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Pflichtteilsergänzungsanspruch – unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 U 3/18 – Urteil vom 15.01.2019

1. … Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 11, vom 16. Januar 2018 (Az. 311 O 172/17) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, den Wert des Nachlasses durch Vorlage von Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zu ermitteln, und zwar hinsichtlich des Wertes

a) … des im Wohnungsgrundbuch von Hamburg- …, Blatt …, eingetragenen Wohnungseigentums, belegen im …, …Hamburg, auf den Todestag des Erblassers vom 02.01.2017,

b) … des im Wohnungsgrundbuch von Hamburg-. …, … Band …, Blatt…, eingetragenen Wohnungseigentums, belegen in der …, … Hamburg, auf den Todestag des Erblassers vom 02.01.2017.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. … Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung zur Wertermittlung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 Euro, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

5. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf € 8.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Wertermittlung bezüglich zweier Eigentumswohnungen.

Der Kläger ist der Sohn des am 02.01.2017 verstorbenen Notars Dr. (K. B…) …, … die Beklagte am … geboren. Mit notariell beurkundetem Testament vom 24.02.2016 (Anlage K1) setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin ein, ersatzweise seinen am 29.11.1981 geborenen Sohn (L. B… ), dessen Mutter die Beklagte ist.

Die Beklagte und der Erblasser heirateten 1991. Sie bewohnten damals eine im Alleineigentum des Erblassers stehende, 233 qm große Wohnung im … in Hamburg-Eppendorf. Spätestens im Jahr 2001 wurde der Erblasser zusammen mit der Beklagten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gleichen Teilen als Eigentümer an dem Grundstück … in … Hamburg-…l eingetragen, auf dem sie ein selbstgenutztes Eigenheim errichteten.

Mit Kaufvertrag vom 25.07.2008 (Anlage K7) erwarben die Beklagte und der Erblasser in weiterer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Eigentumswohnung in der … 55, 20251 Hamburg zum Preis vom € 145.000,00. Die Eintragung der Eheleute als Eigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgte am 17.09.2008 im Grundbuch (Anlage B1). Zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen sie ein Darlehen über € 125.000,00 auf, für welches die Gesellschafter zu gleichen Teilen hafteten. Zur Absicherung wurde eine Grundschuld im Grundbuch eingetragen (Anlage B3). Der restliche Kaufpreis wurde aus Eigenmitteln finanziert. Der monatliche Abtrag für Zinsen und Tilgung des Darlehens erfolgte vollständig mit den monatlichen Mieteinnahmen. Am 31.12.2015 valutierte das Darlehen noch mit € 114.656,14 (Anlage B2). Die Wohnung ist zu einem unter der ortsüblichen Miete liegenden Mietzins an den gemeinsamen Sohn der Beklagten und des Erblassers vermietet.

Mit weiterem Kaufvertrag vom 27.12.2011 (Anlage K5) erwarben die Beklagte und der Erblasser als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Namen “GbR B … “ … auf dem Grundstück …, … Hamburg eine damals noch zu erstellende Eigentumswohnung nebst Tiefgaragenstellplätzen zum Gesamtpreis vom € 3.375.000,00, der aufgrund von Mängeln auf den Betrag von € 3.224.739,51 reduziert worden war (Bl. 16 d.A., Anlage B9). Die Eintragung der GbR als Eigentümerin im Grundbuch (Anlage B6) erfolgte am 07.10.2016.

Die erste im Jahr 2013 an den Bauträger fällige Rate von € 1.012.500,00 für diese Wohnung wurde von dem Erblasser und der Beklagten durch ein zur Zwischenfinanzierung bei der Haspa aufgenommenes Darlehen erbracht. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Immobilie … in Höhe von € 3.200.000,00 wurde dann der Restkaufpreis beglichen und das Darlehen abgelöst. Nach Fertigstellung bezogen der Erblasser und die Beklagte diese Wohnung, in der die Beklagte weiterhin lebt.

