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Testament – Äußerung eines bloßen Wunsches als rechtsverbindliche Verfügung von Todes

Erbrechtliche Auslegung: Vorerbe und Nacherbe im Testament

Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied, dass der Ehemann der Erblasserin lediglich als Vorerbe für das unbewegliche Vermögen, insbesondere das Hausgrundstück, eingesetzt wurde. Der ursprüngliche Wunsch der Erblasserin, dass der Enkel als Nacherbe das Grundstück erbt, wurde als rechtsverbindliche Verfügung interpretiert.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 117/22>>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Beschwerde: Die Beschwerde der Beteiligten gegen den vorherigen Beschluss wurde abgewiesen.
  2. Bestimmung der Erbfolge: Die Erblasserin setzte in ihrem Testament ihren Ehemann als Vorerben und den Enkel als Nacherben ein.
  3. Testament als rechtsverbindliche Verfügung: Auch ein formulierter Wunsch im Testament kann eine rechtsverbindliche Verfügung darstellen.
  4. Vorerbschaft des Ehemannes: Der Ehemann wurde nur als Vorerbe für das unbewegliche Vermögen bestimmt.
  5. Nacherbschaft des Enkels: Der Enkel sollte nach dem Tod des Ehemannes das Haus erben.
  6. Gesamtrechtsnachfolge: Die Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände ist grundsätzlich unvereinbar mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge.
  7. Auslegung des Testaments: Die genaue Auslegung des Testaments war entscheidend für die Bestimmung der Erbfolge.
  8. Rechtliche Bindung: Die Erblasserin wollte ihren Ehemann rechtlich binden, das Haus an den Enkel zu vererben.

Die juristische Bedeutung von Testamenten im Erbrecht

Das Testament spielt eine entscheidende Rolle im Erbrecht, einem Bereich, der oft von komplexen Fragestellungen und tiefgreifenden Auswirkungen für die Erblasser und ihre Nachkommen geprägt ist. Kern dieses juristischen Feldes ist die rechtsverbindliche Festlegung, wie und an wen das Vermögen und der Nachlass einer verstorbenen Person übergehen sollen. Hierbei geht es nicht nur um die materiellen Werte, sondern auch um die Erfüllung des letzten Willens des Erblassers. Die korrekte Interpretation und Auslegung eines Testaments, insbesondere wenn es um die Äußerung von Wünschen geht, ist oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dabei spielen Schlüsselaspekte wie Verfügung von Todes wegen, Vorerbschaft und Nacherbschaft eine zentrale Rolle und bedürfen einer präzisen juristischen Analyse. Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch, wie solche juristischen Entscheidungen die Wege der Vermögensübertragung prägen und welche Bedeutung der genauen Wortwahl in einem Testament zukommt.

Testament und Erbrecht: Ein Rechtsstreit um letzte Wünsche

Im Zentrum des Falles vor dem Oberlandesgericht Brandenburg stand ein handschriftliches Testament, verfasst von einer Erblasserin, die im Februar 2000 und später im Oktober 2013 ihre letzte Willenserklärung festhielt. Der Fall drehte sich um die Auslegung dieses Testaments, insbesondere um die Frage, ob der Ehemann der Erblasserin als alleiniger Erbe oder als Vorerbe eingesetzt wurde, wobei der Enkel als Nacherbe das Haus erben sollte. Die Beteiligte zu 3, die als Erbin auftrat, argumentierte, dass der Ehemann als Alleinerbe vorgesehen war, während der Beteiligte zu 1, der Enkel, lediglich ein Vermächtnis erhalten sollte.

Die rechtliche Herausforderung: Testamentauslegung und Erbschein

Das Nachlassgericht lehnte den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der den Ehemann als alleinigen Vollerben ausweisen sollte, ab. Es interpretierte das Testament dahingehend, dass der Ehemann nur als Vorerbe und der Beteiligte zu 1 als Nacherbe eingesetzt wurde. Diese Auslegung basierte auf der Annahme, dass die Erblasserin ihren Ehemann lediglich als Vorerben für das unbewegliche Vermögen – das Haus – einsetzen wollte. Dieser Punkt war besonders strittig, da das Testament auch Aussagen über das weitere Vermögen der Erblasserin enthielt, welches über das Haus hinausging.

Vermächtnis oder verbindliche Anordnung?

