Testament: Pflichtteilsverwirkungsklausel bleibt wirkungslos
In einem aktuellen Gerichtsfall dreht sich alles um die Frage, ob eine Pflichtteilsverwirkungsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament wirksam ist. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine der Erbinnen aufgrund ihres Verhaltens von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
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Übersicht
Erbfolge und Pflichtteilsklausel
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben in einem gemeinschaftlichen Testament ihre vier Kinder als Schlusserben eingesetzt. Eine Pflichtteilsverwirkungsklausel wurde verankert, nach der ein Kind nur den Pflichtteil erhält, wenn es nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordert.
Streit um Erbanspruch
Nach dem Tod des Ehemanns hat eine der Erbinnen den Pflichtteil verlangt, woraufhin ihr Nachlassverzeichnis übermittelt wurde. Sie hat jedoch keine gerichtliche Klage eingereicht und keinen Pflichtteil erhalten. Später beantragt eine andere Erbin einen Erbschein und vertritt die Ansicht, die Pflichtteilsverwirkungsklausel schließe die erstgenannte Erbin von der Erbfolge aus. Diese widerspricht und argumentiert, der Pflichtteil sei nicht geltend gemacht worden.
Pflichtteilsverwirkungsklausel nicht erfüllt
Die Pflichtteilsverwirkungsklausel ist nicht erfüllt, da die Beteiligte zu 1) ihren Pflichtteil nach dem Ehemann der Erblasserin nicht gefordert hat. Sie hatte zunächst keine Kenntnis vom Testament und somit auch nicht von der Pflichtteilsklausel. Später verlangte sie lediglich Auskunft über den Nachlass, was kein Verlangen des Pflichtteils beinhaltet. Auch die Anzweiflung des Nachlassverzeichnisses und das Geltendmachen eines Wertermittlungsanspruchs hinsichtlich einer Immobilie überschreiten nicht die Grenze zum Verlangen des Pflichtteils.
Keine Verwirkung des Erbteils
Die Beteiligte zu 1) verwirkte ihren Erbteil nicht, als sie ihre Verfahrensbevollmächtigten anwies, den Pflichtteil geltend zu machen, da sie diese Anweisung kurz darauf widerrief. Da das Verlangen der Erblasserin nicht zur Kenntnis gelangt war, ist die Beteiligte zu 1) weiterhin Mitglied der Erbengemeinschaft nach der Erblasserin. Daher wurde der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 5) zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) war erfolgreich, und es wurde entschieden, von einer Kostenerhebung abzusehen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten wurde nicht für angemessen erachtet.
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Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 21 W 182/21 – Beschluss vom 01.02.2022
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgericht Dillenburg vom 21. Juli 2021 abgeändert. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 5) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin, Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 140.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die am XX.XX:2020 in Stadt1 verstorbene Erblasserin war mit dem vorverstorbenen B Nachname1 verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, nämlich die Beteiligten 2), 3) und 5) sowie der am 7. Dezember 2015 vorverstorbene C Nachname1. Dessen Kinder sind die Beteiligten zu 1) und 4).
Die Eheleute errichteten am 16. März 2007 ein handschriftliches und vom Nachlassgericht eröffnetes Testament (Bl. 7 d. TA). Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre vier Kinder als Schlusserben ein. Ferner enthält die letztwillige Verfügung eine sogenannte Pflichtteilsverwirkungsklausel. Wörtlich heißt es:
„Sollte eines unser Kinder nach dem Tode des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztverstorbenen ebenfalls nur das Pflichtteil“.
