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Rechenschaftspflicht des Bevollmächtigten nach dem Tod: Was Miterben zusteht

Die Erben verlangten die Rechenschaftspflicht des Bevollmächtigten nach dem Tod und forderten alle Belege über die Finanzgeschäfte des Verstorbenen zu dessen Lebzeiten ein. Der Bevollmächtigte weigerte sich, da die weitreichende Generalvollmacht seiner Meinung nach lediglich eine familiäre Gefälligkeit darstellte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 284/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Ellwangen
  • Datum: 31.07.2025
  • Aktenzeichen: 3 O 284/24
  • Verfahren: Teilurteil in einer Zivilstreitigkeit
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Vollmachtsrecht, Rechenschaftspflicht

  • Das Problem: Die Erben streiten mit einem ihrer Brüder. Dieser hatte vom verstorbenen Vater eine umfassende Vollmacht zur Verwaltung des gesamten Vermögens erhalten. Die Geschwister verlangen eine vollständige Rechenschaft über alle Geldgeschäfte, die der Bruder vor dem Tod des Vaters tätigte.
  • Die Rechtsfrage: Muss ein Erbe, der eine Generalvollmacht des Verstorbenen innehatte, den Miterben nach dem Todesfall detailliert Rechenschaft über alle seine Vermögensverfügungen ablegen?
  • Die Antwort: Ja. Eine umfassende notarielle Generalvollmacht begründet eine gesetzliche Rechenschaftspflicht. Der Bevollmächtigte muss den Erben eine vollständige, geordnete Übersicht über alle Einnahmen und Ausgaben zusammen mit allen Belegen vorlegen.
  • Die Bedeutung: Wer eine umfassende Vollmacht über nennenswerte Vermögenswerte führt, schließt damit einen rechtlich bindenden Vertrag. Diese Pflicht zur transparenten Rechenschaftslegung bleibt auch nach dem Tod des Vollmachtgebers gegenüber den Erben bestehen.

Generalvollmacht in der Familie: Wann können Miterben Auskunft über die Finanzen des Erblassers verlangen?

Eine umfassende Generalvollmacht, die über den Tod hinausgeht, ist ein Instrument tiefsten Vertrauens. Doch was geschieht, wenn die Erben nach dem Tod des Vollmachtgebers erhebliche Geldabhebungen feststellen und der bevollmächtigte Angehörige eine detaillierte Auskunft verweigert? Mit genau dieser Frage musste sich das Landgericht Ellwangen in einem Teilurteil vom 31. Juli 2025 (Az.: 3 O 284/24) befassen. Der Fall zeigt eindrücklich, dass familiäres Vertrauen rechtliche Pflichten nicht ausschließt und dass eine solche Vollmacht keinen Blankoscheck darstellt – schon gar nicht gegenüber der Erbengemeinschaft.

Was genau war passiert?

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht eine Familie, die durch einen Erbfall entzweit wurde. Nach dem Tod ihres Vaters am 8. August 2023 wurden seine sechs Kinder zu gleichberechtigten Erben. Bereits Jahre zuvor, im Dezember 2017, hatte der Vater einem seiner Söhne eine weitreichende, notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht ausgestellt. Diese ermächtigte den Sohn, „ohne Ausnahme auf alle Rechtsgeschäfte“ zuzugreifen und das gesamte Vermögen seines Vaters zu verwalten und darüber zu verfügen. Die Vollmacht sollte ausdrücklich auch nach dem Tod des Vaters weitergelten. Zusätzlich hatte der Vater diesen Sohn in seinem Testament zum Testamentsvollstrecker ernannt, ein Amt, das der Sohn nach dem Erbfall auch annahm.

Die Hand eines Mannes zieht entschlossen ein großes Bündel Banknoten aus dem Geldautomaten, der mit einer fremden Bankkarte bedient wird.
Generalvollmacht verpflichtet Miterben zur detaillierten Auskunft über die Finanzen des Erblassers. | Symbolbild: KI

Nach dem Tod des Vaters entdeckte eine der Schwestern, dass ihr Bruder im Zeitraum von Juli 2021 bis Januar 2023 – also noch zu Lebzeiten des Vaters – insgesamt 25.105 Euro von dessen Konto abgehoben hatte. Im Namen der Erbengemeinschaft forderte sie ihn daraufhin mehrfach schriftlich auf, detailliert Auskunft über alle von ihm getätigten Finanzgeschäfte zu erteilen und diese mit Belegen zu untermauern.

