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Stufenklage des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings gegen Vertragserben

LG Bonn – Az.: 1 O 384/16 – Teilurteil vom 19.05.2017

Die Klage wird auf der ersten Stufe, betreffend die Feststellung der Erledigung der Auskunftsklage und betreffend die Vorlage eines Sachverständigengutachtens (Klageanträge zu I. und II.), sowie auf der zweiten Stufe, betreffend die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben (Klageantrag zu III.), abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Am 27.10.2015 verstarb in X Herr M, aus dessen erster geschiedener Ehe die Klägerin als einziges gemeinsames Kind hervorgegangen ist. Die Beklagte ist die (zweite) Ehefrau des Erblassers. Aus dieser Ehe ist mit Herrn M2 ein weiteres Kind hervorgegangen.

Mit notariellem Vertrag vom 21.12.2006 (Anlage H3 = Bl…. – … d.A.) setzten sich der Erblasser und die Beklagte gegenseitig als Alleinerben ein.

Auf die Aufforderungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.01., 26.04. und 07.07.2016 (Anlagen H5 bis H7 = Bl…. – … d.A.) übersandte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.07.2016 (Anlage H8 = Bl…. – … d.A.) ein Nachlassverzeichnis (Anlage H9 = Bl…. – … d.A.). Die weiteren Nachfragen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23.08.2016 (Anlage H10 = Bl…. – … d.A.) beantwortete die Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter dem 20.09.2016 (Anlage H11 = Bl…. – … d.A.) sowie mit weiterem Schreiben vom 22.10.2016 nebst Anlagen (Anlage H12 = Bl…. – … d.A.).

Zwischenzeitlich beantragte die Klägerin durch notarielle Urkunde vom 14.09.2016 (Anlage H4 = Bl…. – … d.A.) mit der Begründung, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrages nicht (mehr) testierfähig gewesen, einen gemeinschaftlichen Erbschein mit der Inhalt des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge, wonach die Beklagte zu ½ Anteil, die Klägerin zu ¼ Anteil und Herr M2 zu ¼ Anteil Erben geworden sind. Dieses Verfahren ist bei dem Amtsgericht X – … VI …/… – anhängig.

Die Klägerin stützt ihren Auskunfts- und Wertermittlungsantrag in erster Linie auf eine Pflichtteilsberechtigung und Pflichtteilsergänzungsberechtigung, hilfsweise auf ihre Stellung als Erbin.

Sie behauptet, die erteilten Auskünfte seien unvollständig, weil der Erblasser mindestens sechs wertvolle Jagdwaffen hinterlassen habe. Auch das Mehrfamilienhaus T-Straße in X2 sei nicht nur zu dem beurkundeten Verkaufspreis von 70.000,00 EUR, sondern zu einem inoffiziell geflossenen Kaufpreisteil in einer Größenordnung von weiteren 100.000,00 EUR verkauft worden. Unter den nach den Angaben der Beklagten für 50,00 EUR veräußerten 5 Bildern habe sich das in der Anlage H17 (Bl…. – … d.A.) abgebildete und auf der Internet-Plattform „eBay“ zu seinem zutreffenden Wert von 4.900,00 EUR angebotene Bild „P“ von X3 befunden. Von den weiteren – unstreitig im Nachlass vorhandenen – Bildern würden nunmehr auf der Internet-Plattform „eBay“ zu folgenden zutreffenden Wert- und Verkaufspreisen angeboten:

I „G“ für 1.900,00 EUR (Anlage H14 = Bl…. – … d.A.), Romantiker „X4“ für 1.490,00 EUR (Anlage H15 = Bl…. – … d.A.) und N2 „T2“ für 3.900,00 EUR (Bl…. – … d.A.).

