Skip to content

Pflichtteilsergänzungsanspruchs – Pfändung des Rechts auf Ausschlagung der Erbschaft

Gläubiger scheitern bei dem Versuch, sich auf das Erbe eines verschuldeten Nacherben zu stürzen und dessen Pflichtteilsansprüche zu kassieren. Das Landgericht Hildesheim stärkt in einem wegweisenden Urteil die Rechte von Erben und weist die Klage der Gläubiger ab. Ein spannender Fall, der die Grenzen des Gläubigerzugriffs aufzeigt und die Entscheidungsfreiheit von Erben in den Fokus rückt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Die Klage der Kläger wurde abgewiesen.
  • Der Schuldner war der einzige leibliche Abkömmling der Erblasserin, während der Beklagte ihr Ehemann und Vorerbe war.
  • Die Kläger wollten den Pflichtteilsanspruch des Schuldners pfänden und zur Deckung ihrer Forderung verwenden.
  • Das Gericht entschied, dass das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft aufgrund seiner Höchstpersönlichkeit nicht gepfändet werden kann.
  • Der Pflichtteilsanspruch des Schuldners entsteht erst nach wirksamer Ausschlagung der Nacherbschaft, die hier nicht erfolgt ist.
  • Das Pfändungsverbot gemäß § 852 Abs. 1 ZPO soll die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten schützen und verhindern, dass Gläubiger die Entscheidung über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs übernehmen.
  • Der Beklagte kann sich darauf berufen, dass das Ausschlagungsrecht nicht wirksam gepfändet wurde, da es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt.
  • Die Kläger haben daher keinen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass oder auf die Pflichtteilsansprüche des Schuldners.

Gerichtsentscheidung: Pfändung des Pflichtteilsanspruchs ermöglicht

Das Erbrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das viele verschiedene Regelungen umfasst. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, wer von einem Verstorbenen erben kann und welche Rechte und Pflichten mit der Erbschaft verbunden sind. In diesem Zusammenhang spielen auch sogenannte Pflichtteilsansprüche eine entscheidende Rolle. Ein Pflichtteilsanspruch gewährt bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers ein gesetzliches Recht auf einen bestimmten Anteil am Nachlass. Dieser Anspruch kann auch dann geltend gemacht werden, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten in seinem Testament nicht berücksichtigt hat.

Besonders interessant ist die Frage, ob und wie der Pflichtteilsanspruch gepfändet werden kann. Ein Pfändung des Pflichtteilsanspruchs ist im Normalfall nicht möglich. Eine Ausnahme stellt allerdings die Pfändung des Rechts auf Ausschlagung der Erbschaft dar. Dieses besondere Rechtsinstitut erlaubt es dem Gläubiger, den Pflichtteilsberechtigten durch die Pfändung des Rechts auf Ausschlagung der Erbschaft zu einem späteren Zeitpunkt dazu zu zwingen, die Erbschaft anzunehmen und so seinen Anspruch geltend zu machen. Dies kann im Einzelfall zu komplexen juristischen Sachverhalten führen. Um die Funktionsweise der Pfändung des Rechts auf Ausschlagung der Erbschaft näher zu beleuchten, wollen wir im Folgenden ein konkretes Gerichtsurteil untersuchen, das die Rechtsprechung in diesem Bereich verdeutlicht.

Der Fall vor Gericht


Pfändung von Pflichtteilsansprüchen und Ausschlagungsrecht bei Nacherbschaft

Das Landgericht Hildesheim hat in einem komplexen erbrechtlichen Fall über die Pfändbarkeit von Pflichtteilsansprüchen und das Ausschlagungsrecht bei einer Nacherbschaft entschieden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob Gläubiger eines Nacherben dessen potenzielle Pflichtteilsansprüche pfänden und geltend machen können, bevor dieser selbst aktiv geworden ist.

Hintergrund des Rechtsstreits

Die Kläger hatten eine Forderung gegen den Sohn der Erblasserin in Höhe von 21.000 Euro. Nach dem Tod der Erblasserin war ihr Ehemann (der Beklagte) als Vorerbe und ihr Sohn (der Schuldner der Kläger) als Nacherbe eingesetzt worden. Die Kläger versuchten, auf den potenziellen Pflichtteilsanspruch des Sohnes zuzugreifen, um ihre Forderung zu befriedigen.

Sie erwirkten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der sowohl die möglichen Pflichtteilsansprüche als auch das Recht des Schuldners auf Ausschlagung der Erbschaft umfasste. Gestützt auf diesen Beschluss erklärten die Kläger die Ausschlagung der Erbschaft für ihren Schuldner und forderten vom Beklagten als Vorerben Auskunft über den Nachlass sowie Zahlung des Pflichtteils.

Zentrale rechtliche Probleme

Das Gericht musste sich mit mehreren komplexen erbrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Fragen auseinandersetzen:

  1. Können Gläubiger einen Pflichtteilsanspruch geltend machen, bevor der Pflichtteilsberechtigte selbst aktiv geworden ist?
  2. Ist das Recht auf Ausschlagung einer Erbschaft pfändbar?
  3. Welche Auswirkungen hat die Nacherbeneinsetzung auf mögliche Pflichtteilsansprüche?