Unter dem 11.09.2014 schlossen die Beklagte und ihr Ehemann eine notariell beglaubigte Vereinbarung (Anlage B5), in der sie unter anderem für die Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin der Eigentumswohnungen in der … und im … Weg waren, folgende Regelung trafen, die im Wesentlichen wortgleich auch schon in § 3 Abs. 3.1 des notariellen Kaufvertrags vom 27.12.2011 (Anlage K5) über die Wohnung … Weg enthalten war:

„Wir sind an den Gesellschaften jeweils zu gleichen Anteilen beteiligt […].

Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung; sie können jedoch vom verbleibenden Gesellschafter die uneingeschränkte Freistellung aus der (Mit-)Haftung für etwaige Verbindlichkeiten verlangen, die vom verstorbenen Gesellschafter zur Finanzierung des Erwerbs und der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens eingegangen wurden. Dieser wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beidseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart.“

Nach dem Tod des Erblassers wurde die Beklagte als Alleineigentümerin der beiden streitgegenständlichen Wohnungen im Grundbuch eingetragen.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Wertermittlung der beiden Immobilien durch Vorlage von Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Er trägt vor, die gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen seien von dem Erblasser und der Beklagten nur geschlossen worden, um Pflichtteilsansprüche des Klägers auszuschließen und seien deshalb unwirksam. Im Übrigen sei die Beklagte ohne eigenes Vermögen in die Beziehung mit dem Erblasser gegangen und habe während der Ehe aus eigenem Einkommen kein Vermögen aufgebaut. Die Hälfte des Hauses … sei der Beklagten schenkweise von dem Erblasser zugewendet worden. Der Erblasser sei außerdem zunächst 1991 an Hautkrebs erkrankt. Erst nach Erhalt dieser Diagnose habe er die Beklagte geheiratet, nachdem der gemeinsame Sohn ( L. ) bereits .. Jahre alt gewesen sei. Später sei noch ein Prostatakarzinom bei dem Erblasser festgestellt und operativ behandelt worden. Ende 2015/Anfang 2016 habe der Erblasser dann die Diagnose eines fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms erhalten, das letztlich zu seinem Tod geführt habe. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.12.2017 bot der Kläger erstinstanzlich Beweis für die Krankheitsgeschichte des Erblassers an.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.01.2018 (Bl. 88 d.A.) mit der Begründung abgewiesen, die beiden Grundstücke seien weder Teil des realen noch des fiktiven Nachlasses des Erblassers.

Mit der Berufung beantragt der Kläger, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16.01.2018, Az. 311 O 172/17 aufzuheben und die Beklagte nach dem Antrag erster Instanz zu verurteilen, den Wert des Nachlasses durch Vorlage von Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zu ermitteln und zwar hinsichtlich des Werts

a) … des im Wohnungsgrundbuch von Hamburg- …, … Blatt … eingetragenen Wohnungseigentums, belegen im …, 20149 Hamburg, auf den Todestag des Erblassers vom 02.01.2017 und auf den 07.10.2016,

b) … des im Wohnungsgrundbuch von Hamburg- …, Band ., Blatt …, eingetragene Wohnungseigentums, belegen in der …, …Hamburg, auf den Todestag des Erblassers vom … und auf den …

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Erwerb der Eigentumswohnungen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei erfolgt, weil sich der Erblasser und die Beklagte von Beginn ihrer Beziehung an als Wirtschaftsgemeinschaft verstanden hätten und die Beklagte aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung der Eheleute ihre überwiegende Arbeitskraft in die Errichtung, Verwaltung und vor allen Dingen Wertsteigerung der sich im Vermögen der Eheleute befindlichen Immobilien stecken sollte. Das gewählte gesellschaftsrechtliche Konstrukt habe der Vorstellung der Eheleute gedient, die in der jeweiligen Gesellschaft geschaffenen Werte dem jeweils anderen Gesellschafter zu sichern. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass dem Kläger der Wertermittlungsanspruch nicht zustehe, weil der zu bewertende Gegenstand nicht Teil des tatsächlichen oder fiktiven Nachlasses sei. Selbst wenn dem Kläger ein Wertermittlungsanspruch zustünde, seien nicht die Immobilien selbst zu bewerten, sondern allenfalls der Gesellschaftsanteil, für den andere Bewertungsmaßstäbe anzuwenden seien.

