Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Sittenwidrigkeit im Erbrecht: Enterbung und Testamentsgestaltung im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Weiterführende Informationen
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „sittenwidrige Enterbung“ im deutschen Erbrecht?
- Unter welchen Bedingungen ist eine Enterbung aufgrund einer Eheschließung rechtlich zulässig?
- In welchem Umfang schützt die Testierfreiheit des Erblassers deren Verfügungen gegen Sittenwidrigkeitsvorwürfe?
- Welche Ansprüche bleiben einem enterbten Erben, insbesondere bezüglich des Pflichtteils?
- Welche juristischen Schritte können unternommen werden, wenn man eine Enterbung für sittenwidrig hält?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Es handelte sich um ein Testament, bei dem der Erblasser die Bedingung festlegte, dass ein Erbe enterbt wird, falls er eine bestimmte Person heiratet.
- Der Erblasser hatte zwei Söhne aus verschiedenen Ehen, von denen einer nach der Heirat der im Testament genannten Person die Enterbungsklausel erfüllte.
- Das Nachlassgericht hatte ursprünglich entschieden, dass diese Bedingung sittenwidrig sei und den Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers abgelehnt.
- Der Beschwerdeführer legte erfolgreich Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts ein.
- Das Oberlandesgericht München entschied, dass die Bedingung im Testament zulässig sei und der Erbe tatsächlich enterbt wurde.
- Das Nachlassgericht wurde angewiesen, dem Beschwerdeführer einen Erbschein auszustellen.
- Die Entscheidung bekräftigt, dass persönliche Bedingungen in Testamenten unter bestimmten Umständen gültig sind.
- Einflussreiche testamentarische Klauseln können das Erbrecht erheblich verändern und sind sorgfältig zu formulieren.
Sittenwidrigkeit im Erbrecht: Enterbung und Testamentsgestaltung im Fokus
Im deutschen Erbrecht spielt die Testamentsgestaltung eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es um Fragen der Enterbung und Sittenwidrigkeit geht. Ein privatschriftliches Testament ermöglicht es Erblassern, ihre letzten Wünsche festzuhalten, doch nicht alle Regelungen sind rechtlich bindend. Insbesondere die Heirat einer bestimmten Person kann dazu führen, dass testamentarische Anordnungen als sittenwidrig angesehen werden. In solchen Fällen stellt sich die Frage nach den rechtlichen Grundlagen und den möglichen Erbschaftsansprüchen der Enterbten.
Die gesetzliche Erbfolge bietet einen klaren Rahmen, der in vielen Situationen Vorrang hat, besonders wenn das Testament bestimmte gesetzliche Vorschriften missachtet. Beziehungen und deren Einfluss auf das Erbe sind ebenfalls von Bedeutung, da Ehen sowohl Rechte als auch Pflichten mit sich bringen, welche die vorliegende Testamentsauslegung beeinflussen können. Darüber hinaus können Scheidungsfolgen erheblichen Einfluss auf die Erbansprüche haben, was zu einer Vielzahl von rechtlichen Auseinandersetzungen führt.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der sich mit der Sittenwidrigkeit einer Enterbung in einem privatschriftlichen Testament in Verbindung mit der Heirat einer spezifischen Person befasst.
Der Fall vor Gericht
Gerichtsurteil: Enterbung bei Eheschließung ist wirksam
Das Oberlandesgericht München hat in einem Erbrechtsstreit entschieden, dass die testamentarische Enterbung eines Sohnes für den Fall einer bestimmten Eheschließung rechtlich zulässig ist. Der Fall betraf einen Erblasser, der ein Restaurant der Spitzengastronomie samt Hotel betrieb und in seinem Testament verfügt hatte, dass sein Sohn enterbt würde, sollte dieser eine bestimmte Frau heiraten.
