Ein Mann schrieb seiner Lebensgefährtin eine handfeste Darlehensbestätigung, in der er sie gleichzeitig „als Erbin“ bezeichnete. Das Gericht musste klären, ob der eigentliche Testierwille schwerer wiegt als der offensichtliche Formmangel dieser Quittung als Testament.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Quittung als Testament: Kann eine simple Bestätigung den letzten Willen ersetzen?
- Was genau war passiert?
- Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?
- Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?
- Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Mindestanforderungen muss mein handschriftliches Testament erfüllen, damit es gültig ist?
- Wann erkennt das Gericht meinen Testierwillen bei einem unklaren oder formlosen Dokument an?
- Wie kann ich die Gültigkeit eines Testaments beweisen, das formunwirksam erscheint?
- Was passiert, wenn meine letztwillige Verfügung in einer Quittung oder Darlehensbestätigung versteckt ist?
- Wie gestalte ich mein Testament so eindeutig, dass Formfehler und Auslegungsstreitigkeiten vermieden werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 Wx 44/25 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 09.10.2025
- Aktenzeichen: 33 Wx 44/25 e
- Verfahren: Beschwerdeverfahren (Erbschein)
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung, Formvorschriften
- Das Problem: Nach dem Tod eines Mannes stritten sich seine Lebensgefährtin und seine gesetzliche Angehörige um das Erbe. Es gab ein unterschriebenes Schreiben, das die Lebensgefährtin als Testament wertete, während die Angehörige die gesetzliche Erbfolge forderte.
- Die Rechtsfrage: Kann ein vom Erblasser unterschriebenes Schriftstück, das primär eine Darlehensbestätigung enthält, aufgrund einer zusätzlichen Formulierung für den Todesfall als gültige Erbeinsetzung gelten?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht entschied, dass die Anweisung, die Lebensgefährtin solle die Darlehenssumme „steuerlich als Erbin zugute“ bekommen, eine wirksame Anordnung für den Todesfall darstellt.
- Die Bedeutung: Auch Dokumente, die ursprünglich andere Zwecke erfüllen (wie Empfangsbestätigungen), können als formwirksames Testament anerkannt werden, sofern sie eine klare, unterschriebene Regelung zur Rechtsnachfolge enthalten.
Quittung als Testament: Kann eine simple Bestätigung den letzten Willen ersetzen?
Manchmal sind es unscheinbare Dokumente, die nach einem Todesfall zu zentralen Streitpunkten werden. Ein solcher Fall landete vor dem Oberlandesgericht München, das am 09. Oktober 2025 unter dem Aktenzeichen 33 Wx 44/25 e eine Entscheidung von fundamentaler Bedeutung traf. Im Kern ging es um die Frage, ob eine handschriftliche Bestätigung über ein Darlehen, die beiläufig die Formulierung „als Erbin“ enthält, ein formunwirksames, aber inhaltlich klares Testament ausstechen kann. Die Entscheidung beleuchtet eindrücklich den schmalen Grat zwischen einer reinen finanziellen Abrechnung und einer gültigen Verfügung von Todes wegen. Sie zeigt, dass bei der Auslegung des letzten Willens die Form zwar entscheidend, der erkennbare Wille des Erblassers aber letztlich ausschlaggebend ist.
Was genau war passiert?

Ein lediger und kinderloser Mann verstarb im Jahr 2022. Nach seinem Tod entbrannte ein Streit um sein Erbe zwischen zwei Frauen: seiner langjährigen Lebensgefährtin und seiner nächsten gesetzlichen Erbin, einer nahen Angehörigen. Die Angehörige beantragte beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte, da nach ihrer Auffassung kein gültiges Testament existierte.
Die Lebensgefährtin legte daraufhin zwei Schriftstücke vor, die sie gemeinsam in einer Klarsichthülle im Schreibtisch des Verstorbenen gefunden hatte. Das erste Dokument war ein auf das Jahr 1999 datiertes, handschriftliches Testament. Darin setzte der Mann seine Lebensgefährtin unmissverständlich als Alleinerbin ein. Dieses Dokument hatte jedoch einen entscheidenden Makel: Es war nicht unterschrieben.