Zum Parteivortrag im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt sämtlicher gewechselter Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Aufgrund der Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin im Testament des Erblassers vom 24.02.2016 (Anlage K1) ist der Kläger gemäß § 2303 BGB pflichtteilsberechtigt und kann gegenüber der Beklagten Wertermittlungsansprüche gemäß § 2314 BGB geltend machen. Dem Kläger steht der Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB hinsichtlich der beiden Immobilien zumindest für den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu, weil er einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat, für dessen Bezifferung der Wert der beiden streitgegenständlichen Immobilien von Bedeutung ist.

1.

Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, fallen die beiden Eigentumswohnungen nicht in den tatsächlichen Nachlass des Erblassers. Sie standen bis zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht in seinem Eigentum, sondern jeweils im Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Beklagte und der Erblasser haben die beiden Eigentumswohnungen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben und mit der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung vom 11.09.2014 (Anlage B5) bestimmt, dass mit dem Tod eines Gesellschafters die jeweilige Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst wird und der Anteil des verstorbenen Gesellschafters dem Überlebenden anwächst. Damit war der jeweilige hälftige Gesellschaftsanteil des Erblassers mit seinem Tod der Beklagten angewachsen. Es konnte mithin nur noch der Abfindungsanspruch des Erblassers nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB in den Nachlass fallen, der aber durch die beiden Vereinbarungen jeweils ausgeschlossen war.

Diese von der Beklagten und dem Erblasser getroffene Vereinbarung ist wirksam. Die Vorschrift des § 738 Abs. 1 S. 2 BGB, die dem ausscheidenden Gesellschafter gegen die verbleibenden Gesellschafter einen Abfindungsanspruch gibt, ist dispositiv, weshalb die Beklagte und der Erblasser grundsätzlich hiervon abweichende Vereinbarungen treffen konnten. Es wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum grundsätzlich als zulässig anerkannt, dass im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes eines Gesellschafters ein Abfindungsanspruch für die Erben des verstorbenen Gesellschafters ausgeschlossen wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1956 – II ZR 222/55 -, BGHZ 22, 186-197, Rn. 20 BGH, Urteil vom 14. Juli 1971, III ZR 91/70 Rn. 20, juris, jeweils m.w.N.).

Die getroffene Vereinbarung ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig. Der Kläger behauptet zwar, die Beklagte und der Erblasser hätten die Vereinbarung lediglich getroffen, um sein Pflichtteilsrecht zu reduzieren. Selbst wenn diese Absicht vorgelegen hätte, reicht dies nicht für die Annahme der Sittenwidrigkeit, weil über den Ausschluss des gesetzlichen Erbanspruchs hinaus weitere besonders schwerwiegende Umstände hinzukommen müssten, damit die von dem Erblasser und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen im Widerspruch zu dem Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden stehen und so die Sittenwidrigkeit begründen. Solche Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Kläger über das Pflichtteilsrecht ausreichend geschützt ist.

2.

Der Wertermittlungsanspruch des § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB umfasst neben dem tatsächlichen jedoch auch den fiktiven Nachlass und damit die vom Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB erfassten ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers (vgl. BGH, Urteil vom 09. November 1983 – IVa ZR 151/82 -, BGHZ 89, 24-33, Rn. 8 juris). Während der BGH ein schutzwürdiges Interesse des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft über den fiktiven Nachlass schon dann annimmt, wenn greifbare Anhaltspunkte für eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegen, reicht ein derartiger begründeter Verdacht hingegen nicht aus, um einen hiervon zu unterscheidenden selbständigen Wertermittlungsanspruch durch einen Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 09.11.1983 – IVa ZR 151/82 – Rn. 11 juris MünchKomm/Lange Rn 21). Ein schutzwürdiges Interesse auf Wertermittlung wird erst dann angenommen, wenn der Pflichtteilsergänzungsanspruch dem Grunde nach feststeht, wofür der Pflichtteilsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. MünchKomm/Lange Rn 17; BeckOK BGB/Müller-Engels BGB § 2314 Rn. 26 Staudinger/Herzog BGB § 2314, Rn. 128, juris).

