LG Kaiserslautern – Az.: 3 O 133/18 – Urteil vom 04.09.2018
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.987,22 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 38 % und der Beklagte 62 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt einen Pflichtteil- und Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Die Parteien sind Geschwister. Der Beklagte ist Alleinerbe der am 28. April 2015 verstorbenen Mutter der Parteien, Frau H. H. (nachfolgend: Erblasserin). Neben den Parteien des Rechtsstreits gibt es drei weitere Kinder der Erblasserin.
Der Wert des Nachlasses ist im Wesentlichen unstreitig. Die Aktiva bestehen aus einem Erbbaurecht an einer Hof- und Gebäudefläche in K. zu einem Wert am Todestag von 75.000,00 Euro, einem Sparkonto zu einem Wert von 1,28 Euro sowie einem Girokonto bei der T-Bank. Der Beklagte behauptet hierzu unter Bezugnahme auf den Kontoauszug gemäß Bl. 142 d.A. einen Wert am Todestag von -1,92 Euro; die Klägerin legt hierzu wegen nach ihrer Ansicht nach für den Nachlass relevanten Zu- und Abrechnungen zu diesem Konto den Kontostand vom 30.04.2015 in Höhe von 1.797,94 Euro (vgl. Bl. 178 d.A.) zugrunde.
Die Passiva des Nachlasses betragen insgesamt 5.127,21 Euro (Bestattungskosten: 2.514,00 Euro, Landesjustizkasse: 100,00 Euro; Dr. M. 76,56 Euro; Gutachten U. 1.190,00 Euro; Kosten für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses: 646,65 Euro; Kosten für die Anforderung von Kontoauszügen: 600,00 Euro).
Das zu dem Erbbaurecht gehörende Haus verfügt über eine Wohnfläche von insgesamt etwa 70 Quadratmetern. Zu Einzelheiten der Raumaufteilung wird auf die Grundrisszeichnungen (Anlage 11, Bl. 108 f. d.A.) verwiesen. Die Erblasserin hatte das Haus zunächst mit ihrem Enkel M. H. bewohnt. Der M. H. ist der Neffe der Klägerin. Herr H. zog später auf Bitten der Erblasserin aus dem Haus aus. Einzelheiten stehen im Streit.
Nachfolgend – seit April 2011 – bewohnte die Erblasserin bis zu ihrem Tod unter im einzelnen streitigen Umständen das Anwesen ebenso wie der Beklagte und dessen Ehefrau. Die Klägerin behauptet, die Erblasserin sei von dem Beklagten und dessen Ehefrau lediglich auf ein Zimmer im Obergeschoss und das Bad im Keller verwiesen worden, der Beklagte behauptet, er habe mit seiner Frau im Wohnzimmer schlafen müssen und habe nur Zutritt zur gemeinsamen Küche, Bad und Toilette gehabt. Mietzahlungen o.ä. erbrachten der Beklagten und seine Ehefrau an die Erblasserin nicht.
Die Erblasserin hatte dem Beklagten ebenso wie dessen Ehefrau eine notarielle Vorsorgevollmacht mit Betreuungs- und Patientenverfügung erteilt. Zu den Einzelheiten wird auf die Urkunde vom 17.06.2010 (Bl. 134 bis 141 d.A.) verwiesen.
Von dem Girokonto der Erblasserin bei der T-Bank wurden am 06.11.2012 ein Betrag von 6.000,00 Euro, am 29.02.2012 ein Betrag von 3.000,00 Euro und am 14.06.2013 ein Betrag von 5.395,95 Euro abgehoben. Die Umstände sind streitig. Die Klägerin trägt vor, für die Abhebungen, die die üblicherweise von dem Konto der Erblasserin für die normale Lebensführung abgehenden Beträge deutlich überstiegen, habe die Erblasserin offensichtlich keine äquivalente Gegenleistung erhalten; es liege eine unentgeltliche Zuwendung an einen Dritten, wahrscheinlich den Beklagten vor. Der Beklagte trägt vor, die Beträge seien von der Erblasserin oder Frau G. abgehoben und schlicht und einfach verbraucht worden.
Nach dem Tod der Erblasserin zahlte die T.-Lebensversicherung aus einer von der Erblasserin dort unterhaltenen Lebensversicherung einen Betrag von 6.514,71 Euro an den Bezugsberechtigten M. H. aus; der Rückkaufswert zum Todestag betrug 4.043,71 Euro.