Eine zentrale Frage in diesem Rechtsstreit war, ob die Erblasserin in ihrem Testament lediglich den Wunsch geäußert hatte, dass ihr Mann das Haus an den Enkel vererben möge, oder ob sie eine verbindliche Anordnung getroffen hatte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Erblasserin tatsächlich eine rechtlich bindende Verfügung getroffen hatte. Dies wurde durch die Interpretation der Testamentstexte unterstützt, in denen die Erblasserin explizit formulierte, dass sie das Haus nach ihrem Tod an den Enkel vererben wolle.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg

Letztendlich bestätigtedas Oberlandesgericht Brandenburg die Auffassung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde zurück. Der Ehemann der Erblasserin wurde als Vorerbe für das Haus eingesetzt, während der Enkel als Nacherbe festgelegt wurde. Das Gericht erklärte, dass der Wunsch der Erblasserin, ihr Vermögen spezifisch zu verteilen, rechtlich bindend war. Die Frage, ob eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge möglich sei, wurde mit Verweis auf den Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge und die Auslegung der testamentarischen Verfügungen beantwortet. Die Entscheidung beleuchtete die Komplexität der Testamentauslegung und die Wichtigkeit der genauen Formulierungen in einem Testament, welche entscheidend für die rechtliche Wirksamkeit der letztwilligen Verfügungen sind.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet eine „Verfügung von Todes wegen“ im Testament?

Eine „Verfügung von Todes wegen“ ist eine schriftliche Anordnung, die eine oder mehrere natürliche Personen für den Fall ihres Todes treffen. Diese Verfügung wird erst nach dem Tod der Person wirksam und regelt häufig Vermögensübergänge. In Deutschland umfasst der Begriff „Verfügung von Todes wegen“ alle rechtsgeschäftlichen Regelungen für den Todesfall, sowohl einseitige als auch vertragliche. Sie werden unterteilt in Testamente (einseitig) und Erbverträge (vertraglich). Testamente und letztwillige Verfügungen sind in § 1937 BGB definiert als einseitige Verfügungen von Todes wegen.

Die Vorerbschaft und Nacherbschaft sind spezielle Formen der Erbeinsetzung, bei denen der Nacherbe die Erbschaft erst erhält, wenn zunächst ein anderer, der Vorerbe, Erbe geworden ist. Mit dem Tod des Erblassers geht die Erbschaft an den Vorerben. Bei Eintritt des Nacherbfalls, d.h. dem Tod des Vorerben, soweit der Erblasser nicht anderweitig verfügt, erhält der Nacherbe den Nachlass als Erbe des Erblassers, nicht des Vorerben (§§ 2100 ff. BGB). Der Vorerbe verwaltet bis zum Nacherbfall den Nachlass und kann für sich auch dessen Erträgnisse vereinnahmen, soll aber die Substanz des Vermögens den Nacherben erhalten. Deshalb darf er grundsätzlich frei über Nachlassgegenstände verfügen (§ 2112 BGB).

Es gibt jedoch Verfügungsbeschränkungen für den Vorerben. Beispielsweise darf der Vorerbe kein Grundstück aus dem Nachlass ohne die Zustimmung des Nacherben veräußern oder verschenken (§ 2113 BGB). Bei Missachtung dieser Verfügungsbeschränkungen sind die daraus resultierenden Rechtsgeschäfte unwirksam. Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, den Vorerben von einigen Beschränkungen und Verpflichtungen zu befreien (§ 2136 BGB).

Der Nacherbe hat bereits vor Eintritt des Nacherbfalls wichtige Rechte gegenüber dem Vorerben. Dazu zählen zum Beispiel das Auskunftsrecht (§ 2121 BGB) und die Hinterlegung, Umschreibung und der Eintrag von Sperrvermerken bei Wertpapieren (§ 2116 ff. BGB).

Ein wichtiger Aspekt bei der Anordnung einer Vorerbschaft und Nacherbschaft kann die erbschaftsteuerrechtliche Doppelbelastung sein. Denn nach dem Erbschaftsteuergesetz handelt es sich um zwei Erbfälle. Grundsätzlich ist bei Tod des Vorerben der Erwerb als vom Vorerben der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Auf Antrag ist jedoch der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 6 Abs. 2 ErbStG).


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 117/22 – Beschluss vom 02.11.2023

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 10.04.2022, Az. 34 VI 217/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: 10.000 €

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 3 begehrt als Erbin des am 18.10.2019 nachverstorbenen W…A… – des Ehemanns der Erblasserin – die Erteilung eines Erbscheins, der diesen als Alleinerben der Erblasserin ausweist.

Die Erblasserin hinterließ ein im Februar 2000 errichtetes und im Oktober 2013 ergänztes handschriftliches Testament, in dem es auf der Vorderseite des Schriftstückes heißt:

„ Ich, H… A…, hinterlasse mein Haus in der P… Straße .., meinem Enkelsohn R… und Mutter B… A… zum freien Bewohnen. [  ]. Nach meinem Tode vererbe ich das Haus meinem Enkel R… A…. Veränderungen am Haus und Unkosten die Anfallen müssen selber getragen werden.

