pflichtteil der Klägerin zu berechnen ist, zu erhöhen ist.

c)

Den – hilfsweise erhobenen – Einwand des Beklagten, es habe sich bei dem behaupteten Erlass der Kaufpreisforderung, seine Vereinbarung als gegeben unterstellt, jedenfalls um eine belohnende Schenkung gehandelt, hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen für unbegründet erachtet.

aa)

Gemäß § 2330 BGB finden die Vorschriften der §§ 2325 bis 2329 BGB keine Anwendung auf Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Für die Frage, ob eine belohnende Schenkung, die auf Kosten des Pflichtteilsberechtigten geht, sittlich geboten ist, kommt es nicht allein auf Gründe für die Dankbarkeit des Schenkers an, sondern wesentlich auch darauf, ob Gesichtspunkte der Versorgung des Beschenkten, etwa eine Notlage infolge der für den Schenker erbrachten Leistungen, das Ausbleiben einer solchen Belohnung als sittlich anstößig erscheinen ließe (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2006 – IV ZR 72/05, FamRZ 2006, 1186). Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass für solche besonderen Umstände hier schon nichts Ausreichendes dargelegt wurde und insbesondere der Vortrag des Beklagten, eine entsprechende Verfügung der Erblasserin sei allein durch die persönlichen Beziehungen zur Erwerberin motiviert gewesen, die als „langjährige Lebensgefährtin“ des Beklagten und künftige „Schwiegertochter“ ständig, sich über mehr als fünf Jahre erstreckend Hilfsleistungen für die Erblasserin – wie Besorgungen im persönlichen Bereich und Behördenbereich, Buchhaltungsarbeiten und Steuererklärungen – erbracht habe, diese Annahme nicht trägt. Eine sittliche Verpflichtung zur Belohnung derartiger Hilfeleistungen wird im allgemeinen nur angenommen werden können, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Ausbleiben einer solchen Belohnung als sittlich anstößig erscheinen lassen, etwa weil der die Pflegeleistungen Erbringende schwerwiegende persönliche Opfer bringt und deswegen in eine Notlage gerät (BGH, Urteil vom 9. April 1986 – IVa ZR 125/84, NJW 1986, 1926). Dies ist erwogen worden in einem Fall, in dem die Erblasserin etwa 30 Jahre hindurch versorgt und gepflegt worden sein soll, möglicherweise auch insoweit, als für die Instandhaltung und Renovierung des Hauses der Erblasserin Aufwendungen gemacht wurden (BGH, Urteil vom 26. April 1978 – IV ZR 26/77, WM 1978, 905). Solches ist hier nicht ersichtlich.

bb)

Vergeblich rügt der Beklagte in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Landgericht mit der Begründung, dieses hätte ihn gemäß § 139 Abs. 1 ZPO im Rahmen der materiellen Prozessleitung auf die aus seiner Sicht unzureichende Darlegung der Voraussetzungen einer belohnenden Schenkung hinweisen müssen. Davon abgesehen, dass das Landgericht den diesbezüglichen Vortrag des Beklagten – unbeschadet des missverständlichen Hinweises auf dessen fehlende Konkretisierung – erkennbar nicht (lediglich) als unsubstantiiert, sondern – richtigerweise – als rechtlich unerheblich behandelt hat, könnte die Rüge, das Erstgericht habe Hinweispflichten verletzt, ohnehin nur dann Erfolg haben, wenn – wie hier nicht – gleichzeitig ausgeführt wird, wie die betreffende Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen und welche rechtlichen Ausführungen sie in diesem Fall gemacht hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2008 – I ZB 72/07, GRUR 2008, 1126). Der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 – VII ZR 45/87, NJW-RR 1988, 208; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung 32. Aufl., § 139 ZPO Rn. 20). Daran fehlt es, nachdem der Beklagte sich auch im Rahmen des Berufungsverfahrens darauf beschränkt, seine früheren Behauptungen zu den „engen persönlichen Beziehungen“ von Erblasserin und Erwerberin zu wiederholen, diese jedoch, wie auch im Senatstermin eingehend erörtert, zur Darlegung der Voraussetzungen einer belohnenden Schenkung in jeder Hinsicht ungeeignet sind.

d)

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte, der nach unwidersprochener Darlegung der Klägerin mit Schreiben vom 6. und 23. Mai 2014 unter Fristsetzung auf den 20. Mai 2014 aufgefordert worden war, den Pflichtteilsanspruch anzuerkennen und zur Anweisung zu bringen, und dies unter den gegebenen Umständen als Mahnung bezüglich des gesamten Zahlungsanspruchs der Klägerin auffassen musste (§ 133, 157 BGB), befand sich spätestens mit Ablauf dieser Frist in Höhe des berechtigten Anspruchs der Klägerin im Verzug (§ 286 BGB).

3.

Soweit das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung eines weiteren Pflichtteilsbetrages in Höhe von 3.653,50 Euro verurteilt hat, ist gegen diese Entscheidung ebenso wenig ein Rechtsmittel eingelegt worden wie hinsichtlich der hieraus zugesprochenen Verzugszinsen. Deshalb war darüber im vorliegenden Berufungsverfahren nicht mehr zu befinden.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Wertfestsetzung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 3, 4 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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