Zudem erhielt die Klägerin nach dem Tod der Erblasserin von der G.-Lebensversicherung aus einem weiteren Lebensversicherungsvertrag der Erblasserin als Bezugsberechtigte einen Betrag von 6.033,65 Euro. Nach dem – von dem Beklagten bestrittenen – Vortrag habe die Klägerin diesen Betrag entsprechend der Bestätigung des M. H. vom 01.09.2017 (Anlage 8, Bl. 75 d.A.) im Mai 2014 aufgrund einer mündlichen Abrede zwischen der Erblasserin und Herrn H. an Herrn H. weitergeleitet; die Erblasserin habe Herrn H. diesen Betrag als Entschädigung für den Auszug aus dem zunächst mit ihr, der Erblasserin, bewohnten Anwesen versprochen.
Die Klägerin macht mit der Klage im wesentlichen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Sie trägt hierzu vor, ihr stehe insgesamt ein Betrag von zuletzt 11.332,76 Euro zu, zu dem sie wie folgt vorträgt:
Ausgehend von einem Nachlasswert von 71.671,81 Euro – vgl. die Berechnung auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 15.09.2018 (Bl. 197 d.A.) betrage der reine Pflichtteil bei einer Quote von einem Zehntel 7.167,18 Euro.
Hinsichtlich der Auszahlung des Lebensversicherungsbetrages durch die T-Bank an Herrn M. H. sei der Rückkaufswert von 4.043,71 als ergänzungspflichtige Schenkung zu berücksichtigen und durch den Beklagten zu einem Zehntel auszugleichen (Bl. 179 d.A.). Die ferner an Herrn H. vollzogene Schenkung des Betrages von 6.033,65 Euro sei in gesamter Höhe zu berücksichtigen und durch den Beklagten zu einem Zehntel auszugleichen (Bl. 179 d.A., Bl. 198 f. d.A.).
Die Abhebungen vom Girokonto der T-Bank stellten ergänzungspflichtige Schenkungen dar. Angesichts des Zeitablaufs seien die Abhebungen aus dem Jahr 2012 (6.000,00 Euro und 3.000,00 Euro) mit 80 % und somit in Höhe von insgesamt 7.200,00 Euro und die Abhebung aus dem Jahr 2013 (5.593,95 Euro) mit 90 % und damit in Höhe von 5.034,55 Euro zu berücksichtigen. Von den zu berücksichtigen Beträgen stehe der Klägerin entsprechend ihres Pflichtteils ein Anteil von jeweils einem Zehntel zu (vgl. Bl. 179 f. d.A.).
Zudem müsse der Beklagte das mietfreie Wohnen in dem zu dem Erbbraurecht gehörenden Anwesen ausgleichen. Ausgehend von dem – unstreitigen – monatlichen Mietwert für die 70 Quadratmeter Wohnfläche des Hauses und einer der Erblasserin zu Verfügung stehenden Wohnfläche von acht Quadratmetern sei für die von dem Beklagten angesetzte Nutzung ein Wert von 403,00 Euro anzusetzen (455,00 Euro x 62qm / 70qm). Für den Zeitraum April 2011 bis Ende 2015 ergebe sich daher ein auszugleichender Gesamtbetrag von 19.344,00 Euro, den der Beklagte zu einem Zehntel auszugleichen habe. Jedenfalls sei das mietfreie Wohnen als Ausstattung zu dieser Quote pflichtteilserhöhend (vgl. Bl. 181 f. d.A.).
Zu den Einzelheiten der Berechnung der Klägerin wird zudem auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 14.08.2018 (Seite 8 f., Bl. 184 f. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt nach mehrmaliger Klageumstellung zuletzt in der mündlichen Verhandlung (Bl. 190 d.A.),
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.332,76 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 2303 Abs. 1, § 2311 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB Pflichtteilsanspruch in Höhe von insgesamt 6.987,22 Euro. Hierzu gilt im Einzelnen das Folgende:
1. Der Pflichtteilsanspruch besteht in Höhe von 6.987,22 Euro.
a) Die Kammer legt dabei einen Nachlasswert von 69.872,15 Euro zugrunde.
Dieser berechnet sich aus einem Gesamtaktivawert von 75.001,28 Euro (Wert des Erbbaurechts: 75.000,00 Euro zzgl. Sparguthaben: 1,28 Euro) und den unstreitigen Passivpositionen in Höhe von 5.127,21 Euro.