Der Bruder reagierte zwar über seine Anwälte, lieferte aus Sicht der Miterben jedoch nur unzureichende und pauschale Erklärungen. Er weigerte sich, eine geordnete Aufstellung vorzulegen. Daraufhin zog die Schwester vor Gericht. Sie klagte in einem ersten Schritt darauf, ihren Bruder zu verurteilen, der Erbengemeinschaft eine vollständige, nach Einnahmen und Ausgaben geordnete Übersicht aller Verfügungen samt Belegen vorzulegen. Für den Fall, dass diese Auskunft nicht sorgfältig genug erstellt würde, forderte sie zudem, dass der Bruder die Richtigkeit an Eides statt versichern müsse.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Um die Entscheidung des Gerichts zu verstehen, müssen Sie das Zusammenspiel mehrerer zentraler Rechtsprinzipien kennen. Es geht im Kern nicht nur um Erbrecht, sondern um die rechtliche Natur der Beziehung zwischen dem Vater und seinem bevollmächtigten Sohn.

Der Anspruch der Schwester stützte sich maßgeblich auf die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht aus einem Auftragsverhältnis (§ 666 BGB). Ein Auftrag im juristischen Sinne ist ein Vertrag, durch den sich der Beauftragte verpflichtet, ein ihm vom Auftraggeber übertragenes Geschäft unentgeltlich zu besorgen (§ 662 BGB). Aus diesem Vertragsverhältnis erwächst die Pflicht, dem Auftraggeber auf Verlangen Auskunft zu erteilen und nach Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.

Da der Vater verstorben war, trat die Erbengemeinschaft kraft Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) vollständig in seine rechtliche Position ein. Das bedeutet: Alle Rechte und Pflichten des Vaters gingen auf die Erben über. Konnte der Vater zu Lebzeiten von seinem Sohn Rechenschaft verlangen, so können es nach seinem Tod auch die Erben.

Der entscheidende Knackpunkt war jedoch die Argumentation des Bruders, es habe sich gar nicht um einen rechtlich bindenden Auftrag, sondern um eine reine Gefälligkeit unter nahen Verwandten gehandelt. Bei einer bloßen Gefälligkeit ohne Rechtsbindungswillen entstehen solche strengen Auskunftspflichten nicht. Die Abgrenzung ist oft schwierig und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Vollmachtgeber.

Zuletzt spielte auch das Prozessrecht eine Rolle. Da die Schwester nicht allein, sondern für die gesamte Erbengemeinschaft klagte, war ihre Prozessführungsbefugnis nach § 2039 S. 1 BGB relevant. Diese Vorschrift erlaubt es jedem einzelnen Miterben, Ansprüche, die zum Nachlass gehören, gerichtlich geltend zu machen und Leistung an alle Erben zu verlangen.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Landgericht Ellwangen gab der klagenden Schwester in der ersten Stufe vollumfänglich recht. Die Richter verpflichteten den Bruder zur Vorlage einer detaillierten und belegten Abrechnung. Ihre Begründung folgte einer klaren juristischen Logik und setzte sich intensiv mit den Einwänden des Beklagten auseinander.

Hauptargument: Warum die Generalvollmacht einen rechtlichen Auftrag begründet

Das Gericht stellte unmissverständlich fest, dass zwischen dem Vater und dem Sohn ein Auftragsverhältnis im Sinne des § 662 BGB bestand. Der Einwand des Sohnes, er habe nur aus reiner Gefälligkeit gehandelt, wurde klar zurückgewiesen. Die Richter begründeten dies mit Art, Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung der ihm übertragenen Aufgabe.