Nach dem Tod des Ehemanns hat sich die Beteiligte zu 1) mit Schreiben ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Juli 2018 an die Erblasserin gewandt und zur Vorbereitung einer Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem verstorbenen Ehemann der Erblasserin einen Auskunftsanspruch als gesetzliche Miterbin des Ehemanns geltend gemacht (Bl. 108 d. A.). Diesen Auskunftsanspruch wiederholte sie nach Einsichtnahme in das gemeinschaftliche Testament mit Schreiben vom 29. August 2018 und stützte ihn diesmal auf ihre Stellung als Pflichtteilsberechtigte, wobei sie der Erblasserin eine Frist bis zum 10. September 2018 zur Erstellung eines entsprechenden Nachlassverzeichnisses setzte (Bl. 104 d. A.). Mit Schreiben vom 14. September 2018 übersandten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin der Beteiligten zu 1) ein Nachlassverzeichnis (Bl. 179 f. d. A.), dass diese mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 als unzureichend zurückwies und Nachbesserung bis zum 19. Oktober 2018 anmahnte sowie zugleich einen Wertermittlungsanspruch hinsichtlich einer im Nachlass sich befindenden Immobilie geltend machte (Bl. 97 ff. d. A.). Darauf reagierten die Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2018, machten ihrerseits Gegenansprüche gegen die Beteiligte zu 1) geltend und schlugen eine gütliche Einigung vor (Bl. 92 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 30. November 2018 wies der Verfahrensbevollmächtigte der Erblasserin gegenüber den Rechtsanwälten der Beteiligten zu 1) darauf hin, dass man längere Zeit nichts mehr gehörte habe und man daher davon ausginge, dass die Beteiligte zu 1) die Sache nicht weiterbetreiben wolle (Bl. 146 d. A.). Weiterer Schriftverkehr erfolgte nicht.
Einem Aktenvermerk vom 1. April 2019 zufolge äußerte die Beteiligte zu 1) gegenüber ihren Verfahrensbevollmächtigten sodann am 29. März 2019, dass sie in jedem Fall den Pflichtteil in Höhe von 2.542,52 € gerichtlich geltend machen wolle, aber kurz darauf am 1. April 2019 mitgeteilt habe, dass keine Klage eingereicht werden solle (Bl. 72 f. d. A.). Die Angelegenheit wurde dann von ihr tatsächlich nicht weiterverfolgt. Insbesondere kam es weder zu einer Klageerhebung noch zu einer Auszahlung eines Pflichtteils.
Nach dem Tod der Erblasserin hat die Beteiligte zu 5) einen Erbschein beantragt, der sie und die Beteiligten zu 2) bis 4) als Erben zu gleichen Teilen ausweisen soll. Zur Begründung hat sie sich auf die letztwillige Verfügung der Eheleute berufen und vorgebracht, die Beteiligte zu 1) habe ihren Pflichtteil geltend gemacht, weswegen sie aufgrund der Pflichtteilsverwirkungsklausel von der Erbfolge ausgeschlossen sei, so dass nur ihr Bruder, der Beteiligte zu 4) als Ersatzerbe für den vorverstorbenen C Nachname1 zu berücksichtigen sei. Dem Antrag ist die Beteiligte zu 1) mit dem Argument entgegengetreten, der Pflichtteil sei von ihr nicht geltend gemacht worden und der Auskunftsanspruch löse die Sanktion der Klausel noch nicht aus.
Das Nachlassgericht hat die Beteiligte zu 1) angehört. Hinsichtlich deren Angaben wird auf Bl. 64 d. A. verwiesen. Sodann hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet (Bl. 119 ff. d. A.). Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Erbfolge ergebe sich aus dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute. Aufgrund des Verhaltens der Beteiligten zu 1) nach dem Tod des Erblassers sei von deren Verwirkung ihres Erbrechts als Schlusserbin auszugehen. Zwar habe sie den Pflichtteil nach dem vorverstorbenen Ehemann weder ausgezahlt bekommen noch gerichtlich geltend gemacht. Ein Auskunftsverlangen allein löse die Wirkungen der Pflichtteilsstrafklausel auch nicht aus. Allerdings habe die Beteiligte zu 1) über das schlichte Auskunftsbegehren hinaus Kritikpunkte an dem erstellten Nachlassverzeichnis geäußert und Nachbesserung verlangt. Durch dieses Verhalten habe sie gegenüber der Erblasserin zu verstehen gegeben, dass sie ausdrücklich und ernsthaft den Pflichtteil einfordern wolle.
