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Pflichtteilsforderung – Dinglicher Arrest

LG München II – Az.: 13 O 446/18 – Urteil vom 16.02.2018

1. Wegen Pflichtteilsforderung in Höhe von 106.500,00 € nebst einer Kostenpauschale von 10.000,00 € wird der dingliche Arrest in das Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Vollziehung des Arrests wird bei Hinterlegung durch die Antragsgegnerin von 116.500,00 € gehemmt.

4. In Vollziehung des Arrests wird bis zu einem Höchstbetrag von 116.500,00 € gepfändet die Forderung der Antragsgegnerin auf Zahlung des Kaufpreises gegen Herrn S., …-Str. 4, … X. – zugleich Drittschuldner – aus dem zwischen der Antragsgegnerin und Herrn S. am 27.12.2017 geschlossenen Immobilienkaufvertrag (Notar H., X., UR-Nr. …./2017).

Dem Drittschuldner wird verboten, den Höchstbetrag an die Antragsgegnerin zu leisten.

Der Antragsgegnerin wird geboten, sich jeder Verfügung über die gepfändete Forderung zu enthalten.

5. Der Streitwert wird auf 35.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragsteller sind die leiblichen Kinder des am 24. November 2016 verstorbenen Erblassers Werner E.. Zum Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser in zweiter Ehe verheiratet. In seinem handschriftlichen Testament vom 5. Juli 1997 setzte der Erblasser seine Stieftochter M. – die hiesige Antragsgegnerin – zur Alleinerbin ein. Zudem bestimmte er: „Außerdem möchte ich das [sic] meine Tochter Susanne E. geboren am …1969 vom Pflichtanteil und vom Erbe wegen seelischer [sic] Grausamkeiten ausgeschlossen wird.“

Aufgrund der Alleinerbenstellung wurde die Antragsgegnerin am 10. Oktober 2017 als Alleineigentümerin des Grundstücks X…straße … (Flurnummer …) im Grundbuch der Gemeinde … eingetragen. Dieses Grundstück stellt den wesentlichen Vermögenswert des Nachlasses dar. Das von der Antragsgegnerin eingeholte Wertgutachten betreffend den Verkehrswert des bebauten Grundstücks kommt zum 16. März 2017 auf einen Schätzwert von 210.514 €. Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Dezember 2017 verkaufte die Antragsgegnerin das Grundstück an S. für 284.000 €. Dieser Kaufpreis ist gemäß Ziffer III.2.b) des Kaufvertrages fällig frühestens eine Woche, nachdem die Antragsgegnerin das Kaufobjekt vertragsgemäß geräumt hat. Die Antragsgegnerin verpflichtete sich gemäß Ziffer IV.1.a) des Kaufvertrages zu einer Räumung bis spätestens 1. März 2018.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. April 2017 forderte der Antragsteller zu 1) die Antragsgegnerin auf, bis spätestens 19. Mai 2017 einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu beauftragen. Nachdem die Antragsgegnerin dieser – in der Folge wiederholten – Aufforderung nicht nachgekommen war, erhob der Antragsteller zu 1) Klage vor dem Landgericht München II. Dort wurde am 12. September 2017 ein Vergleich geschlossen, wonach sich die Antragsgegnerin verpflichtete, die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Auftrag zu geben; dies erfolgte am 28. September 2017.

Die Antragsteller sind der Auffassung, für den Nachlasswert, aus dem sich die Höhe der Pflichtteilsansprüche errechne, sei vorliegend die Höhe des Kaufpreises für die Immobilie maßgebend; das von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebene Wertgutachten weise „für jeden Laien erkennbar“ einen zu niedrigen Wert aus.

Der Arrestgrund ergebe sich schon aus der Tatsache, dass das verkaufte Grundstück den wertmäßig „weit überwiegenden Teil des Nachlasses“ ausmache. Denn durch die Veräußerung ergebe sich eine Verschlechterung der Zugriffslage für die Antragsteller.

Die Antragsteller beantragen:

1. Wegen Pflichtteilsforderung in Höhe von 106.500,00 € nebst einer Kostenpauschale von 10.000,00 € wird der dingliche Arrest in das Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Vollziehung des Arrests wird bei Hinterlegung durch die Antragsgegnerin von 116.500,00 € gehemmt.

4. In Vollziehung des Arrests wird bis zu einem Höchstbetrag von 116.500,00 € gepfändet die Forderung der Antragsgegnerin auf Zahlung des Kaufpreises gegen Herrn S., …-Str. 4, … X. – zugleich Drittschuldner – aus dem zwischen der Antragsgegnerin und Herrn S. am 27.12.2017 geschlossenen Immobilienkaufvertrag (Notar H., X., UR-Nr. …./2017).

Dem Drittschuldner wird verboten, den Höchstbetrag an die Antragsgegnerin zu leisten.

Der Antragsgegnerin wird geboten, sich jeder Verfügung über die gepfändete Forderung zu enthalten.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, die Antragstellerin zu 2) habe in der Vergangenheit den Erblasser mit einem Messer angegriffen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Meinung, die Antragstellerin zu 2) sei deshalb erbunwürdig und könne einen Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen. Unabhängig davon liege ein Arrestgrund nicht vor, da sie sowohl das Wertgutachten als auch das notarielle Nachlassverzeichnis in Auftrag gegeben habe.