Eine notarielle Generalvollmacht, die den Bevollmächtigten zur Verfügung über das gesamte Vermögen ermächtigt, hat für den Vollmachtgeber eine existenzielle wirtschaftliche Bedeutung. Wer eine solch weitreichende Macht erhält – im konkreten Fall unter anderem über ein Kontoguthaben von fast 23.000 Euro –, handelt nicht im Rahmen einer unverbindlichen Gefälligkeit. Das Gericht argumentierte, dass der Vater sich auf die ordnungsgemäße Ausführung durch seinen Sohn verlassen musste. Dieser erkennbare Wille, sich rechtlich zu binden, begründet einen Auftrag.

Entgegen der Auffassung des Sohnes spreche das enge Verwandtschaftsverhältnis und das besondere Vertrauen nicht gegen, sondern gerade für das Vorliegen eines Auftragsverhältnisses. Die obergerichtliche Rechtsprechung, auf die sich das Gericht stützte, geht bei Geldgeschäften im Rahmen einer Vorsorgevollmacht unter Familienangehörigen regelmäßig von einem Auftrag mit allen rechtlichen Pflichten aus.

Gegenargument 1: Fehlte der Schwester die Klagebefugnis wegen der Testamentsvollstreckung?

Der Bruder argumentierte, dass durch die von ihm selbst ausgeübte Testamentsvollstreckung allein er für die Verwaltung des Nachlasses zuständig sei. Die Miterben seien daher gar nicht befugt, Ansprüche geltend zu machen (fehlende Aktivlegitimation). Diesem formalen Einwand erteilte das Gericht eine Absage. Es stellte klar, dass der Anspruch auf Rechenschaftslegung aus der Vollmacht ein Anspruch des Erblassers war, der auf die Erbengemeinschaft übergegangen ist. Gemäß § 2039 S. 1 BGB ist jeder Miterbe berechtigt, solche Nachlassansprüche für die Gemeinschaft einzuklagen. Die Rolle des Bruders als Testamentsvollstrecker ändert daran nichts, zumal sich der Anspruch gegen ihn persönlich in seiner früheren Rolle als Bevollmächtigter richtet.

Gegenargument 2: Hat der Bruder seine Auskunftspflicht bereits erfüllt?

Der Sohn meinte, er habe durch die Schreiben seiner Anwälte bereits ausreichend Auskunft erteilt. Auch hier folgte das Gericht ihm nicht. Eine ordnungsgemäße Rechenschaftslegung nach § 666 BGB hat formalen und inhaltlichen Anforderungen zu genügen. Sie muss eine in sich geschlossene, geordnete und verständliche Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben für den betreffenden Zeitraum sein. Das bloße Verweisen auf verschiedene Anwaltsschreiben und Schriftsätze, aus denen sich das Gericht die Informationen selbst zusammensuchen müsste, reicht nicht aus. Die Vorlage der zugehörigen Belege ist zudem ein integraler Bestandteil der Rechenschaftspflicht, um die getätigten Angaben nachprüfbar zu machen. Die bisherigen Erklärungen des Bruders erfüllten diese Kriterien in keiner Weise.

Gegenargument 3: Warum spielt der angebliche Verzicht des Vaters keine Rolle?

Ein weiteres Argument des Sohnes lautete, der Vater habe zu Lebzeiten nie eine Abrechnung verlangt und damit stillschweigend auf sein Auskunftsrecht verzichtet. Das Gericht ließ auch diesen Einwand nicht gelten. Ein solcher Verzicht könne nicht einfach unterstellt werden. Insbesondere dann nicht, wenn der Bevollmächtigte – wie hier – nur pauschale und teils widersprüchliche Angaben zur Verwendung der Gelder macht. Ein schlüssiger Verzicht setzt voraus, dass der Verzichtende (der Vater) die Umstände kannte. Angesichts der unklaren Sachlage konnte davon nicht ausgegangen werden. Die Pflicht zur Rechenschaft blieb daher auch nach dem Tod des Vaters bestehen und ging auf die Erben über.

Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?