Hintergründe des Falls
Der Erblasser hatte in einem handschriftlichen Testament vom 19. Oktober 2016 zwei seiner Söhne als Erben zu je 1/2 eingesetzt. Am Ende des Testaments fügte er jedoch die Klausel hinzu: „Sollte mein Sohn A. seine Lebensgefährtin C. L. heiraten, wird er enterbt.“ Der betroffene Sohn heiratete die genannte Frau am 18. Oktober 2018.
Rechtliche Bewertung des Gerichts
Das OLG München kam zu dem Schluss, dass die Enterbungsklausel nicht sittenwidrig ist und daher Bestand hat. Das Gericht berücksichtigte dabei mehrere Faktoren:
- Der potenzielle Druck auf den Sohn durch die Klausel wurde als gering eingestuft, da er bereits wusste, dass er keinen Anspruch auf eine Erbeinsetzung hatte.
- Der Sohn behielt trotz Enterbung seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch.
- Der Erblasser hatte dem Sohn bereits zu einer Ausbildung in der Spitzengastronomie verholfen und ihn in seinem Betrieb angestellt.
- Die Klausel untersagte nicht generell eine Eheschließung, sondern bezog sich nur auf eine bestimmte Person.
Testierfreiheit vs. Eheschließungsfreiheit
Das Gericht betonte die Bedeutung der Testierfreiheit des Erblassers, die verfassungsrechtlich geschützt ist. Diese Freiheit umfasst auch das Recht, die Vermögensnachfolge nach eigenen Vorstellungen zu regeln, selbst wenn diese nicht den allgemeinen gesellschaftlichen Überzeugungen entsprechen.
Konsequenzen des Urteils
Aufgrund der Entscheidung des OLG München wird der Sohn, der die vom Erblasser missbilligte Ehe einging, nicht als Miterbe berücksichtigt. Das Gericht wies das Nachlassgericht an, dem anderen Sohn einen Alleinerbschein zu erteilen.
Bedeutung für die Rechtsprechung
Diese Entscheidung unterstreicht die starke Stellung der Testierfreiheit im deutschen Erbrecht. Sie zeigt, dass Erblasser weitgehende Freiheiten bei der Gestaltung ihrer letztwilligen Verfügungen haben, solange diese nicht eindeutig gegen die guten Sitten verstoßen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des OLG München stärkt die Testierfreiheit erheblich. Sie zeigt, dass Erblasser weitreichende Bedingungen für die Erbeinsetzung stellen können, solange diese nicht eindeutig sittenwidrig sind. Die Abwägung zwischen Testierfreiheit und Eheschließungsfreiheit fällt zugunsten der Testierfreiheit aus, wenn die Enterbungsklausel nicht generell eine Eheschließung untersagt und der potenzielle Druck auf den Bedachten als gering einzustufen ist. Diese Auslegung erweitert den Gestaltungsspielraum bei letztwilligen Verfügungen deutlich.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil stärkt die Testierfreiheit erheblich und hat wichtige Auswirkungen für potenzielle Erben. Als Erbe müssen Sie beachten, dass Erblasser weitreichende Bedingungen für die Erbeinsetzung stellen können, solange diese nicht eindeutig sittenwidrig sind. Selbst Klauseln, die Ihre persönlichen Entscheidungen wie eine Eheschließung betreffen, können unter Umständen wirksam sein. Allerdings bleibt Ihr Pflichtteilsanspruch als Abkömmling davon unberührt. Wenn Sie mit einer testamentarischen Enterbung konfrontiert sind, sollten Sie die Umstände sorgfältig prüfen lassen. Eine rechtliche Beratung kann helfen, die Wirksamkeit solcher Klauseln einzuschätzen und Ihre Handlungsoptionen zu klären.
Weiterführende Informationen
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was bedeutet „sittenwidrige Enterbung“ im deutschen Erbrecht?
- Unter welchen Bedingungen ist eine Enterbung aufgrund einer Eheschließung rechtlich zulässig?