Die Antragstellerin zu 2) bestreitet den Vorwurf eines Messerangriffs zu Lasten ihres Vaters.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2018 die Parteien persönlich angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag ist begründet. Es liegen sowohl Arrestanspruch als auch Arrestgrund vor.

I.

1. a) Der Arrestanspruch (§ 916 ZPO) folgt für sämtliche Antragsteller aus § 2303 Abs. 1 BGB. Die Antragsteller sind sämtlich Abkömmlinge des Erblassers, die durch das Testament vom 5. Juli 1997 von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Ein Pflichtteilsanspruch wurde auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) glaubhaft gemacht. Im Testament vom 5. Juli 1997 verweist der Erblasser für seinen Wunsch, der Antragstellerin zu 2) den Pflichtteil zu entziehen, lediglich auf „seelische Grausamkeiten“. Ein solcher Grund berechtigt weder zu einer Entziehung des Pflichtteils gemäß § 2333 BGB noch führt er gemäß § 2339 in Verbindung mit § 2345 BGB zu einer Pflichtteilsunwürdigkeit. Der nunmehr von der Antragsgegnerin geltend gemachte Messerangriff ist für die Frage der Pflichtteilsentziehung irrelevant, weil die Gründe für die Pflichtteilsentziehung gemäß § 2336 BGB in der Verfügung von Todes wegen aufgeführt sein müssen. Angesichts der erheblichen Diskrepanz zwischen seelischer Grausamkeit einerseits und einem Messerangriff andererseits bestehen derzeit aber auch keine überwiegenden Gründe anzunehmen, dass die Antragstellerin zu 2) aufgrund eines Messerangriffs zu Lasten des Erblassers erbunwürdig sei.

b) Hinsichtlich der Höhe des Pflichtteilsanspruchs geht das Gericht – wie die Antragsteller – von einem Nachlasswert in Höhe von mindestens 284.000 € aus. Gemäß § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB ist zwar der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls am 24. November 2016 maßgeblich. Das Wertgutachten kommt für den 16. März 2017 auf einen Schätzwert von 210.514 € und damit auf einen erheblich niedrigeren Betrag, als er dem Kaufpreis aufgrund des Kaufvertrags vom 27. Dezember 2017 entspricht. Das Gericht geht ungeachtet der generellen Wertsteigerung von Grundstücken im Großraum München nicht davon aus, dass die Diskrepanz zwischen dem Schätzwert aus dem Wertgutachten und dem Kaufpreis auf eine solche Wertsteigerung in der relativ kurzen Zeit zwischen dem Bewertungstag des Gutachtens und dem Datum des Kaufvertragsschlusses zurückgeht, sondern dass der Verkehrswert tatsächlich entsprechend dem Kaufpreis sowohl am 16. März 2017 als auch am 27. Dezember 2017 über dem Schätzwert lag. Desweiteren geht das Gericht davon aus, dass auch zwischen den 24. November 2016 und dem 16. März 2017 angesichts des kurzen Zeitabstands keine maßgebliche Wertsteigerung stattfand. Nachlassschulden wurden von der Antragsgegnerin nicht geltend gemacht.

Gemäß § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, für die Antragsteller also gemäß §§ 1924, 1931 Abs. 1 BGB in jeweils 1/8 und damit jeweils in einem Betrag von 35.500 €.

c) Der Arrestanspruch umfasst auch die voraussichtlichen Kosten, die durch die streitige Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche sowie durch das Arrestverfahren entstehen werden bzw. entstanden sind. Die von den Antragstellern insoweit geschätzten 10.000 € sind aus Sicht des Gerichts angemessen.

2. Der Arrestgrund (§ 917 ZPO) folgt aus der Tatsache, dass das verkaufte Grundstück den wesentlichen Nachlasswert ausmacht. Eine rechtswidrige oder anderweit in der Absicht erfolgte Handlung der Antragsgegnerin, durch die Veräußerung der Immobilie die Zugriffsmöglichkeit für die Pflichtteilsberechtigten zu erschweren, ist für die vom Gesetz geforderte Besorgnis der Vollstreckungserschwerung nicht erforderlich. Ausreichend ist allein die objektive Gefährdung der Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs. Für diese objektive Gefährdung ist es ausreichend, dass der Pflichtteilsberechtigte auf Barvermögen aufgrund dessen Flüchtigkeit schwerer zugreifen kann als auf Immobiliarvermögen, sogar wenn der Verpflichtete die Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstandes nur beabsichtigt (siehe OLG München, Beschluss vom 30.05.2006, 12 UF 1118/06, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.10.1996, 2 UF 140/96, juris). Vorliegend ist die Veräußerung bereits erfolgt und die Fälligkeit des Kaufpreises steht nach den Vertragsbedingungen kurz bevor.

Ob bis dahin das Nachlassverzeichnis des Notars fertiggestellt ist, ist unklar. Selbiges gilt für die Antwort auf die Frage, ob die Antragsgegnerin nach Fertigstellung des Nachlassverzeichnisses unmittelbar die Ansprüche der hiesigen Antragsteller befriedigt, nachdem die Beauftragung eines Notars mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses trotz der klaren gesetzlichen Regelung in § 2314 BGB noch nach den Anwaltsschreiben vom 20. April 2017 und 29. Mai 2017 vom Antragsteller zu 1) eingeklagt werden musste.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

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