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Hildesheim wies die Klage vollumfänglich ab. Die zentralen Begründungen lauteten:

  1. Die Kläger können die gepfändeten Pflichtteilsansprüche nicht selbst geltend machen. Nach § 852 Abs. 1 ZPO soll allein der Pflichtteilsberechtigte entscheiden, ob er den Anspruch durchsetzen will. Die Gläubiger können diese Entscheidung nicht an sich ziehen.
  2. Das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft ist höchstpersönlich und daher nicht pfändbar. Die von den Klägern erklärte Ausschlagung war somit unwirksam.
  3. Solange der Schuldner Nacherbe ist, stehen ihm keine Pflichtteilsansprüche zu. Diese würden erst entstehen, wenn er die Nacherbschaft wirksam ausschlägt. Da dies nicht geschehen ist, gibt es derzeit keine Pflichtteilsansprüche, die gepfändet werden könnten.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen des Gläubigerzugriffs auf erbrechtliche Ansprüche. Sie stärkt die Position von Pflichtteilsberechtigten, indem sie deren Entscheidungsfreiheit schützt. Gläubiger können zwar potenzielle Pflichtteilsansprüche pfänden, aber nicht selbst geltend machen oder gar über die Ausschlagung einer Erbschaft entscheiden.

Für Erben und Pflichtteilsberechtigte bedeutet dies, dass sie trotz Überschuldung einen gewissen Handlungsspielraum behalten. Sie können weiterhin selbst entscheiden, ob sie erbrechtliche Ansprüche geltend machen wollen.

Gläubiger müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Pfändung potenzieller Pflichtteilsansprüche allein nicht ausreicht, um auf das Erbe zuzugreifen. Sie bleiben darauf angewiesen, dass der Schuldner selbst aktiv wird.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt den Schutz der Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten im Erbrecht. Gläubiger können zwar potenzielle Pflichtteilsansprüche pfänden, aber weder selbst geltend machen noch über die Ausschlagung einer Erbschaft entscheiden. Das höchstpersönliche Ausschlagungsrecht bleibt unpfändbar. Bei Nacherbeneinsetzung entstehen Pflichtteilsansprüche erst nach wirksamer Ausschlagung durch den Berechtigten selbst. Dies stärkt die Position von Erben gegenüber Gläubigern erheblich.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie als Erbe oder Pflichtteilsberechtigter in eine finanzielle Schieflage geraten sind, bietet Ihnen dieses Urteil wichtigen Schutz. Selbst wenn Ihre Gläubiger versuchen, auf Ihre möglichen Pflichtteilsansprüche zuzugreifen, behalten Sie die Kontrolle darüber, ob Sie diese geltend machen möchten. Das Gericht hat klargestellt, dass nur Sie persönlich entscheiden können, ob Sie eine Erbschaft ausschlagen oder Pflichtteilsansprüche erheben. Ihre Gläubiger können diese Entscheidung nicht für Sie treffen. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, familiäre Beziehungen zu berücksichtigen und selbst abzuwägen, ob Sie erbrechtliche Ansprüche durchsetzen möchten – unabhängig von Ihren finanziellen Verpflichtungen.


FAQ – Häufige Fragen

Die juristischen Feinheiten rund um Pfändung von Pflichtteilsansprüchen und Ausschlagungsrecht bei Nacherbschaft erscheinen auf den ersten Blick komplex. Doch keine Sorge: In dieser FAQ-Rubrik finden Sie verständliche Antworten auf Ihre Fragen und erhalten wertvolle Informationen, um Ihre Rechte und Pflichten in dieser Situation optimal zu verstehen.


Können Pflichtteilsansprüche eines Nacherben gepfändet werden?

Der Pflichtteilsanspruch eines Nacherben unterliegt besonderen rechtlichen Regelungen hinsichtlich einer möglichen Pfändung durch Gläubiger. Grundsätzlich ist der Pflichtteilsanspruch pfändbar, jedoch gelten dabei wichtige Einschränkungen.
Nach § 852 Abs. 1 ZPO ist der Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur dann unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Das bedeutet, Gläubiger können erst dann wirksam auf den Pflichtteilsanspruch zugreifen, wenn der Erbe diesen ausdrücklich anerkannt hat oder der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch gerichtlich geltend gemacht hat.
Entscheidend ist, dass der Nacherbe selbst aktiv werden muss, um seinen Pflichtteilsanspruch durchzusetzen. Solange er dies nicht tut, bleibt der Anspruch für Gläubiger unerreichbar. Diese Regelung soll dem Pflichtteilsberechtigten die Entscheidungsfreiheit lassen, ob er seinen Anspruch überhaupt geltend machen möchte.
Für Gläubiger bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung. Sie können zwar das Recht des Nacherben auf den Pflichtteil pfänden, aber nicht dessen Durchsetzung erzwingen. Der Nacherbe behält die Kontrolle darüber, ob und wann er seinen Anspruch geltend macht.
Bezüglich der Nacherbschaft ist zu beachten, dass der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht auf den Nachlass hat. Dieses Recht ist ebenfalls pfändbar. Allerdings wird eine solche Pfändung mit Eintritt des Nacherbfalls unwirksam, da zu diesem Zeitpunkt das volle Eigentum auf den Nacherben übergeht.
Diese rechtlichen Regelungen schaffen einen Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger und dem Schutz des Pflichtteilsberechtigten bzw. Nacherben. Sie gewährleisten, dass das Erbrecht nicht durch übermäßige Gläubigerzugriffe ausgehöhlt wird, gleichzeitig aber berechtigte Forderungen nicht völlig ins Leere laufen.