- In welchem Umfang schützt die Testierfreiheit des Erblassers deren Verfügungen gegen Sittenwidrigkeitsvorwürf
- Welche Ansprüche bleiben einem enterbten Erben, insbesondere bezüglich des Pflichtteils?
- Welche juristischen Schritte können unternommen werden, wenn man eine Enterbung für sittenwidrig hält?
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „sittenwidrige Enterbung“ im deutschen Erbrecht?
Eine sittenwidrige Enterbung liegt vor, wenn die testamentarische Verfügung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies ist der Fall, wenn die Enterbung moralisch verwerflich ist oder gegen grundlegende ethische Werte der Gesellschaft verstößt.
Kriterien für die Sittenwidrigkeit
Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit erfolgt anhand objektiver Maßstäbe und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Folgende Aspekte können auf eine sittenwidrige Enterbung hindeuten:
- Ausnutzung einer psychischen Zwangslage oder geistigen Beeinträchtigung des Erblassers
- Manipulation oder unzulässige Beeinflussung durch Dritte
- Enterbung aus diskriminierenden Gründen, wie Rasse, Religion oder sexuelle Orientierung
- Verfügungen, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen
Beispiele für sittenwidrige Enterbungen
Wenn Sie ein Testament errichten, sollten Sie folgende Beispiele sittenwidriger Enterbungen kennen:
- Ein Erblasser enterbt sein Kind, weil es eine Person anderer Hautfarbe geheiratet hat.
- Die Enterbung erfolgt, um den Erben zu einer strafbaren Handlung zu zwingen.
- Ein Testament wird unter Ausnutzung der Demenzerkrankung des Erblassers erstellt.
Rechtliche Folgen
Wird eine Enterbung als sittenwidrig eingestuft, ist sie nach § 138 BGB nichtig. Dies bedeutet, dass die entsprechende Verfügung im Testament unwirksam ist. In einem solchen Fall tritt die gesetzliche Erbfolge ein, sofern keine anderen gültigen testamentarischen Bestimmungen vorliegen.
Abgrenzung zur Testierfreiheit
Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede ungewöhnliche oder ungerechte Enterbung automatisch sittenwidrig ist. Die Testierfreiheit erlaubt es dem Erblasser grundsätzlich, frei über sein Vermögen zu verfügen. Nur in extremen Fällen, die das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden in besonderem Maße verletzen, wird eine Enterbung als sittenwidrig angesehen.
Wenn Sie ein Testament errichten oder mit einer Enterbung konfrontiert sind, sollten Sie diese Aspekte sorgfältig abwägen. Die Grenze zwischen zulässiger Testierfreiheit und sittenwidriger Enterbung kann im Einzelfall fließend sein und bedarf oft einer genauen rechtlichen Prüfung.
Unter welchen Bedingungen ist eine Enterbung aufgrund einer Eheschließung rechtlich zulässig?
Eine Enterbung aufgrund einer Eheschließung, auch als Wiederverheiratungsklausel bekannt, ist nur unter bestimmten Bedingungen rechtlich zulässig. Der Grundsatz der Eheschließungsfreiheit nach Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz muss dabei gewahrt bleiben.
Zulässige Gestaltungen
Wiederverheiratungsklauseln sind grundsätzlich erlaubt, solange sie keinen unzulässigen Druck auf die Eheschließungsfreiheit ausüben. Zulässig sind Klauseln, die dem überlebenden Ehegatten im Falle einer Wiederheirat mindestens seinen Pflichtteil oder den gesetzlichen Erbteil belassen. Dies gewährleistet, dass der Ehegatte nicht völlig leer ausgeht und somit in seiner Entscheidungsfreiheit nicht übermäßig eingeschränkt wird.
Unzulässige Gestaltungen
Klauseln, die den überlebenden Ehegatten bei Wiederheirat vollständig enterben oder ihm weniger als den Pflichtteil zugestehen, sind in der Regel sittenwidrig und damit unwirksam. Das Bundesverfassungsgericht hat in der sogenannten „Hohenzollern-Entscheidung“ klargestellt, dass solche Klauseln einen unzulässigen Eingriff in die Eheschließungsfreiheit darstellen.