Das zweite Dokument stammte aus dem Jahr 2002, war ebenfalls handschriftlich verfasst und – das ist der entscheidende Unterschied – vom Erblasser unterschrieben. Auf den ersten Blick wirkte es jedoch nicht wie ein Testament, sondern wie eine Empfangsbestätigung oder Quittung. Der Mann bestätigte darin, von seiner Lebensgefährtin eine Summe von mindestens 360.000 Euro für den Umbau seines Hauses als Darlehen erhalten zu haben. Der Text endete jedoch mit einer folgenreichen Anweisung: „im Falle meines Todes [ist] die vorgenannte Summe vorweg auf den Nachlaß mit dem Haus abgezogen und steuerlich ihr als Erbin zugute kommt“.
Das Nachlassgericht in Sonthofen folgte zunächst der Argumentation der gesetzlichen Erbin. Es stufte das Testament von 1999 wegen der fehlenden Unterschrift als Formunwirksam ein und sah in dem Schreiben von 2002 keine wirksame Erbeinsetzung. Folglich kündigte es an, den Erbschein zugunsten der Angehörigen zu erteilen. Dagegen legte die Lebensgefährtin Beschwerde ein, die nun dem Oberlandesgericht München zur endgültigen Entscheidung vorlag.
Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?
Um die Logik des Gerichts zu verstehen, müssen Sie zwei zentrale Pfeiler des deutschen Erbrechts kennen: die strengen Formvorschriften für ein Testament und die richterlichen Regeln zur Auslegung des wahren Willens.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) stellt in § 2247 Abs. 1 BGB klare Anforderungen an ein Eigenhändiges Testament. Damit es gültig ist, muss der Erblasser die Erklärung von Anfang bis Ende höchstpersönlich mit der Hand schreiben und am Ende mit seinem vollen Namen unterschreiben. Diese strengen Regeln dienen der Rechtssicherheit. Sie sollen sicherstellen, dass das Dokument tatsächlich vom Erblasser stammt und dass es sich um seinen endgültigen, wohlüberlegten letzten Willen handelt und nicht nur um einen unverbindlichen Entwurf.
Gleichzeitig wissen die Gerichte, dass juristische Laien ihre Wünsche nicht immer in perfekter Form formulieren. Deshalb greift bei der Interpretation von Testamenten der Grundsatz der Auslegung nach § 133 BGB. Dieser Paragraph besagt, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Die Richter müssen also versuchen, sich in die Lage des Erblassers zu versetzen und herauszufinden, was er mit seinen Worten tatsächlich regeln wollte. Dieses Prinzip wird besonders wichtig, wenn ein Dokument zwar die formalen Mindestanforderungen erfüllt, sein Inhalt aber mehrdeutig erscheint.
Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?
Das Oberlandesgericht München hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies den Erbscheinsantrag der gesetzlichen Erbin zurück. Es kam zu dem Schluss, dass die Lebensgefährtin wirksam als Alleinerbin eingesetzt wurde. Die richterliche Analyse folgte dabei einer klaren, schrittweisen Logik.
Die Formfrage: Warum das Schreiben von 2002 die erste Hürde nahm
Zunächst sortierte das Gericht die vorgelegten Dokumente nach ihrer formalen Gültigkeit. Das an sich klare Testament aus dem Jahr 1999 scheiterte an der unüberwindbaren Hürde des § 2247 Abs. 1 BGB: Es war nicht unterschrieben. Ohne Unterschrift, so die Richter, kann ein handschriftliches Dokument niemals ein wirksames Testament sein. Damit war dieses Schriftstück für die Entscheidung über die Erbfolge rechtlich wertlos.
Anders verhielt es sich mit dem Schreiben von 2002. Es war vollständig vom Erblasser handgeschrieben und trug seine Unterschrift. Damit waren die äußeren, formalen Anforderungen an ein eigenhändiges Testament erfüllt. Die entscheidende Frage war nun nicht mehr die Form, sondern der Inhalt und vor allem die Absicht dahinter.
Der springende Punkt: Lag ein echter Testierwille vor?
Das Herzstück der richterlichen Prüfung war die Frage nach dem sogenannten Testierwillen. Wollte der Erblasser mit diesem Schreiben tatsächlich eine rechtsverbindliche Regelung für sein Erbe treffen oder nur eine finanzielle Schuld anerkennen? Um diese Frage zu beantworten, legte das Gericht den Text des Dokuments gemäß § 133 BGB aus und versuchte, den wahren Willen des Verstorbenen zu ergründen.