Ist das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft pfändbar?

Das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft ist nicht pfändbar. Es handelt sich hierbei um ein höchstpersönliches Recht des Erben, das der Zwangsvollstreckung entzogen ist. Dies ergibt sich aus der Natur der Erbausschlagung als persönliche Entscheidung des Erben, die weitreichende Folgen für seine rechtliche und wirtschaftliche Situation haben kann.
Gemäß § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft zwar automatisch auf den berufenen Erben über, jedoch unbeschadet seines Rechts, sie auszuschlagen. Dieses Recht zur Ausschlagung ist ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht, das nur vom Erben selbst ausgeübt werden kann. Ein Gläubiger kann sich dieses Recht nicht durch Pfändung übertragen lassen, um es dann eigenständig auszuüben.
Die Rechtsprechung hat diese Auffassung mehrfach bestätigt. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht München in einem Beschluss vom 19.01.2015 (Az. 31 Wx 370/14) klargestellt, dass weder das Recht zur Annahme noch das Recht zur Ausschlagung einer Erbschaft pfändbar sind. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 20.12.2012 (Az. IX ZR 56/12) ebenfalls festgestellt, dass die Ausschlagung einer Erbschaft der Insolvenzanfechtung entzogen ist.
Für den Erben bedeutet dies, dass er frei über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entscheiden kann, ohne dass Gläubiger darauf Einfluss nehmen können. Dies ist besonders relevant für überschuldete Erben, die möglicherweise eine Erbschaft ausschlagen möchten, um eine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten zu vermeiden.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Ausschlagung innerhalb einer gesetzlichen Frist erfolgen muss. Gemäß § 1944 BGB beträgt diese Frist in der Regel sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung. Wird die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen, gilt sie als angenommen, und der Nachlass kann dann grundsätzlich der Zwangsvollstreckung unterliegen.

Welche Auswirkungen hat die Einsetzung als Nacherbe auf Pflichtteilsansprüche?

Die Einsetzung als Nacherbe hat erhebliche Auswirkungen auf mögliche Pflichtteilsansprüche. Grundsätzlich gilt: Ein als Nacherbe eingesetzter Pflichtteilsberechtigter kann nicht ohne Weiteres seinen Pflichtteil geltend machen. Dies liegt daran, dass er durch die Nacherbeneinsetzung bereits als Erbe bedacht wurde.
Um dennoch einen Pflichtteilsanspruch zu erlangen, muss der Nacherbe zunächst die Nacherbschaft ausschlagen. Diese Ausschlagung kann er gemäß § 2142 BGB bereits mit dem ersten Erbfall erklären. Er muss also nicht den Eintritt des Nacherbfalls abwarten. Nach der Ausschlagung steht ihm dann ein Pflichtteilsanspruch zu, sofern er zu den pflichtteilsberechtigten Personen nach § 2303 BGB gehört.
Wichtig ist hierbei die Verjährungsfrist zu beachten. Der Pflichtteilsanspruch verjährt regulär in drei Jahren ab Kenntnis vom Erbfall. Schlägt der Nacherbe die Erbschaft erst nach Ablauf dieser Frist aus, kann sein Anspruch bereits verjährt sein. Es empfiehlt sich daher, die Ausschlagung zeitnah zu erklären, wenn der Pflichtteil angestrebt wird.
Die Ausschlagung muss formgerecht gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden, entweder zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form. Mit der Ausschlagung entfällt die Nacherbschaft, und der Vorerbe wird zum Vollerben. Der ausschlagende Nacherbe kann dann seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Vorerben geltend machen.
Diese Regelungen finden sich im § 2306 BGB, der speziell die Situation von pflichtteilsberechtigten Erben behandelt, die mit Beschränkungen oder Beschwerungen bedacht wurden. Die Nacherbeneinsetzung gilt dabei als eine solche Beschränkung.

Was passiert, wenn ein Pflichtteilsberechtigter seinen Anspruch nicht selbst geltend macht?

Der Pflichtteilsanspruch ist ein höchstpersönliches Recht des Pflichtteilsberechtigten. Wenn dieser seinen Anspruch nicht selbst geltend macht, bleibt der Anspruch zunächst bestehen, wird aber nicht automatisch durchgesetzt. Die Entscheidung, ob und wann der Pflichtteil gefordert wird, liegt allein beim Berechtigten. Erben oder andere Personen können den Anspruch nicht stellvertretend geltend machen.
Allerdings gibt es Situationen, in denen Dritte indirekt Einfluss auf den Pflichtteilsanspruch nehmen können. Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, den Anspruch zu pfänden und zur Einziehung zu überweisen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Pflichtteilsanspruch bereits entstanden und noch nicht verjährt ist.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Pflichtteilsanspruch nach drei Jahren verjährt. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Berechtigte von dem Erbfall und seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt hat. Lässt der Pflichtteilsberechtigte diese Frist verstreichen, ohne seinen Anspruch geltend zu machen, erlischt der Anspruch.
In besonderen Fällen kann auch das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft gepfändet werden. Dies kann relevant sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte gleichzeitig Erbe ist und durch Ausschlagung einen höheren Pflichtteilsanspruch erlangen würde. Die Pfändung dieses Rechts kann den Pflichtteilsberechtigten indirekt dazu zwingen, eine Entscheidung bezüglich seines Anspruchs zu treffen.
Letztendlich bleibt die Geltendmachung des Pflichtteils jedoch eine persönliche Entscheidung des Berechtigten. Weder Erben noch andere Personen können ihn dazu zwingen, seinen Anspruch durchzusetzen.

