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Stufenklage Pflichtteil – dritte Stufe nach Wertermittlungsantrag

LG Waldshut-Tiengen, Az.: 1 O 91/13, Urteil vom 02.08.2016

1. Die Klage wird auf ihrer dritten Stufe als unzulässig abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger drei Viertel und die Beklagten als Gesamtschuldner ein Viertel zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten bzw. der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten im Rahmen einer gestuften Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsklage nach Auskunft und eidesstattlicher Versicherung Wertermittlung in Hinsicht auf zwei Grundstücke.

Die Parteien sind drei von sechs Kindern der am 16. April 2012 verstorbenen Magdalena B. (im folgenden: die Erblasserin), deren Ehemann bereits 20 Jahre zuvor vorverstorben war. Die Beklagten sind die alleinigen testamentarischen Erben der Erblasserin.

Ursprünglich hat der Kläger angekündigt, zu beantragen, die Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

1. in der ersten Stufe

a) Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 16. April 2012 verstorbenen Magdalena B., geb. am .. 1923, [Erblasserin] zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im Einzelnen umfasst:

aa) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen [Aktiva], einschließlich der wesentlichen Berechnungsfaktoren,

bb) alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten [Passiva],

cc) alle Schenkungen [einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen sowie ehebezogener Zuwendungen],

i. die die Erblasserin in ihren letzten zehn Lebensjahren getätigt hat;

ii. die die Erblasserin zu ihren Lebzeiten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs- oder Wohnungsrechts oder sonstigen Nutzungs- oder Rückforderungsvorbehalten getätigt hat;

dd) alle Verträge zu Gunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere Lebensversicherungen, Unfallversicherungen und Bausparverträge,

ee) alle unter Abkömmlingen ausgleichungspflichtigen Zuwendungen gemäß §§ 2050 ff. BGB, die die Erblasserin zu Lebzeiten an ihre Abkömmlinge getätigt hat,

2. in der zweiten Stufe

für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben haben, als sie dazu imstande sind,

3. in der dritten Stufe

an den Kläger den Pflichtteil und eine etwaige Pflichtteilsergänzung in Höhe von 1/12 des sich aus der Auskunft und der [vorbehaltenen] Wertermittlung ergebenden Nachlasswertes nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen abzüglich am 04.06.2013 bezahlter 12.000,00 €.

Nachdem die Beklagten in der Klageerwiderung und weiteren Schriftsätzen jeweils nebst zugehöriger Anlagen dem Kläger Auskunft erteilt haben, hat der Kläger den Klageantrag Ziff. 1 in der Hauptsache für erledigt erklärt und angekündigt, nunmehr den Antrag Ziff. 2 zu stellen (Schriftsatz vom 28. Januar 2014, AS 113). Diesen Antrag hat der Kläger sodann im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. April 2014 gestellt. Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen (AS 159). Mit rechtskräftigem Teil-Urteil vom 9. Mai 2014 hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses bei der Errichtung des notariellen Verzeichnisses gemäß Urkunde des Notariats I Waldshut-Tiengen vom 30. September 2013 – 1 UR 1905/2013 – so vollständig angegeben haben, als sie dazu imstande sind (AS 171).

Zuletzt hat der Kläger die Beklagten vergeblich aufgefordert, die Werte zweier Grundstücke durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen.

Der Kläger ist der Auffassung, es sei ohne weiteres zulässig, erst in diesem Stadium des Rechtsstreits von den Beklagten Wertermittlung zu begehren. Insoweit handle es sich um einen eigenständigen Anspruch, der in einem Stufenverhältnis zur Auskunftsstufe stehe. Die Stufenklage sperre auch nicht die Erweiterung der Klage durch ein entsprechendes Wertermittlungsbegehren. Überhaupt könne Wertermittlung erst verlangt werden, wenn die Auskunft erteilt und die Richtigkeit der Auskunft an Eides statt versichert worden sei. Im Ergebnis handle es sich um eine zulässige Klageerweiterung, die zwischen die zweite Stufe und die bisherige dritte Stufe der Stufenklage eine neue dritte Stufe treten lasse und die bisherige dritte Stufe zur vierten Stufe mache.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Werte der Grundstücke Flurstück Nr. 48, Ba.weg …, und Flurstück Nr. 83, Ba.weg …, beide in … St., eingetragen im Grundbuch von U. Nr. 135, jeweils zum Stichtag 16.04.2012 und zum Stichtag 25.02.1994 zu ermitteln.

Die Beklagten beantragen, den Antrag des Klägers auf Wertermittlung als unzulässig abzuweisen.

Sie machen geltend, dem Kläger sei grundsätzlich verwehrt, nach Erwirken eines Teilurteils auf der zweiten Stufe seiner Stufenklage auf die erste Stufe der Auskunft und Wertermittlung zurückzukehren. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Grundsatz seien nicht erfüllt, zumal die Beklagten im notariellen Nachlassverzeichnis Verkehrswerte für die Grundstücke angegeben und im Rahmen der gegen die Beklagten gerichteten Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil die Richtigkeit dieser Verkehrswert versichert hätten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist auf ihrer dritten Stufe unzulässig.

Die Stufenklage sieht eine sukzessive Antragstellung des Klägers, ein sukzessives Verhandeln der Parteien und ein sukzessives Entscheiden des Gerichts vor. Nach erteilter Auskunft und eidesstattlicher Versicherung muss der Kläger den Hauptsacheanspruch im Sinne von § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO beziffern (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 254 Rn. 7, 11; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 254 Rn. 4, 6; Schellhammer, Zivilprozess, 15. Aufl. 2016, Rn. 158). Dies hat der Kläger nicht getan.