Die gesetzliche Erbin hatte argumentiert, der Text sei eindeutig als Quittung zu verstehen. Die Einleitung („Hiermit bestätige ich meiner Lebenspartnerin …“) und die Nennung der konkreten Summe sprächen klar für eine reine Darlehensbestätigung.
Das Gericht sah dies jedoch anders. Es erkannte zwar den Charakter einer Empfangsbestätigung an, stellte aber fest, dass der letzte Satzteil weit darüber hinausging. Die Formulierung, die Summe solle im Todesfall „steuerlich ihr als Erbin zugute“ kommen, war für die Richter der entscheidende Hinweis. Diese Anordnung, so die Begründung, ergibt logisch nur dann einen Sinn, wenn der Erblasser davon ausging, dass seine Lebensgefährtin tatsächlich seine Erbin wird. Man kann niemandem einen steuerlichen Vorteil „als Erbin“ zukommen lassen, wenn diese Person gar nicht erben soll. Mit dieser zukunftsgerichteten Anweisung traf der Mann eine Regelung, die über eine bloße Bestätigung eines gegenwärtigen Schuldenstands hinausging und aktiv die Verhältnisse nach seinem Tod gestalten sollte. Das Gericht wertete dies als klaren Ausdruck eines Testierwillens.
Warum die Argumente der gesetzlichen Erbin nicht überzeugten
Das Gericht setzte sich explizit mit den Gegenargumenten auseinander. Den Einwand, das Dokument sei primär eine Quittung, entkräftete es mit dem Hinweis, dass ein Schriftstück durchaus mehrere Zwecke erfüllen kann. Die Funktion als Darlehensbestätigung schließe nicht aus, dass es gleichzeitig eine testamentarische Verfügung enthält.
Auch die Möglichkeit, dass der Erblasser hier nur einen unverbindlichen Entwurf oder eine vorbereitende Notiz verfasst haben könnte, verwarf das Gericht. Die endgültige Form, die klare Formulierung der Anordnung für den Todesfall und vor allem die geleistete Unterschrift sprachen nach Überzeugung der Richter für eine bewusste und abschließende Willenserklärung. Das Schriftstück von 2002 war somit für sich allein genommen ein wirksames Testament, das die Lebensgefährtin zur Erbin machte.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
Dieser Fall verdeutlicht auf eindringliche Weise zwei grundlegende Prinzipien des Erbrechts, die für jeden, der seinen Nachlass regeln möchte, von entscheidender Bedeutung sind. Er zeigt das Spannungsfeld zwischen der unbedingten Notwendigkeit der Form und der richterlichen Suche nach dem wahren Willen.
Die erste und wichtigste Lehre lautet: Die Form ist entscheidend, aber der erkennbare Wille kann die Form interpretieren. Das Testament von 1999 war inhaltlich perfekt, aber ohne Unterschrift juristisch wertlos. Umgekehrt war das Schreiben von 2002 formal grenzwertig, da es nicht als Testament überschrieben war, erfüllte aber die Mindestanforderungen (handschriftlich, unterschrieben). Erst der darin erkennbare Testierwille erhob es in den Rang einer gültigen letztwilligen Verfügung. Das Urteil macht klar, dass die Gerichte bereit sind, auch unkonventionelle Dokumente als Testament anzuerkennen, wenn die formalen Mindestvoraussetzungen erfüllt sind und der ernsthafte Wille, über den eigenen Nachlass zu verfügen, zweifelsfrei erkennbar ist.
Die zweite zentrale Erkenntnis ist die Gefahr von „Mischdokumenten“. Der Erblasser vermischte in einem einzigen Schriftstück eine finanzielle Vereinbarung zu Lebzeiten mit einer Anordnung für den Todesfall. Genau diese unklare Trennung führte zu dem jahrelangen Rechtsstreit. Hätte er seine testamentarische Anordnung in einem separaten, klar als „Testament“ oder „Mein letzter Wille“ überschriebenen Dokument festgehalten, wäre der Streit vermutlich nie entstanden. Die Entscheidung ist somit ein Appell für Klarheit und Eindeutigkeit. Wer seinen Nachlass regeln will, sollte dies in einem unmissverständlichen, separaten Dokument tun, um den Hinterbliebenen quälende und kostspielige Auseinandersetzungen vor Gericht zu ersparen.