Die Entscheidung des LG Ellwangen hat weitreichende praktische Bedeutung für Erben, Bevollmächtigte und Personen, die eine Vorsorgevollmacht erteilen. Sie stärkt die Kontrollrechte von Erbengemeinschaften und stellt klar, dass eine Generalvollmacht kein Freibrief ist.

Checkliste: So sichern Sie als Erbe Ihren Auskunftsanspruch

  1. Vollmachten prüfen: Klären Sie nach einem Erbfall sofort, ob und wem der Erblasser zu Lebzeiten Vollmachten, insbesondere General- oder Kontovollmachten, erteilt hat. Fordern Sie eine Kopie des Dokuments an.
  2. Umsätze analysieren: Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Kontobewegungen der letzten Jahre vor dem Tod des Erblassers. Bei unklaren oder hohen Barabhebungen sollten Sie hellhörig werden.
  3. Frist setzen und formal auffordern: Fordern Sie den Bevollmächtigten schriftlich und mit einer angemessenen Fristsetzung (z. B. 2-4 Wochen) zur Vorlage einer geordneten, nach Einnahmen und Ausgaben gegliederten Aufstellung sowie zur Herausgabe aller Belege auf.
  4. Keine Pauschalantworten akzeptieren: Lassen Sie sich nicht mit vagen Erklärungen oder dem Verweis auf familiäres Vertrauen abspeisen. Ihr Anspruch ist ein rechtlicher und besteht unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Er verlangt eine detaillierte und nachvollziehbare Abrechnung.
  5. Gemeinsam oder allein handeln: Sie müssen nicht warten, bis alle Miterben einer Klage zustimmen. Als einzelner Miterbe können Sie den Auskunftsanspruch für die gesamte Erbengemeinschaft gerichtlich durchsetzen (§ 2039 S. 1 BGB).
  6. Rechtzeitig handeln: Zögern Sie nicht zu lange. Ansprüche können verjähren. Suchen Sie bei Weigerung des Bevollmächtigten frühzeitig anwaltlichen Rat.

Für Bevollmächtigte unterstreicht das Urteil die enorme Verantwortung. Wer eine solche Vollmacht annimmt, übernimmt einen rechtlichen Auftrag und muss jederzeit in der Lage sein, lückenlos und belegt Rechenschaft über sein Handeln abzulegen – notfalls auch noch Jahre später gegenüber den Erben.

Die Urteilslogik

Die Übertragung einer Generalvollmacht bindet den Bevollmächtigten an weitreichende Rechenschaftspflichten, die auch nach dem Tod des Vollmachtgebers unvermindert auf die Erben übergehen.

  • Umfassende Vollmachten begründen stets ein Auftragsverhältnis: Die Bevollmächtigung zur Verfügung über ein gesamtes Vermögen ist von solch existentieller wirtschaftlicher Bedeutung, dass sie eine unverbindliche Gefälligkeit ausschließt und zwingend ein rechtliches Auftragsverhältnis schafft.
  • Die Rechenschaftslegung erfordert eine lückenlose Dokumentation: Der Bevollmächtigte muss dem Rechtsnachfolger eine in sich geschlossene, geordnete Übersicht aller Einnahmen und Ausgaben vorlegen und diese Angaben durch die zugehörigen Belege nachweisbar machen.
  • Jeder einzelne Miterbe kann Nachlassansprüche gerichtlich durchsetzen: Ein Miterbe besitzt die Befugnis, Auskunftsansprüche, die zum Nachlass gehören, für die gesamte Erbengemeinschaft allein einzuklagen, selbst wenn der Bevollmächtigte gleichzeitig als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist.

Das Recht auf vollständige Rechenschaft sichert das Kontrollinteresse der Erben und bestätigt, dass Generalvollmachten keinen Freibrief für die Verfügungen über fremdes Vermögen darstellen.