Als weitere Passivposition ist der Kontostand des Girokontos bei der T-Bank in Höhe von -1,92 Euro zu berücksichtigen. Dieser ergibt sich aus dem inhaltlich von der Klägerin nicht angegriffenen Kontoauszug Bl. 142 d.A. Gründe dafür, den Kontostand zum 30.04.2015 in Höhe von 1.779,74 Euro zugrunde zu legen, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, mit der Vorlage der Monatsübersicht Bl. 142 d.A. sei erkenntlich, dass Zu- und Abrechnungen zu diesem Konto durchaus für den Nachlass Relevanz seien, diese Beträge seien durch den Beklagten bisher nicht erklärt worden, die genaue Höhe der Zu- und Abrechnungen könne aber von ihr, der Klägerin, nicht erbracht werden, die entsprechenden Unterlagen befänden sich beim Beklagten, ist diese ohne Bedeutung. Denn bei der Bestimmung des Kontostandes kommt es auf den Todestag an, nicht auf weitere Kontobewegungen. Daher ist auch dem Antrag der Klägerin (a.a.O.), dem Beklagten gemäß § 420 ZPO aufzugeben, dass er die weiteren Unterlagen, insbesondere Monatsübersichten des Kontos T-Bank, vorlegt, nicht zu entsprechen; unabhängig davon, dass der Antrag den Anforderungen des § 424 ZPO nicht gerecht wird.
Der Gesamtwert des Nachlasses beträgt mithin 69.872,15 Euro (75.001,28 Euro abzgl. 5.127,21 Euro abzgl. 1,92 Euro).
b) Der der Klägerin zustehende Pflichtteil bestimmt sich aus einem Zehntel dieser Summe und mithin in Höhe von 6.987,22 Euro.
2. Ein darüber hinaus bestehender Pflichtteilergänzungsanspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB steht der Klägerin nicht zu.
a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder gemäß § 2325 Abs. 1 BGB noch aus einem anderen Rechtsgrund einen Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils aufgrund der Abhebungen von dem Girokonto der T-Bank aus den Jahren 2012 und 2013 in Höhe von 6.000,00 Euro, 3.000,00 Euro und 5.593,95 Euro.
Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, dass es sich bei diesen Abhebungen um Schenken an Dritte oder beispielsweise an den Beklagten gehandelt habe. Im Übrigen hat der Beklagte den Vortrag bestritten und die Klägerin hat für ihre Behauptungen keinen Beweis angeboten. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass diese Abhebungen auch nach der Auffassung des das Nachlassverzeichnis aufstellenden Notars Dietrich insoweit Barauszahlungen vorliegen, die über den üblichen Abhebungen für Mittel des gewöhnlichen Lebensunterhaltes liegen. Die Verwendung dieser abgehobenen Gelder bleibt aber nach dem Vortrag der Klägerin offen. Die Kammer schließt auch nicht aus dem Umstand, dass Abhebungen von Geldbeträgen vorliegen, die über den üblichen Abhebungen für Mittel des gewöhnlichen Lebensunterhaltes liegen darauf, dass alleine Schenkungen der Erblasserin an dritte Personen in Betracht kommen. Dies ist letztlich genauso möglich wie ein eigenständiges Verbrauchen der Geldbeträge durch die Erblasserin.
b) Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch weder gemäß § 2325 BGB noch gemäß § 2316 Abs. 3, § 2050 Abs. 1, § 1624 BGB noch aus einem anderen Rechtsgrund einen Zahlungsanspruch wegen des mietfreien Wohnens des Beklagten und seiner Frau im Anwesen der Erblasserin. Hierzu gilt im Einzelnen das Folgende:
aa) Der Anspruch besteht nicht als Pflichtteilergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB.
(1) Es liegt bereits keine Schenkung im Sinne dieser Vorschrift vor. Eine solche setzt eine Minderung des Erblasservermögens durch rechtsgültige Schenkungen des Erblassers voraus (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O. § 2325 Rn 7). Solches ist bei der hier gegebenen (bloßen) Gebrauchsüberlassung von Wohnraum nicht der Fall. Die Kammer übersieht nicht, dass auch die Bestellung eines lebenslangen, unentgeltlichen Nießbrauchrechts an einem Wohngrundstück eine objektiv unentgeltliche Leistung und (damit) eine Schenkung darstellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.1995 – IV ZR 217/93, juris). Dieser Fall ist jedoch mit der hier in Rede stehenden Gebrauchsüberlassung, nicht vergleichbar. Dies gilt schon deswegen, weil die hier in Rede stehende Gebrauchsüberlassung von Wohnraum über diese Gebrauchsüberlassung nicht hinausgeht, wohingegen der Nießbrauch auch die Nutzung der Sache umfasst (§ 1030 Abs. 1 BGB).
