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Pflichtteilsergänzungsanspruch – Feststellungsklage des Pflichtteilsberechtigten gegen Dritten

AG Bielefeld – Az.: 409 C 30/18 – Urteil vom 17.05.2019

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von bis zu 5.000 EUR zu zahlen,

– soweit die Alleinerbin des am 04.07.2016 verstorbenen Erblassers M. T., zuletzt wohnhaft in Bielefeld, nämlich Frau N. T., gegenüber der Klägerin zu einer Befriedigung eines etwaigen Anspruchs auf Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist und

– soweit keine weiteren Beschenkten iSd. § 2329 Abs. 3 BGB vorrangig oder anteilig gleichrangig verpflichtet sind.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung iHv. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit iHv. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf bis zu 2.750 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrte zunächst auch die Auskunft über Zuwendungen des Erblassers, und nach Erteilung der Auskunft noch die Feststellung der Zahlungsverpflichtung des Beklagten, soweit die Alleinerbin zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist.

Der Erblasser Herr M. T. verstarb am 04.07.2016. Seine testamentarische Alleinerbin ist die Ehefrau des Erblassers, Frau N. T. Die Klägerin sowie die Frau L. O. sind Abkömmlinge des Erblassers. Der Beklagte ist der Sohn der Frau L. O.

Die Klägerin verfolgt vor dem Landgericht Bielefeld eine Stufenklage gegen die Alleinerbin N. T. hinsichtlich ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Die Alleinerbin erteilte ein notarielles Nachlassverzeichnis vom 18.08.2017 (Anlage B1, Bl. 17 ff). Hier findet sich u.a. eine schenkungsweise Zuwendung von dem gemeinsamen Konto der Eheleute T. an den Beklagten iHv. 10.000 EUR vom 24.04.2016. Unstreitig handelt es sich hierbei um eine schenkungsweise Zuwendung des Erblassers iHv. 5.000 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten des Nachlassverzeichnisses wird Bezug genommen auf die Anlage B1 (Bl. 17 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 19.04.2018 ließ die Klägerin den Beklagten auffordern, über etwaige Schenkungen und sonstige unentgeltliche Zuwendungen Auskunft zu erteilen binnen 6 Wochen.

Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 16.05.2018 (K2, Bl. 8) mit, dass er eine Schenkung iHd. o.g. 5.000 EUR von dem Großvater erhalten habe. Ferner habe er in den letzten 10 Jahren „lediglich Anstandsgeschenke zu üblichen Anlässen wie z.B. Geburtstagen, Weihnachten oder Ostern“ erhalten. Über Schokoladeneier, Osterhasen, Literatur u.Ä. führe er kein Buch. Weitere Schenkungen oder unentgeltliche Leistungen habe er innerhalb der letzten 10 Jahre nicht erhalten.

Die Klägerin hat vorliegend neben dem Feststellungsantrag zunächst auch – iRe Stufenklage – beantragt, den Beklagten zu verurteilen, u.a. ohne zeitliche Begrenzung Auskunft zu erteilen über sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen. Für den Fall, dass die Auskunft nicht mit der nötigen Sorgfalt erteilt werden sollte, hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen.

Die Klägerin behauptet, es habe Anlass gegeben, zu vermuten, dass Zuwendungen an den Beklagten gemacht worden seien. Dies ergebe sich aus den Angaben der Alleinerbin.

Die vorgerichtlichen Auskünfte seien unvollständig gewesen. Es sei nicht ersichtlich und werde bestritten, dass der Beklagte unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, Erkenntnisse zu gewinnen, keine weiteren Angaben habe machen können. Es sei auch nicht verständlich, was mit „Anstandsschenkungen“ gemeint sei bzw. was der Beklagte hierunter verstehe. Selbiges gelte für die Geschenke zu „üblichen Anlässen“. Die Aufzählung des Beklagten sei nur beispielhaft. Es würden keine Zeitpunkte benannt. Es sei auch nur Auskunft erteilt worden über Zuwendungen der letzten 10 Jahre.

Es bestünde auch Anlass zur Befürchtung, dass die Erbin nicht verpflichtet sei, sodass nicht auszuschließen sei, dass der Beklagte hafte. Das Gegenteil werde mit Nichtwissen bestritten. Das Nachlassverzeichnis der Alleinerbin sei unzureichend. Auch könnten Auskünfte der Erbin nicht den Auskunftsanspruch gegen den Beklagten tangieren.

Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem Zweck der Verjährungshemmung. Auch solle die verschärfte Haftung eintreten; die Möglichkeit der Einrede des § 818 III BGB solle ausgeschlossen werden.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2018, und mit Auflistung vom 19.11.2018 (Bl. 59 d.A.) erteilte der Beklagte weitere Auskünfte. Anschließend haben die Parteien den Rechtsstreit zum Teil übereinstimmend für erledigt erklärt.