Die Urteilslogik
Die richterliche Prüfung eines letzten Willens konzentriert sich auf das Spannungsverhältnis zwischen dem unbedingten Formzwang und dem erkennbaren, tatsächlichen Willen des Verstorbenen.
- Formzwang ist absolut: Fehlt die eigenhändige Unterschrift des Erblassers am Ende eines Dokuments, ist die letztwillige Verfügung juristisch ungültig und unbeachtlich, selbst wenn der Inhalt die Erbeinsetzung zweifelsfrei beabsichtigt.
- Inhalt über formale Bezeichnung: Gerichte erkennen ein Schriftstück als wirksames Testament an, wenn es die formalen Mindestanforderungen (handschriftlich, unterschrieben) erfüllt und über seine primäre Funktion hinaus (z. B. Darlehensbestätigung oder Quittung) klare, auf den Todesfall bezogene Anweisungen enthält.
- Der wahre Wille entscheidet die Auslegung: Für die Gültigkeit zählt der erkennbare Testierwille; eine Formulierung, die einer Person „als Erbin“ steuerliche Vorteile zukommen lässt, belegt die aktive Absicht, die Verhältnisse nach dem Tod rechtsverbindlich zu gestalten.
Eindeutigkeit schafft Rechtssicherheit, aber bei Vorliegen der formalen Mindestanforderungen entscheidet die erkennbare Handlungsabsicht des Erblassers über die Gültigkeit einer unkonventionellen Verfügung.
Benötigen Sie Hilfe?
Haben Sie Zweifel, ob ein nicht eindeutiges Dokument als wirksames Testament gilt? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche und vertrauliche erste rechtliche Einschätzung Ihrer Situation.
Experten Kommentar
Wer ein Testament aufsetzt, denkt oft, es müsse hochoffiziell aussehen. Dieses Urteil zeigt: Die Form ist nur die Eintrittskarte; der Inhalt ist das, was zählt – vorausgesetzt, das Dokument ist komplett handschriftlich und unterschrieben. Die Münchner Richter haben konsequent gehandelt und den ernsthaften Willen des Erblassers aus einer schnöden Darlehensbestätigung herausgelesen, weil der Zusatz „als Erbin“ keine andere Erklärung zuließ. Das ist eine Ermutigung für alle, die ihren Willen unkonventionell festgehalten haben, aber gleichzeitig eine klare Warnung: Solche „Mischdokumente“ aus Schuldanerkennung und letztem Willen sorgen garantiert für teure Erbstreitigkeiten.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Mindestanforderungen muss mein handschriftliches Testament erfüllen, damit es gültig ist?
Sie wollen schnell und ohne Notar vorsorgen, müssen aber die strengen Formvorschriften beachten, damit Ihr letzter Wille Bestand hat. Die Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments steht und fällt mit zwei unumstößlichen formalen Mindestanforderungen nach § 2247 Abs. 1 BGB. Fehlt eines dieser juristisch zwingenden Details, wird das Dokument als formunwirksam und damit als juristisch wertlos eingestuft, selbst wenn der Inhalt völlig klar ist.
Die Regel verlangt, dass das gesamte Dokument, vom ersten bis zum letzten Wort, eigenhändig vom Erblasser verfasst ist. Diese strenge Vorschrift dient der absoluten Rechtssicherheit, da Gerichte nur durch die vollständige Handschriftlichkeit sicherstellen können, dass die Erklärung tatsächlich vom Erblasser stammt. Nur so wird zuverlässig ausgeschlossen, dass fremde Ergänzungen oder Tippfehler in den Text gelangten, welche den wahren Willen verfälschen könnten.
Ebenso zwingend ist die abschließende, persönliche Unterschrift unter der Verfügung. Die Unterschrift dokumentiert den endgültigen und wohlüberlegten Willen des Erblassers, eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben. Nehmen wir an: Wie im Fall des OLG München scheiterte ein inhaltlich eindeutiges Testament von 1999 einzig an dieser Hürde; es war nicht unterschrieben und somit unwirksam. Verwenden Sie stets Ihren vollen Namen. Obwohl optional, empfiehlt § 2247 BGB zusätzlich, Ort und Datum der Errichtung anzugeben, um im Zweifel zwischen mehreren sich widersprechenden Dokumenten unterscheiden zu können.