Gegen die ihren Verfahrensbevollmächtigten am 3. August 2021 zugestellte (Bl. 125 d. A.) Entscheidung hat die Beteiligte zu 1) mit am 17. August 2021 (Bl. 126 d. A.) beim Nachlassgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2021 begründet. Hierbei hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Aufforderung zur Nachbesserung des Nachlassverzeichnisses stelle entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts weiterhin nur ein Auskunftsverlangen und keine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs dar.
Der Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Daraufhin hat der Berichterstatter den Beteiligten einen Hinweis erteilt, woraufhin die Beteiligte zu 1) weiter vorgetragen hat.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Nachlassgericht ist zu Unrecht von einem Ausscheiden der Beteiligten zu 1) aus der Erbengemeinschaft ausgegangen.
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Sie ist fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Nachlassgericht eingegangen, § 63 FamFG. Zudem ist die Beteiligten zu 1) als Erbprätendentin beschwerdebefugt (vgl. Keidel/Meyer – Holz, FamFG, 2020, § 59 Rn 79). Der Beschwerdewert liegt über 600 €, § 61 Abs. 1 FamFG.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 5) war zurückzuweisen, da entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts die Pflichtteilsstrafklausel nicht erfüllt ist, weswegen die Beteiligte zu 1) weiterhin Miterbin nach der Erblasserin ist.
a) Noch zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass die Abkömmlinge des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin und ihres Ehemanns als Ersatzerben anzusehen sind. Dafür, dass die Eheleute die Kinder als Vertreter deren Stämme bedacht haben, spricht bereits der Wortlaut der letztwilligen Verfügung, bei dem die Abkömmlinge ausdrücklich als „Kinder“ benannt werden. Diese Sichtweise wird bestätigt durch den Umstand, dass die Kinder jeweils zu gleichen Teilen als Erben vorgesehen sind. Etwaige verbleibende Zweifel an dieser Auslegung kommen nicht zum Tragen, da gemäß § 2069 BGB von einer Ersatzerbenstellung der Abkömmlinge des bedachten Kindes im Regelfall auszugehen ist.
b) Ferner ist dem Amtsgericht darin zu folgen, dass die Pflichtteilsklausel, die dem Wortlaut zufolge sich nur auf die „Kinder“ bezieht, entsprechende Anwendung auf die Ersatzerben findet. Dieses Verständnis wird vom Wortlaut der letztwilligen Verfügung nahegelegt. Wie bei der Schlusserbenklausel sind bei der Pflichtteilsstrafklausel die „Kinder“ angesprochen. Zudem steht einer etwaigen unterschiedlichen Behandlung der Zweck der Pflichtteilsklausel, nämlich der Schutz des Längstlebenden, entgegen. Für diesen von den Erblassern beabsichtigten Schutz des Längstlebenden vor einer finanziellen Belastung ist es unerheblich, ob der Pflichtteil an ein Kind oder einen Enkel auszuzahlen ist.
c) Nicht zu folgen vermag der Senat allerdings der Einschätzung des Nachlassgerichts, die Beteiligte zu 1) habe aufgrund ihres Verhaltens nach dem Tod des Ehemanns der Erblasserin die Pflichtteilsverwirkungsklausel erfüllt.
aa) Bei der in Rede stehenden Klausel handelt es sich um eine Pflichtteilsverwirkungsklausel üblichen Zuschnitts. Der in der Klausel verwandte Begriff des „Forderns“ des Pflichtteils ist mit den ebenfalls häufig benutzten Begriffen des Verlangens oder Geltendmachens gleichbedeutend (vgl. auch OLG Rostock NJW-RR 2015, 776). Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis der testierenden Eheleute sind von den Beteiligten nicht vorgetragen worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich.
bb) Gegen diese Klausel üblichen Zuschnitts hat die Beteiligte zu 1) entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts nicht verstoßen.
aaa) Die Pflichtteilsstrafklausel verfolgt allgemein das Ziel, dem überlebenden Ehegatten den Nachlass möglichst ungeschmälert zu erhalten (vgl. BayObLG MDR 1991, 252). Der Erblasser will in der Regel mit der Sanktionsklausel seinen überlebenden Ehegatten nicht nur vor einer vorzeitigen Schmälerung der als Einheit gesehenen Erbmasse oder Gefahr einer solchen schützen, sondern ihm auch und gerade die persönlichen Belastungen ersparen, die mit einer Auseinandersetzung mit dem (angeblich) Pflichtteilsberechtigten regelmäßig verbunden sind (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 331; OLG München NJW-RR 2008, 1034).