Sein Begehren nach Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutet einen Rückschritt auf die erste Stufe der Stufenklage. Der Anspruch auf Wertermittlung ist nämlich der Sache nach ein Auskunftsanspruch. Das Oberlandesgericht Schleswig spricht in dem Zusammenhang davon, das Gesetz gewähre den Auskunftsanspruch in verschiedenen Stärkegraden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 2011, 946). Der Auskunftsanspruch wiederum kann im Wege der Stufenklage auf der ersten prozessualen Stufe geltend gemacht werden. Diese erste Stufe besteht im Antrag auf Auskunftserteilung, gegebenenfalls Wertermittlung, während die zweite prozessuale Stufe im Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und die dritte prozessuale Stufe im Leistungsantrag (Zahlung des Pflichtteils) besteht (vgl. BeckOK/J. Mayer, BGB, 39. Edition, Stand: 01.05.2015, § 2314 Rn. 28 m.w.N.; Staudinger/Herzog, BGB, Neubearb. 2015, § 2314 Rn. 155 f.; ähnlich OLG München, BeckRS 20112, 03336 unter II 1: Auskunft und Wertermittlung als zwei Anträge derselben ersten Stufe).

Zwar ist es prozessual zulässig, im Rahmen der Stufenklage von zwei Stufen die erste Stufe und von drei Stufen eine der oder die ersten beiden Stufen zu überspringen. Auch soll es möglich sein, entgegen der schriftsätzlichen Ankündigung eines vorläufig bezifferten Leistungsantrags auf der dritten Stufe den ursprünglich für die zweite Stufe angekündigten Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu stellen (vgl. OLG München, BeckRS 2012, 03336; s.a. MK/Lange, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2314 Rn. 45, sowie Staudinger/Herzog, § 2314 BGB Rn. 159, die – irreführend – in dem Zusammenhang von der Möglichkeit sprechen, von der dritten in die zweite Stufe zurückzukehren). Nach Verhandlung und Entscheidung über die zweite Stufe der dreistufigen Stufenklage ist es jedoch prozessual unzulässig, auf die erste Stufe zurückzukehren.

Es gibt auch im konkreten Fall keinen Grund, einen solchen Rückschritt zuzulassen. Die beiden Grundstücke, deretwegen der Kläger Wertermittlung begehrt, sind den Beklagten von der Erblasserin mit Übergabevertrag vom 25. Februar 1994 zugewendet worden (Anl.heft, Anl. B 2, § 1). Diesen Übergabevertrag haben die Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegt (S. 3 = AS 27). Zugleich haben sie den Wert der beiden Grundstücke mit 29.971 Euro und 9.487,80 Euro beziffert (S. 11 = AS 43). Diese Angabe ist im notariellen Nachlassverzeichnis wiederholt worden (Anl.heft, nach Anl. B 18, S. 3), das mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013 zu den Akten gereicht worden ist (AS 57). Es wäre damals am Kläger gewesen, sich auf der Grundlage dieser Auskunft darüber schlüssig zu werden, mit der Wertermittlung einen Auskunftsanspruch von höherem Stärkegrad gerichtlich geltend zu machen. Dies wäre im Wege der Klageerweiterung auf der ersten prozessualen Stufe oder auf einer neuen zusätzlichen zweiten Stufe ohne weiteres zulässig gewesen (vgl. BeckOK/Bacher, ZPO, 20. Edition, Stand; 01.03.2016, § 254 Rn. 8, unter Hinweis auf BGH, NJW 2001, 833). Stattdessen hat der Kläger auf der zweiten prozessualen Stufe geltend gemacht, die Beklagten treffe die „Verpflichtung, die Richtigkeit der Angaben zu Umfang und Wert beeinträchtigender Schenkungen eidesstattlich zu versichern“ (S. 4 des Schriftsatzes vom 28. Januar 2014, AS 116). An dieser Entscheidung, die erste Stufe zu verlassen und zu überspringen und den Prozess auf der zweiten Stufe zu verhandeln und entscheiden zu lassen, muss sich der Kläger festhalten lassen.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2016 (AS 217) hat der Kläger das Verfahren wieder in Gang gesetzt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 254 Rn. 21). Da sich das Verfahren nach den ersten beiden Stufen nunmehr in der dritten Stufe befindet, hat das Gericht über diese dritte Stufe der Klage zu entscheiden gehabt. In der Terminsverfügung vom 29. Juni 2016 hat es darauf hingewiesen, der Kläger müsse nach erteilter Auskunft und eidesstattlicher Versicherung den Hauptsacheanspruch beziffern (AS 223). In dem Antrag, die Beklagten zur Wertermittlung zu verurteilen, an welchem Antrag der Kläger trotz des gerichtlichen Hinweises festgehalten hat, liegt zugleich die Weigerung, die allein noch anhängige dritte, auf unbestimmte Zahlung gerichtete Stufe zu beziffern. In einem solchen Fall muss über diese dritte Stufe entschieden werden, gegebenenfalls im Wege des Prozessurteils durch Abweisung als unzulässig (vgl. OLG Zweckbrücken, Urt. v. 22.06.1983, 2 UF 34/83, BeckRS 2010, 09594; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 254 ZPO Rn. 19; MK/Becker-Eberhard, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 254 Rn. 21; Schellhammer, aaO.).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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