Kann ein Gläubiger über die Ausschlagung einer Erbschaft entscheiden?

Die Entscheidung über die Ausschlagung einer Erbschaft liegt grundsätzlich allein beim Erben. Ein Gläubiger hat kein direktes Mitspracherecht bei dieser Entscheidung. Allerdings gibt es rechtliche Mechanismen, die es Gläubigern ermöglichen, indirekt Einfluss zu nehmen.
Wenn ein Erbe in finanziellen Schwierigkeiten steckt, kann ein Gläubiger das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft pfänden lassen. Dies bedeutet, dass der Gläubiger die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft an sich ziehen kann. Der Gläubiger tritt dann gewissermaßen an die Stelle des Erben und kann im eigenen Interesse entscheiden.
Die Pfändung des Ausschlagungsrechts ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie ist nur möglich, solange die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen noch nicht abgelaufen ist. Zudem muss der Gläubiger nachweisen, dass die Erbschaft einen positiven Wert hat und zur Befriedigung seiner Forderungen beitragen würde.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Gläubiger nicht willkürlich handeln darf. Er muss bei seiner Entscheidung die Interessen des Schuldners berücksichtigen. Würde die Annahme der Erbschaft dem Schuldner mehr schaden als nützen, wäre eine erzwungene Annahme rechtlich angreifbar.
In der Praxis ist die Pfändung des Ausschlagungsrechts ein komplexes juristisches Verfahren. Es erfordert schnelles Handeln des Gläubigers und eine genaue Prüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Situation. Oft ist es für Gläubiger schwierig, rechtzeitig alle notwendigen Informationen zu beschaffen und die erforderlichen rechtlichen Schritte einzuleiten.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Pflichtteilsanspruch: Ein Pflichtteilsanspruch ist das gesetzliche Recht bestimmter naher Angehöriger eines Verstorbenen auf einen Teil des Nachlasses, auch wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Der Pflichtteil beträgt in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist in § 2303 BGB geregelt. Im vorliegenden Fall betrifft der Pflichtteilsanspruch den Sohn der Erblasserin, dessen Gläubiger versuchen, diesen Anspruch geltend zu machen.
  • Ausschlagung der Erbschaft: Die Ausschlagung der Erbschaft bedeutet, dass ein Erbe sein Recht auf den Nachlass ablehnt. Dies muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls erklärt werden, wie in § 1942 BGB geregelt. Im aktuellen Fall haben die Gläubiger versucht, das Recht des Nacherben zur Ausschlagung zu pfänden und die Erbschaft in seinem Namen auszuschlagen, um den Pflichtteil geltend zu machen.
  • Nacherbe: Ein Nacherbe ist eine Person, die erst nach dem Tod des Vorerben erbt. Der Vorerbe verwaltet den Nachlass zunächst, bis der Nacherbe an die Reihe kommt. Im vorliegenden Fall ist der Ehemann der Erblasserin Vorerbe und ihr Sohn Nacherbe. Es stellt sich die Frage, ob der Nacherbe bereits Pflichtteilsansprüche geltend machen kann.
  • Pfändung: Die Pfändung ist ein rechtlicher Prozess, bei dem ein Gläubiger das Recht erlangt, auf das Vermögen eines Schuldners zuzugreifen, um eine offene Forderung zu begleichen. Hier haben die Gläubiger versucht, die Pflichtteilsansprüche des Nacherben und sein Recht zur Ausschlagung der Erbschaft zu pfänden, um ihre Forderung zu decken.
  • Recht auf Ausschlagung: Das Recht auf Ausschlagung einer Erbschaft ist ein höchstpersönliches Recht des Erben, wie in § 2142 BGB festgelegt. Dieses Recht kann nicht übertragen oder gepfändet werden. Im vorliegenden Fall haben die Gläubiger versucht, dieses Recht zu pfänden, was jedoch unwirksam ist.
  • Vorerbe: Ein Vorerbe ist eine Person, die den Nachlass zunächst erbt und verwaltet, bis der Nacherbe an die Reihe kommt. Der Vorerbe hat bestimmte Pflichten und Rechte, die in einem Testament oder durch gesetzliche Bestimmungen festgelegt sind. Im vorliegenden Fall ist der Ehemann der Erblasserin Vorerbe und steht im Zentrum der Auseinandersetzung um die Pflichtteilsansprüche.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2303 BGB (Pflichtteil): Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in § 2303 den Pflichtteil. Dieser besagt, dass bestimmte nahe Angehörige des Erblassers, wie Kinder und Ehegatten, einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses haben, auch wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Im vorliegenden Fall geht es um den Pflichtteilsanspruch des Sohnes der Erblasserin, der von seinen Gläubigern geltend gemacht werden soll.
  • § 2142 BGB (Ausschlagung der Erbschaft): § 2142 BGB gibt jedem Erben das Recht, innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall die Erbschaft auszuschlagen. Die Ausschlagung kann auch durch einen Gläubiger erfolgen, wenn dieser einen Pfändungsbeschluss für das Ausschlagungsrecht hat. Im vorliegenden Fall haben die Gläubiger versucht, die Erbschaft für den Schuldner auszuschlagen, um seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.
  • § 852 Abs. 1 ZPO (Geltendmachung gepfändeter Ansprüche): Die Zivilprozessordnung (ZPO) regelt in § 852 Abs. 1, dass gepfändete Ansprüche grundsätzlich nur vom Gläubiger geltend gemacht werden können. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die Gläubiger den gepfändeten Pflichtteilsanspruch selbst geltend machen können, obwohl der Pflichtteilsberechtigte (der Sohn) dies nicht wünscht.
  • § 1922 BGB (Gesamtrechtsnachfolge): Nach § 1922 BGB tritt der Erbe mit dem Tod des Erblassers in dessen gesamte Rechtsposition ein. Das bedeutet, er übernimmt nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden des Erblassers. Im vorliegenden Fall ist der Ehemann der Erblasserin als Vorerbe eingesetzt und ihr Sohn als Nacherbe. Die Frage ist, ob die Gläubiger des Sohnes auf den Nachlass zugreifen können, obwohl dieser noch nicht zum Erben geworden ist.
  • § 2317 BGB (Ersatzpflicht des Erben bei Ausschlagung): Gemäß § 2317 BGB ist der Erbe, der eine Erbschaft ausschlägt, verpflichtet, demjenigen, der an seiner Stelle Erbe wird, den Pflichtteil zu zahlen. Im vorliegenden Fall ist relevant, ob der Beklagte als Vorerbe verpflichtet wäre, den Pflichtteil an die Gläubiger zu zahlen, wenn diese die Erbschaft für den Nacherben wirksam ausgeschlagen hätten.

