OLG Koblenz – Az.: 5 U 1320/17 – Beschluss vom 05.02.2018
Umfang der Rechenschaftslegung eines Miterben
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. November 2017 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagten können zu den Hinweisen des Senats bis zum 5. März 2018 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.
4. Die Berufungserwiderungsfrist wird bis zum 19. März 2018 erstreckt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Rechnungslegung hinsichtlich getätigter Einnahmen und Ausgaben nach einem Erbfall.
Die Parteien sind (gesetzliche) Miterben ihrer am 18. März 2001 verstorbenen Mutter. Nach dem Erbfall nahmen die Beklagten den Nachlass in Besitz und verwalteten diesen. Insbesondere kümmerten sie sich um die Beerdigung sowie die weitere Pflege des Grabes. Mit Schreiben vom 23. Juli 2014 forderte die Klägerin die Beklagten auf, 8.000 € zu zahlen, da nach ihrer Kenntnis zum Nachlass zwei Sparbücher mit einem Gesamtwert von 24.000 € gehören sollen (Anlage A1; Bl. 22 f. GA). Die Beklagten erhoben daraufhin die Einrede der Verjährung und beriefen sich auf ein Barvermögen im Nachlass in Höhe von 12.000 €. Dieses sei nahezu vollständig verbraucht (Anlage A2; Bl. 24 f. GA). Daraufhin kam es zu einem Schriftwechsel der Parteien hinsichtlich des Verbleibs und der Entwicklung des Nachlassvermögens. Mit Schreiben vom 19. März 2015 (Bl. 4 f. GA) forderte die Klägerin die Beklagten ohne weitere Reaktion unter Fristsetzung zur Auskunftserteilung auf. Das Begehren bezog sich auf das vorhandene Barvermögen sowie ein Grundstück (Ackerland).
Die Klägerin hat zur Begründung ihres (im Hauptanspruch) auf Rechnungslegung hinsichtlich des Nachlasses in der Zeit seit März 2001 gerichteten Begehrens vorgetragen, nach ihrer Kenntnis habe zum Nachlass neben einem Grundstück in …[Z] ein Sparbuch mit einer Einlage von 24.000 € gehört. Sie habe erfahren, dass die Beklagten dieses unter sich aufgeteilt hätten. Die bislang durch die Beklagten erteilten Auskünfte seien unzureichend, da das Grundstück nicht bezeichnet und für das Sparguthaben der Verbleib des Vermögens nicht dargestellt worden sei. Die Beklagten haben dem entgegengehalten, das Sparbuch habe lediglich einen Betrag von 12.000 € ausgewiesen. Der Betrag sei – mit Ausnahme eines Restbetrages von rund 2.500 € – für die Beerdigungskosten und die Grabpflege verbraucht worden. Das Ackerland sei von ihnen kostenlos an einen Bauern verpachtet worden, dessen Identität ihnen allerdings nicht mehr bekannt sei. Zudem seien die Ansprüche der Klägerin verwirkt.
Hinsichtlich der von den Parteien gestellten Anträge sowie des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 131 ff. GA) sowie die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Rechnungslegung verurteilt. Ein entsprechender Anspruch ergebe sich aus §§ 666, 681 Satz 2 BGB. Die von den Beklagten vorgelegten Berechnungen zum Verbleib des Sparvermögens seien zur Auskunfts- bzw. Rechnungslegung nicht ausreichend. So werde die Position Grabpflege für einen Zeitraum von 15 Jahren mit einem Pauschalbetrag beziffert. Auch der Anfangsbestand des Nachlassvermögens sei nicht hinreichend ersichtlich. Der Einwand der Verwirkung stehe dem Rechnungslegungsanspruch nicht entgegen, da es an einem Umstandsmoment fehle. Zu dem Zeitablauf müssten weitere Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigten, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Hieran fehle es, da die Verwaltung des Nachlasses noch nicht abgeschlossen sei. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 134 ff. GA) verwiesen.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung unter Weiterverfolgung ihres Antrags auf Klageabweisung. Die vom Landgericht eingeforderte Auskunft sei bereits mehrfach außergerichtlich und auch innerhalb des Gerichtsverfahrens erteilt worden. Die im erstinstanzlichen Urteil angeführten Grabpflegekosten seien nicht durch Einschaltung einer Firma, sondern durch zahlreiche Einzelmaßnahmen zur Grabpflege durch sie selbst erfolgt. Eine Auskunftserteilung zum Anfangsbestand des Nachlassvermögens sei ihnen nicht möglich, da die …[A] keine Kontoauszüge aus dem Jahr 2001 in ihrem Bestand habe. Das Anfangsvermögen habe 24.000 DM betragen. Es hätte der Klägerin jederzeit freigestanden, sich selbst an die …[A] zu wenden. Auch bezüglich des Grundstücks habe die Möglichkeit bestanden, bei der Gemeinde …[Z] Erkundigungen einzuholen. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 18. Januar 2018 (Bl. 155 ff. GA) Bezug genommen.