Die Pflichtteilsstrafklausel wird durch das bewusste Geltendmachen des Pflichtteils in Kenntnis der Klausel ausgelöst (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2069 Rn 14). Die Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel erfordert ein Fordern des Pflichtteils gegenüber dem Längstlebenden seitens des Pflichtteilsberechtigten. Dabei wird ein Verlangen bzw. Fordern immer dann angenommen, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Überlebenden ausdrücklich und ernsthaft deutlich macht, dass er seinen Pflichtteil geltend machen will (vgl. OLG Rostock NJW-RR 2015, 776).
Hierfür ist es nicht ausreichend, dass der Pflichtteilsberechtigte allein Auskunft begehrt. Zwar wird der Erbe auch durch die Erstellung des Nachlassverzeichnisses im Wege der Auskunft schon durch die Auseinandersetzung mit dem Pflichtteilsberechtigten belastet. Der Pflichtteilsberechtigte hingegen benötigt zumindest die Auskunft über den Umfang des Nachlasses, um sich entscheiden zu können, ob er seine Schlusserbeneinsetzung bestehen lassen oder lieber seinen Pflichtteil in Anspruch nehmen möchte (vgl. BayObLG MDR 1991, 252; Sarres ZEV 2004, 407; Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2069 Rn. 14; zurückhaltend OLG Rostock NJW-RR 2015, 776). Diese Differenzierung ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber mit dem Auskunftsanspruch in § 2314 BGB und dem Pflichtteilsanspruch in § 2303 BGB zwei unterschiedliche Ansprüche geregelt hat.
Demgegenüber ist es für ein Verlangen in dem vorgenannten Sinne nicht erforderlich, dass die Pflichtteilsberechtigte diesen bereits gerichtlich eingefordert hat oder der Pflichtteil bereits an sie ausgezahlt ist (vgl. OLG Hamm ZEV 2013, 397; OLG Düsseldorf NJW-RR 2011, 1515, Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2069 Rn. 14).
Ob der Pflichtteilsberechtigte zu erkennen gibt, den Pflichtteil ernsthaft geltend machen zu wollen, ist dabei aus der Sicht des Erben unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts zu beurteilen.
bbb). Unter Zugrundelegung vorstehender Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass die Beteiligte zu 1) gegenüber der Erblasserin ihren Pflichtteil nach dem Ehemann der Erblasserin im Sinne der Pflichtteilsverwirkungsklausel gefordert hat.
Ein Fordern des Pflichtteils bereits mit Schreiben ihrer Anwälte vom 20. Juli 2018 kommt ohnehin nicht in Betracht, da die Beteiligte zu 1) zu diesem Zeitpunkt unstreitig keine Kenntnis von dem Testament hatte, die Kenntnis der Pflichtteilsklausel aber Voraussetzung für die Verwirkung der Klausel ist. Ferner ist trotz der danach seitens der Beteiligten zu 1) erlangten Kenntnis von dem Testament ebenfalls in dem Schreiben vom 29. August 2018 kein Verlangen des Pflichtteils zu sehen, da hiermit lediglich Auskunft über den Nachlass verlangt wurde, das bloße Verlangen der Auskunft jedoch regelmäßig kein Verlangen des Pflichtteils beinhaltet.
Des Weiteren hat die Beteiligte zu 1) auch nicht den Pflichtteil dadurch gefordert, dass sie mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 die Richtigkeit des ihr übersandten Nachlassverzeichnisses anzweifelte und zugleich einen Wertermittlungsanspruch hinsichtlich einer zum Nachlass gehörenden Immobilie geltend machte.
