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Streit der Erben über Beendigung der Testamentsvollstreckung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 8/20 – Beschluss vom 17.02.2020

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 27. August 2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 29. Juli 2019 – 3 VI 750/03 – aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1), 3), 4) und 5) sind Geschwister und Miterben nach der am 4. September 2003 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte mit privatschriftlichen Testamenten vom 3. März 1994 nebst Ergänzung vom 19. Oktober 1994 und vom 6. Oktober 1995 (Bl. 21, 42, 48 in 3 IV 812/88 AG Saarlouis) Testamentsvollstreckung angeordnet; zum Testamentsvollstrecker war der Steuerberater Dipl. Kfm. D. U. bestimmt worden, der das Amt angenommen hatte. Mit Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Saarlouis vom 20. Dezember 2017 wurde der Testamentsvollstrecker – nach vorangegangener Beschwerde gegen die Ablehnung eines entsprechenden Antrages des Beteiligten zu 1), über die der Senat mit Beschluss vom 30. Oktober 2017 – 5 W 31/17, Bl. 805 ff. d.A., entschieden hat – entlassen (Bl. 883 d.A.). In einem den Beteiligten mitgeteilten „Vermerk“ vom 27. März 2018 vertrat das Nachlassgericht sodann die Auffassung, dass mit der Entlassung des Testamentsvollstreckers zugleich die Beendigung der Testamentsvollstreckung eingetreten sei, weil die Erblasserin für diesen Fall keine Vorkehrungen getroffen habe (Bl. 899 d.A.).

In einem an das Nachlassgericht gerichteten Schreiben vom 25. Februar 2019 teilte der Beteiligte zu 2) mit, als Enkel der Erblasserin bei Vollendung des 21. Lebensjahres am 17. August 2019 mit einem Vermächtnis im Gegenwert von 10.000,- DM bedacht worden zu sein, zu dessen Erfüllung er mit Blick auf das Testament anregte, einen neuen Testamentsvollstrecker zu bestimmen (Bl. 902 d.A.). Mit Schreiben vom 2. Mai 2019 stellte auch der Beteiligte zu 1) einen „Antrag zur Einsetzung eines (neuen) Testamentsvollstreckers“ mit der Begründung, der letzte Wille der Verstorbenen sei noch nicht beendet, weil das Vermächtnis an den letzten Enkel der Erblasserin noch nicht erfüllt sei und darüber hinaus vorhandene Nachlasswerte verteilt werden müssten (Bl. 920 GA). Mit Verfügung vom 30. Mai 2019 bat das Amtsgericht den Beteiligten zu 2) unter Hinweis auf seinen „Vermerk“ vom 27. März 2018 und den Antrag des Beteiligten zu 1) um Mitteilung, ob auch er einen förmlichen Antrag auf Einsetzung eines Ersatztestamentsvollstreckers stellen wolle (Bl. 949 d.A). Der Beteiligte zu 2) beantwortete diese Anfrage mit Schreiben vom 7. Juni 2019 dahin, dass wenn gewährleistet sei, dass er sein Vermächtnis zum 21. Geburtstag erhalte, er seinen Antrag auch gerne zurückziehen könne (Bl. 958 d.A.).