Das vorliegende Urteil

LG Hildesheim – Az.: 4 O 307/08 – Urteil vom 30.01.2009


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je ½.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger nehmen den Beklagten als Schuldner eines gepfändeten Pflichtteils seines Stiefsohnes ………. in Anspruch.

Den Klägern steht gegen ……… aufgrund eines Vergleichs vor dem Landgericht Hildesheim vom 13.09.2007 (4 O 269/07) eine Forderung in Höhe von 21.000,00 Euro zu. ……… ist der einzige leibliche Abkömmling der Erblasserin …, deren letzter Ehemann der Beklagte war.

……….. verstarb am 15.10.2007. Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute ………, d.h. der ……… und des Beklagten, ist der Beklagte Vorerbe der Erblasserin und der Schuldner ………. deren Nacherbe.

In dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.05.2007 heißt es:

§ 1 Ich, die Ehefrau …….., setze meinen Ehemann ……… zu meinem befreiten Vorerben ein.

§ 2 Nacherbe soll mein Sohn …….., geb. am 6. Juni 1961 sein. Der Nacherbfall tritt ein mit dem Ableben des Vorerben.

§ 5 Übereinstimmend erklären wir weiter: Für den Fall, dass der Sohn der Ehefrau, ……., auf ihr Ableben Pflichtteilsansprüche erheben sollte, soll die Nacherbschaft für ihn bzw. seine Ersatznacherbin entfallen.

Aufgrund ihres vollstreckbaren Titels gegen ……. haben die Kläger einen Pfändungs- und Übweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 16.01.2008 (Beiakte 23a M 78/08) in Höhe von 22.815,68 Euro erwirkt.

Ausweislich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Hildesheim sind „die Forderung des Schuldners als Nacherben auf seinen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch einschließlich des Auskunftsanspruches, des Anspruchs auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und der Bezifferung dieser Ansprüche im Sinne der §§ 2303 und 2325 ff. BGB sowie des Rechts auf Ausschlagung der Erbschaft gem. § 2142 BGB nach seiner am 15.10.2007 verstorbenen Mutter …. ………………………………, geb. am 23.01.1943 – NZS 10 IV 253/07 Amtsgericht Hildesheim – an den Drittschuldner: den Erben der Erblasserin, ihren Witwer ………, …, hiermit gepfändet und den Gläubigern zur Einziehung bzw. Verwertung überwiesen“ worden (Beiakte 23a M 78/08, Bl. 3f).

Mit Beschluss vom 18.08.2008 hat das Landgericht Hildesheim auf die sofortige Beschwerde des hiesigen Beklagten als Drittschuldner den angefochtenen Beschluss dahingehend ergänzt, „dass die Forderung des Schuldners als Nacherbe auf seinen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs aus dem Nachlass seiner am 15. Oktober 2007 verstorbenen Mutter …, geborene …., nur mit der Maßgabe gepfändet und überwiesen ist, dass er durch Vertrag zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner anerkannt ist oder anerkannt werden wird, oder dass der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch rechtshängig ist oder rechtshängig werden wird.“ (Beiakte 23a M 78/08, Bl. 47).

Der dem Schuldner ……. und dem hiesigen Beklagten als Drittschuldner wirksam zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 12.02.2008 haben die Kläger gegenüber dem Nachlassgericht auf der Grundlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Hildesheim vom 16.01.2008 gemäß § 2142 BGB die dem Schuldner …… als Nacherben angefallene Erbschaft aufgeschlagen (Beiakte Amtsgericht Hildesheim 10 VI 91/08, Blatt 2).