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers setzt gemäß § 2325 BGB eine Schenkung des Erblassers an einen Dritten voraus und damit nach § 516 BGB objektiv eine Zuwendung und subjektiv die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung.

Soweit der Kläger von jeweils zwei Schenkungen des Erblassers an die Beklagte je Wohnung ausgeht, nämlich zum einen durch ursprünglichen Erwerb des hälftigen Anteils der Beklagten an der jeweiligen Gesellschaft bürgerlichen Rechts und zum anderen durch Übergang des jeweiligen Gesellschaftsanteils des Erblassers auf die Beklagte im Zeitpunkt seines Todes, ist er seiner Darlegungs- und Beweislast nur in Bezug auf den Erwerb der Gesellschaftsanteile durch die Beklagte mit dem Tod des Erblassers nachgekommen.

a)

Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger die Wertermittlung für die Zeitpunkte der Eintragung der aus der Beklagten und dem Erblasser bestehenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts in die jeweiligen Wohnungsgrundbücher, also den 07.10.2016 bezüglich der Eigentumswohnung … Weg und den 17.09.2008 für die Eigentumswohnung … begehrt, weil nicht hinreichend feststeht, dass die Aufnahme der Beklagten in die jeweiligen Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die das Eigentum an den Wohnungen erworben haben, Zuwendungen des Erblassers darstellten. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach dem Vortrag der Beteiligten nicht erwiesen ist, dass die Beklagte ohne eigene Einlagen in die Gesellschaften bürgerlichen Rechts eingetreten ist.

In Bezug auf die Wohnung … wurde der ganz überwiegende Teil des Kaufpreises durch die Aufnahme eines von beiden Gesellschaftern aufgenommenen Darlehens finanziert, das vollständig mit den monatlichen Mieteinnahmen bedient wurde und ausweislich der Jahresabrechnung der Haspa vom 30.12.2015 (Anlage B2) am 31.12.2015 noch mit € 114.656,14 valutierte.

Die Wohnung … wurde nach einer kurzzeitigen Zwischenfinanzierung letztlich durch den Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks … finanziert, das ebenfalls im Eigentum einer aus der Beklagten und dem Erblasser zu gleichen Teilen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts stand. Unerheblich für den auf die Eigentumswohnung … Weg bezogenen Wertermittlungsanspruch ist dabei, ob die Beklagte ihren Anteil an dem Grundstück …, mit dem sie den Erwerb der Wohnung … finanziert hat, von dem Erblasser schenkweise erhalten hat oder nicht, weil maßgeblich für die Schenkung des Anteils an der GbR … der Gegenstand und der Zeitpunkt der Schenkung wäre, die spätestens im Jahr 2001 erfolgt sein soll. Da die Wertermittlung des GbR-Anteils der Beklagten an dem Grundstück … nicht Streitgegenstand ist, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Erblasser der Beklagten diesen GbR-Anteil schenkweise überlassen hat oder nicht.

b)

Die Berufung ist hingegen begründet, soweit der Kläger einen Wertermittlungsanspruch für die beiden Wohnungen bezogen auf den Todestag des Erblassers geltend macht. Entgegen den Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Bezug auf die zwischen der Beklagten und dem Erblasser für den Todesfall vereinbarte Übertragung von Anteilen der Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die Eigentümer der Wohnungen … und … waren. Das Landgericht hat sich insoweit auf die bislang zur Frage der Unentgeltlichkeit gesellschaftsrechtlicher Übernahmeklauseln mit Abfindungsausschluss ergangene Rechtsprechung gestützt und nach erfolgter Einzelfallprüfung eine Schenkung rechtsfehlerhaft verneint.