Nehmen Sie Ihr aktuelles handschriftliches Testament zur Hand und prüfen Sie sofort visuell, ob jeder Satz davon von Ihnen geschrieben und die vollständige Unterschrift am Ende platziert wurde.
Wann erkennt das Gericht meinen Testierwillen bei einem unklaren oder formlosen Dokument an?
Wenn ein handschriftliches Dokument nicht explizit als Testament überschrieben ist, muss das Gericht den wahren Testierwillen des Erblassers erforschen. Gerichte wenden dafür den Auslegungsgrundsatz nach § 133 BGB an, um die Absicht hinter dem Text zu klären. Entscheidend ist, ob die Erklärung die formalen Mindestanforderungen erfüllt und aktiv die Vermögensverhältnisse nach dem Tod gestalten soll, anstatt nur eine gegenwärtige Schuld festzuhalten.
Die Richter suchen nach der tatsächlichen Absicht des Verfassers, anstatt sich auf den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu beschränken. Ein Schriftstück, das beispielsweise den Titel „Quittung“ trägt, kann juristisch trotzdem als wirksame letztwillige Verfügung anerkannt werden. Die Voraussetzung hierfür ist, dass das Dokument die formalen Mindestanforderungen erfüllt: Es muss vollständig eigenhändig geschrieben und am Ende vom Erblasser unterschrieben sein. Fehlt diese Unterschrift, ist das Dokument rechtlich wertlos, ungeachtet des klaren Inhalts.
Ausschlaggebend für die Anerkennung sind zukunftsgerichtete Formulierungen, die logisch nur Sinn ergeben, wenn die begünstigte Person tatsächlich Erbe werden soll. Das Oberlandesgericht München erkannte in einem Fall eine Darlehensbestätigung als Testament an, weil der Text anordnete, die Summe solle im Todesfall der Lebensgefährtin „als Erbin zugute“ kommen. Diese aktive Gestaltung des Nachlasses beweist, dass eine rechtsverbindliche und abschließende Willenserklärung vorlag.
Wenn Sie ein solches Mischdokument in der Hand halten, markieren Sie sofort alle Passagen, die direkt Bezug auf den „Todesfall“ oder die Eigenschaft als „Erbe“ nehmen, da dies zentrale juristische Indizien sind.
Wie kann ich die Gültigkeit eines Testaments beweisen, das formunwirksam erscheint?
Die Beweisführung bei einem scheinbar unwirksamen Testament hängt entscheidend von der Art des Mangels ab. Absolute Formfehler nach § 2247 BGB, wie eine fehlende Unterschrift des Erblassers, sind unheilbar und führen zur juristischen Nichtigkeit des Dokuments. Externe Beweise können diesen fundamentalen Mangel nicht beheben. Sie können die Gültigkeit nur dann erfolgreich beweisen, wenn lediglich der Inhalt unklar formuliert ist, aber die formalen Mindestanforderungen (Handschrift und Unterschrift) grundsätzlich erfüllt wurden.
Das Gericht muss in erster Linie den tatsächlichen Testierwillen des Erblassers feststellen, also die Absicht, eine rechtsverbindliche Verfügung für den Todesfall zu treffen. Fehlt die Unterschrift, verneinen Gerichte diesen Willen zur abschließenden Erklärung grundsätzlich. Die Beweisführung fokussiert sich daher auf Indizien, die belegen, dass das Schriftstück eine ernsthafte, abschließende und wohlüberlegte Verfügung darstellt und kein Entwurf ist.
Der physische Fundort des Schriftstücks ist hierfür ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit. Wurde das Dokument beispielsweise in einer Klarsichthülle im Schreibtisch des Erblassers aufbewahrt, beweist dies eine dauerhafte, testamentarische Bedeutung. Solche Gesamtumstände helfen dem Gericht bei der Auslegung unklarer Formulierungen, indem sie den Kontext der endgültigen Willensbildung aufzeigen.
Führen Sie sofort alle Begleitdokumente und Schriftstücke zusammen, die in unmittelbarer Nähe des Testaments gefunden wurden, um den Kontext der endgültigen Willensbildung zu belegen. Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.