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Experten Kommentar

Wer eine Generalvollmacht annimmt, sollte wissen, dass dies kein reiner Vertrauensbeweis ist, sondern ein knallharter Rechtsauftrag mit voller Rechenschaftspflicht. Das Landgericht Ellwangen stellt konsequent klar: Gerade bei weitreichenden Geldgeschäften gilt diese Pflicht gegenüber der Erbengemeinschaft, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Wer später Auskunft verweigert, kann sich nicht auf eine „familiäre Gefälligkeit“ herausreden, denn der Umfang der Vollmacht erfordert eine juristisch verbindliche Abrechnung. Das Urteil zieht damit eine klare rote Linie und bestätigt, dass Erben einen unabdingbaren Anspruch auf lückenlose, belegte Aufstellung aller Vermögensverfügungen haben.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Haben Miterben Anspruch auf Rechenschaft über die Generalvollmacht nach dem Tod des Erblassers?

Ja, als Miterbe haben Sie einen umfassenden, gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Rechenschaftslegung. Die juristische Grundlage bildet die Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB). Durch den Tod des Erblassers tritt die Erbengemeinschaft vollständig in dessen Rechte ein und übernimmt somit auch den Auskunftsanspruch gegenüber dem Bevollmächtigten. Diesen Anspruch leiten Sie direkt aus den Vorschriften zum Auftrag ab.

Die Erteilung einer Generalvollmacht gilt juristisch als bindendes Auftragsverhältnis (§ 662 BGB) und nicht als unverbindliche Gefälligkeit unter Verwandten. Diese Einordnung ist entscheidend, denn nur der Auftrag begründet die Pflicht zur Auskunft und Rechenschaft nach § 666 BGB. Eine weitreichende Generalvollmacht, die die Verfügung über das gesamte Vermögen erlaubt, hat für den Erblasser eine existenzielle wirtschaftliche Bedeutung. Selbst ein enges Vertrauensverhältnis zu dem Bevollmächtigten hebt diese strengen Rechenschaftspflichten nicht auf.

Der Bevollmächtigte versucht oft, die Auskunftspflicht mit dem Argument abzublocke, der Erblasser habe zu Lebzeiten stillschweigend auf eine Abrechnung verzichtet. Ein solcher Verzicht kann von Gerichten jedoch nicht einfach unterstellt werden, insbesondere wenn erhebliche, unklare Abhebungen, etwa in Höhe von 25.105 Euro, vorliegen. Der Bevollmächtigte muss alle Einnahmen und Ausgaben lückenlos und mit den entsprechenden Belegen nachweisen.

Fordern Sie umgehend eine Kopie der Generalvollmacht an und prüfen Sie die Kontobewegungen der letzten drei Jahre vor dem Todesfall, um hohe oder ungewöhnliche Barabhebungen zu identifizieren.


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Kann ich als einzelner Miterbe die Auskunft über Kontobewegungen gerichtlich einfordern?

Ja, Sie können diesen Anspruch auf Rechenschaftslegung als einzelner Miterbe gerichtlich durchsetzen. Die Regel dafür bildet § 2039 Satz 1 BGB, der Ihnen die sogenannte Einzelklagebefugnis verleiht. Sie müssen weder die Zustimmung der gesamten Erbengemeinschaft einholen, noch warten, bis sich zerstrittene Parteien auf eine gemeinsame Klage einigen.

Diese Einzelklagebefugnis existiert, um die rechtzeitige Durchsetzung von Nachlassansprüchen zu sichern und eine Blockade zu verhindern. Obwohl die Rechenschaftspflicht formal zum Vermögen der Erbengemeinschaft gehört, kann jeder einzelne Miterbe sie individuell einklagen. Dies ist besonders wichtig, um zu vermeiden, dass Ansprüche verjähren, weil andere Erben die notwendige Unterschrift verweigern oder zögern. Die Klage richtet sich dabei gegen den Bevollmächtigten persönlich in seiner früheren Rolle und wird nicht durch seine eventuelle spätere Position als Testamentsvollstrecker beeinflusst.

Obwohl Sie allein klagen dürfen, muss die Klage dennoch darauf gerichtet sein, dass die Leistung an die gesamte Erbengemeinschaft erfolgt. Sie handeln somit im Interesse aller Miterben, nicht nur für sich selbst. Das Landgericht Ellwangen bestätigte diese Auslegung: Dort konnte eine Schwester den Auskunftsanspruch erfolgreich gegen ihren Bruder geltend machen, obwohl dieser argumentierte, sie sei wegen seiner Rolle als Testamentsvollstrecker nicht klagebefugt.