Zuzugeben ist dem Nachlassgericht zwar, dass hierdurch eine Beharrlichkeit der Interessenverfolgung zum Ausdruck gekommen ist, die über eine grobe Einschätzung des Nachlasswertes hinausgeht. Gleichwohl wird hierdurch die Grenze zum Verlangen des Pflichtteils noch nicht überschritten, handelt es sich vielmehr weiterhin ausschließlich um die – wenngleich energische – Forderung ggf. anspruchsvorbereitender Informationen. Obgleich eine Belastung für den durch die Klausel zu schützenden Erben hierin unverkennbar ist und insoweit das Ziel der Pflichtteilsverwirkungsklausel nicht in vollem Umfang erreicht wird, ist an der gesetzlichen Trennung zwischen den Ansprüchen aus § 2303 BGB und § 2314 BGB schon aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten. Finanzielle Nachteile für den Erben sind hiermit nicht verbunden, da ein etwaiger Verzug mit der Zahlung des Pflichtteils durch ein gesteigertes Auskunftsverlangen ebenfalls in Form der Erhebung eines Wertermittlungsanspruchs nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht begründet wird. Hinzu kommt, dass andernfalls bereits ein völlig unzureichendes Nachlassverzeichnis den Pflichtteilsberechtigten dazu zwingen würde, eine Entscheidung zwischen Geltendmachung des Pflichtteils und Bewahrung des Erbanspruchs nach dem Längstlebenden zu treffen, obwohl ihm hierzu eine brauchbare Informationsgrundlage fehlt. Sofern die Testierenden hingegen bereits das bloße Auskunftsverlangen als besondere Form der Belastung für den Überlebenden ausschließen wollen, steht es ihnen frei, die Pflichtteilsverwirkungsklausel weiter zu fassen und nicht nur das Verlangen des Pflichtteils, sondern bereits die Auskunft über die Höhe des Nachlasses als entsprechend zu ahndendes Verhalten festzuschreiben.
Schließlich verwirkte die Beteiligte zu 1) ihren Erbteil auch nicht dadurch, dass sie am 29. März 2019 ihre Verfahrensbevollmächtigten anwies, den Pflichtteil geltend zu machen. Denn diese Anweisung widerrief sie bereits am 1. April 2019, einem Sontag, ohne dass das Verlangen der Erblasserin zur Kenntnis gelangt wäre. Auf deren verobjektivierte Sicht kommt es hingegen an.
Aus den Angaben der Beteiligten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Nachlassgericht, die im Wesentlichen lediglich den vorliegenden Schriftverkehr bestätigen, lässt sich ebenfalls kein Verlangen des Pflichtteils ersehen. Insbesondere bestätigte sie ausdrücklich, von einer gerichtlichen Auseinandersetzung bewusst Abstand genommen zu haben.
d) Mangels Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel ist die Beteiligte zu 1) weiterhin Mitglied der Erbengemeinschaft nach der Erblasserin, weswegen der Erbscheinsantrag der Beteiligte zu 5) zurückzuweisen war.
3. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung folgt der gesetzlichen Regelung für den Normalfall.
Soweit es die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens anbelangt, entspricht es der Billigkeit, von einer Kostenerhebung abzusehen, § 81 FamFG. Die Beschwerde ist erfolgreich gewesen.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten in erster und zweiter Instanz ist nicht veranlasst. Dies entspräche nicht zuletzt in Anbetracht des verwandtschaftlichen Verhältnisses zwischen den Beteiligten sowie der fehlenden Eindeutigkeit der zu treffenden Entscheidung nicht der Billigkeit.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der rechtlichen Bewertung der konkreten Gesamtumstände orientiert. Folglich ist kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats gegeben.
Die Wertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 61, 40 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags der Beschwerdeführerin dient. Ziel des Antrags der Beteiligten zu 1) ist die Verhinderung des von den Beteiligten zu 5) beantragten Erbscheins. Damit ist für den Geschäftswert auch des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung betreffend der Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins in § 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG heranzuziehen, wonach maßgeblich der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ist, von dem nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abgezogen werden. Den Wert des Nachlasses bemisst der Senat auf der Grundlage der Angaben des Beteiligten zu 5) auf etwa 140.000 Euro (Bl. 4 d. A.). Daraus ergibt sich der im Tenor festgesetzte Beschwerdewert.