Was passiert, wenn meine letztwillige Verfügung in einer Quittung oder Darlehensbestätigung versteckt ist?
Ein einzelnes Dokument kann juristisch betrachtet mehrere Zwecke erfüllen. Eine Darlehensbestätigung schließt daher die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung nicht automatisch aus. Entscheidend ist, dass die Anweisung für den Todesfall sowohl formal als auch inhaltlich klar die Gestaltung Ihres Nachlasses regeln soll. Das Schriftstück muss zudem zwingend vollständig handschriftlich verfasst und persönlich unterschrieben sein.
Gerichte bezeichnen solche Schriftstücke als Mischdokumente. Sie sind zulässig, solange der Testierwille des Erblassers eindeutig aus dem Text hervorgeht, obwohl der Hauptzweck vordergründig ein finanzieller sein mag. Richter wenden bei der Auslegung den Grundsatz des § 133 BGB an: Sie erforschen den wirklichen Willen, ohne am buchstäblichen Namen wie „Quittung“ zu haften. Die testamentarische Klausel muss die Verhältnisse nach dem Tod aktiv gestalten und sich nicht nur auf einen gegenwärtigen Schuldenstand beschränken.
Im konkreten Fall vor dem OLG München rettete eine einzige Formulierung das Dokument. Der Mann bestätigte zwar eine Schuld von 360.000 Euro, fügte aber die finale Anweisung hinzu, die Summe solle „steuerlich ihr als Erbin zugute“ kommen. Diese zukunftsgerichtete Anordnung bewies den richterlichen Testierwillen. Die Anordnung, jemanden explizit „als Erbin“ zu begünstigen, ergab nur dann Sinn, wenn die Person auch tatsächlich den Nachlass erhalten sollte.
Um teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, trennen Sie finanzielle Vereinbarungen sofort von allen testamentarischen Anweisungen und isolieren Sie die reine Testierabsicht.
Wie gestalte ich mein Testament so eindeutig, dass Formfehler und Auslegungsstreitigkeiten vermieden werden?
Um quälende und kostspielige Auseinandersetzungen der Hinterbliebenen zu verhindern, schaffen Sie absolute Klarheit über Ihren letzten Willen. Gestalten Sie Ihr Testament in einem unmissverständlichen, separaten Dokument, das strikt von allen anderen finanziellen Vereinbarungen getrennt ist. Ein formell einwandfreies Dokument ist die beste Vorsorge gegen langwierige Gerichtsverfahren.
Die Regel: Halten Sie finanzielle Vereinbarungen und letztwillige Verfügungen stets getrennt voneinander. Dokumente, die Schuldanerkennungen, Quittungen oder Darlehen mit Erbeinsetzungen vermischen, gelten als sogenannte Mischdokumente. Selbst wenn der Wille im Text erkennbar ist, bieten diese unklaren Formulierungen Gerichten enorme Interpretationsspielräume. Überschreiben Sie Ihr Dokument außerdem immer mit einem klaren Titel wie „Mein Letzter Wille“ oder „Testament“, um den Testierwillen unzweifelhaft festzuhalten.
Unabhängig vom Inhalt müssen Sie die juristischen Formvorschriften lückenlos einhalten. Schreiben Sie das gesamte Testament vollständig von Hand auf ein neues Blatt Papier. Fehlt die vollständige Unterschrift am Ende, ist das gesamte Schriftstück juristisch wertlos, selbst wenn der Inhalt noch so eindeutig ist. Ergänzen Sie außerdem immer Tag, Monat und Jahr der Errichtung, damit bei mehreren Versionen leicht die aktuellste Fassung identifiziert werden kann.
Nehmen Sie für Ihr Testament ein frisches Blatt Papier und schreiben Sie die primäre Anweisung zur Erbeinsetzung in einem einzigen, klaren Satz nieder, bevor Sie weitere Details ergänzen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Auslegung (nach § 133 BGB)
Die Auslegung nach § 133 BGB ist die juristische Methode, mit der Gerichte den wirklichen Willen einer Person bei einer Willenserklärung, wie einem Testament, erforschen müssen, anstatt sich nur an den buchstäblichen Wortsinn zu halten. Das Gesetz erkennt an, dass juristische Laien ihre Absichten oft unsauber formulieren; Richter sollen daher in die Lage des Erblassers versetzt werden, um seine wahre, rechtsverbindliche Absicht herauszufinden.