Verweigert der Bevollmächtigte die Auskunft nach schriftlicher Fristsetzung, sollten Sie umgehend einen Fachanwalt für Erbrecht konsultieren, um die Klage gemäß § 2039 BGB vorzubereiten.


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Was genau muss eine ordnungsgemäße Rechenschaftslegung bei einer Generalvollmacht enthalten?

Die Rechenschaftslegung des Bevollmächtigten muss strengen formalen und inhaltlichen Anforderungen genügen, um als ordnungsgemäß zu gelten. Sie darf keine ungeordnete Sammlung von Dokumenten oder vagen Anwaltsschriftsätzen sein, aus der sich die Erben die Informationen selbst zusammensuchen müssen. Nach § 666 BGB muss die Vorlage in einer in sich geschlossenen, geordneten und verständlichen Form erfolgen. Die Vorlage aller zugehörigen Belege ist dabei ein integraler und nicht verhandelbarer Bestandteil dieser Pflicht.

Die Regel verlangt eine klare Struktur, die eine leichte Überprüfung ermöglicht. Die Aufstellung aller finanziellen Transaktionen muss lückenlos alle Einnahmen und Ausgaben für den gesamten Zeitraum der Bevollmächtigung umfassen. Der Kern liegt in der Nachvollziehbarkeit: Jeder einzelne Posten und der abschließende Saldo müssen auf der geordneten Übersicht leicht ersichtlich und logisch zuzuordnen sein. Das bloße Einreichen von ungeordneten Kontoauszügen oder unstrukturierten Erklärungen erfüllt diese Kriterien des Gerichts nicht.

Von entscheidender Bedeutung ist die Pflicht, die getätigten Angaben nachprüfbar zu machen. Deshalb sind die zugehörigen Belege, wie Quittungen, Rechnungen oder Überweisungsträger, zwingend zusammen mit der Abrechnung vorzulegen. Das Landgericht Ellwangen stellte klar, dass pauschale Erklärungen, beispielsweise die Behauptung, Gelder seien bar für den Vollmachtgeber abgehoben und verwendet worden, ohne konkrete Nachweise nicht akzeptiert werden müssen.

Prüfen Sie alle erhaltenen Dokumente sofort: Wenn sie keine chronologische Tabelle mit klarer Zuordnung zu Belegen enthalten, setzen Sie dem Bevollmächtigten eine Frist.


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Was kann ich tun, wenn der bevollmächtigte Miterbe die Abrechnung verweigert?

Nach mehrfacher Weigerung des bevollmächtigten Miterben, Rechenschaft abzulegen, müssen Sie den Rechtsweg mithilfe einer formalen Strategie einleiten. Prozessual beginnen Sie mit der Stufenklage, da Sie ohne die Abrechnung den genauen Schaden noch nicht beziffern können. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Auskunftspflicht gerichtlich durchzusetzen, bevor die Rückforderung von Geldern erfolgt.

Der erste gerichtliche Schritt ist die Klage auf Erteilung der geordneten Rechenschaft und der zugehörigen Belege gemäß § 666 BGB. Erst wenn diese Auskunft lückenlos vorliegt, folgt die zweite Stufe: die Klage auf Herausgabe oder Schadensersatz für veruntreute Beträge. Vermeiden Sie es, sofort konkrete Summen zurückzufordern, weil Ihnen die notwendige Beweisgrundlage dafür fehlt. Das Landgericht Ellwangen verurteilte den beklagten Miterben im Fallbeispiel entsprechend zur Erfüllung dieser umfassenden Rechenschaftspflicht.

Zur Garantie der Richtigkeit der Abrechnung fordern Sie vorsorglich bereits in der Klage der ersten Stufe die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Dieses juristische Zwangsmittel soll bewusst falsche oder lückenhafte Angaben sanktionieren. Tritt dieser Fall ein, muss der Beklagte vor Gericht beschwören, die Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen erteilt zu haben. Diese Absicherungsmaßnahme sorgt dafür, dass der Rechenschaftspflicht gründlich nachgekommen wird.