Zweifellos liegt in der auf den Todesfall bezogenen Verfügung des Erblassers über seinen Anteilswert an den Gesellschaften bürgerlichen Rechts eine Zuwendung zugunsten der Beklagten, da sie mit dem Anteilswert des Erblassers einen vermögenswerten Vorteil erhalten hat. Entgegen den Feststellungen des Landgerichts liegt eine Einigung über die Unentgeltlichkeit dieser Zuwendung vor.

aa)

Die höchstrichterliche Rechtsprechung und der noch überwiegende Teil der Literatur geht davon aus, dass eine gesellschaftsrechtliche Regelung, nach der eine Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters unter den verbleibenden Mitgesellschaftern fortgesetzt werde und gleichzeitig Abfindungsansprüche ausgeschlossen werden, grundsätzlich keine ergänzungsbedürftige Schenkung i.S.d. § 2325 BGB darstelle, wobei jeweils eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1956 – II ZR 222/55 -, BGHZ 22, 186-197, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70 – Rn. 40, juris; BGH, Urteil vom 26. März 1981 – IVa ZR 154/80 -, Rn. 15, juris, Erman-Röthel § 2325 Rn. 8; Palandt-Weidlich § 2325 Rn 15, jeweils m.w.N.). Zur Begründung wird angeführt, dass es sich bei einer solchen Vereinbarung um ein entgeltliches aleatorisches Geschäft handele, weil der Chance eines jeden Gesellschafters, den eigenen Anteil im Falle des Todes eines Mitgesellschafters zu erhöhen, das Risiko des Anteilsverlusts ohne Abfindung im Todesfall gegenüberstehe. Eine Ausnahme von der Entgeltlichkeit könne vorliegen, wenn die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von unterschiedlichen Lebenserwartungen ausgegangen seien, da dann das Risiko in grobem Missverhältnis stehe (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1981 – IVa ZR 154/80 -, Rn. 17, juris, KG Berlin, Urteil vom 10.03.1977 – 12 U 1601/76 – OLGZ 1978, 463, 468; Wegmann ZEV 1998, 135).

bb)

Die Gegenmeinung bezweifelt den entgeltlichen Charakter des allseitig vorgesehenen Abfindungsausschlusses und weist darauf hin, dass das Pflichtteilsrecht umgangen werde, wenn der Erblasser die Möglichkeit habe, durch gesellschaftsrechtliche Verfügungen das Gesamtvermögen ungeschmälert dem eingesetzten Erben zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten zu überlassen (Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rn. 148 m.w.N.).

cc)

Weiter differenzierend wird angeführt, dass sich die dargestellte Rechtsprechung, die die Übertragung des Anteils an einer oHG bzw. KG oder die Aufnahme eines Dritten in das Geschäft eines Einzelkaufmanns betrifft, nicht ohne weiteres auf lediglich vermögensverwaltende Gesellschaften bürgerlichen Rechts übertragen lasse, die sich in Familienhand befinden (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 27. März 2012 – 3 U 39/11 Rn. 45, juris; Erman-Röthel § 2325 Rn. 8). Hinter der bislang ergangenen Rechtsprechung stehe der Gesichtspunkt, das Interesse an der Fortführung eines Unternehmens über den Tod eines Gesellschafters hinaus zu ermöglichen, der sich nicht auf vermögensverwaltende Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die von Eheleuten oder nahen Verwandten zur Verwaltung ihrer Immobilien gegründet wurden, übertragen lasse.

dd)

Tatsächlich lassen sich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Entgeltlichkeit auf den Todesfall bezogener Verfügungen über den Gesellschaftsanteil nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Den Entscheidungen lagen Fallgestaltungen von unternehmerisch tätigen Gesellschaften zugrunde, bei denen der Abfindungsausschluss dem Erhalt des Unternehmens dienen sollte.

Der Zuwendung des Gesellschaftsanteils stand dort als Gegenleistung die persönliche Haftung, die Beteiligung an etwaigen Verlusten und in der Regel der Einsatz der vollen Arbeitskraft gegenüber (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.1981 – IVa ZR 154/80 – Rn. 15, juris). Bei den zwischen der Beklagten und dem Erblasser getroffenen Vereinbarungen stand hingegen gerade nicht die Fortführung eines Unternehmens oder zumindest der Gesellschaft im Vordergrund, da letztere mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst werden sollte. Es war auch keine Arbeitsleistung zu übernehmen. Eine derartige Differenzierung wurde auch in der zitierten Entscheidung vorgenommen, indem der BGH feststellte, dass in Wahrheit eine Einigung über die Unentgeltlichkeit der Bereicherung auch dann getroffen worden sei, wenn bei der Zuwendung wesentlicher Vermögensteile ein auffallendes, grobes Missverhältnis zwischen den (bei verständiger und den Umständen nach (noch) vertretbarer Beurteilung) zugrundezulegenden Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen sei (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.1981 – IVa ZR 154/80 – Rn. 10, juris). In diesen Fällen hält es der BGH für erforderlich, dem Pflichtteilsberechtigten bei einer entsprechenden tatsächlichen Vermutung eine Beweiserleichterung zu gewähren (vgl. BGH a.a.O.).