Beispiel: Das Oberlandesgericht München nutzte die Auslegung des Schreibens von 2002, um festzustellen, ob der Erblasser damit tatsächlich eine rechtsverbindliche Erbeinsetzung vornehmen wollte.
Eigenhändiges Testament
Ein Eigenhändiges Testament ist die spezifische Form der letztwilligen Verfügung, die der Erblasser vollständig von Anfang bis Ende mit der Hand schreiben und persönlich unterschreiben muss, um juristisch gültig zu sein. Diese strenge Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB dient der absoluten Rechtssicherheit und soll sicherstellen, dass das Dokument tatsächlich vom Verfasser stammt und seinen endgültigen Willen wiedergibt.
Beispiel: Obwohl das Testament aus dem Jahr 1999 inhaltlich eindeutig war, scheiterte es vor Gericht, weil es nicht die gesetzliche Mindestanforderung erfüllte, vollständig eigenhändig unterschrieben worden zu sein.
Formunwirksam
Juristen sprechen von Formunwirksamkeit, wenn eine Willenserklärung, wie ein Testament, aufgrund der Nichteinhaltung zwingender gesetzlicher Formvorschriften (z. B. fehlende Unterschrift oder Handschriftlichkeit) rechtlich nichtig ist. Fehlt die gesetzlich vorgeschriebene Form, gilt die Erklärung als nicht erfolgt, da die Rechtsordnung annimmt, es fehle entweder die Ernsthaftigkeit oder die Verfasseridentität kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
Beispiel: Da das erste Schriftstück die zwingend erforderliche Unterschrift des Erblassers vermissen ließ, stufte das Nachlassgericht dieses Dokument als formunwirksam und damit als juristisch wertlos ein.
Letztwillige Verfügung
Als Letztwillige Verfügung bezeichnet man jede rechtsverbindliche Anordnung, die eine Person trifft, um die Verteilung ihres Vermögens und anderer Belange nach ihrem Tod zu regeln. Dieser Oberbegriff umfasst alle Arten von Testamenten und Erbverträgen und gibt dem Erblasser die Möglichkeit, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen und seinen individuellen Willen durchzusetzen.
Beispiel: Im Fall des Oberlandesgerichts München stand die entscheidende Frage im Raum, ob das Dokument von 2002 lediglich eine Darlehensbestätigung oder vielmehr eine wirksame letztwillige Verfügung darstellte.
Mischdokument
Ein Mischdokument ist ein Schriftstück, das Rechtsexperten als ein Papier bezeichnen, das mehrere juristische Zwecke vereint, beispielsweise eine finanzielle Vereinbarung zu Lebzeiten mit einer testamentarischen Anordnung für den Todesfall. Solche Dokumente sind zwar grundsätzlich zulässig, erhöhen aber das Risiko von Auslegungsstreitigkeiten, da das Gericht präzise feststellen muss, welche Teile rechtsverbindlich für den Nachlass sind.
Beispiel: Das Gericht musste klären, ob das vorliegende Mischdokument, das primär als Quittung über 360.000 Euro diente, sekundär einen eindeutigen Testierwillen für die Erbeinsetzung der Lebensgefährtin enthielt.
Testierwille
Der Testierwille ist die ernsthafte und abschließende Absicht des Erblassers, mit einem bestimmten Dokument eine rechtsverbindliche Regelung über seinen Nachlass für den Todesfall zu treffen. Ohne den bewussten Willen, ein Testament zu errichten, ist selbst ein formell korrekt geschriebenes Dokument ungültig, da das Gesetz fordert, dass Verfügungen wohlüberlegt und endgültig sind, keine bloßen Entwürfe.
Beispiel: Das Gericht bejahte den notwendigen Testierwillen des Mannes, da die Anweisung, die Summe solle „steuerlich ihr als Erbin zugute“ kommen, nur im Kontext einer beabsichtigten Erbeinsetzung logisch war.
Das vorliegende Urteil
OLG München 3 – Az.: 33 Wx 44/25 e – Beschluss vom 09.10.2025
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Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
