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Teilnachlasspflegschaft bei unbekanntem Miterben

OLG Frankfurt – Az.: 21 W 123/18 – Beschluss vom 08.03.2019

Auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 8) vom 10.07.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) vom 02.07.2018 abgeändert.

Die durch Beschluss des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) vom 03.02.2012 angeordnete Nachlasspflegschaft wird hinsichtlich der Erbteile, für die durch die gemeinschaftlichen Teilerbscheine vom 17.06.2015 und 23.04.2015 Miterben ausgewiesen sind, aufgehoben und bleibt als Teilnachlasspfleg-schaft für den noch verbleibenden restlichen Erbteil von 1/24 weiter angeordnet.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.350 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der unverheiratete und ohne Abkömmlinge verstorbene Erblasser hat keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Friedberg (Hessen) hat mit Beschluss vom 03.02.2012 (Bl. 32 d.A.) die Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Ermittlung der Erben“ und „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ angeordnet und die Beteiligte zu 9) zur Nachlasspflegerin bestellt.

Durch gemeinschaftlichen Teilerbschein vom 17.06.2015 (Bl. 372 d.A.) werden die Miterben der väterlichen Linie für die Hälfte des Nachlasses (48/96) ausgewiesen. Durch gemeinschaftlichen Teilerbschein vom 23.04.2015 (Bl. 366 d.A.) werden für die mütterliche Linie die Beteiligten zu 1) bis 8) als Miterben von insgesamt 44/96 des Nachlasses des Erblassers ausgewiesen.

Als Miterbin für den restlichen Anteil von 1/24 (4/96) der mütterlichen Linie wurde eine Frau A geb. B ermittelt. Diese wurde unter dem Betreff „Erbenermittlung B“ mit Schreiben vom 02.08.2012, 04.09.2012 und 25.01.2013 (Bl. 591 ff. d.A.) von dem durch die Nachlasspflegerin beauftragten Erbenermittler angeschrieben. Der Name des Erblassers wurde in den Schreiben nicht mitgeteilt. Frau A hat auf die Schreiben und weitere Versuche der Kontaktaufnahme nicht reagiert.

Über einen Gesamtbetrag in Höhe von 450.000 € ist unter den durch die Teilerbscheine ausgewiesenen Miterben eine Abschlagsverteilung gemäß den in den Erbscheinen genannten Quoten erfolgt (Bl. 453 d.A.). Im Übrigen hat die Nachlasspflegerin gemäß Hinterlegungsbescheinigung (…/2018) vom 06.06.2018 (Bl. 526 d.A.) einen Betrag von 172.624,21 € hinterlegt und als Empfangsberechtigte die Erben des Erblassers angegeben. Das Finanzamt Stadt1 hat gemäß Hinterlegungsbescheinigung (…/2018) vom 23.07.2018 (Bl. 526 d.A.) einen Betrag von 4.530 € hinterlegt und als Empfangsberechtigte die Erben des Erblassers angegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.07.2018 (Bl. 531 d.A.) hat das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) bis 8) mit dem am 11.07.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 541 d.A.) Beschwerde eingelegt. Sie vertreten die Ansicht, die Nachlasspflegschaft hätte nicht insgesamt aufgehoben werden dürfen, sondern hätte für einen 1/24-Anteil des Nachlasses aufrechterhalten werden müssen, da die Annahme der Erbschaft durch die Miterbin A ungewiss sei.

Mit Beschluss vom 09.08.2018 (Bl. 569 d.A.) hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Aufgabenkreis der Nachlasspflegerin sei erschöpft, da alle Erben ermittelt worden seien. Auch die Miterbin A sei über ihre Erbenstellung informiert worden, eine ausdrückliche Annahmeerklärung sei nicht erforderlich. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gehöre nicht zu den Aufgaben der Nachlasspflegerin.

Ergänzend wird auf die zur Akte gereichten schriftlichen Ausführungen der Beteiligten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats bei dem Nachlassgericht eingegangen (§ 63 FamFG).

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Wurde die Nachlasspflegschaft wegen Unbekanntheit des Erben angeordnet, so genügt es nicht, dass der unbekannte Erbe ermittelt ist, es muss auch feststehen, dass er Erbe bleibt, also angenommen hat (Staudinger/Mešina (2017) BGB § 1960, Rn. 56). Davon kann hier hinsichtlich des restlichen 1/24 Erbteils der Miterbin A nicht ausgegangen werden. Eine ausdrückliche oder konkludente Annahme der Erbschaft fehlt. Es kann aber auch nicht festgestellt werden, dass die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist und mit dem Ablauf der Frist die Erbschaft als angenommen gilt. Die Frist für die Ausschlagung beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Die Kenntnis vom Erbanfall erfordert die Kenntnis der den Anfall begründenden Tatsachen, also die Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls und bei gesetzlicher Erbfolge das sie begründende verwandtschaftliche Verhältnis, das Fehlen eines vorrangig berufenen Erben sowie einer die gesetzliche Erbfolge ausschließenden letztwilligen Verfügung. Hier scheitert die erforderliche Kenntnis bereits daran, dass der Miterbin A die Person des Erblassers nicht bekannt war. Denn der Name des Erblassers wurde ihr – dem Geschäftsmodell des Erbenermittlers entsprechend – in den Schreiben vom 02.08.2012, 04.09.2012 und 25.01.2013 (Bl. 591 ff. d.A.) nicht mitgeteilt. Damit kann aber nicht festgestellt werden, dass für die Miterbin A die Ausschlagungsfrist begonnen hat.

Ist ein Miterbe unbekannt, so ist für seinen Erbteil im Bedarfsfalle ein Nachlasspfleger zu bestellen, der dann bei der Verwaltung des Nachlasses mit den übrigen bekannten Erben den unbekannten Erben vertritt (OLG Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2010 – I-2 Wx 156/10 -, Rn. 16, juris). Ein Fürsorgebedürfnis im Sinne von § 1960 Absatz 1 S. 1 BGB ergibt sich hier daraus, dass die Beteiligte zu 9) als Teilnachlasspflegerin den unbekannten Miterben des 1/24-Anteils bei einer von anderer Seite betriebenen Auseinandersetzung vertreten kann (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Juli 2014 – I-10 W 112/14 -, Rn. 13, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG. Für den Senat ergeben sich im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung (vgl. BGH, FamRZ 2016, 218) keinerlei Anhaltspunkte, nach denen aus Billigkeitserwägungen eine Erstattung außergerichtliche Kosten vorzunehmen wäre.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61, 64 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags des Beschwerdeführers dient. Die Beschwerdeführer verfolgen mit ihrer Beschwerde die Aufrechterhaltung der Nachlasspflegschaft als Teilnachlasspflegschaft. Nach § 64 GNotKG richtet sich der Geschäftswert für eine Nachlasspflegschaft nach dem Wert des von der Verwaltung betroffenen Vermögens. Maßgebend ist folglich der Wert des Erbteils, für den die Teilnachlasspflegschaft begehrt wird. Diesen schätzt der Senat auf 25.350 € (172.624,21 € plus 4.530 € = 177.154,21 € minus 18.750 € [1/24-Anteil von 450.000 €] = 158.404,21 € davon 1/24 = 6.600,18 € plus 18.750 € = 25.350,18 €).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Die Entscheidung ist entsprechend rechtskräftig.

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