Mit der Beklagten am 25.01.2017 zugestellter Stufenklage hat die Klägerin angekündigt zu beantragen, die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen,

I. Auskunft zu erteilen

1. über alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen (§ 2325 BGB), die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen;

2. über alle ungeklärten Zuwendungen und Veräußerung des Erblassers zu Lebzeiten, deren Umstände es nahelegen, es handele sich wenigstens zum Teil um eine Schenkung.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Auskunftsantrag zu I.1. und I.2. für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Die Klägerin beantragt,

II. die Beklagte weitergehend zu verurteilen, über den Wert

1. der im Nachlass befindlichen Bilder

2. des im Nachlass befindlichen Rasenmähertraktors

3. im Nachlass befindlichen Kfz-Anhänger

ein Sachverständigengutachten vorzulegen;

III. nach Erledigung der Stufe I. die Vollständigkeit und Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Klagebegehren mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 254 ZPO zulässige Stufenklage der Klägerin ist auf den ersten beiden Stufen der Feststellung der Erledigung (§§ 264 Ziffer 2., 256 Abs.1 ZPO) hinsichtlich der Auskunftserteilung (ursprünglicher Klageantrag zu I.1. und 2.), der Wertermittlung (Klageantrag zu II.) sowie der eidesstattlichen Versicherung (Klageantrag zu III.) nicht begründet. Die Klage war deshalb insoweit durch Teilurteil abzuweisen (§ 301 Abs.1 Satz 1 ZPO).

1. Die nunmehr auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreites hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages zu I.1. und 2. gerichtete Klage ist nicht begründet, da es insoweit an einer Erledigung des Rechtsstreites im Rechtssinne fehlt. Denn der mit der Klage ursprünglich verfolgte Auskunftsantrag war nicht begründet und ist nicht erst durch ein nachträgliches (erledigendes) Ereignis gegenstandlos beziehungsweise unbegründet geworden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91a Rd.43f.).

Dies folgt daraus, dass die Beklagte die begehrten Auskünfte bereits vorgerichtlich erteilt hat und ein hierauf gerichteter etwaiger Anspruch der Klägerin damit gemäß § 362 Abs.1 BGB erloschen ist. Bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 18.07.2016 (dort Seite 2 = Bl…. d.A.) hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass sie kein Vermächtnis und/oder unbenannte Zuwendungen oder sonstige Zuwendungen des Erblassers erhalten habe und ihr auch über Schenkungen des Erblassers an Dritte oder ausgleichspflichtige Zuwendungen nichts bekannt sei.

Den daraufhin klägerseits unter dem 23.08.2016 (dort S.3, unter 11. = Bl…. d.A.) formulierten Hinweis, dass sich die Beklagte fehlende Kenntnisse durch Nachfragen, etwa bei Herrn E als früherer bester Freund des Erblassers verschaffen müsse, hat die Beklagte unwidersprochen mit Schreiben vom 20.09.2016 (dort S.3, zu 10. = Bl…. d.A.) entgegengesetzt, dass dieser Freund seit vielen Jahren tot sei und sie ihre Angaben nach besten Möglichkeiten gemacht habe. Auch soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine zuwendungsbegründende Beteiligung der Beklagten an einem inoffiziell geflossenen Kaufpreisteil in einer Größenordnung von weiteren 100.000,00 EUR behauptet (so schon Schreiben vom 23.08.2016, S.2f. unter 9.), ist die Beklagte diesem bereits vorgerichtlich mit Schreiben vom 20.09.2016 (dort S.3, zu 9.) substantiiert entgegen getreten.

Ein noch zu erfüllender Auskunftsanspruch der Klägerin bestand deshalb bei Klageerhebung, ungeachtet der Frage der Schlüssigkeit ihres Vorbringens zu einem unwirksamen Erbvertrag einerseits und der dennoch primär verfolgten Pflichtteilsberechtigung andererseits (vgl. LG Hamburg DtZ 1994, 316, 317), nicht.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Vorlage von Sachverständigengutachten in dem mit dem Klageantrag zu II. verfolgten Umfang.

Zwar ist die auf den Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung (S.1 des Sitzungsprotokolls = Bl…. d.A.) durch die Klägerin ausdrücklich formulierte nachträgliche Klagehäufung in Eventualstellung (§§ 260, 263 ZPO; vgl. BGH NJW 2014, 3314; MüKo/Becker-Eberhard, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 260 Rd.20) nicht schon deshalb prozessual unzulässig, weil sich die Klägerin mit dem Hauptvorbringen einer Stellung als Pflichtteilsberechtigte und ihrem Hilfsvorbringen einer (Mit-)Erbenstellung auf zwei sich inhaltlich widersprechende Lebenssachverhalte beruft (vgl. BGH, aaO.; MüKo/Becker-Eberhard, aaO., § 260 Rd.21; MüKo/Fritsche, ebenda, § 138 Rd.11 jeweils m.w.N.).