H… A…

F… im Februar 2000

Ich möchte noch hinzufügen, daß kein Dritter an mein Haus Anspruch hat. Sollte mein Enkel das Haus in der P… Straße .. nicht bewohnen oder wegziehen, ist das Geschriebene hinfällig. Bitte wenden“.

Auf der Rückseite hießt es weiter:

„Sollte ich vor meinem Mann sterben, ist mein Mann der alleinige Erbe meines Vermögens und das Haus in der A…P… Straße …

Ich möchte aber, daß mein Mann das Haus in der A… P… Straße .. unserem Enkel R… nach seinem Tode vererbt.

H… A…

1… W… Ortst. F…

1.10.2013“

Die Beteiligte zu 3 meint, aus diesem Testament ergebe sich, dass der Ehemann der Erblasserin deren Alleinerbe geworden sei. Der Enkel R… sei dagegen nur mit einem Vermächtnis bedacht worden.

Der Beteiligte zu 1 geht dagegen davon aus, dass in der letztwilligen Verfügung der Ehemann der Erblasserin als Vorerbe und er selbst als Nacherbe eingesetzt worden sei. Bei dem Grundstück habe es sich um das einzige werthaltige Vermögen der Erblasserin gehandelt.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 10.04.2022 den Antrag zurückgewiesen. Das Testament sei dahin auszulegen, dass die Erblasserin ihren Ehemann als Vorerben und den Beteiligten zu 1 als Nacherben habe einsetzen wollen. Es habe dem Willen der Erblasserin entsprochen, dass ihr Ehemann ihr Grundvermögen, das den wesentlichen Vermögenswert dargestellt habe, erben solle, um es dann an den Enkel weiterzuvererben. Daraus ergebe, sich, dass die Erblasserin gewollt habe, dass letztlich der Beteiligte zu 1 Erbe und somit Eigentümer ihres Grundvermögens werde, sie also eine Vor- und Nacherbschaft habe anordnen wollen.

Die Bedingung für den Eintritt der Nacherbfolge sei eingetreten, da der Beteiligte zu 1 in F… wohne, dort gemeldet sei und die Grundsteuern für das Haus begleiche.

Der Nacherbfall sei aufgrund des Todes des Vorerben eingetreten,

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer Beschwerde.

Sie wendet ein, es habe sich bei dem Hausgrundstück nicht um nahezu den gesamten Nachlass gehandelt, es sei weiteres werthaltiges Vermögen vorhanden gewesen. Die Zuwendung des Grundstücks an den Enkel stelle lediglich ein Vermächtnis da. Jedenfalls sei die Bedingung für den Eintritt des Nacherbfalls nicht eingetreten.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren weitere Auskünfte der Sparkasse O…R… über die Guthaben der Erblasserin zum Zeitpunkt der Ergänzung des Testaments im Jahr 2013 eingeholt.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Der Ehemann der Erblasserin ist nicht unbeschränkter alleiniger Vollerbe am gesamten Nachlass geworden, so dass der beantragte Erbschein so nicht erteilt werden kann. Ob ein Erbschein in anderer Form erteilt werden könnte, bedarf keiner abschießenden Entscheidung, Gegenstand des Erbscheinsverfahrens ist allein der tatsächlich gestellte und zurückgewiesene Erbscheinsantrag.

Zwar hat die Erblasserin in ihrem Nachtrag zum Testament aus dem Jahr 2013 angeordnet, dass ihr Ehemann für den (eingetreten) Fall, dass er vor ihr verstirbt, ihr Alleinerbe werden solle.

Die gebotene Auslegung des Testaments ergibt aber, dass der vorverstorbene Ehemann nicht, wie im Erbscheinsantrag zugrunde gelegt, unbeschränkter alleiniger Vollerbe geworden ist, sondern lediglich Vorerbe nach der Erblasserin geworden ist, wobei sich die Vorerbschaft nach dem Willen der Erblasserin allerdings – anders als das Nachlassgericht meint – nur auf das unbewegliche Vermögen, das heißt das Hausgrundstück beziehen sollte.

1.

Die Erblasserin hat in ihrem Testament die Zuwendung an den Beteiligten zu 1 gegenständlich auf das dort genannte Grundstück beschränkt. Dafür, dass sie damit den gesamten Nachlass erfassen wollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ausdrücklich erwähnt die Erblasserin neben dem Grundstück auch ihr weiteres Vermögen und trennt zwischen beiden. Das Hausgrundstück war auch nicht, wie die Nachfrage bei der Sparkasse Ostprignitz Ruppin ergeben hat, das alleinige Vermögen der Erblasserin. Es bestand Kontovermögen in Höhe von ca 8.000 €.

