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Sachverständigenablehnung im Erbscheinsverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit

OLG Nürnberg – Az.: 1 W 238/19 – Beschluss vom 09.08.2019

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers M E wird der Beschluss des Amtsgerichts Kelheim vom 6. Dezember 2018, Az. 22 VI 333/16, aufgehoben.

Der Antrag des Beteiligten M E vom 13. Juli 2018 auf Ablehnung des Sachverständigen L wegen Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 hat das Amtsgericht Kelheim den Sachverständigen L, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage beauftragt, ob der Erblasser am 2. Februar 2016 wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (Bl. 193 ff. d.A.).

Der Sachverständige hat am 13. Mai 2018 sein schriftliches Gutachten (Bl. 259 ff. d.A.) erstattet, das an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zur Stellungnahme binnen 3 Wochen übersandt worden ist.

Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Juli 2018, beim Amtsgericht Kelheim innerhalb der verlängerten Stellungnahmefrist am selben Tag eingegangen, hat der Beteiligte M E den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Bl. 329 ff. d.A.). Er hat ausgeführt, dass der Sachverständige sich im Gutachten frühzeitig und ohne weitere Anhörung von Zeugen und Sachverständigen auf die Testierfähigkeit des Erblassers festgelegt habe. Hierdurch sei ein auch jedem unbeteiligten Dritten einleuchtendes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen entstanden. Der Sachverständige habe bestrittenen Sachvortrag herangezogen, indem er das Vorbringen des Beteiligten F E über ein (bestrittenes) Gespräch von Herrn M mit dem Erblasser Anfang Dezember 2015 zur Begründung dafür herangezogen habe, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Erblasser sich an viele geschäftliche Vorgänge nicht mehr habe erinnern können. Auch die zeitliche Distanz zur Errichtung des Testaments habe der Sachverständige nicht hinreichend berücksichtigt. Der Sachverständige habe ferner die Angaben des Hausarztes Dr. R über eine zunehmende Distanzlosigkeit und eine fabulierende Ausdrucksweise des Erblassers sowie darüber, dass medizinische Zusammenhänge nicht mehr erklärt werden konnten und ernsthafte Gespräche mit dem Erblasser nicht mehr möglich gewesen seien, herangezogen. Der Sachverständige ziehe sich insoweit durch seine innere Voreingenommenheit auf den Standpunkt zurück, dass es sich unter Umständen lediglich um eine leichte zeitliche Desorientierung handeln könnte, die allerdings vom behandelnden Hausarzt in keiner Weise erwähnt wurde. Die Auswirkungen der vom 19. bis 26. Januar 2016 durchgeführten Ganzhirnbestrahlung habe der Sachverständige nicht diskutiert, sondern lediglich behauptet, dass eine solche Bestrahlung nicht zwangsläufig gravierende und ausdauernde Folgen auf eine eventuelle Orientierungsstörung haben müsse. Der Sachverständige habe es ferner unterlassen, weitere Krankenakten beizuziehen, wie ihm das durch das Gericht aufgegeben worden sei. Die Frage einer Orientierungsstörung bei Testamentserrichtung hätte jedoch erst untersucht werden können, wenn die Krankenakte des Krankenhauses b beigezogen und Rücksprache mit dem Hausarzt Dr. R genommen worden sei, worauf der Sachverständige hätte hinwirken müssen. Es wäre die Pflicht des Sachverständigen gewesen, zu ermitteln, welche Medikamente der Erblasser während der Ganzhirnbestrahlung und in deren Anschluss eingenommen hat, da starke Medikamente in Zusammenhang mit der Strahlentherapie die Testierfähigkeit in erheblichem Maße beeinflussten. Auch etwaige Auswirkungen der Metastasen im Gehirn auf den Verstand, die Geschäftsfähigkeit und die Fähigkeit der freien Willensbildung hätte der Sachverständige ermitteln und hierzu einen Onkologen oder Radiologen hinzuziehen müssen. Wäre der Sachverständige bei Abfassung seines Gutachtens noch ergebnisoffen gewesen, hätte er insoweit zwingend weiter recherchieren müssen. Aufgrund seiner voreingenommenen inneren Haltung verschweige der Sachverständige auch, dass der Notar die Testierfähigkeit des Erblassers lediglich zur Beurkundung am 7. Januar 2016 abgeklärt habe, aber insoweit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 2. Februar 2016 nicht mehr als seine laienhafte Beobachtung im Termin berichten konnte. Gleichwohl ziehe der Sachverständige die Aussage des Notars zur Bestätigung seiner Position heran.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Juli 2018 hat auch die Beteiligte Mo E den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Bl. 339 ff. d.A.). Zur Begründung hat sie zunächst auf die Ausführungen der Verfahrenbevollmächtigten des Beteiligten M E Bezug genommen. Der Sachverständige habe nicht nur die bestrittenen Angaben von Herrn M W berücksichtigt und damit eine bestrittene Behauptung als erwiesen erachtet. Er habe sich auch über den Arbeitsauftrag hinweggesetzt und es entgegen des gerichtlichen Auftrags unterlassen, weitere ärztliche Unterlagen einzuholen.