Nunmehr beantragt die Klägerin, festzustellen, dass soweit die Alleinerbin Frau N. T. des Erblassers M. T., zur Ergänzung des Pflichtteils nicht zur Zahlung eines Betrages iHv. 5.000 EUR an die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin den fehlenden Betrag von bis zu 5.000 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Auskünfte seien bereits vorprozessual erteilt mit – hier nicht vorgelegten – Schreiben der Erbin vom 29.08.2016, 11.01.2017, mit dem Verzeichnis der Alleinerbin vom 18.08.2017 und der – hier nicht vorgelegten – ergänzenden Eigenurkunde vom 30.10.2017.

Der Beklagte selbst habe Auskunft erteilt mit dem Schreiben vom 16.05.2018. Eine Ergänzung habe nicht verlangt werden können.

Es sei aus der Luft gegriffen, anzunehmen, der Beklagte habe noch weitere Zuwendungen erhalten.

Der Beklagte hafte subsidiär. Hier bestehe zudem nicht der geringste Anlass zu befürchten, dass die Erbin nicht verpflichtet sei, die Ergänzung des Pflichtteils vorzunehmen.

Auch habe die Erbin bereits Zahlungen an die Klägerin geleistet, was unstreitig ist.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist örtlich zuständig gemäß § 27 I ZPO.

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Das Feststellungsinteresse folgt aus dem Interesse, die Verjährung zu hemmen bis zur Klärung der Ansprüche gegen die Erbin (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 445; LG Paderborn, BeckRS 2011, 24446; BeckOGK/A. Schindler, BGB § 2329 Rn. 136).

Jedenfalls solange der Rechtsstreit gegen die Alleinerbin nicht rechtskräftig entschieden ist, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Erbin nicht einstandspflichtig ist (vgl. OLG Düsseldorf, aaO). In dem dortigen Verfahren wird von der hiesigen Klägerin insbesondere eingewandt, die Auskünfte seien durch die Erbin nicht ausreichend erteilt worden. Es seien u.a. noch nicht alle Kreditinstitute kontaktiert worden. Es kommen vielfältige Gründe für den Haftungsausfall der Alleinerbin in Betracht, etwa auch das Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328 BGB (Palandt, 77. Auflage. § 2329, Rn. 2).

Unzulässig mag ferner ein bedingter Klageantrag sein, abgesehen etwa von dem Fall der innerprozessualen Bedingung. Vorliegend ist aber nicht der Antrag, sondern allenfalls der geltend gemacht Anspruch bedingt.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung der bedingten Einstandspflicht bis zu einem Betrag iHv. 5.000 EUR gemäß 2329 I S. 1 BGB.

Die Klägerin ist als enterbte Tochter pflichtteilsberechtigt, § 2303 I S. 1 BGB und grds. pflichtteilsergänzungsberechtigt (§ 2325 BGB).

Der Anspruch gegen den Beklagten ist zwar subsidiär gegenüber der Haftung des Erben. Dies berücksichtigt aber die im Feststellungsantrag enthaltene Bedingung.

Auch muss für dieses Verfahren offen bleiben, ob, und in welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht und in welcher Höhe der Beklagte – ggfls. neben anderen Beschenkten für den Fehlbetrag einzustehen hat gemäß § 2329 BGB. Erst nach Abschluss des Rechtsstreits der Klägerin gegen die Alleinerbin kann festgestellt werden, ob grds., und in welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht, und ob die Alleinerbin hierfür gleichwohl nicht einzustehen hat. Denn für einen Anspruch gegen den Beklagten muss ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben grds. bestehen, wenn auch der (volle) Pflichtteil von diesem nicht zu erlangen ist, da er sich auf Haftungsbeschränkungen gemäß §§ 1975, 1990 BGB oder gemäß § 2060 BGB, oder auch auf § 2328 BGB beruft. Es muss also trotz etwaigen Ausfalls der Haftung des Erben durch die Hinzurechnung der Schenkungen insbesondere fiktiv ein Aktivnachlass vorhanden sein, da andernfalls ein Ergänzungsanspruch nicht bestünde (MüKo BGB, 7. Auflage, § 2329, Rn. 7 aE).