(2) Selbst wenn eine ergänzungspflichtige Schenkung angenommen würde, bestünde kein Anspruch der Klägerin. Denn die Annahme einer hier in Rede stehenden ersparten Vergütung durch die Nichtzahlung von Miete setzt voraus, dass für derartige Leistungen üblicherweise eine Vergütung bezahlt wird. Dies ist auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin nicht der Fall.
Denn die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum an den Beklagten und seine Ehefrau betraf ein kleines Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 70 Quadratmetern. Nach dem Vortrag der Klägerin und den Grundrisszeichnungen bewohnte die Erblasserin ein nicht von dem übrigen Wohnraum im Dachgeschoss (vgl. Grundriss Bl. 145 d.A.) getrenntes Zimmer und musste zudem das Bad im Kellergeschoss nutzen, welches gleichfalls nicht von der übrigen Wohneinheit abgetrennt war; vielmehr musste die Erblasserin hiernach, um von ihrem Zimmer in das Bad zu gelangen, den Flur des Erdgeschosses nutzen, vorbei an der hiervon nicht baulich getrennten Küche (Grundriss Erdgeschoss, Bl. 146 d.A.). Unter diesen Bedingungen ist der von dem Beklagten und seiner Frau genutzte Wohnraum nicht vermietbar; für die entsprechende Gebrauchsüberlassung wird daher auch nicht üblicherweise eine Vergütung bezahlt. Die Vermietbarkeit von Wohnraum ist ganz wesentlich davon geprägt, dass der Mieter ein eigenes, separates, Dritten nicht zugängliches Zuhause nutzt. Dies schließt regelmäßig die Anmietung von Wohnraum aus, der – und sei es auch in dem hier in Rede stehenden Umfang – von einem Dritten, zumal dem Vermieter, mitgenutzt wird, aus. Es mag sein, dass solche Wohnverhältnisse angesichts der familiären Bindungen oder auch im Zusammenhang mit studentischen Wohngemeinschaften toleriert werden. Üblicherweise wird für solche Wohnverhältnisse jedoch keine Miete erbracht.
bb) Der Anspruch besteht auch nicht gemäß § 2316 Abs. 3, § 2050 Abs. 1, § 1624 BGB. Denn eine Ausstattung im Sinne der Vorschriften liegt in der Gebrauchsüberlassung des Wohnraums nicht vor, auch nicht – wie die Klägerin meint – deswegen, weil die Erblasserin dem im Haus wohnenden Enkel das Mietverhältnis, damit der Beklagte mit seiner Ehefrau das Haus im Wesentlichen unter Ausschluss der Erblasserin hätten nutzen können. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, begründete dies doch keine Zuwendung mit Rücksicht auf die Verheiratung des Beklagten oder zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung des Beklagten oder zur Erhaltung seiner Wirtschaft (§ 1624 Abs. 1 BGB).
c) Die Klägerin hat gegen den Beklagten zwar wegen der Auszahlung der Versicherungssumme aus der Lebensversicherung bei der T-Bank einen Pflichtteilergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB in Höhe von 404,37 €; dieser wird aber mit dem Eigengeschenk an die Klägerin nach § 2327 Abs. 1 BGB verrechnet.
aa) Die Klägerin hat gegen den Beklagten wegen der Auszahlung der Versicherungssumme aus der Lebensversicherung bei der T-Bank grundsätzlich einen Pflichtteilergänzungsanspruch in Höhe von 404,37 Euro.
Wendet der Erblasser – hier die Mutter der Parteien – die Todesfalleistung aus einem von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag einem Dritten – hier Herrn M. H. – zu, so berechnet sich der Pflichtteilergänzungsanspruch nach dem Wert, den der Erblasser durch eine Verwertung seiner Rechts aus dem Versicherungsvertrag zuletzt noch hätte realisieren können; in der Regel ist dies der Rückkaufswert (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2010 – IV ZR 73/08, VersR 2010, 895, juris, Rn. 7, 13). Nachdem hier hinsichtlich der Leistung der Targoversicherung an Herrn H. als Bezugsberechtigten eine Todesfallleistung aus dem Lebensversicherungsvertrag der Erblasserin vorliegt, ist der von dem Beklagten auszugleichende Betrag mit einem Zehntel des Rückkaufswertes von 4.043,71 Euro und dementsprechend mit 404,37 Euro zu bemessen.
bb) Dieser ist allerdings nach § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem Rückkaufwert der Lebensversicherung bei der Generali-Lebensversicherung auszugleichen.
(1) Bei der Auszahlung dieser Versicherungssumme in Höhe von 6.033,65 € handelt es sich um eine Schenkung an die Klägerin, da ihr unstreitig das Bezugsrecht zustand.
Ausgangspunkt hierfür ist, dass bei der Bestimmung des Bezugsrechts die Lebensversicherung zur Leistung an den Bezugsberechtigten verpflichtet wird, so dass die Versicherungssumme nicht in den Nachlass fällt (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl., § 1922 Rn 39). Die von der Klägerin vorgetragene Schenkung der Erblasserin an Herrn H. – ihre Wirksamkeit unterstellt – stellt das Bezugsrecht der Klägerin allerdings nicht in Frage. Denn nach den Ausführungen der Klägerin hatte die von ihr durchzuführende Auszahlung an Herrn H. gerade zur Voraussetzung, dass das Bezugsrecht für sie bestehen bleibt. Die von der Klägerin vorgetragene Schenkung an Herrn H. setzt also das Bestehen des Bezugsrechts und seine Umsetzung durch die Auszahlung an sie gerade voraus.
(2) Unabhängig davon ist die von der Klägerin vorgetragene Schenkung an Herrn H. ohne Bedeutung. Vielmehr verbleibt es bei der Bewertung des Sachverhalts bei dem der Klägerin zugewandten Lebensversicherungsvertrages.
Denn zum einen ist die von der Klägerin zwischen der Erblasserin und Herrn H. zugewandte Schenkungsabrede gemäß § 125 BGB nichtig, weil sie mündlich und nicht in der gemäß § 2301 Abs. 1, § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendigen notariellen Form erfolgte (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O. § 2301 Rn 6). Zum anderen führte auch die von der Klägerin behauptete Zahlung an Herrn H. durch sie auch nicht zur Heilung dieses Mangels, da der Vollzug der Schenkung nicht den Voraussetzungen des § 2301 Abs. 2 BGB entsprach. Denn hierfür genügt keine Leistungsbewirkung nach dem Tod des Schenkers; vielmehr muss der Schenker selbst noch zu seinen Lebzeiten seine Schenkung vollzogen habe. Hierzu bedarf es zwar keiner Erfüllung im Sinne von § 362 BGB, jedoch muss der Schenker noch zu Lebzeiten das Erforderliche für den Eintritt des Leistungserfolgs getan haben, um den Rechtserwerb des Empfängers ohne weitere Maßnahmen von selbst eintreten zu lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.1996 – 7 U 209/95, juris Rn 13; BGH Urteil vom 29.11.2011 – II ZR 306/09, juris Rn 27). Dies ist durch die behauptete (bloße) Beauftragung der Klägerin zur Auszahlung des Betrages nicht gegeben gewesen.
(3) Dementsprechend ist ein „weiteres Geschenk“ im Sinne des § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB an die pflichtteilsberechtigte Klägerin geflossen, was mit ihrem Pflichtteilergänzungsanspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB zu verrechnen ist (vgl. Schindler, in: Beck-Online BGB-Großkommentar, Müller-Engels, Stand: 01.06.2018, § 2327 Rn. 24). Hierbei muss das Gericht den Rückkaufwert der Generali-Lebensversicherung auch nicht mehr schätzen, weil der Wert, der zwischen 50 % und 60 % des Auszahlungswertes anzusetzen wäre, in jedem Fall über dem Pflichtteilergänzungsanspruch in Höhe von 404,37 € liegt.
3. Damit verbleibt es bei dem Pflichtteilsanspruch in Höhe von 6.987,22 €, der durch die ausgleichspflichtige Verrechnung aus § 2327 Abs. 1 BGB nicht berührt wird (Stürner, in: Jauering, BGB, 17. Auflage 2018, § 2327 Rn. 2).
4. Soweit die Klage keinen Erfolg hat, ist sie im Übrigen abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO.
III. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 11, § 711, § 709 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf bis zu 13.000 € (Gebührenwert) festgesetzt.
Die Klägerin hatte nach mehrmaligen Umstellen ihrer Anträge einen Antrag bis zu 11.457,43 € angekündigt und in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2018 zuletzt einen Antrag in Höhe von 11.332,76 € gestellt.