Dies wurde von der erstinstanzlichen Entscheidung nicht berücksichtigt. Die Beklagte und der Erblasser haben in der Vereinbarung vom 11.09.2014 (Anlage B5) zwar ausdrücklich erklärt, dass der wechselseitige Abfindungsausschluss auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens beruhe. Ob diese Angabe der Beteiligten der Wahrheit entsprach und eine schwerwiegende Erkrankung des Erblassers zu diesem Zeitpunkt nicht vorlag oder die Beteiligten von der Erkrankung zumindest keine Kenntnis hatten, kann dahingestellt bleiben. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob angesichts des fortgeschrittenen Alters des Erblassers im Zeitpunkt des Abschlusses der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen von 65 bzw. 68 Jahren der Altersunterschied von 6 ½ Jahren zwischen ihm und der Beklagten aufgrund der grundsätzlich höheren Lebenserwartung von Frauen schon das Risiko seines Vorversterbens zu einem groben Missverhältnis erhöhte.

Von einer Einigung zwischen der Beklagten und dem Erblasser über die Unentgeltlichkeit ist bereits deshalb auszugehen, weil eine Gegenleistung der Beklagten für die Überlassung des Gesellschaftsanteils des Erblassers vorliegend gerade nicht gegeben ist. Eine konkrete Arbeitsleistung der Beklagten für die Verwaltung der beiden Eigentumswohnungen ist weder für die von der Beklagten selbst genutzte Wohnung im … noch für die von dem gemeinsamen Sohn des Erblassers und der Beklagten genutzte Wohnung in der … vorgetragen. Im Hinblick darauf, dass die Wohnung … aus Eigenmitteln finanziert ist, ist ein Haftungsrisiko hier überhaupt nicht ersichtlich. Soweit aus dem gemeinsamen Kredit der Eheleute betreffend die Finanzierung der Wohnung … gemäß Jahresabrechnung der … (Anlage B2) am 31.12.2015 noch ein Betrag von € 114.656,14 offen war und dieser möglicherweise auch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht abbezahlt war, ist das sich daraus ergebende Haftungsrisiko der Beklagten aufgrund des deutlich höheren Werts der Wohnung als äußerst gering zu betrachten und steht in keinem Verhältnis zu dem gewöhnlichen Haftungsrisiko beispielsweise eines oHG-Gesellschafters.

Darüber hinaus ist auch unter dem Gesichtspunkt des aleatorischen Geschäfts von einer Vereinbarung der Eheleute über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des Erblassers auszugehen. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang feststellt, jeder Gesellschafter sei das gleiche Risiko eingegangen, dass seine Erben im Falle seines Vorversterbens am Wert des Anteils nicht berücksichtigt würden, ist dem nicht zuzustimmen. Dies entsprach schließlich ohnehin der Zielsetzung des Erblassers, der mit seinem Testament vom 24.02.2016 (Anlage K1) die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt hat und damit die Übertragung seines Anteils an der Gesellschaft auf die Beklagte allein unter Ausschluss des Klägers erreichen wollte. Er hat außerdem in § 4 des Testaments den Kläger ausdrücklich darum gebeten, von der Geltendmachung seiner Pflichtteilsansprüche abzusehen. Der Erblasser hat offensichtlich mit der Eingehung der Vereinbarung über den Übergang der Gesellschaftsanteile unter Abfindungsausschluss versucht, dasselbe Ergebnis zu erzielen, das er auch mit dem Testament erreichen wollte, nämlich die Übertragung seiner Gesellschaftsanteile auf die Beklagte ohne Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger. Für den Erblasser hatte die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung mit der Beklagten folglich keinen Wagnischarakter, so dass unter Berücksichtigung der vom BGH entwickelten Grundsätze von der Unentgeltlichkeit der Zuwendung auszugehen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die Beurteilung des Vorliegens eines aleatorischen Geschäfts auch nicht darauf an, ob es sich für den Pflichtteilsberechtigten als eine Regelung mit Wagnischarakter niederschlägt, indem sein Pflichtteil im Fall des Vorversterbens der Beklagten mangels verwandtschaftlicher Beziehungen zu ihr höher ausgefallen wäre, da der Kläger an den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen nicht beteiligt war und mithin willentlich gar kein Risiko eingehen konnte. Dass der Erblasser mit dem Geschäft eine derartige Begünstigung des Klägers bezweckt haben könnte, ist nicht erkennbar und fernliegend.