Mit weiterem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 30. Juli 2018 hat der Beteiligte M E eine methodenkritische Stellungnahme der Psychiaterin Dr. K vom 23. Juli 2018 zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen vorgelegt (Bl. 374 ff. d.A.).

Der Beteiligte F E hat zu den Befangenheitsanträgen mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 20. August 2018 (Bl. 398 ff. d.A.) Stellung genommen, auf die Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 10. September 2018 (Bl. 407 ff. d.A.) hat der Sachverständige zu den Befangenheitsanträgen dienstlich Stellung genommen. Er hat ausgeführt, dass er bei Auswertung der vorliegenden Berichte und Zeugenaussagen alle Informationen gleichermaßen beachtet habe, ohne einem der Zeugen oder einer der Aussagen größere Bedeutung zuzumessen. Dabei sei er zu dem Schluss gekommen, dass die vorliegenden Aussagen zu widersprüchlich seien, um als Grundlage der Diagnosestellung zu dienen. Die Aussagen seien deshalb nicht herangezogen worden, um „eine Testierunfähigkeit am 02.02.2016 zu verneinen“. Im Gutachten sei weder die Testierfähigkeit belegt, noch die Testierunfähigkeit widerlegt worden. Im Beweisbeschluss sei ihm „anheimgestellt“ worden, gegebenenfalls zu Auswertungszwecken weitere ärztliche Unterlagen zu erholen und diese für die Gutachtenserstellung beizuziehen. Das sei regelmäßig so, da nur der Sachverständige wisse, ob und was er zusätzlich für seine Beurteilung benötige. Die von dem Beteiligten M E erwähnten Unterlagen und Stellungnahmen des Onkologen, Radiologen etc. seien nicht angefordert worden, da von diesen Befunden keine zusätzlichen Erkenntnisse für die Beantwortung der Gutachtensfragen zu erwarten gewesen wären. Im Gutachtensauftrag sei der Sachverständige auch darauf hingewiesen worden, seine Tätigkeit auf das zur Erfüllung des Auftrags Notwendige zu beschränken.

Die Beteiligte Mo E hat hierauf mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17. September 2018 (Bl. 413 ff. d.A.) erwidert und ihre Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen wiederholt.

Auch der Beteiligte M E hat zur dienstlichen Stellungnahme des Sachverständigen Stellung genommen. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Oktober 2018 (Bl. 416 ff. d.A.) hat er die Auffassung vertreten, dass die Stellungnahme des Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit bestärke. Der Sachverständige habe nicht ergebnisoffen gearbeitet und notwendige Ermittlungen nicht angestellt. Der gerichtliche Gutachterauftrag habe auch nicht die vom Sachverständigen behauptete Beschränkung enthalten, seine Tätigkeit auf das Notwendige zu beschränken. Auch der Umstand, dass der Sachverständige sich mit der methodenkritischen Stellungnahme von Frau Dr. L nicht auseinandergesetzt habe, spreche für sich.

Das Amtsgericht Kelheim hat mit Verfügung vom 19. Oktober 2018 darauf hingewiesen, dass der Sachverständige – wie in anderen Verfahren auch üblich – im Übersendungsschreiben vom 2. Januar 2018 darauf hingewiesen worden sei, dass er sich bei seiner Tätigkeit auf das Notwendige zu beschränken habe. Dies entspreche den gesetzlichen Vorgaben der § 30 Abs. 1 FamFG, §§ 404a, 407a ZPO.