2.

Dem Testament lässt sich auch entnehmen, dass die Erblasserin rechtsverbindlich anordnen wollte, dass dem Beteiligten nach dem Tod ihres Ehemannes das im Testament genannte Grundstück zufallen sollte.

Dass die Erblasserin nur verfügt hat, dass sie möchte, dass ihr Ehemann das Grundstück (nach seinem Tod) an den Beteiligten zu 1 vererbe, steht dieser Annahme nicht entgegen.

a)

Auch die Äußerung eines bloßen Wunsches kann eine rechtsverbindliche Verfügung von Todes wegen darstellen. So kann ein Testiergebot eines Erblassers als Anordnung einer Nacherbfolge zu verstehen sein. Hierfür erforderlich ist ein Rechtsbindungswillen des Erblassers, an dem es fehlt, wenn der Erblasser nur die unverbindliche Erwartung oder den Wunsch äußert, der Nachlass werde in einem bestimmten Sinne weitervererbt. Ob ein Rechtsbindungswille vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln (Staudinger/ § 2100, Rn 29; Wachter in: Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2019, Rn 39; MüKo, BGB, § 2100, Rn 14).

b)

Hier ergibt die Auslegung, dass die Erblasserin in ihrer Verfügung von Todes wegen nicht nur einen (moralischen) Appell an ihren Ehemann gerichtet hat, er möge das Grundstück in ihrem Sinne an den Beteiligten zu 1 vererben, sondern dass sie verbindlich festlegen wollte, dass dem Beteiligten zu 1 das Grundstück nach dessen Tod auch tatsächlich zufällt. Der Erblasserin kam es darauf an, dass der Beteiligte zu 1 das Hausgrundstück spätestens nach dem Tod ihres Ehemannes erhält. Dies ergibt sich schon aus den Formulierungen in der ursprünglichen Fassung des Testamentes, in dem sie dem Beteiligten zu 1 das Grundstück bereits mit ihrem Tod zuwenden wollte. Dass sich an diesem Willen durch die Abänderung des Testamentes, durch die sie ihren Ehemann als Alleinerben eingesetzt hat, etwas geändert hat, lässt sich nicht feststellen. Sie hat auch in dieser Änderung daran festgehalten, dass letztlich, also nach dem Tod ihres Ehemannes, der Beteiligte zu 1 das Grundstück erhalten sollte. Daraus ergibt sich, dass dies weiterhin das Ziel ihrer Anordnung war, auch wenn sie es nur als Wunsch formuliert hat. Trotz der gewählten Formulierung lässt sich der Schluss ziehen, dass die Erblasserin bereits selbst eine verbindliche Anordnung treffen und nicht ihrem Ehemann die Entscheidung überlassen wollte, ob er ihr diesen Wunsch erfüllte.

3.

Allerdings scheidet eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge in das Grundstück grundsätzlich wegen des das Erbrecht beherrschenden Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) aus. Mit dem Erbfall geht das Vermögen kraft Gesetzes (§ 1922 BGB) rechtlich zwingend insgesamt und ungeteilt „als Ganzes“ auf den/die Erben über. Die Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände ist mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich unvereinbar.

Damit stellt sich für die Auslegung der Verfügung die Frage, wie die von ihr gegenständlich gedachte Zuwendung im Rahmen der möglichen erbrechtlichen Gestaltungsformen zu erfassen ist, damit die von der Erblasserin gewünschte Wirkung eintreten kann (§ 2084 BGB)

Um dem zu Tage getretenen Willen der Erblasserin Rechnung zu tragen, sind unterschiedliche rechtlich wirksame Wege denkbar.

a)

In Betracht kommt eine Auslegung dahin, dass die Erblasserin es bei der Alleinerbestellung ihres Ehemannes belassen wollte und dem Beteiligten zu 1 das Grundstück im Wege eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses zuwenden wollte, und zwar als schuldrechtlichen Anspruch gemäß § 2174 BGB nach dem Tod des letztversterbenden Vollerben. Es würde sich dann um ein auf den Tod des letztversterbenden Erben befristetes Vermächtnis im Sinne des § 2177 BGB handeln, das dem Beteiligten zu 1 einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben des Ehemannes der Erblasserin auf Übertragung des Grundstückes gewähren würde, das jedoch nicht zu Verfügungsbeschränkungen zu Lasten des Erben (hier des Ehemannes) der Erblasserin geführt hätte (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06.10.2015, 2 W 69/15, Rn 21; OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2015, I-15 W 138/15, Rn 20).