Allerdings begründet weder das Haupt- noch das Hilfsvorbringen der Klägerin einen derartigen Anspruch.

Ein pflichtteilsrechtlicher Wertermittlungsanspruch der Klägerin aus § 2314 Abs.1 Satz 2 BGB besteht nicht, da dieser Anspruch voraussetzt, dass sich die Klägerin ohne die Sachverständigengutachten kein angemessenes Bild über den Wert der ihrem Antrag zugrundeliegenden Nachlassgegenstände machen kann (vgl. OLG Köln ZEV 2016, 77, 78; Bamberger/Roth/Müller, BeckOK-BGB, 42.Edit. 2017, § 2314 Rd.31; Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2314 Rd.14 jeweils m.w.N.). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck dieses Anspruches, dem Pflichtteilsberechtigten die Bezifferung seines Pflichtteils zu ermöglichen (MüKo/Lange, BGB, 7. Aufl. 2017, § 2314 Rd.17; Palandt/Weidlich, aaO.).

Wie demgegenüber aus dem im Tatbestand zitierten Vorbringen der Klägerin einschließlich der dort aufgeführten Anlagen klar hervorgeht, verfügt die Klägerin bereits hinsichtlich der Bilder über alle zur Bezifferung ihrer behaupteten Ansprüche erforderlichen Informationen, während die Beklagte lediglich noch über die der Klägerin mit vorgerichtlichem Schreiben vom 22.10.2016 übersandte Verkaufsquittung (Bl…. d.A.) verfügt.

Gleiches gilt für die weiteren Gegenstände Traktor und Kfz-Anhänger. Denn die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 22.10.2016 über den Rasentraktor eine Schätzung der Firma N über einen aktuellen Zeitwert von 300,00 EUR (Bl…. d.A.) und über den Anhänger ein Angebot der Kfz-Meisterwerkstatt N3 über 200,00 EUR übersandt (Bl…. d.A.). In Anbetracht der überschaubaren technischen Komplexität dieser Bewertungen, genügen diese Unterlagen (vgl. auch Bamberger/Roth/Müller, aaO., § 2314 Rd.30) im vorliegenden für die Erfüllung eines vorprozessual möglichweise bestandenen Wertermittlungsanspruches der Klägerin.

Für einen allenfalls aus § 242 BGB abzuleitenden etwaigen Auskunftsanspruch der Klägerin als Miterbin (vgl. nur Palandt/Weidlich, aaO., § 2038 Rd.14 m.w.N.) gelten diese Erwägungen erst Recht.

3. Der auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben der Beklagten gerichtete Klageantrag zu Ziffer III. ist gleichsam nicht begründet.

Die hierfür in den §§ 2314 Abs.1 Satz 2 und 3, 2057 Satz 2, 260 Abs.2 BGB formulierten gesetzlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Danach setzt ein Anspruch auf Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, dass der Verpflichtete die erteilten schriftlichen Auskünfte – hier das im Tatbestand zitierte Nachlassverzeichnis einschließlich der erläuternden Korrespondenz – nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt beziehungsweise die Angaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt getätigt hat (vgl. KG, Urteil vom 12.06.2014 – 1 U 32/13 – juris Rd.25 = ErbR 2016, 278ff. – zum notariellen Nachlassverzeichnis; Palandt/Grüneberg, aaO., § 259 Rd.13 m.w.N.).

Konkrete Umstände, die diese Anspruchsvoraussetzungen begründen könnten sind hier aber weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan worden. Vielmehr zeigen die im Tatbestand dieses Urteils zitierten und oben unter Ziffer 1. dargestellten Angaben, dass die Beklagte ihren Auskunftspflichten vollständig nachgekommen ist. Warum diese vorprozessual erteilten Angaben unsorgfältig oder unvollständig sein könnten, begründet die Klägerin nicht schlüssig (vgl. auch Palandt/Weidlich, aaO., § 2314 Rd.11 m.w.N.).

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