Der Beteiligte M E hat dazu mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 29. Oktober 2018 (Bl. 434 ff. d.A.) Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass der Sachverständige selbstverständlich keine Sachverhalte zu ermitteln oder keinen Fragen nachzugehen habe, die für die Fragebeantwortung innerhalb des Gutachtens nicht notwendig sind. Er habe sich jedoch der Informationsquellen zu bedienen, die für das Gutachten eine Grundlage bilden können. Das Unterlassen dieser Tätigkeit bekräftige die Vermutung, dass der Sachverständige voreingenommen sei.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16. November 2018 (Bl. 441 ff. d.A.) hat schließlich auch die Beteiligte Mo E noch einmal Stellung genommen und die aus ihrer Sicht für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen sprechenden Umstände vertiefend dargestellt.

Das Amtsgericht Kelheim hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2018 die Anträge der Beteiligten Mo und M E, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen (Bl. 443 ff. d.A.). Objektive Gründe, die vom Standpunkt der Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung Anlass geben könnten, Zweifel an der Unvoreingenommenheit bzw. Unparteilichkeit des Sachverständigen zu hegen, lägen nicht vor. Das Vorbringen der Beteiligten enthalte im Wesentlichen die Behauptung inhaltlicher Mängel des Gutachtens, die eine Besorgnis der Befangenheit objektiv nicht rechtfertigen könnten. Eine Ablehnung des Gutachters könne nicht auf nicht durchgeführte Recherchen, die der Sachverständige nicht als notwendig erachtet habe, gestützt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.

Die Beteiligte Mo E hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Dezember 2018 mitgeteilt, dass dieser Beschluss ausdrücklich nicht angegriffen werde (Bl. 454 f. d.A.).

Der Beteiligte M E hingegen hat gegen den ihm am 13. Dezember 2018 zugestellten Beschluss mit am 27. Dezember 2018 beim Amtsgericht Kelheim eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 460 ff. d.A.). Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen seine bereits mit dem Ablehnungsantrag vorgetragenen Argumente.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2019 hat das Amtsgericht Kelheim der sofortigen Beschwerde aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen (Bl. 465 f. d.A.) und die Akten dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.

Der Senat hat die Beschwerdebegründung mit Verfügung vom 4. Februar 2019 dem Sachverständigen und den Beteiligten F und Mo E mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25. Februar 2019 zugeleitet. Die Frist wurde in der Folge verlängert.

Der Beteiligte F E hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Februar 2019 beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen (Bl. 475 ff. d.A.). Anhaltspunkte für eine innere Voreingenommenheit des Sachverständigen lägen nicht vor, insbesondere rechtfertigten etwaige Mängel des Gutachtens nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit.

Der Sachverständige hat mit Schreiben vom 21. Februar 2019 zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen (Bl. 478 ff. d.A.). Auf die Stellungnahme wird Bezug genommen.

Die Beteiligte Mo E hat mit Schriftsätzen ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Februar und 16. März 2019 ergänzend zur Beschwerdebegründung und der dienstlichen Stellungnahme des Sachverständigen ausgeführt und die Ansicht vertreten, dass die sofortige Beschwerde begründet und der Gutachter von seinem Gutachtensauftrag zu entbinden sei (Bl. 487 f., 496 ff. d.A.). Auch hierauf wird verwiesen.

Der Beteiligte M E hat sich schließlich mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 25. März 2019 zur dienstlichen Stellungnahme des Sachverständigen geäußert (Bl. 498 ff. d.A.). Der Sachverständige führe aus, dass beim Erblasser lediglich eine kurz dauernde oder fluktuierende psychische Störung vorgelegen habe, ohne dies näher zu begründen. Eine zuverlässige Bewertung hätte der Sachverständige allerdings erst vornehmen können, wenn er die unmittelbar vor und nach Errichtung des Testaments erstellten Befunde erhoben hätte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 25. März 2019 verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung der Ablehnung des Sachverständigen obliegt auch im FamFG-Verfahren dem Einzelrichter. Das ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass das Amtsgericht Kelheim durch Beweisbeschluss vom 27. Dezember 2017 die Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet hat. Damit sind auf die Erhebung des Sachverständigenbeweises die Vorschriften der ZPO entsprechend anwendbar. Nach §§ 406 Abs. 5, 568 Satz 1 ZPO, 30 Abs. 1 FamFG entscheidet über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, durch den Ablehnung für unbegründet erklärt wird, der Einzelrichter (vgl. OLG München, Beschluss vom 6. Februar 2012 – 31 Wx 31/12, FGPrax 2012, 92 m.w.N.; BeckOK FamFG/Burschel FamFG § 30 Rn. 39a; BeckOGK/Fröhler BGB § 2353 Rn. 346; Bumiller/Harders/Bumiller FamFG § 30 Rn. 36).

2. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 406 Abs. 5 ZPO, 30 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag auf Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist nicht als unzulässig – weil verspätet – zurückzuweisen. Muss sich der Beteiligte – wie im vorliegenden Fall – zur Begründung seines Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinander setzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2005 – VI ZB 74/04 –, juris Rn. 12). Der Beteiligte M E hat den Befangenheitsantrag gegen den gerichtlichen Sachverständigen am letzten Tag der verlängerten Frist zur Stellungnahme, dem 13. Juli 2018, noch rechtzeitig gestellt und den Antrag anhand des Gutachtens im Einzelnen belegt. Dafür musste er sich offensichtlich mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen.

3. Der Ablehnungsantrag ist auch begründet.

Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der nach § 30 Abs. 1 FamFG auch im Erbscheinsverfahren anwendbar ist, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Für eine Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteilich ist oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hat. Schon der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit rechtfertigt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 1975 – X ZR 52/73 –, NJW 1975, 1363).

Nach diesen Grundsätzen besteht bei dem Beteiligten M E die begründete Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen L, weil dieser in seinem Gutachten die (bestrittene) schriftsätzlich durch den Beteiligten F E vorgetragene „Aussage“ des Herrn M W herangezogen hat, dass dieser im Dezember 2015 ein „klar und strukturiert“ verlaufendes Gespräch mit dem Erblasser geführt habe.

Die Besorgnis der Befangenheit kann nach der Rechtsprechung begründen, wenn der Sachverständige den Eindruck erweckt, eine streitige Behauptung zu Lasten einer Partei für bewiesen zu halten (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 406 ZPO, Rn. 7 m.w.N.). Entscheidend sind aber auch dabei immer die Umstände des Einzelfalls; danach erweckt die Heranziehung der „Aussage“ den Anschein einer Voreingenommenheit oder Parteilichkeit des Sachverständigen.

Der Sachverständige stellt in seinem Gutachten darauf ab, dass die ärztlichen Befunde und Berichte keine hinreichenden Erkenntnisse enthielten, die den Schluss auf eine psychiatrisch relevante Diagnose zulassen. Er hält dabei u.a. die vom Hausarzt Dr. R verwendeten Begriffe „fabulierende Ausdrucksweise“ und „dissoziative Gesprächsfolgen“ für zu ungenau. Ebenso unklar sei, worum es sich bei den „nicht vorhandenen Gegenständen“ handele, auf die der Erblasser ungeduldig hingewiesen habe. Zugleich zieht er jedoch die ebenfalls nicht hinreichend konkrete „Aussage“ des Herrn M W heran, dass der Erblasser im Dezember 2015 „klare und strukturierte Gespräche“ geführt habe, obwohl diese vom Beteiligten F E schriftsätzlich vorgebrachte „Aussage“ vom Beteiligten M E hinsichtlich des Gesprächszeitpunkts bestritten wurde. Der Sachverständige stützt damit seine Feststellung, dass die Schlussfolgerung des Beteiligten M E, der Erblasser habe sich an „viele geschäftliche Vorgänge nicht mehr erinnern können“, aus psychiatrischer Sicht nicht nachvollziehbar sei. Die Hypothese, der Erblasser habe bereits im Dezember 2015 ausgeprägte kognitiv-mnestische Defizite aufgewiesen, könne – so der Sachverständige im nächsten Satz – „somit als falsifiziert betrachtet werden“ (Unterstreichung durch den Senat). Durch die Verwendung des Verbs „falsizifieren“ bringt der Sachverständige aus Sicht eines verständigen Beteiligten zum Ausdruck, dass gerade („somit“) die „Aussage“ des Herrn M W die Hypothese entkräfte. Denn das Verb „falsifizieren“ bedeutet „durch empirische Beobachtung, durch einen logischen Beweis widerlegen“ (vgl. Online-Auskunft auf duden.de).

Vom Standpunkt der ablehnenden Beteiligten liegen damit genügend objektive Gründe vor, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen. Denn der Sachverständige erweckt durch seine Ausführungen den Eindruck, dass er das Vorbringen des Beteiligten F E unsachlich bevorzugt, indem er die von dem ablehnenden Beteiligten M E vorgebrachten Argumente für einen krankhaften Geisteszustand des Erblassers als nicht hinreichend ansieht, während er Vorbringen des Beteiligten F E zur Falsifizierung einer der Ansicht des ablehnenden Beteiligten M E günstigen Hypothese heranzieht, obwohl dieses Vorbringen bestritten wurde und damit unklar ist, ob es tatsächlich zutrifft.