Gestaltungsmöglichkeiten
Wenn Sie eine Wiederverheiratungsklausel in Betracht ziehen, können Sie beispielsweise festlegen, dass bei einer Wiederheirat des überlebenden Ehegatten ein Teil des Erbes an die Kinder oder andere Erben übergeht. Dabei muss dem Ehegatten jedoch mindestens der Pflichtteil verbleiben. Eine mögliche Formulierung könnte lauten: „Im Falle einer Wiederheirat meines Ehegatten soll dieser seinen gesetzlichen Erbteil erhalten, der Rest des Nachlasses geht an unsere gemeinsamen Kinder.“
Rechtliche Prüfung
Die Wirksamkeit einer Wiederverheiratungsklausel wird im Einzelfall gerichtlich geprüft. Dabei wird abgewogen zwischen dem Interesse des Erblassers, sein Vermögen in der Familie zu halten, und dem Recht des überlebenden Ehegatten auf freie Eheschließung. Je stärker der wirtschaftliche Druck auf den Ehegatten ist, desto eher wird die Klausel als unzulässig eingestuft.
Alternative Gestaltungsmöglichkeiten
Statt einer Wiederverheiratungsklausel können Sie auch andere erbrechtliche Instrumente nutzen, um Ihr Vermögen zu schützen. Dazu gehören beispielsweise die Einsetzung der Kinder als Nacherben oder die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. Diese Gestaltungen ermöglichen es, das Vermögen in der Familie zu halten, ohne direkt an eine Wiederheirat zu knüpfen.
In welchem Umfang schützt die Testierfreiheit des Erblassers deren Verfügungen gegen Sittenwidrigkeitsvorwürfe?
Die Testierfreiheit des Erblassers genießt als Ausprägung der grundgesetzlich geschützten Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) einen sehr weitreichenden Schutz. Sie räumt dem Erblasser einen großen Gestaltungsspielraum bei der Errichtung seines letzten Willens ein. Aufgrund dieses hohen Stellenwerts der Testierfreiheit können testamentarische Verfügungen nur in Ausnahmefällen als sittenwidrig eingestuft werden.
Grenzen der Testierfreiheit
Trotz des umfassenden Schutzes ist die Testierfreiheit nicht grenzenlos. Eine Verfügung kann als sittenwidrig und damit nichtig gelten, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies ist der Fall, wenn die Verfügung in unzumutbarer Weise in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Bedachten eingreift oder ihn zu einem bestimmten Verhalten zwingt.
Abwägung im Einzelfall
Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer testamentarischen Verfügung findet stets eine Einzelfallabwägung statt. Dabei werden die Testierfreiheit des Erblassers und die Freiheitsrechte der betroffenen Erben gegeneinander abgewogen. Entscheidend sind dabei Faktoren wie die Absichten des Erblassers, die Werteordnung des Grundgesetzes und der Zeitpunkt der Testamentserrichtung.
Beispiele für sittenwidrige Verfügungen
Als sittenwidrig können beispielsweise Verfügungen gelten, die:
- einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensgestaltung des Erben darstellen, wie etwa ein unbegründetes Betretungsverbot für den Lebensgefährten.
- die sexuelle Hingabe einer Geliebten belohnen oder fördern sollen (sogenanntes Mätressentestament).
- eine psychische Zwangslage oder Beeinträchtigung des Erblassers ausnutzen.
Schutz vor Sittenwidrigkeitsvorwürfen
Um Ihre testamentarischen Verfügungen bestmöglich vor Sittenwidrigkeitsvorwürfen zu schützen, sollten Sie darauf achten, dass diese nachvollziehbare Gründe haben und nicht unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Bedachten eingreifen. Je enger der Bezug zur Nutzung des vererbten Vermögens ist, desto eher wird eine Bedingung als zulässig angesehen.