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 995 d.A.) hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) als vor dem Nachlassgericht unstatthaft zurückgewiesen. Da unter den Beteiligten streitig sei, ob die Testamentsvollstreckung insgesamt oder nur das Amt eines bestimmten Testamentsvollstreckers erloschen sei, habe darüber das Prozessgericht und nicht das Nachlassgericht zu entscheiden. Die Entlassung eines bestimmten Testamentsvollstreckers könne praktisch zur Folge haben, dass die Vollstreckung überhaupt endige, nämlich wenn der Erblasser nicht für die Ersetzung eines wegfallenden Vollstreckers gesorgt habe; das sei hier auch der Fall, da die Erblasserin in ihrem Testament keine Vorkehrung durch Benennung eines Ersatztestamentsvollstreckers getroffen habe. Dem Beteiligten zu 1) wurde der Beschluss am 3. August 2019 zugestellt; dem Beteiligten zu 2) wurde er laut Verfügung vom 31. Juli 2019 lediglich formlos übersandt mit dem Hinweis, dass, weil er keinen förmlichen Antrag gestellt habe, das Gericht davon abgesehen habe, auf seine Anregung hin einen förmlichen Ablehnungsbeschluss zu erlassen (Bl. 999 d.A.). Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde vom 27. August 2019 (Bl. 1001 d.A.), in der er erneut – auch – darauf hinweist, dass die Aufgaben des Testamentsvollstreckers nicht abschließend erledigt seien, und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. Dezember 2019 (Bl. 1049 d.A.) nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 63 FamFG) eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss vom 29. Juli 2019 hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg und führt unter Aufhebung dieses Beschlusses zur Zurückweisung der Sache an das Nachlassgericht. Die allein auf verfahrensrechtliche Erwägungen gestützte Ablehnung, einen (neuen) Testamentsvollstrecker zu ernennen, war rechtsfehlerhaft mit der Folge, dass eine Entscheidung in der Sache bislang nicht getroffen wurde. Die erforderliche Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass er als Miterbe durch die reine Auswahlentscheidung bzw. die Ablehnung, eine solche gemäß § 2200 Abs. 1 BGB vorzunehmen, in seiner eigenen Rechtsposition betroffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1961 – V ZB 9/61, BGHZ 35, 296; OLG Hamm, NJW-RR 2009, 155).

1.

§ 2200 Abs. 1 BGB weist die Aufgabe, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, unter den dort genannten Voraussetzungen dem Nachlassgericht zu. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Nachlasssache im Sinne des § 342 Abs. 1 Nr. 7 FamFG, die als Angelegenheit der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kraft Gesetzes dem Amtsgericht als Nachlassgericht zugewiesen ist (§ 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG; s. nur Heckschen, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl., Vor §§ 2197-2228 BGB Rn. 21 ff.). Ob das Nachlassgericht einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen soll, richtet sich nach dem Inhalt des Ersuchens des Erblassers; dieses erstreckt sich regelmäßig auch auf die Ernennung eines Nachfolgers, wenn der Ernannte vor der Erledigung aller Verwaltungsaufgaben stirbt, kündigt oder entlassen wird (Zimmermann, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2200 Rn. 3; Kregel, in: BGB-RGRK, a.a.O., § 2200 Rn. 1). Ein wirksames Ersuchen kann nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur der „Erblasser in dem Testament“ stellen (§ 2200 Abs. 1 BGB; vgl. OLG Düsseldorf, ZEV 2018, 660); Beteiligte eines solchen Verfahrens sind dann insbesondere die Erben, die zum Verfahren hinzugezogen werden können und auf ihren Antrag hinzugezogen werden müssen (§ 345 Abs. 3 FamFG). Besteht – wie offenbar auch hier – zwischen den Beteiligten Streit darüber, ob das Amt des Testamentsvollstreckers erloschen oder die Testamentsvollstreckung durch Erledigung der dem Testamentsvollstrecker zugewiesenen Aufgaben beendet ist, so hat hierüber zwar grundsätzlich das Prozessgericht zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1964 – V ZR 37/62, BGHZ 41, 23; Urteil vom 5. Dezember 2007 – IV ZR 275/06, BGHZ 174, 346; BayObLG, FamRZ 1988, 770, m. zahlr. Nachw.). Das Nachlassgericht hat sich jedoch mit einem solchen Streit dann als Vorfrage zu befassen, wenn die Fortdauer des Amtes – wie hier ebenfalls – Voraussetzung für eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu treffende Entscheidung ist (BayObLG, FamRZ 1988, 770; OLG Köln, MDR 1963, 763; OLG Hamm, Rpfleger 1973, 303; Weidlich, in: Palandt, BGB 79 Aufl. § 2225 Rn. 5 und § 2227 Rn. 10; Zimmermann, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl., § 2227 Rn. 13; Staudinger/Wolfgang Reimann (2012) BGB § 2227, Rn. 37; Kregel, in: BGB-RGRK 12. Aufl. § 2227 Rn. 3). Dies folgt aus der Rechtspflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 26 FamFG) und über das Ersuchen ohne Beschränkung auf die von den Beteiligten vorgebrachten Gründe zu entscheiden. Wenn daher wie im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Einsetzung eines neuen Testamentsvollstreckers von dieser Vorfrage abhängt, so ändert das nichts daran, dass das Nachlassgericht gehalten ist, diese Entscheidung gemäß § 2200 BGB nach Prüfung aller Vorfragen in eigener Zuständigkeit zu treffen. Die in der Ablehnung des „Antrages“ des Beteiligten zu 1) liegende Weigerung, dem nachzukommen, war daher rechtsfehlerhaft.