Soweit die Beklagte vorträgt, das Konstrukt der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der entsprechenden Vereinbarung für den Todesfall eines Gesellschafters sei von ihr und dem Erblasser gewählt worden, um die in der jeweiligen Gesellschaft geschaffenen Werte zugunsten des anderen Gesellschafters zu sichern, ist dieser Zweck nicht schützenswert. Ihm gegenüber steht das durch die Erbrechtsgarantie von Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Pflichtteilsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2005 – 1 BvR 1644/00 -, BVerfGE 112, 332-363, Rn. 60). Mit dieser verfassungsrechtlichen Garantie ist nicht vereinbar, wenn Grundvermögen über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an bestimmte Familienmitglieder der Pflichtteilsergänzung wirksam entzogen werden könnte (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 27. März 2012 – 3 U 39/11 Rn. 46).

Dem Kläger steht damit ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Bezug auf den der Beklagten mit dem Tod des Erblassers jeweils angewachsenen hälftigen Gesellschaftsanteil zu.

3.

Der aus dem Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers resultierende Wertermittlungsanspruch besteht bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls. Zu einem früheren Zeitpunkt wurde die Schenkung nicht vollzogen, so dass das Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB insoweit nicht zur Anwendung kommt.

Der Wertermittlungsanspruch betrifft zwar grundsätzlich den Gesellschaftsanteil. Für die Bewertung dieses Anteils ist der Wert der beiden Eigentumswohnungen in der … und im … maßgeblich, da der Wert des jeweiligen Gesellschaftsanteils dem hälftigen Wert der jeweiligen Eigentumswohnung entspricht. Anders als in der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH (Urteil vom 10.10.1979 – IV ZR 79/78) sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Wert des Gesellschaftsanteils vom hälftigen Wert der Eigentumswohnung abweicht. Anders als in der vorgenannten Entscheidung kommt es für die Bewertung des Gesellschaftsanteils nicht auf die Ertragslage des Unternehmens an, da die von dem Erblasser und der Beklagten bezüglich der beiden Wohnungen gegründeten Gesellschaften bürgerlichen Rechts eben gerade keine Erträge erwirtschafteten, sondern lediglich der Verwaltung des eigenen, selbstgenutzten (Eigentumswohnung … ) bzw. des lediglich kostendeckend durch den gemeinsamen Sohn genutzten (Eigentumswohnung … ) Immobilienvermögens dienten. Es ist deshalb nicht zu beanstanden ist, dass der Antrag auf die Wertermittlung der beiden Eigentumswohnungen gerichtet ist. Ob zur Bewertung des Gesellschaftsanteils weitere Wertermittlungen erforderlich sind, steht nicht zur Entscheidung.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

5.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die Klärung der Rechtsfrage zuzulassen, ob bei der Übertragung von Anteilen einer allein der Verwaltung eigenen Vermögens dienenden und aus einem Ehepaar bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Falle des Todes eines Gesellschafters auf den verbleibenden Gesellschafter unter gleichzeitiger Auflösung der Gesellschaft eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt. Diese Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, da zu erwarten ist, dass sie wiederholt in pflichtteilsrechtlichen Auseinandersetzungen relevant wird und von ihr die Gestaltungsmöglichkeit letztwilliger Verfügungen abhängt. Sie bedarf zur Fortbildung des Rechts der Entscheidung des Revisionsgerichts, da der BGH, soweit ersichtlich, zu ihr bislang nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat.

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