Senden Sie dem bevollmächtigten Miterben vor dem Gang zum Gericht eine letzte, klar formulierte Mahnung per Einschreiben, verbunden mit einer Frist von 14 Tagen.


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Wann gilt eine Generalvollmacht als unverbindliche Gefälligkeit und wann als rechtlicher Auftrag?

Die Abgrenzung hängt von der wirtschaftlichen Bedeutung der übertragenen Aufgabe ab. Eine Generalvollmacht, die zur Verfügung über das gesamte oder wesentliche Vermögen ermächtigt, stellt juristisch fast immer einen rechtlich bindenden Auftrag gemäß § 662 BGB dar. Eine bloße Gefälligkeit unter Familienmitgliedern liegt nur bei Geschäften von geringer Tragweite vor. Dieses Auftragsverhältnis verpflichtet den Bevollmächtigten zur lückenlosen Rechenschaftslegung gegenüber dem Vollmachtgeber oder dessen Erben.

Der entscheidende Faktor für die Gerichte ist der erkennbare Wille zur Rechtsbindung. Wer eine notarielle Generalvollmacht erteilt, überlässt dem Bevollmächtigten Befugnisse von existenzieller wirtschaftlicher Bedeutung. Der Vollmachtgeber darf erwarten, dass die Geschäfte ordnungsgemäß und nach seinen Interessen geführt werden. Entgegen der häufigen Argumentation spricht das enge Verwandtschaftsverhältnis und das besondere Vertrauen nicht gegen, sondern für das Vorliegen eines Auftragsverhältnisses.

Der Unterschied in der Praxis liegt in der Höhe des Risikos. Eine unverbindliche Gefälligkeit wäre gegeben, wenn der Bevollmächtigte lediglich die Post holt oder kleine Botengänge erledigt. Überträgt der Erblasser jedoch die Befugnis zur Verwaltung von Kontoguthaben über Tausende Euro, handelt es sich um eine erhebliche wirtschaftliche Relevanz. In diesem Fall muss der Bevollmächtigte belegen können, dass alle Verfügungen im Interesse des Vollmachtgebers erfolgten, da sonst ein Verstoß gegen die Generalvollmacht vorliegt.

Dokumentieren Sie sofort den Umfang des verwalteten Vermögens zum Zeitpunkt der Bevollmächtigung, um die existenzielle wirtschaftliche Bedeutung des Auftrags klar belegen zu können.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Auftragsverhältnis

Ein Auftragsverhältnis gemäß § 662 BGB ist ein rechtlich bindender Vertrag, durch den sich eine Person (der Beauftragte) verpflichtet, ein bestimmtes Geschäft für den Auftraggeber unentgeltlich zu besorgen und zu führen. Das Gesetz definiert damit eine Vertrauensbeziehung, die strenge Pflichten wie die Rechenschaftslegung nach sich zieht. Damit wird sichergestellt, dass der Bevollmächtigte ausschließlich im Sinne des Auftraggebers handelt.

Beispiel: Das Landgericht Ellwangen stellte fest, dass die notarielle Generalvollmacht wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung ein rechtlich bindendes Auftragsverhältnis zwischen Vater und Sohn begründete.

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Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach § 666 BGB zwingt den Beauftragten eines Auftragsverhältnisses, dem Auftraggeber oder dessen Rechtsnachfolgern nach Beendigung des Geschäfts eine geordnete Übersicht über Einnahmen und Ausgaben samt Belegen vorzulegen. Diese Pflicht dient der lückenlosen Kontrolle: Der Auftraggeber muss jederzeit nachprüfen können, ob der Bevollmächtigte die ihm übertragenen Geschäfte ordnungsgemäß erledigt hat.

Beispiel: Die Schwester klagte im Namen der Erbengemeinschaft, um ihren bevollmächtigten Bruder zur Erfüllung seiner Auskunfts- und Rechenschaftspflicht über die getätigten Finanzgeschäfte zu verurteilen.