2.

Die Sache ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Nachlassgericht zurückzuverweisen, damit dieses nach Durchführung der gebotenen Ermittlungen (§ 26 FamfG), insbesondere Klärung der Vorfrage, ob die Testamentsvollstreckung nach Entlassung des bisherigen Testamentsvollstreckers fortbesteht, eine eigene Sachentscheidung über die Ernennung eines (neuen) Testamentsvollstreckers treffen kann. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG darf das Beschwerdegericht eine Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat; diese Voraussetzung ist immer dann erfüllt, wenn eine Entscheidung über das verfahrensgegenständliche Rechtsverhältnis – gleich aus welchen Gründen – noch nicht in der gebotenen Weise umfassend getroffen wurde; denn anderenfalls würde den Beteiligten eine Tatsacheninstanz genommen (Sternal, in: Keidel, a.a.O., § 69 Rn. 14; vgl. OLG München, NJW-RR 2011, 594). Das ist hier der Fall, weil sich das Amtsgericht bislang nur mit der Statthaftigkeit des Antrages des Beteiligten zu 1) befasst und in der Sache nicht umfassend geprüft hat, ob im Übrigen die Voraussetzungen für die Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers vorliegen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Klärung der vom Nachlassgericht bereits angerissenen Vorfrage, ob infolge der Entlassung des bisherigen Testamentsvollstreckers auch der Grund für die Testamentsvollstreckung insgesamt entfallen ist, kann nur auf der Grundlage einer erschöpfenden, alle Umstände in Betracht ziehenden Auslegung des Testaments getroffen werden, die bislang nicht einmal ansatzweise erfolgt ist. Entscheidend ist insoweit auch nicht allein der Wortlaut, sondern ob die Gesamtheit der testamentarischen Verfügungen den Willen des Erblassers erkennen lässt, dass die Testamentsvollstreckung bis zur Erledigung der Aufgaben durch- bzw. weitergeführt werden soll. Dazu sind die Gründe zu ermitteln (§ 26 FamFG), die den Erblasser zu seiner Anordnung bestimmt haben und ob diese Gründe von seinem Standpunkt auch dann noch fortbestehen, wenn die benannte Person wegfällt; dazu muss der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (vgl. BayObLG, FamRZ 2003, 789; OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 891; OLG Hamm, ZEV 2015, 532; OLG Schleswig, NJW-RR 2016, 903; OLG Düsseldorf, ZEV 2018, 660; Weidlich, in: Palandt, a.a.O., § 2200 Rn. 2). Dies ist bislang nicht geschehen und wird vom Ausgangsgericht nachzuholen sein. Eine Zurückverweisung erscheint nicht zuletzt auch deshalb geboten, weil die Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers nur durch das Nachlassgericht vorgenommen werden kann, der Senat die Ernennung mithin selbst nicht vornehmen dürfte (§ 2200 Abs. 1 BGB; vgl. Zimmermann, in: Keidel, a.a.O., § 345 Rn. 46).

4.

Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedurfte es nicht (§ 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG). Über die Frage, ob eine Erstattung der zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten stattfinden soll und wer diese gegebenenfalls zu tragen hat, wird das Amtsgericht zu befinden haben (vgl. Sternal, in: Keidel a.a.O. § 69, Rn. 16, 39a).

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 70 FamFG) nicht zuzulassen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist mit 10 Prozent des Nachlasswertes anzusetzen (§ 65 GNotKG; vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2017 – 5 W 31/17, Bl. 805 ff. d.A.; Beschluss vom 30. Januar 2018 – 5 W 95/17, NJW-RR 2018; OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 488). Diesen schätzt der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – wie schon im Rahmen des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens – auf 50.000,- Euro.

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