Wenn Sie als Erblasser besondere Auflagen oder Bedingungen in Ihrem Testament festlegen möchten, ist es ratsam, die Gründe dafür im Testament darzulegen. Dies kann dazu beitragen, dass Ihre Verfügungen auch nach Ihrem Tod respektiert und nicht als sittenwidrig angefochten werden.
Welche Ansprüche bleiben einem enterbten Erben, insbesondere bezüglich des Pflichtteils?
Auch wenn Sie enterbt wurden, haben Sie als naher Angehöriger in der Regel Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch gegen den oder die Erben.
Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Pflichtteilsberechtigt sind laut § 2303 BGB:
- Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel)
- Eltern des Erblassers (nur wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind)
- Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner des Erblassers
Wenn Sie zu diesem Personenkreis gehören und enterbt wurden, können Sie den Pflichtteil einfordern.
Wie wird der Pflichtteil berechnet?
Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um ihn zu berechnen, müssen Sie zunächst ermitteln, wie hoch Ihr gesetzlicher Erbteil gewesen wäre. Davon steht Ihnen dann die Hälfte als Pflichtteil zu.
Geltendmachung des Pflichtteils
Um Ihren Pflichtteil zu erhalten, müssen Sie aktiv werden. Der Anspruch entsteht zwar automatisch mit dem Tod des Erblassers, wird aber nicht von selbst ausgezahlt. Sie sollten:
- Die Erben schriftlich um Auskunft über den Nachlass bitten
- Den konkreten Pflichtteil berechnen
- Den Pflichtteil von den Erben einfordern
Beachten Sie: Der Pflichtteilsanspruch verjährt nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem Sie von der Enterbung erfahren haben.
Weitere Ansprüche des enterbten Erben
Neben dem Pflichtteil können Ihnen als enterbtem Erben noch weitere Ansprüche zustehen:
- Pflichtteilsergänzungsanspruch: Wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen getätigt hat, können diese unter Umständen dem Nachlass hinzugerechnet werden.
- Auskunftsanspruch: Sie haben das Recht, von den Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu verlangen.
- Anfechtungsrecht: Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie die Enterbung anfechten, etwa wenn das Testament formungültig ist.
Wenn Sie enterbt wurden, bedeutet das also nicht zwangsläufig, dass Sie leer ausgehen. Der Pflichtteilsanspruch sichert Ihnen in den meisten Fällen zumindest einen Teil des Erbes. Um Ihre Rechte wahrzunehmen, müssen Sie jedoch selbst aktiv werden und Ihre Ansprüche geltend machen.
Welche juristischen Schritte können unternommen werden, wenn man eine Enterbung für sittenwidrig hält?
Wenn Sie eine Enterbung für sittenwidrig halten, können Sie folgende juristische Schritte unternehmen:
Anfechtung des Testaments
Sie können das Testament beim zuständigen Nachlassgericht anfechten. Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, nachdem Sie von der Enterbung und dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt haben. Bei der Anfechtung müssen Sie darlegen, warum Sie die Enterbung für sittenwidrig halten.
Klage auf Feststellung der Nichtigkeit
Eine weitere Möglichkeit ist die Erhebung einer Feststellungsklage beim zuständigen Zivilgericht. Hierbei beantragen Sie, dass das Gericht die Nichtigkeit des Testaments aufgrund der Sittenwidrigkeit feststellt. Im Gegensatz zur Anfechtung ist diese Klage nicht fristgebunden.
Beweisführung
Für beide Verfahren ist es wichtig, dass Sie stichhaltige Beweise für die Sittenwidrigkeit der Enterbung vorlegen. Dies können beispielsweise sein:
- Zeugenaussagen, die belegen, dass der Erblasser unter unangemessenem Druck stand
- Dokumente, die zeigen, dass die Enterbung gegen grundlegende moralische Werte verstößt
- Nachweise über eine mögliche Manipulation des Erblassers
Einstweilige Verfügung
In dringenden Fällen, etwa wenn Sie befürchten, dass der Nachlass verteilt wird, bevor über Ihre Anfechtung entschieden wurde, können Sie beim Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen. Diese kann die Verteilung des Nachlasses vorläufig stoppen.