Diesen durch sein schriftliches Gutachten entstandenen Eindruck hat der Sachverständige auch nicht durch seine dienstliche Stellungnahme vom 10. September 2018 entkräften können. Darin führt er aus, dass er sich aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung für verpflichtet gehalten habe, grundsätzlich von der inhaltlichen Richtigkeit aller Zeugenaussagen auszugehen, solange diese nicht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zueinander stehen und das Gericht keine abweichende Beweiswürdigung vorgibt. Er habe deshalb bei der Auswertung der vorliegenden Berichte und Zeugenaussagen alle Informationen gleichermaßen beachtet, ohne einem der Zeugen oder einer der Aussagen eine größere Bedeutung beizumessen. Dabei sei er zu dem Schluss gekommen, dass die vorliegenden Zeugenaussagen zu widersprüchlich seien, um als Grundlage der Diagnosestellung dienen zu können. Die Aussagen seien deshalb „definitiv nicht herangezogen worden“, um „eine Testierunfähigkeit am 02.02.2016 zu verneinen“. Damit hat der Sachverständige zwar erklärt, warum er – auch wenn dies vor dem Hintergrund von § 404a Abs. 3 ZPO, wonach das Gericht bei streitigem Sachverhalt bestimmt, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll, nicht zutreffend ist – die „Aussage“ des Herrn M W herangezogen hat, und den entstandenen Anschein der Parteilichkeit dem ersten Anschein nach entkräftet. Entscheidend ist aber, dass er im Folgenden ausführt, die Aussage „definitiv“ nicht herangezogen zu haben, obwohl er dies in seinem schriftlichen Gutachten – wie bereits ausgeführt – ausdrücklich („falsizifiert“) getan hat. Vor diesem Hintergrund sind aus Sicht eines verständigen Beteiligten die aufgrund der Heranziehung der „Aussage“ entstandenen Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gerade nicht hinreichend ausgeräumt.

Da schon der Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, kommt es nicht mehr darauf an, dass der Sachverständige – wie der Senat meint – diese Besorgnis nicht grob schuldhaft verursacht hat. Lediglich ergänzend führt der Senat deshalb aus, dass der Sachverständige durch die Vorgehensweise des ehemals für die Sache zuständigen Richters beim Amtsgericht Kelheim vor der schwierigen Aufgabe stand, auf unklarer Tatsachengrundlage das Gutachten erstatten zu müssen. Nach § 404a Abs. 3 ZPO wäre es angesichts des streitigen Sachverhalts Aufgabe des Gerichts gewesen zu bestimmen, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll. Es liegt deshalb vor der Einholung eines Gutachtens zur Frage der Testierfähigkeit häufig nahe, zunächst die Tatsachengrundlage für das Gutachten zu ermitteln. Dabei kommt neben der Beiziehung von ärztlichen Berichten und Behandlungsunterlagen insbesondere auch die Anhörung der Beteiligten und die Einvernahme von Zeugen in Anwesenheit des Sachverständigen in Betracht. Sofern das Gericht im Einzelfall von einer solchen Vorgehensweise absehen möchte, hat der Sachverständige sein Gutachten erforderlichenfalls auf alternativer Tatsachengrundlage zu erstatten. Hierauf wird das Gericht den Sachverständigen sinnvollerweise bei Auftragserteilung hinweisen. Denn nach § 404a Abs. 2 ZPO soll es, soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn in seine Aufgabe einweisen und ihm auf Verlangen den Auftrag erläutern.

Da die Ablehnung bereits auf der geschilderten Grundlage begründet war, bedarf es keiner Erörterung der übrigen vom Beteiligten M E zur Ablehnung vorgetragenen Umstände. Der Senat sieht sich allerdings für das weitere Verfahren zu dem Hinweis veranlasst, dass in der Verfahrensakte nach Bl. 131 eine vom Krankenhaus B in R mit Schreiben vom 11. August 2017 an das Amtsgericht Kelheim übersandte CD-ROM eingelegt ist, auf der angabegemäß die knapp 1.000 Seiten umfassenden Behandlungsunterlagen seit 01.01.2016 abgespeichert sein sollen.

III.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt, da die Kosten der erfolgreichen Beschwerde solche des Verfahrens sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2013 – II-3 WF 301/12 –, juris m.w.N.).

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