b)

Zum anderen kann eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge auch dadurch erreicht werden, dass der Person, die zum Vorerben berufen wird (also hier dem Ehemann der Erblasserin) alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme derjenigen, für die die Vor- und Nacherbschaft gewollt ist, als Vorausvermächtnis zugewendet werden, so dass sich das Recht des Nacherben nur auf dieses bezieht (Hanseatisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn 23). Das Vorausvermächtnis unterliegt als solches nicht der Nacherbfolge vgl. §§ 2150, 2110 Abs. 2, 2174 BGB).

c)

Für die abschließende Auslegung der letztwilligen Verfügung und die Beurteilung, welcher der genannten Wege dem Willen der Erblasserin entspricht, ist es maßgeblich, ob die Erblasserin es bei einem schuldrechtlichen Anspruch des Beteiligten zu1 belassen wollte oder ob sie ihren Ehemann in der Verfügung über das Grundstück zugunsten des Beteiligten zu 1 binden wollte (Hanseatisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn 24; OLG Hamm, a.a.O, Rn 21).

d)

Für das Bestreben der Erblasserin, den Beteiligten zu 1 im Hinblick auf das Grundstück mit der zuletzt getroffenen Verfügung durch eine Stellung als Nacherben abzusichern, spricht, dass sich aus dem gesamten Inhalt des Testaments, auch aus der der letzten Änderung vorangegangenen Verfügung, ergibt, dass es der Erblasserin darauf ankam, dass das Grundstück letztlich dem Beteiligten zu 1 zufällt. In der ersten Fassung hat sie ausdrücklich die Formulierung „vererben“ gewählt. Auch in der Anordnung, das Haus an den Beteiligten zu „vererben“ findet sich diese Formulierung, die für eine starke Stellung des Beteiligten zu 1 und die Absicht der Erblasserin spricht, diesen durch eine Stellung als Nacherben abzusichern. Auch im Hinblick darauf, dass das Grundstück den größten Einzelwert des Nachlasses darstellt, ist davon auszugehen, dass der Wille der Erblasserin dahin ging, den Beteiligten zu 1 durch eine Bindung ihres Ehemannes besonders zu sichern, was nur durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft hinreichend gewährleistet ist.

4.

Wie die im Nachtrag zur letztwilligen vom Februar 2000 enthaltene Bedingung konkret zu verstehen ist und ob diese eingetreten ist, kann dahinstehen.

Denn eine solche Bedingung ist in der maßgeblichen Verfügung vom 1.10.2013, die die Erbfolge für den hier eingetretene Fall abschließend regelt, dass die Erblasserin erst nach ihrem Ehemann verstirbt, nicht enthalten. Die Erblasserin hat mit dieser Verfügung die ursprüngliche Verfügung teilweise, nämlich beschränkt auf den Fall ihres Vorversterbens vor ihrem Ehemann neu geregelt und damit die ursprüngliche Verfügung von Todes wegen teilweise widerrufen. Damit wurde das frühere Testament insoweit aufgehoben, als es eine Regelung auch für den Fall enthalten hat, dass die Erblasserin vor ihrem Ehemann stirbt (§ 2258 Abs. 1 BGB). Daraus, dass die Erblasserin für diesen Fall eine abschließende und umfassende Regelung getroffen hat, ohne die Bedingung nochmals aufzunehmen, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Bedingung für den Fall ihres Vorversterbens keine Gültigkeit haben sollte und der Widerruf sich auch auf diese beziehen sollte. Steht fest, dass die spätere Verfügung nach dem Willen des Erblassers allein und ausschließlich gelten soll, weil er mit dem späteren Testament die Erbfolge abschließend und ausschließlich regeln wollte, liegt auch bei sachlicher Vereinbarkeit mehrerer Verfügungen ein wirksamer Widerruf vor. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser nur für einen Teilbereich eine solche umfassende und abschließende Regelung treffen wollte (Bauermeister in jurisPK BGB, 10. Aufl., § 2258, Rn 8 m.w.N.).

5.

Bei diesem Ergebnis der Auslegung kann der beantragte Erbschein, der den Ehemann der Erblasserin als unbeschränkten alleinigen Vollerben ausweisen soll, nicht erteilt werden, weil er der Rechtslage nicht entspricht. In welcher Form der Erbschein in einer Konstellation wie der vorliegenden zu fassen ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung (zu den erörterten Möglichkeiten vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06.10.2015, 2 W 69/15).

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

 

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