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Eidesstattliche Versicherung

Die Eidesstattliche Versicherung (auch Versicherung an Eides statt genannt) ist ein prozessuales Zwangsmittel, bei dem der Schuldner vor Gericht die Richtigkeit und Vollständigkeit einer gemachten Auskunft beschwören muss. Dieses juristische Mittel setzt die Aussage unter besonderen, strafrechtlich sanktionierten Druck und soll sicherstellen, dass mangelhafte oder bewusst unvollständige Auskünfte korrigiert werden.

Beispiel: Sollte der Bruder nur unzureichende Angaben zur Verwendung der Gelder machen, kann die Erbengemeinschaft gerichtlich verlangen, dass er die Richtigkeit seiner Abrechnung an Eides statt versichert.

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Einzelklagebefugnis

Die Einzelklagebefugnis nach § 2039 Satz 1 BGB erlaubt es jedem einzelnen Miterben, Ansprüche, die formal zum Nachlass gehören, allein gerichtlich geltend zu machen, ohne die Zustimmung aller anderen Erben einzuholen. Dieses Gesetz schützt die Erbengemeinschaft vor Blockaden und garantiert, dass Nachlassansprüche rechtzeitig durchgesetzt werden können, selbst wenn die Gemeinschaft zerstritten ist.

Beispiel: Aufgrund der Einzelklagebefugnis konnte die klagende Schwester den Auskunftsanspruch erfolgreich gegen den Bruder durchsetzen, obwohl dieser versuchte, ihre Befugnis mit seiner Rolle als Testamentsvollstrecker anzufechten.

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Gefälligkeit unter nahen Verwandten

Eine Gefälligkeit unter nahen Verwandten liegt vor, wenn eine Leistung ohne erkennbaren Rechtsbindungswillen erbracht wird und deshalb im Falle einer Störung keine strengen juristischen Ansprüche entstehen, wie sie ein Auftragsverhältnis mit sich bringen würde. Das Rechtswesen erkennt damit an, dass Handlungen im familiären Alltag, die keine erhebliche wirtschaftliche Tragweite besitzen, nicht sofort juristische Konsequenzen nach sich ziehen.

Beispiel: Der beklagte Sohn argumentierte, die Verwaltung des väterlichen Kontos sei eine reine Gefälligkeit gewesen, doch das Gericht verwarf diesen Einwand angesichts der existentiellen wirtschaftlichen Bedeutung der Generalvollmacht.

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Gesamtrechtsnachfolge

Die Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gemäß § 1922 Abs. 1 BGB beschreibt den juristischen Vorgang, bei dem das gesamte Vermögen des Verstorbenen (Erblassers) – also alle Rechte und Pflichten – automatisch auf die Erben übergeht. Dieses zentrale Prinzip des Erbrechts sorgt für Kontinuität und Rechtsklarheit, indem die Erbengemeinschaft vollständig in die rechtliche Position des Erblassers eintritt.

Beispiel: Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge ging der ursprüngliche Anspruch des Vaters auf Rechenschaftslegung aus dem Auftragsverhältnis direkt auf die Erbengemeinschaft über.

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Stufenklage

Die Stufenklage ist ein strategisches prozessuales Vorgehen, bei dem ein Kläger zunächst die Erteilung einer Auskunft über bestimmte Sachverhalte verlangt, um auf der zweiten Stufe einen erst dann bezifferbaren Leistungsanspruch (wie Herausgabe oder Schadensersatz) einklagen zu können. Dieses Instrument ist essenziell, weil es dem Kläger ermöglicht, die notwendige Beweisgrundlage zu schaffen, bevor er die konkrete Forderung gegenüber dem Gericht stellt.

Beispiel: Da die Erbengemeinschaft ohne die geordnete Abrechnung des Bruders keinen genauen Schaden beziffern konnte, musste sie das Verfahren strategisch mit der ersten Stufe der Stufenklage, der Forderung nach Rechenschaft, beginnen.

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Das vorliegende Urteil


LG Ellwangen – Az.: 3 O 284/24 – Teilurteil vom 31.07.2025


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