Die Kläger forderten vorprozessual den Beklagten zur Zahlung des Pflichtteils in Höhe der ihnen gegen …….. zustehenden Forderungen auf. Dies lehnte der Beklagte wie auch eine Auskunftserteilung über den Umfang der Pflichtteilsansprüche ab.

Die Kläger sind der Auffassung, sie hätten die Erbschaft auf der Grundlage des rechtskräftigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Hildesheim wirksam ausgeschlagen. Ihnen ständen daher die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ihres Schuldners …. gegen den Beklagten zu. Einwendungen des Beklagten gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss seien unbeachtlich, da dieser rechtskräftig sei. Die Voraussetzungen des § 852 Absatz 1 ZPO lägen vor. Dem Schuldner …. sei die Entscheidung über die Ausschlagung der Erbschaft auch schon deshalb nicht mehr selbst überlassen, da dies eine Gläubigerbenachteiligung darstellen würde. Die Kläger behaupten weiter, der Beklagte habe ihnen gegenüber den Pflichtteilsanspruch anerkannt und zugesichert, ihre Forderung aus dem Vergleich mit ihrem Schuldner …… zu erfüllen.

Die Kläger beantragen im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe, den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über

a) die Aktiva und Passiva des Nachlasses der am 15.10.2007 verstorbenen …. …….. geb. …. durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen, insbesondere

aa) Bargeld

bb) Guthaben bei Sparkassen, Banken und Bausparkassen, auch ausländischen Banken

cc) Wertpapiere (evtl. Kurswerte), Sparkassenbriefe und sonstige Wertpapiere

dd) Forderungen gegen Dritte (z. B. Hypotheken, Grundschulden, Darlehen, Steuerrückvergütungen, Schadensersatzansprüche)

ee) Lebensversicherungen

ff) Kunstgegenstände, Schmuck, Sammlungen

gg) verwertbare Einrichtungsgegenstände (echte Teppiche, Antiquitäten und ähnliches)

hh) Fahrzeug

ii) Grundbesitz einschließlich der Verkehrswerte nebst Valuten

b) alle Schenkungen einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen und sonstigen Zuwendungen der Erblasserin innerhalb der letzten 10 Lebensjahre an den Beklagten oder an Dritte.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft des Schuldners Berg könne aufgrund der Höchstpersönlichkeit dieses Anspruches nicht gepfändet werden. Die Ausschlagung der Erbschaft durch die Kläger sei deshalb nicht wirksam. Aufgrund der Einsetzung des Schuldners …. als Nacherbe sei sein Pflichtteilsanspruch bislang nicht entstanden. Auf die Regelungen in § 852 ZPO könne es daher nicht ankommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des Amtsgerichts Hildesheim 23a M 78/08, 10 IV 253/07 und 10 VI 91/08 wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Erörterung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet und für alle Stufen abzuweisen, da der verfolgte Anspruch der Kläger dem Grunde nach nicht bestehen kann.

Die Kläger haben keinen Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Beklagten.

1. Die Kläger sind nicht Inhaber eines derzeit verwertbaren Auskunftsanspruches gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Beklagten. Sie können gegen den Beklagten als Gläubiger ihres Schuldners …….. keine diesem gegebenenfalls zustehenden – von ihnen gepfändeten – Pflichtteils- beziehungsweise Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen.

Zwar liegen die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO auf den ersten Blick vor. Jedoch haben die Kläger vorliegend die von ihnen gepfändeten Pflichtteils- beziehungsweise Pflichtteilsergänzungsansprüche rechtshängig gemacht. Dies hätte aber durch den Schuldner …… als Pflichtteilsberechtigten erfolgen müssen. Denn nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH ist es Sinn und Zweck des § 852 Abs. 1 ZPO, mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem allein diesem die Entscheidung zu überlassen, ob der Pflichtteilsanspruch gegen den Erben durchgesetzt werden soll oder nicht. Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten sollen diese Entscheidung nicht an sich ziehen können (BGHZ 123, 183, 186). Nichts anderes gilt für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Das in § 852 Abs. 1 ZPO angeordnete Pfändungsverbot ist deshalb in einem an dem Normzweck ausgerichteten eingeschränkten Sinn zu verstehen. Der Schutzzweck der Vorschrift verbietet eine Pfändung, die ein umfassendes Pfandrecht an dem Pflichtteilsanspruch begründet, durch das die Entscheidungsfreiheit des Berechtigten ausgeschaltet wird (BGHZ 123, 183, 186). Die Kläger konnten somit nur die in ihrer Verwertbarkeit durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO – durch den Schuldner …… als Pflichtteilsberechtigten persönlich – aufschiebend bedingten Pflichtteils- beziehungsweise Pflichtteilsergänzungsansprüche pfänden. Der Schuldner …… kann nach dem Schutzzweck des § 852 Abs. 1 ZPO weiterhin allein frei entscheiden, ob er diese Ansprüche gegen den Beklagten durchsetzt oder gerade nicht. Solange er die Pflichtteils- beziehungsweise Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht selbst gegen den Beklagten geltend und rechtshängig macht – wie es § 852 Abs. 1 ZPO nach der vom BGH vorgenommenen Auslegung erfordert –, sind die Voraussetzungen für einen umfassenden Zugriff der Kläger auf diese Ansprüche nicht erfüllt. Bis dahin verbleibt es bei einem nur eingeschränkten – und nicht umfassenden – Pfandrecht der Kläger an diesen Ansprüchen, auf welches sich ihr Klagebegehren selbst dann nicht stützen lässt, wenn ihrem Schuldner ……. tatsächlich Pflichtteils- beziehungsweise Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen würden.