Die Beklagten beantragten, das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die von den Beklagten erteilten Auskünfte seien lückenhaft und nicht vollständig. Dies beziehe sich sowohl auf das Barvermögen als auch auf das im Nachlass befindliche Grundstück. Für eine Verwirkung fehle es an einer Grundlage. Im Übrigen wird auf die Berufungserwiderung vom 25. Januar 2018 (Bl. 165 f. GA) Bezug genommen.
II.
Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Mangels Erfolgsaussicht unterliegt daher auch der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren der Zurückweisung (§ 114 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht zur Rechenschaftslegung verurteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffend begründete Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht. Hier Folgendes:
1. Die Beklagten stellen in ihrer Berufungsbegründung die rechtliche Grundlage für das Begehren der Klägerin auf Auskunft und Rechenschaftslegung nicht in Abrede. Im Ergebnis bestehen insoweit auch keine Bedenken. Sofern die Beklagten den Erbschaftsbesitz für sich selbst ausüben, wäre ein Anspruch nach § 2027 BGB gegeben. Sofern die Inbesitznahme des Nachlasses für die Erbengemeinschaft erfolgt sein sollte, wären die Beklagten der Klägerin als Miterbin nach §§ 666, 681 BGB – wie vom Landgericht angenommen – zur Rechenschaftslegung verpflichtet (vgl. etwa OLG Koblenz, Urt. v. 19. Dezember 2013 – 2 U 1191/11, BeckRS 2014, 00587, nicht abgedruckt in MDR 2014, 164).
2. Der danach bestehende Auskunfts- und Rechenschaftslegungsanspruch wurde durch die Beklagten nicht erfüllt. Anders als die Beklagten in ihrer Berufungsbegründung unter Verweis auf ihre vorgelegten Schreiben vom 31. Juli 2014 (Anlage A2), 4. März 2015 (Anlage A4), 7. Mai 2015 (Anlage A5) und 20. Dezember 2016 (Anlage A17) angeführt haben, sind sie ihrer Auskunftspflicht nicht umfassend nachgekommen. Dabei kann dahinstehen, dass es bereits innerhalb der Auskunftserteilung Widersprüche und Unklarheiten gibt. So wird etwa der Trauerkaffee einerseits mit 250 € und andererseits mit 600 € Kostenaufwand angegeben. Auch variieren die ermittelten Gesamtbeträge für den bisherigen Aufwand bzw. die Verwendung des Nachlassvermögens. Entscheidender Gesichtspunkt ist jedoch, dass der Anfangsbestand des Nachlassbarvermögens unklar ist und von den Beklagten nicht konkret vorgetragen wird. Bereits das Landgericht hat darauf verwiesen, dass die Behauptung eines Vermögens von 12.000 € nicht dem angeblich auf dem Sparbuch befindlichen Vermögen von 24.000 DM entsprechen könne, das der Umrechnungskurs DM/€ 1,95583 betrage. Nunmehr passen die Beklagten ihr entsprechendes Vorbringen an und behaupten, ein Vermögen von 12.271 €, um dem Umrechnungskurs Rechnung zu tragen. Einen Nachweis hierfür erbringen sie jedoch nicht. Auch lässt sich erstmals der Berufungsbegründung entnehmen, dass das Barvermögen offenbar bei der …[A] lag. Auch hierzu fehlen indes belastbare Auskünfte. Einerseits wird auf „Kontoauszüge“ verwiesen. Andererseits führen die Beklagten an, ihre Mutter habe Sparbücher hinterlassen. Dabei wird auch erstmals angeführt, dass es sich um zwei Sparbücher gehandelt habe, wobei auf einem 20.000 DM und auf dem anderen 4.000 DM als Guthaben vorhanden gewesen sein sollen. Zur Rechenschaftslegung würde es gehören, nicht nur anzugeben, bei welcher Bank oder Sparkasse die Sparbücher mit welcher Nummer geführt wurden. Es wäre auch erforderlich, anzugeben, was mit diesen Sparguthaben erfolgt ist. Es bleibt im Dunkeln, ob die Beklagten die Guthaben abgehoben und auf ihre eigenen Kontos transferiert haben, oder die Ausgaben stückweise durch Abhebungen von den Sparbüchern bestritten wurden. Die bisherigen Angaben der Beklagten hierzu sind pauschal und unklar. Zur Auskunftserteilung würde es aber gehören, dass sich die Beklagten abschließend und klar äußern. Bislang kann von einer Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht ausgegangen werden.
Entsprechendes gilt für den zum Nachlass zählenden Grundbesitz. Insofern kann die Klägerin ihr Einsichtnahmerecht erst dann erfolgversprechend ausüben, wenn das bestehende Informationsgefälle ausgeglichen wird und sie Kenntnis darüber erlangt, nach welchem Grundbesitz sie im Grundbuch suchen soll (vgl. auch insoweit OLG Koblenz, a.a.O.).
3. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Dabei kann dahinstehen, ob diese sich aus § 2027 BGB oder aus § 666 BGB herleiten. Ein Anspruch nach § 2027 BGB verjährt nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in 30 Jahren (vgl. nur MünchKomm-BGB/Helms, 7. Aufl. 2017, § 2027 Rn. 1). Ein Anspruch nach § 666 BGB verjährt zwar innerhalb der Regelverjährung, doch beginnt die Verjährung erst mit dem Entstehen des Anspruchs (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Anspruch nach § 666 BGB entsteht indes grundsätzlich erst nach der Beendigung des Auftrags (BGH, NJW 2012, 58, 61). Da die Beklagten nach wie vor den Nachlass verwalten, wäre insofern nicht von einer Beendigung des Auftrags auszugehen.
4. Die Anspruchsverfolgung ist auch nicht unter dem Blickwinkel der Verwirkung als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen bzw. beschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob – wie das Landgericht angenommen hat – zwingend bei erheblichem Zeitablauf weitere Gesichtspunkte hinzutreten müssen, die eine Verfolgung des Anspruchs auf Rechenschaftslegung unter Einschluss der geforderten Belege als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird durchaus davon ausgegangen, dass die nachträgliche Erhebung eines Anspruchs auf Rechnungslegung einschließlich der Herausgabe von Belegen oder Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn er jahrelang nicht geltend gemacht wurde (vgl. nur BGH, NJW 2012, 58, 60 m.w.N.). Dies hat der Bundesgerichtshof insbesondere für Fallkonstellationen entschieden, in denen ein familiärer oder sonstiger personaler Einschlag prägend für das Rechtsverhältnis der Parteien war (BGH. a.a.O.). Die hierzu entschiedenen Fallkonstellationen weichen allerdings von den Gegebenheiten des vorliegenden Falles ab. Die vom Bundesgerichtshof angesprochenen Fälle betreffen Hilfeleistungen im engen persönlichen Umfeld bzw. auf besonderes Vertrauen gründende familiäre Leistungsbeziehungen. Vorliegend haben indes die Beklagten die Erbschaft in Besitz genommen und die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen ergriffen. Eine Abstimmung mit der Klägerin hierüber hat offenbar zu keiner Zeit stattgefunden. Insofern konnten die Beklagten nicht von vornherein darauf vertrauen, keinerlei Auskunftspflichten zu unterliegen. Insofern gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, die Anspruchsverfolgung der Klägerin generell auszuschließen.
Zwar kann auch eine bloße Beschränkung der Auskunftspflicht der Beklagten aufgrund des Verwirkungseinwands gegeben sein, doch tangiert dies nicht die vom Landgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rechenschaftslegung. Eine Beschränkung kommt keinesfalls für die in einem Bankguthaben sowie in Grundbesitz bestehenden Vermögensgegenstände in Betracht (vgl. auch insoweit OLG Koblenz, a.a.O.). Es kann auch nach langem Zeitablauf von den Beklagten erwartet werden, dass sie die Auskünfte hinsichtlich des zum Nachlass zählenden Grundstücks sowie des Geldvermögens vornehmen. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann daher nur insofern auf die Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung einwirken, als für einzelne kleinere verwendete Beträge Schätzungen denkbar sind. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Ganzen vermag der Grundsatz von Treu und Glauben indes im vorliegenden Fall nicht auszuschließen.
III.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen vor.
Den Beklagten wird empfohlen, die Berufung kostensparend zurückzunehmen.
Der Senat beabsichtigt den Streitwert auf 1.000,00 Euro festzusetzen.
Die übliche Frist zur Stellungnahme beträgt nach §§ 522, 277 Abs. 3 ZPO zwei Wochen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 522 Rn. 34; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl. 2013, § 522 Rn. 61; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, § 522 Rn. 27, der sogar ausspricht, dass die Frist nicht überschritten werden sollte; Fellner, MDR 2017, 435). Der Senat hat die Frist von vornherein großzügiger bemessen. Das soll der Partei eine hinreichende Überlegungsfrist gewährleisten und Fristverlängerungsgesuche überflüssig machen. Fristverlängerungen sind deshalb auf absolute Ausnahmefälle beschränkt, weil sie in der ersten Fristsetzung bereits berücksichtigt sind (vgl. hierzu OLG Rostock, Beschl. v. 27. Mai 2003 – 6 U 43/03, OLGR 2004, 127; vgl. zur Begründung des Verlängerungsgesuchs BVerwG, NJW 2008, 3303). Nicht prüffähige, pauschale Behauptungen genügen nicht (OLG München, MDR 2017, 483; OLG Köln, MDR 2014, 299). Es sind deshalb für ein Fristverlängerungsgesuch erhebliche Gründe in prüffähiger Form glaubhaft zu machen, die eine notwendige Fristverlängerung begründen. Dazu gehört die Darlegung, welche Schritte unverzüglich eingeleitet wurden, um die fristgerechte Stellungnahme sicherzustellen.
Der Senat beabsichtigt, das landgerichtliche Urteil dahingehend zu berichtigen, als es im Rubrum nicht heißt „aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2017“, sondern vielmehr „im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzschluss am 2. November 2017“. Insofern liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor.