OLG Karlsruhe – Az.: 7 U 189/15 – Urteil vom 18.01.2017
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15.09.2015 – 2 O 473/14 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern ein Bestandsverzeichnis über den Bestand des Nachlasses des am 14.12.2005 in K. verstorbenen J. K. B., geboren am 31.03.1927, zuletzt wohnhaft M. 14, 7… E., bei Eintritt des Erbfalls (14.12.2005) und bei Eintritt des Nacherbfalls (01.01.2013) vorzulegen.
II. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger verlangen von der Beklagten auf der ersten Stufe ihrer Stufenklage Auskunft über die Verwaltung und den Bestand des Nachlasses des am 14.12.2005 verstorbenen J. K. B..
Die Kläger sind die Nichten und Neffen des am 14.12.2005 verstorbenen J. K. B.. Dessen zweite Ehefrau, G. J. B., verstarb am 01.01.2013. Die Beklagte ist die Nichte und Alleinerbin der G. B..J. K. B. errichtete mit G. J. B. am 06.09.2004 vor dem Notar ein gemeinschaftliches Testament. Darin vereinbarten die Ehegatten unter § 2 des Testaments (vgl. Anlage K1):
Gegenseitige Erbeinsetzung
Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Längerlebende von uns ist jedoch nur Vorerbe des Erstversterbenden.
Der Nacherbfall tritt ein mit dem Tod des Vorerben.
In § 3 Nr.1 des Testaments bestimmte J. K. B. die Kläger zu gleichen Teilen zu seinen Nacherben. Unter der mit „Vermächtnisse“ überschriebenen Regelung des § 4 des Testaments vereinbarten die Ehegatten unter Ziffer 2 des Weiteren:
2. Soweit der Längerlebende im Nachlass vorhandenes Geld- und Sparvermögen des Erstversterbenden für sich verbraucht, ist ihm dies vermächtnisweise unter Befreiung von § 2134 BGB zugewandt.
Zum Zeitpunkt des Todes des J. K. B. gehörte zu dessen Nachlass jedenfalls ein Miteigentumsanteil an dem Anwesen H. 14, 7… E. sowie die in der Klageschrift vom 21.01.2014 (AS I 5) aufgeführten Immobilien bzw. Immobilienanteile. Sowohl der Miteigentumsanteil als auch die genannten Immobilien wurden bereits im Jahr 2013 von der Beklagten an die Kläger herausgegeben. Die Übertragung und entsprechende Eintragung im Grundbuch sind bereits erfolgt. Zwischen den Klägern zu 1), zu 4) und der Beklagten fand am 29.11.2013 ein Treffen statt, bei dem die Verteilung und Entsorgung der in der Wohnung von G. B. befindlichen Gegenstände besprochen wurde. Zum Zeitpunkt des Todes des J. K. B. enthielt der Nachlass außerdem Vermögen in Form von Barvermögen und Bankguthaben in Höhe von jedenfalls 42.967,00 EUR.
Nach dem Tod der G. J. B. machten zunächst einzelne der Kläger und sodann alle Kläger gemeinsam gegenüber der Beklagten hinsichtlich des Geld- und Sparvermögens Ansprüche auf Herausgabe der Nacherbschaft geltend. Des Weiteren forderten sie die Beklagte – unstreitig jedenfalls bzgl. „Geld- und Bankvermögen“ – zur Vorlage eines Bestandsverzeichnisses sowie zur Rechnungslegung auf (vgl. die vorgelegten Anlagen K 1-K 7). In einer vorgerichtlichen Besprechung zwischen den Klägern und der Beklagten am 23.03.2013 teilte die Beklagte den Klägern den Bestand des nach dem Erbfall auf sie übergegangenen Bank- und Barvermögen der Vorerbin G. J. B. mit (Gesamthöhe: 102.050,00 EUR). Ein gesonderter Ausweis des dabei auf den Nachlass des J. K. B. entfallenden Betrags erfolgte nicht. Des Weiteren bezahlte die Beklagte – nach Darstellung der Beklagten aus Unsicherheit hinsichtlich der Rechtslage und um eine weitere Auseinandersetzung zu vermeiden – am 05.05.2014 einen Betrag i.H.v. 6.000 EUR sowie am 13.08.2014 einen Betrag i.H.v. 12.000 EUR an einzelne der Kläger aus. Die von den Klägern mit Schreiben vom 04.02.2014, 03.03.2014 sowie 09.07.2014 (vgl. Anlagen K 3- K 5) verlangte Vorlage eines auf den Nachlass des J. K. B. bezogenen Bestandsverzeichnisses sowie eine weitere Rechnungslegung hinsichtlich der Verwaltung des Nachlasses sind nicht erfolgt.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Beklagte auf der ersten Stufe antragsgemäß verurteilt,
den Klägern Rechenschaft zu legen über die Verwaltung des Nachlasses des am 14.12.2005 in K. verstorbenen J. K. B., geboren am 31.03.1927, zuletzt wohnhaft M., … E., durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses, einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie der vorhandenen Belege.
Es hat angenommen, die Beklagte sei gemäß § 2130 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1922, 1967 BGB verpflichtet, den Klägern im Sinne des § 259 Abs. 1 BGB Rechenschaft über die Verwaltung des Nachlasses durch die Vorerbin zu legen und gem. § 2130 Abs. 1 BGB i.V. mit 260 Abs. 1 BGB, §§ 1922, 1967 BGB ein Bestandsverzeichnis zu erstellen. Diese Verpflichtung umfasse auch das Geld- und Sparvermögen des Erblassers. Die Regelung in § 4 Nr.2 des Testaments könne nicht als Vorausvermächtnis zugunsten der Beklagten mit der Folge des § 2110 Abs. 2 BGB ausgelegt werden. Denn die Zuwendung sei ausdrücklich auf das „verbrauchte“ Geld- und Sparvermögen beschränkt worden. Zudem hätten die Eheleute in persönlichen Gesprächen immer wieder betont, dass ihr jeweiliges Vermögen nach deren Tod am Ende an ihren jeweiligen Stamm zurückfallen solle. Eine Befreiung von den Pflichten gem. § 2130 BGB ergebe sich aus dem gemeinschaftlichen Testament ebenfalls nicht. Dagegen spreche, dass in dem notariellen Testament ausdrücklich nur die Befreiung von den Pflichten gemäß § 2134 BGB genannt sei. Sowohl die Wahl der Worte „für sich verbraucht“ als auch die von den Ehegatten geäußerte Zweckrichtung spreche dafür, dass dem jeweils Längerlebenden zwar Aufwendungen für eigene Zwecke erlaubt sein sollten, der Längerlebende den Nachlass aber im Übrigen nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung mit Offenlegungspflichten gegenüber den Nacherben verwalten sollte, um so das Ziel zu erreichen, dass das restliche Vermögen am Ende dem jeweiligen Familienstamm zufalle.
Die Rechenschaftslegung sei auch nicht unmöglich. Zwar sei die Beklagte angesichts der unstreitigen Tatsache, dass die Vorerbin Konten des Erblassers auf sich habe umschreiben lassen, vermutlich nicht dazu imstande, die Entwicklung des Bestands des Geld- und Sparvermögens bis zum Eintritt der Nacherbfolge „betragsmäßig bis ins Einzelne nachzuverfolgen“. Insbesondere dürften sich hinsichtlich der Ausgaben Schwierigkeiten bei der Feststellung ergeben, „aus welchem Topf“ bestimmte Ausgaben getätigt wurden. Dies allein entbinde die Beklagte jedoch nicht davon, ihre Pflichten gemäß § 259 Abs. 1 und § 260 Abs. 1 BGB jedenfalls dadurch zu erfüllen, dass sie in geordneter Weise darlege, über welche Unterlagen sie verfüge und inwieweit sich daraus Schlüsse auf den Anfangsbestand des Nachlasses und dessen weitere Entwicklung während der Zeit der Vorerbschaft ziehen ließen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Verpflichtung zu Auskunft und Rechnungslegung weiterhin in Abrede stellt. Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 07.12.2016 (II 149) verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Landgerichts, der Vorerbin sei das Geld- und Sparvermögen nicht insgesamt im Sinne eines Vorausvermächtnisses zugewandt worden. Dem steht der klare Wortlaut des Testaments entgegen, wonach ein Vermächtnis nur zugewandt wird, soweit der Vorerbe das Geld- und Sparvermögen für sich verbraucht. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass unverbrauchtes Geld- und Sparvermögen weiterhin zur Erbschaft gehört. Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden übereinstimmenden Willen der Testierenden bestehen nicht.
Davon ausgehend ist die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Vorerbin verpflichtet, in einem Bestandsverzeichnis Auskunft über den Bestand auch des Geld- und Sparvermögens bei Eintritt des Erbfalls und bei Eintritt des Nacherbfalls zu geben (§ 260 BGB). Diese Pflicht trifft sogar den befreiten Vorerben (Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 2136 Rn. 4), so dass in diesem Zusammenhang offen bleiben kann, in welchem Umfang hier eine Befreiung des Vorerben erteilt wurde. Einzubeziehen sind Surrogate, denn die Herausgabepflicht auch des befreiten Vorerben umfasst solche Surrogate (Palandt, aaO).
2. Eine darüber hinausgehende Rechenschaftspflicht (§§ 259, 2030 Abs. 2 BGB) der Vorerbin hinsichtlich der „Verwaltung“ des Geld- und Sparvermögens während der Dauer der Vorerbschaft durch „Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie der vorhandenen Belege“ besteht demgegenüber nicht. Denn die Vorerbin war berechtigt, das zum Nachlass gehörende Geld- und Sparvermögen nach freiem Ermessen für sich zu verbrauchen, und mithin gerade nicht zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung desselben im Interesse der Nacherben verpflichtet.