Erst wenn alle Informationen vorliegen, kann auch über die Höhe des Anspruchs gegen den Beklagten entschieden werden. Gleiches gilt für die Einschränkung gemäß § 2329 Abs. 3 BGB. Die Klägerin legt dar, dass die Auskünfte der Alleinerbin noch unvollständig seien, insbesondere hinsichtlich der Schenkungen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass weitere – vorrangige weil zeitliche spätere – Schenkungen an weitere Personen erfolgt sind. Auch kommt eine nur anteilige Haftung des Beklagten für einen Fehlbetrag hinsichtlich der Pflichtteilsergänzung in Betracht, da zumindest ausweislich des Nachlassverzeichnisses der Erbin vom 18.08.2017 unter C. I. eine zeitgleiche Schenkung iHv. 10.000 EUR an die Mutter des Beklagten erfolgte. Bei gleichzeitigen Schenkungen haften die Beschenkten nach h.M. anteilig im Verhältnis ihrer Schenkungsbeträge (Palandt, 77. Auflage, § 2329, Rn. 7). Dies schließt eine Haftung des Beklagten bis zu einem Betrag iHv. 5.000 EUR andererseits aber auch nicht automatisch aus – je nach Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Die Einschränkung des § 2329 Abs. 3 BGB war in den Tenor aufzunehmen. Die Unwägbarkeiten lagen dem Klageantrag stillschweigend zugrunde; jedenfalls war die Einschränkung als Minus im Klageantrag enthalten.

Der Beklagte ist auch Beschenkter iSd. § 2329 I BGB. Unstreitig hat der Beklagte ein Geldgeschenk iHv. 5.000 EUR von dem Erblasser erhalten.

Grundsätzlich geht der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung. Im Falle eines Geldgeschenks ist der Anspruch aber auf Zahlung gerichtet (MüKo BGB, 7. Auflage, § 2329, Rn. 14), sodass hier auch die Zahlungsverpflichtung festgestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 I, 91a I ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben nach ergänzender Auskunftserteilung durch den Beklagten, waren diesem die Kosten aufzuerlegen. Der Beklagte wäre voraussichtlich unterlegen, und mithin zur Erteilung weiterer Auskünfte verpflichtet gewesen. Zwar ist der Auskunftsanspruch grds. nicht zu ergänzen, auch wenn eine inhaltliche Lückenhaftigkeit der Auskünfte besteht. Anders ist es aber, wenn die Auskunft lückenhaft ist dergestalt, dass in sachlicher oder zeitlicher Sicht über Teile des Auskunftsgegenstandes überhaupt keine Auskunft erteilt worden ist (MüKo BGB, 7. Auflage, § 260, Rn. 44). So lag es nach Ansicht des Gerichts hier. Der Beklagte war trotz der Reglung des § 2325 Abs. 3 BGB verpflichtet, über einen Zeitraum von 10 Jahren hinaus Auskunft zu erteilen. Denn es sind Konstellationen denkbar, in denen auch Zuwendungen einzubeziehen sind, die mehr als 10 Jahre zurückliegen bzw. bei denen der Fristbeginn später anzusetzen ist (Palandt, 77. Auflage, § 2325, Rn. 26; MüKo BGB, § 2314, Rn. 7). Jedoch hat der Beklagte vorprozessual lediglich Auskunft über die vergangenen 10 Jahre erteilt, was in dieser Form nicht ausreichend war. Ferner waren die Angaben insbesondere zu den Anstandsschenkungen vage. Aber auch bzgl. dieser war der Beklagte auskunftspflichtig in der Form, dass die Klägerin in die Lage versetzt gewesen wäre, selbst zu beurteilen, ob es sich tatsächlich um Anstandsschenkungen handelt (Palandt, § 2330, Rn. 1; MüKo BGB, § 2314, Rn. 7). Aus den – überwiegend unbekannten – Angaben der testamentarischen Erbin folgt nach Ansicht des Gerichts nichts anderes. In dem Verzeichnis vom 18.08.2017 waren etwa die Anstandsschenkungen nicht ersichtlich. Ferner hat auch die Erbin unter Ziffer C. I. lediglich Angaben zu den Schenkungen der letzten 10 Jahre gemacht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Der Wert für den Feststellungsantrag war auf 2.000 EUR festzusetzen. Für einen unbedingten Feststellungsantrag über die Verpflichtung zur Zahlung von 5.000 EUR wäre ein Anteil von 80 % = 4.000 EUR anzusetzen gewesen. Da der Antrag bedingt ist, und der Bedingungseintritt ungewiss ist, hat das Gericht hier einen Abschlag von 50 % angenommen. Für den – zwischenzeitlich erledigten – Auskunftsanspruch hat das Gericht weitere 750 EUR angesetzt. Maßgeblich ist ein Bruchteil von 1/10 – ¼ des Anspruchs, dessen Geltendmachung vorbereitet werden soll (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, BGB § 259 Rn. 49).

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