2. Darüber hinaus steht den Kläger bereits kein gepfändeter Anspruch des …….. aus § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB zu, da sie auch nicht Inhaber eines – zudem durch die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO bedingten – Pflichtteilsanspruches ihres Schuldners …… gegen den Beklagten als Vorerben sind. Denn die Kläger konnten die Nacherbschaft nicht wirksam für ihren Schuldner …… ausschlagen.

Der Beklagte ist nur Nacherbe der Erblasserin ……. Seine Pflichtteilsansprüche aus dem Erbfall sind bis zur wirksamen Ausschlagung der Nacherbschaft ausgeschlossen. Eine wirksame Ausschlagung seiner Nacherbschaft, welche seine Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass entstehen ließe, ist vorliegend nicht erfolgt.

Zwar haben die Kläger ausweislich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Hildesheim vom 16.01.2008 in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts Hildesheim vom 18.08.2008 das Recht des Schuldners …… zur Ausschlagung der Erbschaft gemäß § 2142 BGB gepfändet und gegenüber dem Nachlassgericht mit Schreiben vom 12.02.2008 die Ausschlagung erklärt. Diese Ausschlagungserklärung ist jedoch unwirksam.

Das Recht auf Ausschlagung konnte aufgrund der fehlenden Abtretbarkeit des Ausschlagungsrechts nicht wirksam nach § 851 Abs. 1 BGB gepfändet werden. Es unterfällt auch nicht § 857 ZPO, da höchstpersönliche Rechte von der Pfändung nach §§ 857 ff. ZPO nicht erfasst werden.

Der Beklagte als Drittschuldner kann sich grundsätzlich nicht auf die Anfechtbarkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses berufen, da bis zu dessen Aufhebung das Prozessgericht an den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gebunden ist (Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht mit Grundzügen des Insolvenzrechts, 4. Auflage 1998, Randnummer. 347). Soweit die Anwendung des § 851 ZPO von materiell rechtlichen Voraussetzungen abhängt, darf die Pfändung durch das Vollstreckungsgericht nur abgelehnt werden, wenn die Unpfändbarkeit nach jeder vertretbaren Ansicht feststeht. Bei einem Verstoß gegen das Pfändungsverbot ist die Pfändung nicht wirkungslos. Die materiell rechtlich begründete Unpfändbarkeit kann der Drittschuldner aber im Einziehungsprozess einredeweise geltend machen, wenn es bei Absatz 1 um die Unübertragbarkeit des Anspruchs geht (Musielak/Becker, ZPO, 5. Auflage 2007, § 851 Rn. 9; Lipross, Vollstreckungsrecht, 8. Auflage 1998, Randnummer 321).).

Das Ausschlagungsrecht des Schuldners ……. konnte aufgrund seiner Höchstpersönlichkeit nicht wirksam nach § 851 ZPO gepfändet werden. Gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Forderungen sind grundsätzlich abtretbar und damit pfändbar. Ausnahmen von diesem Grundsatz der Übertragbarkeit sehen Bestimmungen des BGB und andere materiell rechtliche Vorschriften vor (Zöller/Stöber, 27. Auflage 2009, § 851 Rn. 2). Absolut unpfändbar sind diejenigen Forderungen, die unübertragbar sind (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Auflage 2008, § 851 Rn. 2). Höchstpersönliche Ansprüche sind nicht abtretbar (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Auflage 2009, § 399 Rn. 6; MüKo/Roth, BGB, 4. Auflage 2001, § 399 Rn. 2; Staudinger/Busche, BGB, Bearbeitungsstand März 2005, § 399 Rn. 5), weshalb höchstpersönliche Forderungen (Ansprüche) unübertragbar sind (Zöller/Stöber, 27. Auflage 2009, § 815 Rn. 3).

Bei dem Ausschlagungsrecht handelt es sich um ein solches höchstpersönliches, an die Erbenstellung gebundenes, nicht rechtsgeschäftlich übertragbares Gestaltungsrecht (Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Auflage 2009, § 1945 Rn. 2; PWW/Deppenkemper, BGB, 2. Auflage 2007, § 2306 Rn. 9), da die Ausschlagung der Erbschaft in das freie Belieben des Erben gestellt ist (Müko/Leipold, BGB, 4. Auflage 2004, § 1942 Rn. 14; Erman/Schlüter, BGB, 12. Auflage 2008, § 1945 Rn. 1). So kann auch der Sozialhilfeträger in den Fällen des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB das Recht zur Ausschlagung einer etwa durch Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung beschränkten Erbschaft des Sozialhilfeempfängers nicht auf sich überleiten und ausüben (BGH vom 08.12.2004, IV ZR 223/03, ZEV 2005, 117, 118).