Mediation oder außergerichtliche Einigung
Bevor Sie rechtliche Schritte einleiten, können Sie auch versuchen, eine außergerichtliche Lösung mit den anderen Beteiligten zu finden. Eine Mediation kann helfen, einen Kompromiss zu erzielen und kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Bedenken Sie, dass die Beweislast für die Sittenwidrigkeit bei Ihnen liegt. Sie müssen dem Gericht glaubhaft darlegen, warum die Enterbung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies kann in der Praxis eine hohe Hürde darstellen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Testierfreiheit
Die Testierfreiheit ist das Recht eines Erblassers, über sein Vermögen nach eigenem Ermessen durch ein Testament zu verfügen. Sie ist verfassungsrechtlich geschützt und ermöglicht es, Bedingungen und Beschränkungen für die Erbschaft festzulegen, solange diese nicht sittenwidrig sind. Zum Beispiel kann ein Erblasser bestimmen, dass ein bestimmter Erbe nur dann etwas erbt, wenn er eine bestimmte Ausbildung abgeschlossen hat.
Pflichtteilsanspruch
Der Pflichtteilsanspruch ist der gesetzlich garantierte Mindestanteil am Erbe, den nahe Angehörige, wie Kinder oder Ehegatten, erhalten müssen, auch wenn sie im Testament nicht berücksichtigt oder enterbt wurden. Der Pflichtteilsanspruch wird in Geld ausgezahlt und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Zum Beispiel erhält ein enterbtes Kind trotz Enterbung immer noch Anspruch auf seinen Pflichtteil.
Sittenwidrigkeit
Sittenwidrigkeit bezeichnet im juristischen Kontext Handlungen oder Vereinbarungen, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Im Erbrecht bedeutet dies, dass bestimmte Klauseln in einem Testament unwirksam sind, wenn sie als sittenwidrig angesehen werden, etwa wenn ein Erbe völlig grundlos enterbt wird. Ein Beispiel wäre eine Klausel, die jemanden aufgrund seiner Ethnie von der Erbschaft ausschließt.
Enterbung
Enterbung bezeichnet den Vorgang, bei dem ein Erblasser einen gesetzlichen Erben durch Testament von der Erbfolge ausschließt. Der Enterbte verliert dadurch seinen Anspruch als Erbe, behält jedoch grundsätzlich den Pflichtteilsanspruch. Beispielsweise kann ein Erblasser in einem Testament festlegen, dass sein Sohn A. nicht erbt, weil dieser ein bestimmtes Verhalten gezeigt hat, ihm aber der Pflichtteil zusteht.
Privatschriftliches Testament
Ein privatschriftliches Testament ist ein eigenhändig vom Erblasser verfasstes und unterschriebenes Dokument, in dem dieser seine letzten Willenserklärungen niederlegt. Es erfordert keine notarielle Beglaubigung. Ein einfaches Beispiel ist, wenn jemand zu Hause ein Testament eigenhändig schreibt und mit Datum und Unterschrift versieht. Es muss vollständig von Hand geschrieben sein und kann Formulierungen enthalten, die bestimmte Erben bevorzugen.
Heiratsklausel
Eine Heiratsklausel in einem Testament legt fest, dass ein Erbe unter bestimmten Bedingungen von der Erbschaft ausgeschlossen wird, je nachdem, ob er eine bestimmte Person heiratet oder nicht. Diese Klauseln können wirksam sein, solange sie nicht als sittenwidrig gelten. Beispielsweise könnte eine Klausel besagen, dass ein Sohn enterbt wird, wenn er eine bestimmte Partnerin heiratet, was in dem erörterten Fall auch getan wurde.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 33 Wx 325/23 e – Beschluss vom 23.09.2024
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