Nach dem Wortlaut des Testaments ist Geld- und Sparvermögen dem Vorerben „vermächtnisweise unter Befreiung von § 2134 BGB zugewandt“, „soweit“ er dieses „für sich verbraucht“. Das kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass der Vorerbe berechtigt ist, das Geld- und Sparvermögen für sich zu verbrauchen, und zwar voraussetzungslos. Für die vom Landgericht angedeutete Beschränkung der Befreiung durch eine Bedingung (zu dieser Möglichkeit, z.B. „für den Fall der Not“, Staudinger/Avenarius, BGB, § 2136 [2013] Rn. 4) – einerseits „Aufwendungen für eigene Zwecke erlaubt“, andererseits Nachlassverwaltung „nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung“ – bietet der Wortlaut des Testaments keine Stütze. Ist aber der Vorerbe berechtigt, Geld- und Sparvermögen zu verbrauchen, ohne nach § 2134 BGB Wertersatz leisten zu müssen, ist einer Verpflichtung zur Rechnungslegung über Einnahmen und Ausgaben die Grundlage entzogen. Gegen eine Verpflichtung zur Rechnungslegung spricht unter solchen Umständen auch die Auslegungsregel des § 2137 Abs. 1 BGB. Nach dem Gesagten sind die Nacherben hinsichtlich des Geld- und Sparvermögens der Sache nach auf dasjenige beschränkt, was bei Eintritt der Nacherbschaft übrig ist. In einem solchen Fall ist im Zweifel eine Befreiung von allen in § 2136 BGB genannten Bestimmungen und damit von der in § 2130 Abs. 2 BGB normierten Rechenschaftspflicht über die Verwaltung erteilt.
Der vom Landgericht nach Anhörung der Parteien festgestellte Wille der Erblasser, dass ihr jeweiliges Vermögen nach deren Tod am Ende an ihren jeweiligen Stamm zurückfallen solle, gibt für eine Beschränkung der Befreiung von der Vorschrift des § 2134 BGB nicht genug her. Dass der Vorerbe etwa nur in angemessenem Umfang oder gar im Fall der Not die Substanz antasten dürfte, kann aus einem derart allgemein formulierten Leitgedanken nicht abgeleitet werden. Für das neben dem Grundbesitz vorhandene Geld- und Sparvermögen hat dieser Leitgedanke durch die testamentarische Anordnung letztlich eine Einschränkung erfahren, die den Vorerben gerade davon entlasten soll, über sein Ausgabeverhalten Rechenschaft ablegen zu müssen. Die Grenze für Verfügungen des Vorerben bildet hier nur die nicht abdingbare Schadensersatzpflicht bei Verfügungen mit Benachteiligungsabsicht (§ 2138 Abs. 2 BGB).
Der Rechnungslegungsanspruch, der nicht Selbstzweck ist, sondern ein Hilfsanspruch, der den Hauptanspruch vorbereiten soll, entfällt hier im Übrigen auch deshalb, weil sich aus den betreffenden Angaben kein (weitergehender) Anspruch ergeben kann. Denn wenn der Vorerbe „Ausgaben“ zulasten des Geld- und Sparvermögens getätigt hat, folgt daraus kein Ersatzanspruch des Erben (§ 2134 BGB). Gleiches gilt für die „Einnahmen“. Dabei kann es sich, was das Geld- und Sparvermögen betrifft, nur um Nutzungen handeln, die dem Vorerben ersatzlos zustehen (§ 2111 BGB). Sollten die geschuldeten Auskünfte über das Geldvermögen bei Eintritt des Erbfalls (14.12.2005) und bei Eintritt des Nacherbfalls (01.01.2013) prima facie dafür sprechen, dass die Vorerbin von der Möglichkeit, den hälftigen Anteil ihres Ehemanns zu verbrauchen, keinen Gebrauch gemacht hat – etwa weil sich das Geld- und Sparvermögen insgesamt nicht oder nicht wesentlich verringert hat -, stünde es zur prozessualen Substantiierungslast der Beklagten, wenn sie geltend machen wollte, die Vorerbin habe gleichwohl den Anteil des Ehemanns verbraucht.
Die Verpflichtung der Beklagten ist nach allem darauf beschränkt, ein Bestandsverzeichnis des Geld- und Sparvermögens zu Beginn und am Ende der Vorerbschaft vorzulegen. Wie bereits dargelegt, bleibt diese Verpflichtung, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen (§ 2121 BGB) und nach § 260 BGB ein Verzeichnis über den Bestand des herauszugebenden Erbes anzufertigen, von der erteilten Befreiung unberührt. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte bisher nicht hinreichend nachgekommen ist. Die bisher zugänglich gemachten Informationen erfüllen hinsichtlich Form, Vollständigkeit und Genauigkeit nicht die Anforderungen an ein in sich geschlossenes Bestandsverzeichnis.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO angeordnet. Gründe, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.