Die Pfändung des Ausschlagungsrechtes des Schuldners …… konnte wegen seiner Höchstpersönlichkeit auch nicht gemäß § 857 ZPO erfolgen. Als anderes Vermögensrecht unterliegen alle zum beweglichen Schuldnervermögen gehörenden Vermögensobjekte der Pfändung, die nicht als körperliche Sachen (§§ 808 ff. ZPO), Geldforderungen (§§ 829 ff. ZPO) und Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung von Sachen (§§ 846 ff. ZPO) dem Vollstreckungszugriff unterworfen sind. Andere Vermögensrechte sind rechtlich geschützte Positionen von wirtschaftlichem Wert. Sie müssen als selbstständige Vermögensrechte deshalb einen Vermögenswert besitzen, der zwangsweise zur Befriedigung des Gläubigers erfasst werden kann. Das ist nicht der Fall bei höchstpersönlichen Rechten (Stöber, Forderungspfändung, 14. Auflage 2005, Rn. 1461).

3. Das Klagebegehren lässt sich auch nicht auf gepfändete Ansprüche des …… gemäß § 2314 BGB Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 2306 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB – zudem durch die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO bedingt – stützen. Auch Pflichtteilsrechte aus § 2306 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB stehen dem Schuldner …… als Nacherben aufgrund seiner wirksamen Nacherbeneinsetzung derzeit nicht zu. Zwar konnten die Rechte des Schuldners ……. aus seiner Stellung als Nacherbe durch die Kläger mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam gepfändet werden. Denn nach dem Tod des Erblassers und vor Anfall der Nacherbschaft (Eintritt der Nacherbfolge) hat der Nacherbe ein Recht auf Anfall der Erbschaft. Dieses veräußerliche Recht auf Nacherbschaft kann als solches gepfändet werden. Ist der Schuldner alleiniger Nacherbe, so unterliegt sein Anwartschaftsrecht der Rechtspfändung nach § 857 ZPO (Stöber, Forderungspfändung, 14. Auflage 2005, Rn. 1654, 1656). Die wirksame Pfändung hindert den Schuldner aber nicht, die Nacherbschaft auszuschlagen (Stöber, Forderungspfändung, 14. Auflage 2005, Rn. 1656). Der Schuldner  ….. kann deshalb trotz der Pfändung seines Anwartschaftsrechtes auf Anfall der Nacherbschaft durch die Kläger aufgrund der Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechtes weiter frei entscheiden, ob er die Nacherbschaft ausschlägt oder nicht. Er ist damit weiterhin bis zur wirksamen Ausschlagung der Nacherbschaft weiter Nacherbe. Aufgrund dieser Nacherbenstellung sind Pflichtteilsansprüche aus § 2306 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB (bislang) nicht entstanden. Denn der Schuldner …… ist hier als alleiniger Nacherbe eingesetzt. Die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB liegen daher nicht vor, da sich die Größe des hinterlassenen und des gesetzlichen Erbteilsbruchteils nicht wertmäßig, sondern nach der Erbquote bestimmen (Erman/Schlüter, BGB, 12. Auflage 2008, § 2306 Rn. 6; PWW/Deppenkemper, BGB, 2. Auflage 2007, § 2306 Rn. 6), der hier dem Schuldner …… hinterlassene Nacherbteil (quotenmäßig) mithin größer als sein halber gesetzlicher Erbteil nach seiner verheirateten Mutter, der Erblasserin Doris Markowski, ist. Der Schuldner …… kann daher entweder die Nacherbschaft annehmen oder nach der (wirksamen) Ausschlagung der Nacherbschaft den – mit der vorbereitenden Auskunft über § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB – Pflichtteil fordern (vgl. Müko/Lange, BGB, 4. Auflage 2004, § 2306 Rn. 8). Ein Pflichtteilsanspruch des Schuldners Rainer Berg nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 2306 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB besteht daher bis zur wirksamen Ausschlagung der Nacherbschaft (durch ihn selbst) nicht.

1. Schließlich lässt sich das Klagebegehren auch nicht mit dem von den Klägern behauptete Anerkenntnis des Beklagten begründen. Die Kläger haben – vom Beklagten bestritten – vorgetragen, dass der Beklagte vorprozessual den Pflichtteilsanspruch anerkannt und ihnen zugesichert habe, deren Forderung erfüllen zu wollen (Klageschrift vom 13.10.2008, S. 4, Bl. 4 d.A.; Schreiben vom 22.02.2008, Bl. 6 d.A.; Schriftsatz vom 23.12.2008, S. 2, S. 4, Bl. 28, 30 d.A.; Sitzungsniederschrift vom 08.01.2009, Bl. 37 f d. A.). Die Kläger haben diesen Vortrag nicht weiter substanziiert, sondern sich auf dessen formelhafte Wiederholung beschränkt. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten (Klageerwiderung vom 20.11.2008, S. 2, Bl. 16 d.A.; Sitzungsniederschrift vom 08.01.2009, Bl. 37 f d. A.). Dem bestrittenen Vortrag der Kläger fehlt es an jeder Substanz. Sie haben zudem für ihre streitige – substanzlose – Behauptung auch keinen Beweis angetreten. Zudem kann der Beklagte als Vorerbe durch ein Anerkenntnis die Rechte des Schuldners …… als Pflichtteilsinhaber nicht aushebeln. Für ein allgemeines Schuldanerkenntnis des Beklagten fehlt es darüber hinaus bereits an der erforderlichen Form der §§ 780, 781 BGB.

Nach alledem war die Klage als insgesamt unbegründet abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!